S 36 R 6/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Potsdam (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
36
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 36 R 6/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Vertrauensschutzregelung des § 235 Abs. 2 Satz 3 SGB VI ist auf Beamte, welche mit ihrem Dienstherren Altersteilzeit vereinbart haben, nicht anzuwenden. Es bleibt bei dem Auseinanderfallen von Pensions- und Rentenalter.
1) Die Klage wird abgewiesen. 2) Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die 1953 geborene Klägerin war von 1976 bis 1990 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für in der ehemaligen DDR tätig. Ab September 1990 arbeitete sie zunächst im An-gestelltenverhältnis bei der Stadtverwaltung P. Am 01. Oktober 1997 wurde sie in das Beam-tenverhältnis berufen. Jedenfalls aus ihrer Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin resultie-ren Ansprüche der Klägerin aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Aus ihrem Beamten-verhältnis stehen der Klägerin gegen ihren Dienstherrn Versorgungsansprüche zu.

Am 05. Februar 2007 beantragte die Klägerin bei ihrem Dienstherrn schriftlich die Bewilligung von Altersteilzeit im Rahmen des Blockmodels beginnend am 01. Dezember 2009 bis 30. Juni 2018. Dies wurde ihr mit Bescheid vom 03. Mai 2007 genehmigt. Zum Verlauf der Altersteil-zeit war verfügt: Arbeitsphase: 01.12.2009 bis 15.03.2014, Freistellung: 16.03.2014 bis 30.06.2018.

Von der Beklagten erhielt die Klägerin unter dem 19.10.2007 eine Rentenauskunft. Darin ist unter anderem angeben, dass die Klägerin die Regelaltergrenze am 06.01.2019 erreichen wer-de. Im folgenden Schriftwechsel bat die Klägerin insoweit um Korrektur. Sie habe aufgrund falscher Auskünfte ihres Arbeitgebers den Antrag auf Altersteilzeit erst am 05. Februar 2007 gestellt. Im Dezember 2006 habe man sie dahin vertröstet, dass die Antragstellung noch Zeit bis zum neuen Jahr habe.

Mit Schreiben vom 18. August 2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die im SGB VI normierte Vertrauensschutzregelung für sie nicht greife, weil das Altersteilzeitgesetz auf die Klägerin als Beamtin nicht anwendbar sei. Am 20. August 2008 erteilte die Beklagte eine wei-tere Rentenauskunft. Auch darin ist bestimmt, dass die Klägerin die Regelaltersgrenze am 06.01.2019 erreichen werde.

Die Klägerin erhob hiergegen am 09. September 2008 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass der in § 235 Abs. 2 Satz 3 SGB VI vorgesehene Verzicht auf die Anhebung der Al-tersgrenze gesetzlich rentenversicherter Arbeitnehmer bei ihr zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei. Durch den hierdurch bedingten unterschiedlichen Beginn der Pensions- und der Rentenzahlungen (01. Juli 2018 bzw. 01. Februar 2019) entstehe für sie aufgrund des relativ geringen Pensionsanspruchs eine erhebliche Versorgungslücke, welche sie wegen ihres zwin-genden Eintritts in die Pensionierung per 01.07.2018 nicht verhindern könne und auch nicht verschuldet habe. Da sie erst in den Neunziger Jahren in das Beamtenverhältnis habe über-nommen werden können, werde sie im Vergleich zu dem Personenkreis, welcher bereits Zeit seines Lebens durchgehend in einem Angestellten- bzw. Beamtenverhältnis habe tätig sein können, ungerechtfertigt benachteiligt. Nach Auffassung der Klägerin widerspreche es dem Gleichbehandlungsgrundsatz, dass nur ein Teil der Renteberechtigten in die Vertrauensschutz-regelung einbezogen sei. Weiter trägt die Klägerin vor, dass mit ihrem Dienstherrn bereits in einem Gespräch im De-zember 2006 die Altersteilzeitvereinbarung mündlich abgeschlossen worden sei. Diesbezüglich legt sie ein Schreiben des Oberbürgermeisters der Stadt P vom 14. August 2008 vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2008 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung des § 235 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI seien nicht erfüllt. Denn dies setze voraus, dass vor dem 01. Januar 2007 Al-tersteilzeitarbeit im Sinne der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes (AtG) verein-bart worden sei. Diese Voraussetzungen habe die Klägerin nicht erfüllt. Beamte, welche mit ihrem Dienstherren eine Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen hätten, würden nicht von dieser Vertrauensschutzregelung erfasst, da diese Vereinbarung nicht nach dem Altersteilzeit-gesetz sondern nach den Bestimmungen des Landesbeamtengesetzes geschlossen worden sei. Es fehle somit an einer vor dem 01. Januar 2007 abgeschlossenen Altersteilzeitvereinbarung nach dem Altersteilzeitgesetz. Eine Möglichkeit, von der eindeutigen gesetzlichen Vorgabe des § 235 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI abzuweichen, bestehe nicht. Über die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift könne allein das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

