L 9 U 4289/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 3698/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4289/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Verletztenrente über den 09. November 2004 hinaus wegen Folgen eines Ereignisses vom 11. November 2003, das von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannt ist.

Die 1944 geborene Klägerin arbeitete stundenweise als Aushilfe im Betrieb ihres Sohnes ("H.-E."), in dem sich auch eine Postagentur befand, in Lauterbach. Am 11. November 2003 befand sie sich allein in dem Geschäft. Sie saß, weil keine Kundschaft zu bedienen war, an einem Tisch und schaute Fernsehen, als zwei Männer den Raum betraten. Als sie aufstehen wollte, um sie zu bedienen, kam einer der Männer auf sie zu, zog aus seiner Jackentasche eine Pistole und richtete diese auf die Klägerin. Auf seinen Befehl blieb sie sitzen. Er legte seinen Zeigefinger auf seine Lippen und sagte, sie wollten nur Geld und ihr nichts tun. Während der Mann mit der Pistole sich hinter den Tresen begab, musste sich die Klägerin auf den Plastikstuhl setzen und der andere Täter fesselte mit einem Klebeband ihre Unterarme an die Lehnen des Stuhls sowie ihr linkes Bein an das vordere linke Stuhlbein. Die Klägerin glaubte, den einen Täter zu kennen, was sich später auch als zutreffend erwies, und sagte dies auch zu ihm und fragte, was er von ihr wolle. Die Täter entwendeten den Kassenschlüssel, Geld aus der Kasse sowie ein schnurloses Telefon und verließen anschließend die Agentur. An den Stuhl gefesselt humpelte die Klägerin zur Eingangstür und auf die Straße, wo sie einen PKW-Fahrer traf, dem sie von dem Überfall berichtete und einen weiteren Autofahrer, der die Polizei verständigte. Der zweite Autofahrer blieb bei ihr und sie begab sich mit ihm wieder an die Stelle, an der sie gefesselt worden war. Die Fesselung blieb - auch nach dem Eintreffen des ersten Polizisten - mit ihrem Einverständnis bis zum Eintreffen der Kriminalpolizei unverändert. Die erste Vernehmung endete dann um 17.15 Uhr. Am 12. November 2003 nahm die Klägerin ihre stundenweise Aushilfstätigkeit bei ihrem Sohn wieder auf, eine Einstellung der Arbeit erfolgte nicht. Am 13. November 2003 gab die Klägerin im Rahmen einer Nachvernehmung bei der Polizei an, seit dem Überfall gehe es ihr schlecht. Die ganze Sache beschäftige sie sehr. Sie wache nachts auf, könne dann aber wieder einschlafen. Sie habe zeitweise auch Depressionen. Insbesondere beschäftige sie die Fesselung, die sie habe über sich ergehen lassen müssen. Sie sei sich regelrecht hilflos vorgekommen. Wenn sich ihr Zustand nicht wieder bessere, was sie hoffe, werde sie eventuell ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.

