L 3 R 270/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 2 R 172/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 270/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 21. Juli 2008 sowie der Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des auf die Sitzung des Widerspruchsausschusses vom 24. April 2007 erlassenen Widerspruchsbescheides aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. März 2007 bis zum 28. Februar 2013 zu bewilligen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

Der am ... 1951 geborene Kläger absolvierte eine Schulausbildung von acht Klassen. Er durchlief vom 1. September 1965 bis zum 1. Juli 1968 erfolgreich eine Ausbildung zum Maurer und war bis Juli 2001 in diesem Beruf bzw. als Fliesenleger beschäftigt. Im Anschluss daran war er arbeitslos bzw. bezog Sozialleistungen. Bei dem Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 festgestellt.

Auf den ersten Rentenantrag vom 26. Februar 2003 bewilligte die Landesversicherungsanstalt Sachsen-Anhalt (LVA), deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zunächst vom 1. Januar 2003 bis zum 28. Februar 2005. Nach Rücknahme der Klage gegen die Ablehnung einer unbefristeten Rentenbewilligung in einem ersten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stendal (S 2 RJ 28/05) wurde der dort angefochtene Bewilligungsbescheid vom 25. September 2003 bestandskräftig. Auf seinen Weitergewährungsantrag bewilligte die LVA dem Kläger mit Bescheid vom 10. Februar 2005 die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit auf Dauer.

Der Kläger stellte am 31. August 2006 den dem vorliegenden Streitverfahren zugrunde liegenden Antrag auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung mit der Begründung, sein Gesundheitszustand habe sich erheblich verschlechtert. Die LVA zog zunächst die Unterlagen aus dem vorangegangenen Rentenverfahren bei. Nach dem Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 12. November 2002 war der Kläger damals noch in der Lage, leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, mit häufigen Pausen und ohne schweres Heben und Tragen durchzuführen. Nach dem Entlassungsbericht des S. Reha-Klinikums in Bad K. vom 13. Februar 2003 wurde der Kläger aus der dort vom 21. Januar bis zum 11. Februar 2003 durchgeführten stationären Rehabilitationskur mit einem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten zeitweise im Stehen und Gehen und überwiegend im Sitzen, ohne gebückte Zwangshaltungen, von sechs Stunden und mehr täglich entlassen. Aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie und für Neurologie/Psychiatrie Dr. P. vom 6. April 2004 geht hervor, der Kläger habe erstmals im Jahr 1990 ein Schwächegefühl im linken Fuß (Fußheberschwäche) bemerkt. Nachfolgend habe sich eine allmähliche Muskelatrophie des linken Unterschenkels (6,0 cm) und in geringerem Umfang auch des linken Oberschenkels (1,5 cm) herausgebildet. Er habe Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und der Brustwirbelsäule (BWS). Nach der durchgeführten Schulteroperation bestünden nur noch gelegentlich Schmerzen im Schulter-Nacken-Bereich ohne Funktionseinschränkungen. Der Kläger könne als Fliesenleger nur noch unter drei Stunden täglich und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in leichten Tätigkeiten jeweils zeitweise im Stehen, Gehen und Sitzen noch vollschichtig arbeiten. Zu vermeiden seien schwerere Hebe- und Trageleistungen, häufige Bückverrichtungen, hockende und kniende Bewegungsabläufe, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten mit Absturzgefahr, häufiges Treppensteigen sowie Vibrationseinflüsse. Im Ergebnis der Begutachtung hätten mäßiggradige Funktionseinschränkungen der LWS sowie eine inkomplette Peronaeusparese links festgestellt werden können, die mit den röntgenologisch nachweisbaren patho-morphologischen Strukturveränderungen korrelierten. Einschränkungen in Bezug auf das Zurücklegen von Wegstrecken zur Arbeit zu Fuß oder mit dem Öffentlichen Personennahverkehr bestünden nicht.