Die Klägerin hat am 05. Januar 2009 Klage erhoben zu deren Begründung sie im Wesentlichen ihre Widerspruchsbegründung wiederholt.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Rentenauskunft vom 20. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2008 zu verurteilen, festzustellen, dass die Klägerin die Regelaltersgrenze am 07. Juni 2018 erreicht.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer bisherigen Sach- und Rechtsauffassung fest.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-akte sowie der Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhand-lung entscheiden, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig, § 54 Abs. 1 SGG (hinsichtlich des als Verwaltungsakt ergangenen Widerspruchsbescheides) sowie § 55 Abs. 1 SGG (hinsichtlich der begehrten Feststellung des Erreichens der für die gesetzliche Rentenver-sicherung maßgebliche Altersgrenze) SGG. Mit einer Feststellungsklage kann die Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, darunter fallen auch erst künftig ent-stehende oder fällig werdende Ansprüche, vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Juni 2008, L 12 R 1770/07, zitiert nach Juris Rn 21 m. w. M. Es besteht auch das für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erforderliche Feststellungsinteresse. Denn von der Frage, ob die Voraussetzungen der Vertrauensschutzregelung § 235 SGB VI vorliegen, hängt wesentlich die weitere Disposition der Klägerin über den Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Altersrente, etwa mit Abschlägen, ab. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse auf Klarheit darüber, ob sie bei einer Pensionierung ab dem 65. Lebensjahr mit finanziellen Einbußen hin-sichtlich ihrer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung rechnen muss.

Die Klage ist nach Auffassung der Kammer jedoch unbegründet. Es wird auf die nach Auffas-sung der Kammer zutreffende Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen, welcher die Kammer folgt, § 136 Abs. 3 SGG. Die Vorschrift des § 235 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI ist dem Wortlaut nach nur auf Arbeitnehmer anzuwenden, welche eine Teilzeitvereinbarung nach dem Altersteilzeitgesetz mit ihrem Arbeitgeber beschlossen haben.

Eine Auslegung der Vorschrift gegen ihren Wortlaut ist nach Überzeugung der Kammer nicht gerechtfertigt. Insbesondere ist dies nicht durch Art. 3 des Grundgesetzes (GG) geboten. Es handelt sich vorliegend um unterschiedliche, nicht vergleichbare Lebenssachverhalte.

Das Auseinanderfallen von Rentenbeginn und Pensionsbeginn ist Folge des für Arbeitnehmer und Beamte geltenden unterschiedlichen Renten- bzw. Pensionsalters. Das Pensionsalter für Beamte im Land Brandenburg (65) korrespondiert (noch) nicht mit dem für Arbeitnehmer gel-tenden Rentenalter (67). Damit kommt es für die Jahrgänge ab 01.01.1947 mit ähnlicher Le-bensbiografie wie bei der Klägerin zu einem Auseinaderfallen. Es entstehen die von der Kläge-rin angeführten Versorgungslücken.