Nach dem Überfall stellte sich die Klägerin am 09. Dezember 2003 einmalig bei dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vor und gab an, am 11. November 2003 überfallen worden zu sein. Er stellte ihr wunschgemäß einen Überweisungsschein zur Psychotherapie aus, worauf sie sich bei ihm nicht mehr meldete (Bericht Dr. L. vom 27. Juli 2004). Am 18. Dezember 2003 begab sie sich dann wegen psychischer Störungen und zwecks psychotherapeutischer Behandlung zu dem Facharzt für Allgemeinmedizin, Psychotherapie, Balneologie und Medizinische Klimatologie Dr. B ... Gemäß dessen Bericht vom 13. Oktober 2004 an das Versorgungsamt Rottweil war die Klägerin bei der Erstuntersuchung hinsichtlich des psychischen Befundes in allen Qualitäten orientiert, ihr formales und inhaltliches Denken geordnet, fanden sich kein Wahn und keine Halluzinationen und waren Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen normal. Die Klägerin erschien aufgeregt, innerlich unruhig, agitiert ungeduldig, zeigte mitunter leichtes Zittern der Hände, war innerlich angespannt und erschien zunächst nicht depressiv. Es fand sich auch kein Hinweis für eine Suizidalität. Sie berichtete über Schlafstörungen, innere Unruhe und eine seit langem bestehende Depressivität und gab an, seit dem Überfall drei Mal Nervenzusammenbrüche gehabt zu haben. Im Bericht vom 09. März 2005 gab Dr. B. die Diagnosen "Psychosomatose mit Panikattacken nach Überfall" an und berichtete von einer zunächst ambulant durchgeführten Psychotherapie, die nur einen geringen Erfolg gezeigt habe. Vom 29. September bis 09. November 2004 war die Klägerin in der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Bad Bramstedt zur stationären Behandlung. Gemäß dem Bericht vom 29. November 2004 war die Klägerin bei der Aufnahme wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert bei herabgesetzter Merkfähigkeit. Das Denken war grübelnd und es bestanden massive Ängste vor plötzlichen Reaktionen und Situationen sowie weiterhin krankheitsbezogene Ängste. Die Stimmung war deprimiert, häufig gereizt bei starker Affektlabilität und deutlicher innerer Unruhe, der Antrieb war gemindert und die Psychomotorik stark angespannt. Die Klägerin gab einen sozialen Rückzug in den letzten Monaten an. Es zeigte sich eine schwache Depression, die im Rahmen der Anpassungsstörung eingeordnet wurde. Vor dem Hintergrund einer extremen Belastungssituation im Sinne eines erlebten Überfalls habe sich bei der Klägerin eine Panikstörung entwickelt in Zusammenhang mit begleitenden körperlichen Symptomen, die psychosomatisch im Sinne einer Somatisierungsstörung zu sehen seien. Durch eine Abwehr ungewohnter Gefühlsaspekte sei es zu einer deutlichen Anpassungsstörung und einer Störung in den Gefühlen gekommen. Nach Abschluss der Rehabilitation äußerte sich die Klägerin sehr zufrieden, sie habe viele Strategien gelernt, fühle sich insgesamt innerlich sehr viel stabiler, die Symptomatik sei deutlich gebessert und sie sei zuversichtlich, zuhause wieder wesentlich besser zurecht zu kommen und sei auch motiviert, eine Arbeitstätigkeit zunächst in reduzierter Weise wieder aufzunehmen. Die Entlassung erfolgte mit deutlich gebessertem Zustand als arbeitsfähig. Ihre Tätigkeit nahm die Klägerin dann aber nicht wieder auf. Im weiteren Verlauf erfolgten weitere Krankschreibungen durch Dr. B ... Eine Wiedereingliederung - so Dr. B. am 09. März 2005 - sei nach der Klinikbehandlung nicht möglich gewesen, die Beschwerden hätten sich verschlimmert und die Rentenfrage habe im Vordergrund gestanden. Unbewusste Ängste würden nicht wahrgenommen und in körperliche Symptome transformiert, was zu Panikattacken mit vegetativer Begleitsymptomatik (Herzrasen, Zittern, Hyperventilation) führe. Eine weitere Therapie sei erst sinnvoll, wenn über die Rentenfrage entschieden sei.

Die Beklagte veranlasste eine psychosomatische Begutachtung zur Zusammenhangsfrage durch Dr. Dr. N., Facharzt für Psychotherapeutische Medizin, Psychoanalyse, Psychotherapie und Innere Medizin. Dieser gelangte nach einer Untersuchung vom 12. Mai 2005, bei der Flashbacks von der Klägerin verneint wurden, im Gutachten vom 29. Juni 2005 im Wesentlichen zum Ergebnis, bei der Klägerin bestünden eine depressive Störung mit Suizidgedanken, Angstsymptomen und Impulsdurchbrüchen. Es handele sich um eine inkomplette posttraumatische Störung, die nicht das Vollbild einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) erfülle. Diese Gesundheitsstörungen seien ursachlich auf das Ereignis vom 11. November 2003 zurückzuführen. Seit dem Ereignis bestehe Arbeitsunfähigkeit, lediglich unterbrochen durch eine viermonatige Tätigkeit nach dem Überfall. Die unfallbedingte Erwerbsfähigkeit ab Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit sei derzeit nicht abschätzbar. Je nach Verlauf der weiteren ambulanten oder stationären Therapien sei auch denkbar, dass keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) letztendlich bestehen müsse.

Im weiteren Bericht vom 23. August 2005 führte Dr. B. aus, eine Änderung gegenüber seinem Bericht vom 09. März 2005 sei nicht feststellbar. Die Klägerin sei zeitweise depressiv, zeitweise aggressiv, weiterhin konzentrationsgestört und mitunter klagsam. Sie nehme Naturheilmittel. Eine weitere stationäre Behandlung sollte durchgeführt werden. Nach der ersten stationären Behandlung bis Anfang November 2004 sei ein Wiedereingliederungsversuch in eine bisherige Nebentätigkeit in einem Hotel, die die Klägerin bereits früher verrichtet habe, gescheitert. Die Frage der Berentung sei mehr und mehr in den Vordergrund getreten, weswegen ein aussichtsreiches psychotherapeutisches Arbeiten nicht mehr möglich gewesen sei. Am 12. Oktober 2005 listete Dr. B. die Behandlungsdaten ab 18. Dezember 2003 auf.