Aus der vom 25. Januar bis zum 15. Februar 2005 in dem M. Klinikum F. durchgeführten Anschlussheilbehandlung wurde der Kläger nach dem Entlassungsbericht vom 18. Februar 2005 mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes jeweils zeitweise im Stehen/Gehen/Sitzen entlassen. Als Diagnosen werden dort ein dreifacher Bypass (Aortocoronary venous bypass, ACVB) bei koronarer Herzkrankheit (KHK) am 14. Januar 2005, ein Nicht-ST-Hebungsinfarkt (Non-ST-segment elevation myocardial infarction, NSTEMI) am 1. Januar 2005, eine perkutane Koronarintervention (Perkutane transluminal coronary angioplasty, PTCA) und eine Stentimplantation rechte Koronararterie (Right coronary artery, RCA) und rechte Hinterwandarterie (Ramus interventricularis posterior, RIVP) vom 1. Januar 2005, eine arterielle Hypertonie und Hyperlipoproteinämie angegeben. Die Leistungsfähigkeit des Klägers habe bis 50 Watt mit einem Antritt in der Fahrradergometrie bei 125 Watt konditioniert werden können. In dem im Verfahren S 2 RJ 28/05 von dem Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. K. eingeholten Gutachten vom 23. Juni 2005 wird die Leistungseinschätzung von Dr. P. bestätigt. Die Frage einer zusätzlichen Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch den Zustand nach Bypass-Operation müsse durch ein internistisches Fachgutachten geklärt werden, welches das Sozialgericht in dem ersten Klageverfahren von Dr. L., Chefarzt des Kreiskrankenhauses H., unter dem 26. September 2005 einholte. Der Sachverständige verneinte Zeichen einer psychischen Beeinträchtigung des Klägers. Es bestehe eine mittelgradig beeinträchtigte kardiale Belastbarkeit, die sich im Alltagsleben nicht bemerkbar mache. Bei Freizeitaktivitäten stoße der Kläger bei mittlerer körperlicher Belastung an seine Leistungsgrenzen. Die Beeinträchtigung der Mobilität im Stehen sei im Wesentlichen auf orthopädische/neurologische Erkrankungen zurückzuführen. Die geschilderten Beschwerden erschienen nach Art und Schwere glaubhaft. Aus internistischer Sicht könne der Kläger vollschichtig leichte und mittelschwere Tätigkeiten im Stehen, Gehen und Sitzen ausüben. Zu vermeiden seien Arbeiten in Wechselschicht, im Akkord, am Fließband, Arbeiten mit schwerem Heben und Tragen bzw. auf Leitern oder Gerüsten. Es bestehe eine ausreichende kardio-pulmonale und vaskuläre Belastbarkeit, um täglich viermal 500 m zu Fuß zurückzulegen.

Auf den dem Streitverfahren zugrunde liegenden Antrag des Klägers holte die Beklagte ein Gutachten von der Fachärztin für Orthopädie/Chirotherapie Dr. S. vom 6. Dezember 2006 ein. Bei der Untersuchung sei das Gangbild des Klägers sicher und leicht unharmonisch gewesen. Der Einbein-, Zehen- und Fersenstand seien rechts vollständig, links andeutungsweise unsicher kurzzeitig möglich gewesen. Im Ergebnis sei die statische Belastbarkeit des Klägers reduziert. Von orthopädischer Seite bestehe für leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes eine vollschichtige Leistungsfähigkeit, wenn im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen gearbeitet werden könne. Als Fliesenleger/Maurer könne der Kläger drei bis unter sechs Stunden täglich arbeiten.

Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung mit Bescheid vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des auf die Sitzung des Widerspruchsausschusses vom 24. April 2007 erlassenen Widerspruchsbescheides ab. Bei dem Kläger liege noch ein Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich für leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, überwiegend im Sitzen, ohne häufiges Bücken, Hocken, Knien, häufige Zwangshaltungen bzw. Überkopfarbeiten, häufiges Klettern und Steigen, erhöhte Unfallgefahr (z.B. Absturzgefahr) sowie ohne Vibrationsbelastung und Stauchung der Wirbelsäule vor.

Mit seiner am 23. Mai 2007 bei dem Sozialgericht Stendal erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er könne nicht mehr drei Stunden täglich erwerbstätig sein. Selbst wenn die medizinischen Gutachten ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden bestätigen sollten, sei davon auszugehen, dass er nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes beschäftigt werden könne. Bei etwas "strammerem Laufen" von ca. 50 m träten seit 2006 verstärkt Lähmungserscheinungen im linken Bein auf.