Dies gebietet jedoch nach Überzeugung der Kammer nicht die Übertragung der für Arbeitneh-mer geltenden Regelungen auch auf Beamte. Denn ob die Schließung etwaiger Versorgungslü-cken erfolgt und ob dies beamtenrechtlich durch Vorschriften zu einer vorübergehenden Erhö-hung der Versorgungsbezüge oder im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung durch eine Anpassung des SGB VI realisiert wird, muss nach Überzeugung des Gerichts Aufgabe des Ge-setzgebers bleiben. Eine vorübergehende Erhöhung der Versorgungsbezüge der Klägerin findet jedenfalls zurzeit im zweiten Gesetz über die ergänzende Bestimmung zur Beamtenversorgung vom Dezember 2008 des Landes Brandenburg (vgl. etwa § 3) keine Grundlage. Jedoch steht der Klägerin als Beamtin, solange ihre Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht gezahlt wird, jedenfalls die Mindestversorgung (amtsabhängig bzw. amtsunabhängig) nach den beamten-rechtlichen Bestimmungen zu. Nach § 14 Abs. 4 Sätze 1 und 2 des derzeit noch geltenden Beamtenversorgungsgesetzes beträgt das Ruhegehalt mindestens 35 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge nach § 5. An Stelle dessen treten, wenn dies günstiger ist, 65 % der jeweils ruhe-gehaltsfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 4. Die Vorschrift des § 14 Abs. 4 Satz 4 Beamtenversorgungsgesetz, welcher das Ruhegehalt auf das erdiente Ruhege-halt beschränkt, wenn ein Beamter "allein" wegen langer Freistellungszeiten (hierzu zählt auch Altersteilzeit, § 5 Abs. 1 Satz 2) mit seinem erdienten Ruhegehalt hinter der Mindestversor-gung zurückbleibt, ist nach Auffassung der Kammer auf die Klägerin nicht anwendbar. Denn das etwaige Unterschreitet der Mindestversorgung durch die Klägerin ist auch Folge ihrer be-sonderen Lebensbiografie und damit nicht, wie es der Wortlaut der Norm erfordert, "allein" durch die Teilzeitvereinbarung bedingt. Die Vorschrift des § 55 Beamtenversorgungsgesetz, welcher die Begrenzung der Pensionshöhe bei Zusammentreffen mit Ansprüchen aus der ge-setzlichen Rentenversicherung regelt, ist erst anwendbar, wenn die Versorgungsbezüge neben die Zahlung der gesetzlichen Rente treten, im Fall der Klägerin also ab dem 01.02.2019. Eine wesentliche Änderung dieser vorgenannten gesetzlichen Vorschriften durch das geplante Bran-denburger Beamtenversorgungsgesetz (vgl. bisher vorliegender Entwurf) ist nicht ersichtlich.

Danach ist durch die Vorschriften über die Mindestversorgung nach § 14 Abs. 4 Satz 1 und 2 Beamtenversorgungsgesetz (amtsabhängige Mindestversorgung bzw. amtsunabhängige Min-destversorgung) sichergestellt, dass die Versorgung eines Beamten in jedem Fall dem Gebot der amtsangemessenen Versorgung nach Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz genügt, vgl. Bundesver-waltungsgericht, Urteil vom 14. Juli 2010, 2 B 109/09, zitiert nach Juris Rn 6. Da die Klägerin während der Zeit, in welcher sie noch keine Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversiche-rung beziehen kann, zumindest ein Mindestruhegehalt erhält, vgl. oben, ist bereits allein nach den beamtenrechtlichen Regelungen eine amtsangemessene Versorgung auch für die Über-gangszeit sichergestellt. Aus diesem Grund ist es nicht geboten, über Art. 3 GG eine Anwen-dung der Vertrauensschutzregelung des SGB VI entgegen dem gesetzlichen Wortlaut vorzu-nehmen.

Das Ausscheiden aus einem Beamtenverhältnis nach erreichen des Pensionsalters und das Ende eines Arbeitsverhältnisses nach Erreichen der Regelaltersgrenze im Sinne des SGB VI sind auch aus folgenden Erwägungen nicht nach Art. 3 GG vergleichbar und damit gleich zu behan-deln: Voraussetzungen für die Anwendung der Vertrauensschutzregel des SGB VI ist die Ver-einbarung von Altersteilzeitarbeit auch im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr.: 1 Altersteilzeitgesetz. Voraussetzung ist danach die weitere Entrichtung zusätzlicher Beiträge zur gesetzlichen Ren-tenversicherung. Solche Beiträge werden von Beamten bzw. von dessen Dienstherrn aufgrund der besonderen beamtenrechtlichen Vorschriften naturgemäß nicht entrichtet. Der Vertrauens-schutz der Angestellten wird damit quasi durch eine weitere Beitragszahlung "erwirtschaftet".

Die oben dargestellten Unterschiede können auch nicht durch eine analoge Anwendung der Vorschriften des SGB VI auf Beamte umgangen werden, denn es fehlt nach den vorstehenden Ausführungen an einer hierfür erforderlichen planwidrigen Regelungslücke.

Im Übrigen bestehen erhebliche Zweifel daran, ob die Altersteilzeitvereinbarung der Klägerin im Sinne einer verbindlichen Vereinbarung zur Beendigung des Dienstverhältnisses bereits vor dem 01. Januar 2007 wirksam geschlossen worden ist. Dass die behaupteten mündlichen Ab-sprachen mit dem Dienstherrn diesbezüglich bereits einen konkreten Inhalt hatten, wurde bis-her nicht substantiiert vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Angaben der Kläge-rin im Schreiben vom 30.06.2008 sprechen eher dagegen. Danach ist sie von ihrem Arbeitgeber hinsichtlich der Vereinbarungen der Altersteilzeit und deren konkreten Inhalts auf eine Antrag-stellung im "neuen Jahr" vertröstet worden.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 183, 193 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Rechtskraft
Aus
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