Die Klägerin gab an, vor Beginn ihrer Arbeitsunfähigkeit habe sie 300 EUR verdient. Im August 2004 habe sie keine Arbeit gehabt und seit 29. September 2004, dem Beginn des Aufenthalts in der Klinik Bad B., sei sie arbeitsunfähig geschrieben worden (Angaben vom 06. September 2005). Das Geld für ihre Tätigkeit hat die Klägerin von ihrem Sohn in bar ausbezahlt erhalten, Kontoauszüge existierten nicht und auch im Steuerbescheid des Sohnes tauchten die Zahlungen nicht auf.

Vom 07. November bis 12. Dezember 2005 war die Klägerin erneut in stationärer Behandlung in der Klinik Bad B ... Bei der Aufnahme gab die Klägerin wiederkehrende somatoforme Anfälle im Alltag mit Übelkeit, Magen-Darm-Problemen, innerer Unruhe und einem Gefühl der Hilflosigkeit an. Diese Attacken quälten sie zunehmend. Medikamente nehme sie nicht. Gemäß dem Aufnahmebefund war die Klägerin wach, bewusstseinsklar und zu allen Qualitäten voll orientiert. Es bestand eine herabgesetzte Merkfähigkeit. Das Denken war grübelnd und es bestanden massive Ängste vor plötzlich auftretenden körperlichen Symptomen. Die Stimmung war deprimiert, häufig gereizt bei einer starken Affektlabilität und deutlichen inneren Unruhe. Der Antrieb war vermindert, die Psychomotorik stark angespannt. Die Klägerin gab einen sozialen Rückzug in den letzten Monaten an. Gemäß dem Abschlussbericht vom 15. Dezember 2005 war man zunächst differenzialdiagnostisch von der Einweisungsdiagnose einer Panikstörung ausgegangen. Da die Klägerin jedoch vor allem am Anfang der Therapie Angst verneinte, wurde diese Diagnose verworfen. Bei einem Auftreten von körperlichen Symptomen wie Übelkeit, Schweißausbrüchen und Schwindel, die von der Klägerin betont und dramatisch beschrieben wurden, ging man von einer undifferenzierten Somatisierungsstörung aus. Weiter wurde die Diagnose einer Anpassungsstörung vordringlich mit Beeinträchtigung von Angst, Wut und Sorge vergeben. In einer spezifischen Angstbewältigungsgruppe sollte die Klägerin Strategien zum Umgang mit Panikattacken und Vermeidungsverhalten kennenlernen. Hiervon konnte sie allerdings nicht ausreichend profitieren. Darauf wurde sie in eine indikative Gruppe zur Bearbeitung von somatoformen Störungen eingeteilt, wo sie neue Umgangsstrategien bezüglich ihrer Symptome kennenlernte. Im Rahmen der Einzelpsychotherapie mit Unterstützung der Gruppentherapie konnte - so der Abschlussbericht - ein individuelles Störungsmodell mit der Klägerin erarbeitet werden, welches ihr die Entstehung ihrer Symptome verdeutlichte. Der medizinische Verlauf sei bis auf eine einmalige Episode mit paroxysmalen Oberbauchschmerzen, die wegen der somatoformen Störung schwer einschätzbar gewesen seien, unauffällig gewesen. Im Abschlussgespräch habe sich die Klägerin "sehr zufrieden" geäußert und angegeben, sie habe viele Strategien gelernt, fühle sich insgesamt innerlich viel stabiler und die Symptomatik sei deutlich gebessert und sie sei zuversichtlich, zuhause wieder wesentlich besser zurecht zu kommen. Die Entlassung erfolgte als vorläufig arbeitsunfähig. Bei weiter bestehender Veränderungsmotivation werde eine Leistungssteigerung für möglich erachtet. Da die Klägerin im Rahmen des stationären Aufenthalts geäußert habe, ein Rentenverfahren zu beantragen, werde eine Therapiemotivation in Frage gestellt.

In einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Februar 2006 gelangte der Dipl.-Psych. und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Prof. Dr. Dr. M. zum Ergebnis, das Gutachten des Dr. Dr. N. sei nicht überzeugend. Aussagekräftigere Befunde enthalte der Entlassungsbericht der Klinik Bad Bramstedt vom November 2004. Die Diagnose von Dr. Dr. N. sei auch nicht nach der internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD 10) und dem diagnostischen und statistischen Manual psychischer Störungen (DSM IV) erfolgt. Die gestellte Diagnose depressive Störung mit Suizidgedanken, Angstsymptomen und Impulsdurchbrüchen sei der Versuch einer zweifellos bildhaften Darstellung der auffälligen Erlebens- und Verhaltensweisen der Klägerin, nicht aber eine Diagnose. Auch die weitere Diagnose einer inkompletten posttraumatischen Störung, die somit nicht das Vollbild einer sogenannten PTBS erfülle, sei in sich widerspruchsvoll und treffe nicht zu. Nach ihren Angaben und auch den Mitteilungen der behandelnden Ärzte habe die Klägerin niemals über die für die Diagnose einer PTBS zu fordernden Symptome geklagt. Die von der Klägerin beschriebenen Beschwerden ergäben noch keine Hinweise auf deren Ursache, auch wenn sie erstmals nach dem zweifellos belastenden Erleben eines Raubüberfalls aufgetreten seien. Dr. Dr. N. verneine relevante psychische Vorerkrankungen allein auf Grund der eigenen Angaben der Klägerin. Wenn auch nach den Erhebungen der Beklagten keine Vorerkrankungen vermerkt seien, schließe dies vorbestehende psychische Beeinträchtigungen bzw. eine hierzu individuell persönlichkeitsbedingte Disposition und erhöhte Verletzbarkeit nicht aus. Damit setze sich das Gutachten nicht auseinander. Der Gutachter bejahe einen ursächlichen Zusammenhang der geklagten Befindlichkeitsstörungen mit dem Überfall, ohne dies zu begründen. Nach den Entlassungsberichten über die stationären Behandlungen in der Klinik Bad B. habe man dort zunächst eine Panikstörung diagostiziert, diese Diagnose dann aber ausdrücklich verworfen. Zuletzt sei eine Anpassungsstörung und eine undifferenzierte Somatisierungsstörung diagnostiziert worden. Auch nach Einschätzung der behandelnden Ärzte zum Therapieverlauf habe es sich bei den vorgebrachten Klagen vorwiegend und fast ausschließlich um Ausdruck und Folge einer Somatisierungsstörung gehandelt. Die Entlassung sei wiederum bei deutlich gebessertem Zustand erfolgt. Die Entlassungsberichte nach jeweils mehrwöchigen Heilverfahren führten zum Ergebnis, dass die Klägerin am 11. November 2003 eine Anpassungsstörung mit Ängsten und depressiver Stimmung entwickelt habe und zusätzlich und jetzt vorherrschend eine undifferenzierte somatoforme Störung auch mit chronisch fluktuierend depressiven Verstimmungen und Angst aufgetreten sei. Bei der Anpassungsstörung handele es sich um einen Zustand von subjektiven Leiden und emotionaler Beeinträchtigung, die, soziale Funktionen und Leistungen behindernd, während des Anpassungsprozesses nach einem belastenden Ereignis aufträten. Dabei spiele die individuelle persönlichkeitsbedingte Disposition und Verletzbarkeit eine größere Rolle als bei allen anderen psychoreaktiven Störungen. Es sei aber davon auszugehen, dass diese Krankheit ohne ein belastendes Ereignis und Erleben nicht entstanden wäre. Die Anpassungsstörung beginne im Allgemeinen innerhalb eines Monats nach dem belastenden Ereignis und halte meist nicht länger als sechs Monate an, außer bei einer längeren zusätzlichen depressiven Reaktion. Bei kritischer Würdigung aller Angaben der Klägerin zum Krankheitsverlauf und den Krankheitserscheinungen sei diese Anpassungsstörung Folge des zweifellos belastenden Ereignisses und Erlebens gewesen. Sie sei aber inzwischen weitgehend abgeklungen und die jetzt noch geklagten Beeinträchtigungen seien vorwiegend Ausdruck der somatoformen Schmerzstörung, die nicht unfallbedingt sei. Bei dieser handele es sich um wiederholte und anhaltende Darbietung nicht nachvollziehbarer körperlicher Beschwerden und Befindlichkeitsstörungen. Die Diagnose stütze sich ausschließlich auf die vorgebrachten subjektiven Beschwerden und Beeinträchtigungen, für die sich keine hinreichenden organischen Ursachen fänden. Die Diagnose benenne demnach lediglich die Konstellation, dass anhaltend subjektive Beschwerden und Beeinträchtigungen beklagt würden, objektive Krankheitszeichen aber fehlten. Bei der inzwischen vorherrschenden somatoformen Störung handele es sich um eine vom Unfallereignis unabhängige persönlichkeits- und erlebnisbedingte psychoreaktive Störung, aus der sich im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung keine MdE begründen lasse. Die Anpassungsstörung sei unfallbedingt entstanden, die somatoforme Störung unfallunabhängig. Die Anpassungsstörung sei weitgehend abgeklungen. Eine Verschlimmerung eines bereits vorbestehenden Leidens infolge des Unfalles liege nicht vor. Eine stundenweise Aushilfstätigkeit im H.-Laden mit Postagentur des Sohnes sei wieder möglich. Die unfallbedingte MdE schätzte Prof. Dr. Dr. M. ab dem Unfalltag bis zum 31. Dezember 2003 auf 100 v.H., bis 30. April 2004 auf 40 v.H. und bis 31. Oktober 2004 (bei Entlassung aus der stationären Behandlung am 09. November 2004) auf 30 v.H. Danach sei eine unfallbedingte MdE in messbarer Höhe nicht mehr anzunehmen.