Das Sozialgericht hat zunächst durch Einholung von Befundberichten ermittelt. Nach dem als Anlage dem Befundbericht von dem Facharzt für Innere Medizin Dr. V. vom 19. Juli 2007 beigefügten Arztbrief bestand bei der im Mai 2006 durchgeführten Untersuchung kein Anhalt für eine Bypassdysfunktion oder Progredienz der KHK. Aus dem Befundbericht des Facharztes für Allgemeinmedizin/Betriebsmedizin W. vom 6. September 2007 gehen eine Verschlechterung der Befunde des Klägers seit 2002 und eine 2005/2006 hinzugetretene KHK hervor. Der Kläger habe ständig Schmerzen; evt. seien ihm leichte Arbeiten unter drei Stunden täglich, nicht aber vollschichtig möglich. Der Befundbericht von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 25. September 2007 betrifft einen Behandlungszeitraum bis April 2004.

Das Sozialgericht hat sodann ein Gutachten von dem Internisten und Kardiologen Prof. Dr. B. vom 4. Dezember 2007 eingeholt. Der Kläger habe Rückenschmerzen bei längerem Stehen bzw. Sitzen und fast immer beim Gehen. Deshalb fahre er meist mit dem Fahrrad (einige Kilometer problemlos). Herzprobleme in Form von Angina-pectoris-Beschwerden oder Herzstolpern habe er nicht. Luftnot verspüre er beim Radfahren gegen den Wind. Bei der Untersuchung habe der Kläger ein gestörtes Gangbild mit einem Nachziehen des linken Beines gezeigt. Der Hacken- und Spitzengang sei nicht möglich gewesen. Es bestehe eine Verschmächtigung des linken Beines mit Muskelatrophie im Ober- und Unterschenkel. Bei dem Kläger lägen als Gesundheitsstörungen vor:

Koronare Drei-Gefäßkrankheit.

Zustand nach anteroseptalem Myokardinfarkt am 31.12.2004.

Zustand nach PTCA mit Stentimplantation RCA und RIVP.

Zustand nach operativer Myokardrevaskularisation am 14.01.2005.

Mäßig eingeschränkte linksventrikuläre Funktion.

Kardiovaskuläre Risikofaktoren.

Essentielle arterielle Hypertonie.

Hypercholesterinämie.

Adipositas.

Hyperurikämie.

Im Übrigen verweise er auf die Diagnosen auf neurologisch-orthopädischem Fachgebiet aus den Vorgutachten:

Langzeitig vorbestehende Wurzelläsion S 1 links, Spina bifida L 5 und alte Fraktur des linken Processus costarius L 5 mit möglicher Kompression der Wurzel L 5.

Restbefund nach Peronaeusparese links.

Persistierende Lumbalgie und Dorsalgie.

Beginnende Gon- und Retropatellararthrose beidseits ohne wesentliche klinische Relevanz.

Zustand nach Impingement-Syndrom im Schultergelenk rechts.

Beginnende Koxarthrose rechts ( links ohne wesentlichen klinische Relevanz.

Beginnende Großzehengrundgelenk- und Endgelenkarthrose links.

Im Vordergrund des internistischen Krankheitskomplexes stünden ein Zustand nach kompletter Myokardrevaskularisation bei koronarer Drei-Gefäßerkrankung und ein Zustand nach Vorderwandseptuminfarkt Anfang 2005, zum Teil interventionell mittels Ballondilatation und zweifacher PTCA in der akuten Krankheitsphase, zuletzt durch operative Myokardrevaskularisation in Form eines dreifachem ACVB behandelt. Es ließen sich noch elektrokardio- und echokardiographisch eine Vernarbung im Bereich der Vorderwand und der vorderen Kammerscheidewand spitzenwärts mit einer daraus folgenden allenfalls mäßiggradigen Einschränkung der Gesamtleistung der linken Herzkammer - ohne nachweisbare Verschlechterung - belegen. Der Belastungsversuch auf dem Fahrradergometer sei nach einer stufenweise ansteigenden Belastung bis 125 Watt wegen muskulärer Erschöpfung abgebrochen worden, was einer mittelgradigen körperlichen Belastung entspreche. Mangels einer Herzminderdurchblutung sei von einer intakten Bypassfunktion bzw. Offenheit der wichtigsten Herzkranzgefäße auszugehen. Von Seiten des Herzens seien dem Kläger daher leichte bis mittelgradige körperliche Belastungen zumutbar. Der hauptsächliche Beschwerdekomplex des Klägers zeige sich in Form von - teils wiederkehrenden teils dauerhaften - Rückenschmerzen sowohl beim Gehen, längeren Stehen und Sitzen, ohne wesentliche Änderung des Beschwerdebildes im Vergleich zur Begutachtung durch Dr. S ... Entgegen ihrer Einschätzung sei dem Kläger aber eine Tätigkeit als Maurer bzw. Fliesenleger nicht mehr möglich. Die Fußheberschwäche links beinhalte Einschränkungen und mache Tätigkeiten wegen der erhöhten Stolpergefahr unzumutbar, die mit einem Gehen auf unebenen Wegen verbunden seien. Abweichungen im psychischen Bereich seien nicht erkennbar. Die vom Kläger vorgebrachten Beschwerden seien nach Art und Grad glaubhaft. Im Ergebnis der Begutachtung könne er körperlich leichte, teilweise und vorübergehend auch mittelschwere Tätigkeiten mit wechselnden Arbeitshaltungen mit gelegentlichem Bücken, Heben und Tragen von maximal 10 kg, im Wechsel der Haltungsarten in geschlossenen Räumen, ohne Zwangshaltungen, ohne dauernde Bück- und Hockstellung, Arbeiten in Nachschicht, im Akkord oder am Fließband, auf Leitern oder Gerüsten, ohne Gehen auf unebenem Boden bis zu sechs Stunden täglich verrichten. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände und die geistigen Fähigkeiten seien nicht wesentlich eingeschränkt. Technischer Hilfsmittel bedürfe der Kläger nicht. Ein über sechsstündiger Einsatz des Klägers sei auf Grund der ständig vorhandenen Rückenschmerzen nicht zumutbar. Der Kläger sei in der Lage, viermal täglich mindestens 500 m zu Fuß zurückzulegen, einen Pkw, ein Fahrrad oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der Zustand sei dauerhafter Natur, ohne begründete Aussicht auf Besserung. Heilmaßnahmen seien nicht angezeigt; sämtliche Therapieformen seien ausgeschöpft.

Das Sozialgericht hat sodann einen Befundbericht von der Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie Dr. F. angefordert und die Beteiligten vor dessen Eingang zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. In ihrem Befundbericht vom 9. Mai 2008 hat Dr. F. auf eine letzte Vorstellung des Klägers bei ihr im Jahr 2002 verwiesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 21. Juli 2008 abgewiesen. Der Kläger sei nicht voll erwerbsgemindert. Er sei in der Lage, körperlich leichte, teilweise und vorübergehend auch mittelschwere Tätigkeiten mit wechselnden Arbeitshaltungen, mit gelegentlichem Bücken, Heben und Tragen von maximal 10 kg, in geschlossenen Räumen - auch mit schematischer und individueller und einfacher oder gehobener Verantwortung oder geistiger Beanspruchung - sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu vermeiden seien Zwangshaltungen, eine dauernde Bück- und Hockstellung, Arbeiten in Nachtschicht, im Akkord oder am Fließband, auf Leitern oder Gerüsten und solche mit einem Gehen auf unebenem Boden.

Der Gerichtsbescheid ist am 11. August 2008 zur Zustellung von der Geschäftstelle an die Beteiligten abgesandt worden. Das Empfangsbekenntnis der Prozessbevollmächtigten des Klägers, das am 18. August 2008 bei dem Sozialgericht eingegangen ist, ist nicht mit einem Datum des Empfangs versehen. Der Kläger hat am 27. August 2008 Berufung gegen den Gerichtsbescheid bei dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, er sei voll erwerbsgemindert, da er nicht in der Lage sei, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit von wirtschaftlichem Wert nachzugehen. Das vom Sozialgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Leistungsvermögen von sechs Stunden und mehr täglich werde nicht von den Feststellungen in dem Gutachten von Prof. Dr. B. vom 4. Dezember 2007 abgedeckt, der ein Leistungsvermögen von bis zu sechs Stunden angenommen habe. Im Übrigen seien auch seine nicht dem Fachgebiet dieses Sachverständigen zuzuordnenden Leistungseinschränkungen auf orthopädischem und nervenärztlichem Fachgebiet zu berücksichtigen. Nicht hinreichend gewürdigt worden sei, dass die Nervenschädigung an seinem linken Bein dazu führe, dass es bereits nach einer kurzen Wegstrecke (ca. 50 m) zu Lähmungserscheinungen komme.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stendal vom 21. Juli 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Januar 2007 in der Gestalt des auf die Sitzung des Widerspruchsausschusses vom 24. April 2007 erlassenen Widerspruchsbescheides aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. September 2006 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Prof. Dr. B. habe bestätigt, dass der Kläger noch viermal täglich knapp über 500 m Gehstrecke zurücklegen könne. Im Übrigen verfüge er über einen Führerschein und könne Fahrrad fahren, sodass Einschränkungen der Wegstrecke zumindest kompensiert seien.