Mit Bescheid vom 21. März 2006 gewährte die Beklagte unter Anerkennung des Ereignisses vom 11. November 2003 als Arbeitsunfall für die Zeit vom 12. November 2003 bis 09. November 2004 Verletztenrente, und zwar bis 31. Dezember 2003 nach einer MdE um 100 v.H., bis 30. April 2004 nach einer MdE um 40 v.H. und bis 09. November 2004 nach einer MdE um 30 v.H. Darüber hinaus bestehe kein Anspruch auf Rente.

Dagegen erhob die Klägerin am 29. März 2006 Widerspruch und machte geltend, sie sei seit dem Überfall weiterhin arbeitsunfähig. Auch der zweite Klinikaufenthalt habe keine Verbesserung gebracht. Die Beklagte habe sich auch allein auf die Ausführungen von Prof. Dr. Dr. M. gestützt, der indes nur eine Stellungnahme nach Aktenlage abgegeben habe. Wenn Dr. Dr. N. die Diagnosen nicht nach ICD 10-Kriterien gestellt habe, könne daraus nicht der Rückschluss gezogen werden, dass die Erkrankung nicht vorliege. Ihre Beschwerden bestünden fort. Deswegen sei ihr Rente "wegen voller Minderung der Erwerbsfähigkeit zuzusprechen".

Hierauf holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des Dipl.-Psych. und Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 11. Juli 2006 mit neuropsychologischem Zusatzgutachten des Dipl.-Psych. Fries ein. Dr. B. gelangte im Wesentlichen zum Ergebnis, auf nervenärztlichem Gebiet bestünden eine unfallbedingte Anpassungsstörung mit reaktiv depressiver Entwicklung, eine Belastbarkeitsminderung sowie Veränderung des emotionalen affektiven Erlebens und Verhaltens. Eine psychisch relevante Vorerkrankung oder Schadensanlage habe vor dem Unfall nicht bestanden. Die Gesundheitsstörungen seien ursächlich auf das Ereignis zurückzuführen. Die Klägerin sei weiterhin nicht in der Lage, ein wirtschaftlich verwertbares Leistungsbild konkurrenzfähig zu erbringen. Auch eine Arbeits- und Belastungserprobung mit stufenweiser Wiedereingliederung sei mangels Erfolgsaussichten nicht zu empfehlen. Soweit absehbar, sei Arbeitsfähigkeit nicht mehr zu erwarten. Die unfallbedingte MdE schätzte der Gutachter auf 30 v.H.

In der hierzu von den Dipl.-Psych. und Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. erstellten beratungsärztlichen Stellungnahme vom 21. August 2006 kam dieser zum Ergebnis, nach Auswertung aller Unterlagen liege eine unfallabhängige Anpassungsstörung mit Ängsten und Depressionen vor, wobei der Verlauf bis zur ersten stationären Behandlung in Bad Bramstedt, fast ein Jahr nach dem Überfall, sehr unzureichend dokumentiert sei. Ferner bestehe eine unfallunabhängige Somatisierungsstörung, bei welcher Depressionen sowie Angst nach den Leitlinien der ICD 10 häufig aufträten und eine spezifische Behandlung erfordern könnten. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit sei längstens bis zum Ende des ersten Heilverfahrens am 09. November 2004 anzunehmen. Die unfallbedingte MdE sei ab dem Ereignis bis 31. Dezember 2003 auf 100 v.H., bis 30. April 2004 auf 40 v.H. und bis 09. November 2004 auf 30 v.H. einzuschätzen. Danach liege eine unfallbedingte MdE nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. September 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Deswegen hat die Klägerin am 09. Oktober 2006 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben, mit welcher sie die Gewährung von Rente erstrebt hat. Es bestehe nach wie vor eine unfallbedingte MdE in rentenberechtigendem Grade. Sie leide weiterhin an seelischen wie auch körperlichen Beschwerden, ziehe sich zurück und sei depressiv und überlastet. Die Konzentrationsfähigkeit habe erheblich nachgelassen. Vor dem Unfall habe sie bis zu 15 Stunden am Tag gearbeitet, morgens in der Postfiliale des Sohnes, nachmittags und abends in einer Pension. Dies sei seit dem Unfall nicht mehr möglich. Zwischen den eingeholten Gutachten und Stellungnahmen bestünden erhebliche Diskrepanzen. Eine Ablehnung der Gewährung von Verletztenrente über den 09. November 2004 hinaus sei damit nicht zu rechtfertigen. Im Übrigen sei sie weiterhin in psychotherapeutischer Behandlung bei Dr. B ... Die Symptome einer PTBS lägen vor.

Das SG hat Dr. B. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat über die Untersuchungen und die erhobenen Befunde am 2. April 2007 berichtet. Ferner hat er über die Beschwerdeschilderungen der Klägerin berichtet und über die Behandlungsmaßnahmen. Dazu hat er Berichte über weitere ärztliche Untersuchungen (u. a. Internistin Dr. G. vom 19. Januar und 06. Februar 2005) vorgelegt.

Ferner hat das SG ein Sachverständigengutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. E. vom 05. Juni 2007 eingeholt. Er ist im Wesentlichen zum Ergebnis gelangt, in den Akten seien die Beschwerden der Klägerin sehr unterschiedlich dargestellt und interpretiert worden. Bei der Begutachtung durch Dr. Dr. N. sei deutlich vermerkt, dass keine Flashbacks vorhanden seien. Die Klägerin habe einmal von dem Vorfall geträumt und ansonsten keine typischen Albträume nach dem Überfall bis zu dieser Untersuchung erlebt. Bei der erneuten Begutachtung im Jahr 2006 durch Dr. B. seien vegetative Symptome seit dem Überfall beschrieben und aktuelle Beschwerden wie Deprimiertheit, kognitive Beeinträchtigungen, fehlende Belastbarkeit. Ausdrücklich sei erwähnt, dass die Klägerin an den Überfall nicht denke, allerdings zu zittern anfange, wenn sie dem Täter im Dorf begegne. Die bei der aktuellen Untersuchung angegebenen Beschwerden seien nicht in Einklang zu bringen mit den in den Akten enthaltenen Angaben. Bereits in den Akten seien unterschiedliche Angaben zu finden. Insbesondere die Angaben zu einer eventuellen PTBS seien nicht in ein konsistentes Bild einzufügen. Gemäß den Akten seien Fragen nach Erinnerungen und Flashbacks mehrfach verneint worden und entsprechende Symptome nie erwähnt. Bei der jetzigen Begutachtung gebe die Klägerin solche aber an und erkläre, sie seien kurz nach dem Überfall aufgetreten. Bezüglich des Verlaufs der depressiven Symptomatik werde in den Akten von Episoden der Besserung gesprochen und dass Angstsymptome teilweise gar nicht vorhanden gewesen seien. Bei der Begutachtung schildere die Klägerin nun eine zunehmende Progredienz und keine Phase der Symptomfreiheit. Unabhängig von diesen Widersprüchen sei nun bei der aktuellen Begutachtung ein depressives Syndrom festzustellen, das, wenn auch unter anderem Namen, in den Akten seit 2003 immer wieder beschrieben sei. Es sei gekennzeichnet durch Deprimiertheit und Ängste, eine Störung der Aktivität sowie auch Gereiztheit und Dysphorie. Typische depressive Syndrome seien auch Antriebsstörungen und vorschnelle Erschöpfbarkeit. Nach der internationalen Klassifikation, ICD 10, handele es sich um eine depressive Episode. Insgesamt bestehe ein depressives Syndrom und fänden sich einzelne Symptome einer PTBS. Damit handele es sich diagnostisch um eine depressive Episode, wahrscheinlich im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung, wenn von einem phasenhaften episodischen Verlauf ausgegangen werde, wie es nach Lage der Akten nahe liege. Das Vollbild einer PTBS sei nicht zu diagnostizieren, es lägen lediglich einzelne Symptome der Belastungsstörung vor. Die depressive Episode sei nicht Folge des Überfalls aus dem Jahr 2003. Die einzelnen Symptome der PTBS, vor allem die jetzt angegebenen Erinnerungen an den Unfall, gelegentlich auftretenden Ängste bei Erinnerungen von Szenen des Unfalls und gelegentliches Vermeiden von Situationen, die an den Unfall erinnern könnten, seien Folge des Überfalls. Definitionsgemäß könnten diese Symptome nur auftreten, wenn ein entsprechendes Trauma bzw. ein Überfall stattgefunden habe. Durch die depressive Episode ergebe sich keine unfallbedingte MdE. Die einzelnen Symptome einer PTBS bedingten eine MdE um weniger als 10 v.H.