Der Senat hat zunächst Befundberichte von Herrn W. vom 17. April 2009, von der Fachärztin für Orthopädie Dipl.-Med. W. vom 15. Juli 2009, von Dr. V. vom 4. September 2009 und von Dr. F. vom 22. September 2009 eingeholt. Herr W. hat während des Behandlungszeitraums (seit Dezember 2007) gleichgebliebene Befunde bei dem Kläger angegeben. Dipl.-Med. W. hat auf hinzugetretene Beschwerden des Klägers in Form von Schmerzen im linken Ellenbogengelenk und einer Reizung der linken Achillessehne im Sinne einer Tendinitis/Peritendinitis hingewiesen. Im Krankheitsverlauf seit 2007 ergäben sich aber keine Änderungen der Befunde, die relevant für das - noch vorhandene - Restleistungsvermögen des Klägers seien. Aus dem als Anlage dem Befundbericht von Dr. V. beigefügten Arztbrief vom 25. August 2009 geht hervor, anhand der erhobenen Befunde bestehe derzeit kein Anhalt für eine Bypassdysfunktion oder Progredienz der KHK. Die medikamentöse Therapie solle unverändert weitergeführt werden. Dr. F. hat in ihrem dem Befundbericht anliegenden Arztbrief vom 17. Juli 2008 ausgeführt, die Amplituden der motorischen Beinnerven links seien vermindert; es ergebe sich insoweit keine Progredienz gegenüber 2004. Es bestehe eine pathologische Spontanaktivität im Musculus tibialis anterior und Musculus tibialis posterior links sowie ein chronisch neurogener Umbau in diesen Muskeln und im Musculus gastrocnemius caput mediale links. Rechtsseitig sei der elektromyographische Befund regelgerecht. Eine wurzelnahe Schädigung sei unwahrscheinlich, da im Musculus gutaeus medius keine neurogene Schädigung habe festgestellt werden können. Dieser Befund sei nicht zunehmend.

Der Senat hat sodann ein Gutachten von Prof. Dr. G., Stellvertretender Direktor der Orthopädischen Universitätsklinik der Universität M., vom 12. Juni 2010 eingeholt. Der Kläger habe bei der Untersuchung am 1. Juni 2010 über ständige Schmerzen im linken Bein mit einer Ausstrahlung bis in den Rücken geklagt. Besonders stark seien diese beim Gehen, sodass seine Gehstrecke nur etwa 50 m betrage und ihm ein längeres Stehen nicht mehr möglich sei. Der Kläger wiege 90 kg bei 168 cm. Er habe einen angedeuteten Steppergang links gezeigt. Fuß und Unterschenkel seien links deutlich kälter als rechts. Der Beinumfang sei im Seitenvergleich links am Oberschenkel 1 cm und am Unterschenkel 8 cm geringer. Im Röntgenbild zeige sich eine geringe Skoliose der BWS mit ausgeprägter Spondylose im unteren Bereich. Als Diagnosen seien zu berücksichtigen:

Chronisches Lumbalsyndrom bei Assimilationsstörung am lumbo-sacralen Übergang mit Nearthrose zwischen Querfortsatz L 5 und Kreuzbein links sowie alter Deckplattenimpression Th 12 mit ausgeprägter Spondylose. Ausgeprägte Fußheber- und Fußsenkerparese links bei Verdacht auf ein chronisches L 5/S 1-Syndrom links mit Gangstörung.

Beginnende Arthrose in beiden Kniegelenken.

Zustand nach Arthroskopie bei Impingementsyndrom rechte Schulter mit endgradiger Funktionseinschränkung des Schultergelenks.

Mit diesen krankhaften Veränderungen seien die geschilderten Rückenbeschwerden und die Störungen des Gehvermögens erklärbar. Eine regelmäßige Erwerbstätigkeit des Klägers sei nicht voll ausgeschlossen. Der Kläger könne noch sechs Stunden täglich körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Haltungsarten, überwiegend im Sitzen, ohne einseitige körperliche Belastungen, Zwangshaltungen, häufiges Bücken oder Knien sowie Heben, Tragen und Bewegen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Temperaturschwankungen, Zugluft und Nässe, Arbeiten an laufenden Maschinen, auf Gerüsten oder Leitern, unter Zeitdruck, im Akkord oder am Fließband verrichten. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht eingeschränkt. Auf Grund der chronischen Erkrankung der Wirbelsäule und der zu erwartenden fortschreitenden degenerativen Veränderungen besonders im Bereich der Kniegelenke sei mit längeren krankheitsbedingten Ausfallzeiten und Arbeitsunterbrechungen zu rechnen. Die Gehfähigkeit des Klägers sei deutlich eingeschränkt. Er könne nicht mehr als 500 m ohne zumutbare Beschwerden und ohne lange Pausen zu Fuß zurücklegen. Die maximale Gehstrecke sei mit 100 m anzunehmen. Wegstrecken zur Haltestelle und von der Haltestelle zum Arbeitsplatz von jeweils 500 m könne der Kläger nicht täglich viermal zurücklegen. Für den Fußweg von 500 m würden etwa 20 Minuten benötigt. Er könne öffentliche Verkehrsmittel benutzen und einen Pkw führen. Für die Einschränkung der Gehfähigkeit seien die Fußheber- und Senkerlähmung sowie die hochgradige Atrophie der Wadenmuskulatur und die sich nach längerem Gehen einstellenden pseudoradikulären Beinbeschwerden verantwortlich. Die festgestellten Einschränkungen bestünden mindestens sei dem Jahr 2006.

Die Beklagte hat dem Gutachten unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme der Prüf-/Gutachterärztin Dr. K. (Sozialmedizin) vom 7. Juli 2010 im Hinblick auf Einschränkungen des Klägers, Wegstrecken zur Arbeit zurückzulegen, widersprochen. Aus den Befunden ließen sich die im Ergebnis angenommenen Einschränkungen nicht ableiten. Kompensierend könne eine Peronäusschiene genutzt werden, von der in Bezug auf eine frühere Verwendung nachts berichtet worden sei. Im Übrigen könne der Kläger auch einen Pkw nutzen. Zu dieser prüfärztlichen Stellungnahme hat Prof. Dr. G. in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 23. August 2010 ausgeführt, allein die seit Jahren bei dem Kläger bestehende Lähmung im Bereich des linken Beines könne sicher nicht die Einschränkung der Gehstrecke über 500 m - viermal täglich - begründen. Bei dem Kläger bestünden indes zusätzlich noch Veränderungen im Bereich der LWS, die mit belastungsabhängigen Beschwerden im Sinne eine pseudoradikulären Schmerzsyndroms einhergingen. Unter diesem Aspekt sei von ihm eingeschätzt worden, dass eine Gehstrecke von mehr als 500 m - viermal arbeitstäglich - in bis zu 20 Minuten nicht zurückgelegt werden könne.

Die Beklagte hat zu der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme ausgeführt, selbst bei einer eingeschränkten Gehstrecke des Klägers läge keine Wegeunfähigkeit im rentenrechtlichen Sinne vor, da diese nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch die Möglichkeit der Nutzung eines Kfz kompensiert wäre. Sie hat im Übrigen auf die prüfärztliche Stellungnahme von Dr. K. vom 29. September 2010 Bezug genommen. Darin wird u.a. auf die noch bis zu 125 Watt gegebene Belastbarkeit des Klägers im Rahmen der Fahrradergometrie verwiesen.

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 10. März 2011 mitgeteilt, seinen Führerschein behalten zu haben, um in Notfällen ein Kfz führen zu dürfen. Im Übrigen nutze seine Ehefrau den vorhandenen Pkw, um damit ihre Arbeitsstelle aufzusuchen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und überwiegend begründet.

Die Voraussetzungen einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) haben hier nicht vorgelegen, da das Sozialgericht die Ermittlungen zum Zeitpunkt der Anhörung zu dieser Art der Entscheidung noch nicht abgeschlossen hatte, sodass die Anhörung als nicht als ordnungsgemäß anzusehen ist. Der Senat hat von einer Zurückverweisung der Sache unter dem Gesichtspunkt der Gewährung effektiven Rechtsschutzes für die Beteiligten abgesehen.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht in vollem Umfang abgewiesen. Der Kläger hat Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Februar 2007 bis zum 31. Januar 2013. Insoweit ist der angefochtene Bescheid der Beklagten rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist voll erwerbsgemindert. Er ist zwar noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich körperlich leichte Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen zu verrichten. Dies ergibt sich für den Senat aus dem übereinstimmend von Dr. P., Dr. K., Dr. L., Dr. S., Prof. Dr. B. und Prof. Dr. G. eingeschätzten Leistungsvermögen des Klägers. In keinem Gutachten sind Anhaltspunkte dafür dokumentiert, dass der Kläger leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen nicht mehr in einem den Rentenanspruch ausschließenden zeitlichen Umfang verrichten könnte.