Auf Nachfrage des SG hat Dr. B. am 22. August 2007 ausgesagt, die Klägerin sei nicht in der Lage, ihre Beschwerden genauer auszudrücken. Sie habe auch ihm berichtet, dem Täter in der Stadt begegnet zu sein, es sei ihr jedoch unmöglich, die Gefühle dabei zu schildern. Nonverbal gebe sie jedoch zu verstehen, wie unerhört diese Begegnung für sie sei. Dass sie den Überfall ständig wieder erlebe, habe sie nicht berichtet. Sie habe jedoch mehrfach Panikattacken erlebt, könne diese jedoch nicht als solche wahrnehmen sondern stelle sie als Kreislaufstörungen dar. In seinem Warte- und Sprechzimmer befänden sich Stühle mit Armlehnen. Die Klägerin habe ihm gegenüber nie zu verstehen gegeben, dass sie auf diesen Stühlen nur angstbesetzt Platz nehmen könne.

Ebenfalls auf Nachfrage des SG teilte der Chefarzt der Klinik Bad B. mit, nach Durchsicht der über die Klägerin vorliegenden Unterlagen über die stationären Aufenhalte fänden sich keine Hinweise zum Vorliegen einer PTBS, darüber hinaus während der stationären Behandlung auch keine Hinweise über Berichte zur Häufigkeit des Wiedererlebens des Überfalls. Nach den Dokumentationen sei dies weder erwähnt, noch in anderer Form dokumentiert als Gegenstand der durchgeführten Therapie.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. August 2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente über den 09. November 2004 hinaus, da die - näher dargelegten - Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt seien. Insbesondere lägen über diesen Zeitpunkt hinaus keine unfallbedingten Beeinträchtigungen in rentenberechtigendem Grade vor. Der als Arbeitsunfall zu wertende Raubüberfall habe zu einer vorübergehenden Anpassungsstörung mit Angstsymptomen und depressiver Störung geführt, doch seien über den 09. November 2004 hinaus Unfallfolgen mit einer MdE um mindestens 20 v.H. nicht festzustellen. Der Unfall sei im Übrigen keine wesentliche Ursache der depressiven Erkrankung. Ferner liege das Vollbild einer PTBS nicht vor. Soweit die Klägerin bei der Untersuchung bei Prof. Dr. E. Symptome einer PTBS geschildert habe, fänden sich solche Angaben in Berichten über frühere Untersuchungen nicht. Soweit Vorgutachter teilweise zu anderen Ergebnissen gelangt seien, habe sich Prof. Dr. E. damit auseinandergesetzt und seine Auffassung schlüssig begründet. Diese Einschätzung ergebe sich auch aus den von der Beklagten eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahmen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gerichtsbescheid verwiesen.

Gegen den am 28. August 2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 08. September 2008 Berufung eingelegt, mit der sie weiterhin die Gewährung von Verletztenrente erstrebt. Sie trägt im Wesentlichen vor, die Beweiswürdigung des SG sei nicht nachvollziehbar. Insbesondere seien auch die in den Akten enthaltenen gutachterlichen Stellungnahmen teilweise erheblich widersprüchlich. Hierzu hat die Klägerin Äußerungen des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. vom 13. April 2010 (D: PTBS, schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, idiopathisch progressive Neuropathie), des Chefarztes PD Dr. R. vom 19. März 2010 über eine stationäre Behandlung vom 03. bis 23. März 2010 in der Klinik R. (D: Schwere depressive Episode, Verdacht auf anhaltende somatoforme Schmerzstörung, Polyneuropathie, u.a.), des Chefarztes Dr. N. vom 23. Dezember 2009 und 22. Januar 2010 über einen stationären Aufenthalt in der Klinik R. vom 11. bis 22. Januar 2010 (D: Polyneuropathie bei Folsäuremangel und Hepatopathie unklarer Ätiologie, anamnestisch: PTBS).

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 19. August 2008 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 21. März 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. September 2006 zu verurteilen, ihr wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 11. November 2003 Verletztenrente nach den gesetzlichen Bestimmungen über den 09. November 2004 hinaus zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, auch unter Berücksichtigung der weiteren vorgelegten Berichte ergäben sich keine neuen Erkenntnisse.

Der Senat hat eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Prof. Dr. E. zu den weiteren vorgelegten ärztlichen Äußerungen eingeholt. Dieser hat am 10. Juni 2010 ausgeführt, aus den vom SG nach Erstellung seines Gutachtens noch eingeholten weiteren ärztlichen Äußerungen des Dr. B. und der Klinik Bad B., in denen kein häufiges Wiedererleben des Überfalls beschrieben sei, ergäben sich keine Hinweise zum Vorliegen einer PTBS. Auch die im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Äußerungen, in denen Dr. M. eine PTBS neben der Diagnose einer schweren depressiven Episode erwähne, brächten keine neuen Erkenntnisse. Die Diagnose einer PTBS sei nicht begründet oder beschrieben. Damit ergäben sich insgesamt keine neuen Gesichtspunkte, insbesondere keine Hinweise auf eine andere Symptomatik als die in seinem für das SG erstellten Gutachten. Die zuletzt vorgelegten Befunde stützten dem gegenüber die frühere Beurteilung.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheidet, ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente über den 09. November 2004 hinaus aus Anlass des Unfalles vom 11. November 2003.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Gemessen daran hat die Klägerin am 11. November 2003 einen versicherten Arbeitsunfall erlitten, was zwischen den Beteiligten auch nicht strittig ist. Streitig ist zwischen den Beteiligten nur, ob die Klägerin einen Anspruch auf eine Verletztenrente über den 9. November 2004 hinaus hat.