Der Arbeitsmarkt ist für den Kläger indes verschlossen, da ein Katalogfall im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vorliegt. Der Arbeitsmarkt gilt auch dann als verschlossen, wenn einem Versicherten die so genannte Wegefähigkeit fehlt; zur Erwerbsfähigkeit gehört auch das Vermögen, einen Arbeitsplatz aufsuchen zu können (vgl. BSG (Großer Senat), Beschluss vom 19. Dezember 1996, BSGE 80, 24, 35 = SozR 3-2600 § 44 Nr. 28, jeweils zu Katalogfall 2). Dabei ist ein abstrakter Maßstab anzuwenden. Ein Katalogfall liegt nicht vor, soweit ein Versicherter täglich viermal Wegstrecken von knapp mehr als 500 m mit einem zumutbaren Zeitaufwand von bis zu 20 Minuten zu Fuß zurücklegen und zweimal öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten unter Berücksichtigung aller ihm zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen benutzen kann. Dabei ist entgegen der Auffassung der Beklagten die nicht gegebene Fähigkeit, die Wegstrecke in der angegebenen Zeit zurückzulegen, nicht - bezogen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt - durch eine Kfz- oder Fahrrad-Nutzung zu "kompensieren". Soweit in dem Urteil des BSG vom 17. Dezember 1991 (- 13/5 RJ 73/90 - SozR 3-1247 Nr. 10) auf alle zur Verfügung stehenden Mobilitätshilfen abgestellt wird, ist dies nicht dahin gehend zu verstehen, dass - obwohl eine typisierende Betrachtung gelten soll - auch darauf abzustellen ist, ob die Wegstrecke von knapp mehr als 500 m ggf. auch mit einem Fahrrad oder Kfz zurückgelegt werden kann, soweit ein solches Transportmittel im Einzelfall benutzt werden kann. Vielmehr soll mit dem typisierenden Maßstab ausgeschlossen werden, dass bereits das tatsächliche Fehlen von im Einzelfall zur Verfügung stehenden Verkehrsmitteln, die mit der pauschalierten Wegstrecke von 500 m erreicht werden könnten, zu einer Rentengewährung führt. Die Wegstrecke von 500 m konkretisiert damit abstrakte Mindestbedingungen für das Erreichen einer nicht näher benannten Arbeitsstelle. Andernfalls wären im Bundesgebiet in Bezug auf den Zugang zu Erwerbsminderungsrenten ganz verschiedene Lebensbedingungen zu berücksichtigen. Das würde dem durch einheitliche Bedingungen der Versicherungspflicht geschaffenen Versicherungsschutz keine für die Versicherten gleichwertigen Bedingungen des Leistungsanspruchs gegenüberstellen. Dieses Ergebnis ergibt sich auch unter folgendem Gesichtspunkt: Während im Rahmen eines abstrakten Maßstabes ggf. unterstellt werden kann, dass sich ein privat genutzter Pkw üblicherweise in Wohnungsnähe befindet, gilt dies für die Nähe eines Parkplatzes zur Arbeitsstelle nicht. Im Rahmen der Gleichbehandlung ist damit auch zu berücksichtigen, dass ein dem Versicherten mit seiner reduzierten Wegstrecke tatsächlich möglicher Zugang zu öffentlichen Verkehrsmitteln und einer typischen Arbeitstelle grundsätzlich unbeachtlich ist.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Kläger einen Arbeitsplatz innehätte oder ihm ein konkreter Arbeitsplatz angeboten worden wäre (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2006 - B 5 RJ 51/04 R - SozR 4-2600 § 43 Nr. 8). Hierdurch wäre dann eine Grundlage für einen konkretisierten Prüfungsmaßstab geschaffen worden. Es könnte im Einzelfall geprüft werden, ob die Situation der Arbeitsstelle in Bezug auf die Lage des Parkplatzes etc. ein Erreichen des Arbeitsplatzes stets gewährleistet. Eine solche der Beklagten obliegende Benennung ist auch auf die entsprechenden Hinweise des Senats nicht erfolgt.

Der Kläger leidet unter einer starken Muskelatrophie am linken Bein, die in Verbindung mit seinem degenerativen Rückenleiden dazu führt, dass er nur Wegstrecken auf ebenem Gelände zurücklegen kann. Er kann mit Pausen unter Schmerzen noch eine Wegstrecke von bis zu 500 m zurücklegen, zumutbar jedoch nur eine Wegstrecke von bis zu 100 m und keinesfalls die Wegstrecke von 500 m viermal täglich. Dieser Befund ist für den Zeitraum seit Rentenantragstellung im August 2006 gesichert. Der Senat stützt diese Feststellung auf das Gutachten von Prof. Dr. G. vom 12. Juni 2010 und dessen ergänzende gutachterliche Stellungnahme vom 23. August 2010. Der Kläger setzt das linke Bein nur noch reduziert im Alltag ein. Die Feststellung von Prof. Dr. G., dass bei dem Kläger im Seitenvergleich der Beine eine deutlich unterschiedliche Temperatur festzustellen ist, die Rückschlüsse auf eine nicht hinreichende Blutversorgung zulässt, stimmt mit dem durch diesen Sachverständigen und den bis zum Gutachten von Dr. P. vom 6. April 2004 zurückgehenden Befund einer starken Umfangsdifferenz der Beine mit einer Muskelatrophie überein. Diese Rückbildung geht im Wesentlichen auf das Rückenleiden des Klägers zurück und ist ein zumindest seit Rentenantragstellung bestehender Zustand, der den Kläger davon abhält, das Bein über einen längeren Zeitraum voll zu belasten. Auch Prof. Dr. B. hat in seinem Gutachten vom 4. Dezember 2007 darauf hingewiesen, dass dem Kläger Wegstrecken auf unebenem Gelände unzumutbar sind. Solche Geländebedingungen sind aber bei einer Wegstrecke im Freien von über 500 m in typisierender Betrachtung nicht auszuschließen. Die von Dr. S. in ihrem Gutachten vom 6. Dezember 2006 nicht als reduziert angegebene Wegstrecke ist im Zusammenhang mit dem von ihr auch im Übrigen nicht überzeugend eingeschätzten Leistungsvermögen des Klägers zu sehen, das von ihr - anders als von sämtlichen anderen Sachverständigen - auch noch für Arbeiten als Fliesenleger bzw. Maurer von über drei Stunden täglich als ausreichend erachtet wurde. Soweit in den prüfärztlichen Stellungnahmen von Dr. K. im Berufungsverfahren vom 7. Juli und 29. September 2010 auf ein durchschnittlichen Leistungsanforderungen genügendes kardio-pulmonales Leistungsvermögen des Klägers hingewiesen wird, ergibt sich daraus nichts anderes. Allerdings stützen die Einschränkungen des Klägers auf internistischem Fachgebiet durch seine KHK den Senat in seiner Überzeugung, dass es von vornherein nicht darauf ankommt, ob Wegstrecken zur Arbeit auch mit einem Fahrrad zurückgelegt werden können. Denn dem Kläger wäre dies zumindest nicht täglich unter verschiedenen Bedingungen möglich. Die von Dr. K. im Übrigen empfohlene Benutzung einer Peronäusschiene, die dazu dient, ein Schleifen von Zehen auf dem Boden zu verhindern, würde nicht nachweisbar Abhilfe für die auch der Schmerzproblematik geschuldete Reduzierung der Gehstrecke des Klägers bieten.

Der Kläger erfüllt für den hier maßgebenden Leistungsfall auch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung.

Die Notwendigkeit, die dem Kläger zuerkannte Rente zu befristen, ergibt sich aus § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Nach dieser Vorschrift werden insbesondere Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet. Diese Renten werden nur unbefristet gewährt, wenn sie nicht von der Arbeitsmarktlage abhängen und es unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann, wobei die letztgenannte Voraussetzung bei einer Gesamtdauer der Rentengewährung von neun Jahren stets zu bejahen ist, § 102 Abs. 2 Satz 5 SGB VI. Ob bei dem Kläger vor seinem Eintritt in den Altersrentenbezug noch eine Änderung der Verhältnisse eintritt, kann hier nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in dem vorgenannten Sinne ausgeschlossen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist vor dem Hintergrund der wohl abweichenden Auffassung des Hessischen Landessozialgerichts in seinem Urteil vom 19. März 2010 (- L 5 R 28/09 - juris; Revisionsverfahren B 13 R 21/10 R) zugelassen worden.
Rechtskraft
Aus
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