Voraussetzung für die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalls und ihrer Berücksichtigung bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sogenannte haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und JURIS).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 (aaO Rdnr. 15) nicht gleichwertig oder annähernd gleichwertig sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Im Urteil vom 9. Mai 2006 (aaO Rdnr. 21) hat das BSG keinen Zweifel daran gelassen, dass die Theorie der wesentlichen Bedingung auch uneingeschränkt auf die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Arbeitsunfällen und psychischen Störungen anzuwenden ist, die nach Arbeitsunfällen in vielfältiger Weise auftreten können. Die Feststellung der psychischen Störung sollte angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen und möglichen Schulenstreiten aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen. Denn je genauer und klarer die beim Versicherten bestehenden Gesundheitsstörungen bestimmt sind, desto einfacher sind ihre Ursachen zu erkennen und zu beurteilen sowie letztlich die MdE zu bewerten (BSG aaO Rdnr. 22). Das BSG hat im Weiteren darauf hingewiesen, dass es wegen der Komplexität von psychischen Gesundheitsstörungen im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel des Inhalts gebe, dass bei fehlender Alternativursache (etwa wenn eine Vorerkrankung oder Schadensanlage nicht nachweisbar sind) die versicherte naturwissenschaftliche Ursache (also die Einwirkung durch den Arbeitsunfall, festgestellt auf der ersten Stufe der Ursächlichkeitsprüfung) damit auch automatisch zu einer wesentlichen Ursache (im Sinne der Ursächlichkeitsprüfung auf der zweiten Stufe) wird. Dies würde angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren zu einer Umkehr der Beweislast führen, für die keine rechtliche Grundlage erkennbar sei (BSG aaO Rdnr. 39). Andererseits schließt aber eine abnorme seelische Bereitschaft die Annahme der psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht aus. Wunschbedingte Vorstellungen sind aber als konkurrierende Ursachen zu würdigen und können der Bejahung eines wesentlichen Ursachenzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und der psychischen Reaktion entgegenstehen (BSG aaO Rdnrn 37, 38).

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls (Arbeitsunfall, der hier am 11. November 2003 eingetreten ist) über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) - solange eine rentenberechtigende MdE vorliegt - Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperli¬chen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermö¬gens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust un¬ter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäuße¬rungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit aus¬wirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unent¬behrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich dar¬auf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletz¬ten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswir¬kungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtli¬chen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheides unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Verletztenrente nach dem 09. November 2004 nicht mehr erfüllt, weil Unfallfolgen in rentenberechtigendem Grade über diesen Zeitpunkt hinaus nicht mehr vorliegen, insbesondere auch weil keine PTBS in rentenberechtigendem Grade besteht. Der Senat schließt sich dem nach eigener Überprüfung unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens, der in den Akten enthaltenen ärztlichen Äußerungen und der im Berufungsverfahren vorgelegten und eingeholten weiteren ärztlichen Äußerungen, insbesondere der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. E., an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ergänzend ist anzumerken, dass bei der Klägerin weiterhin das Vollbild einer PTBS nicht feststellbar ist. Insbesondere ergeben sich aus den in den Jahren nach dem Unfall dokumentierten Angaben und Befunden keine Hinweise dafür, dass die Symptome einer PTBS vorgelegen haben und vorliegen. Soweit die Klägerin erst bei späteren Untersuchungen, so auch bei Prof. Dr. E., entsprechende Symptome behauptet hat, wie das Wiedererleben bzw. Nachhallerinnerungen, sind entsprechende Angaben und Befunde auch anlässlich mehrwöchiger Behandlungen in der Klinik Bad Bramstedt in den Jahren 2004 und 2005 nicht dokumentiert, so auch der Chefarzt dieser Klinik nach nochmaliger Durchsicht der Krankenakten, und auch nicht durch Aussagen des Dr. B. belegt. Angesichts dessen liegt und lag eine PTBS mit einer messbaren MdE nicht vor.

Soweit die Klägerin infolge des Unfalles unter einer Anpassungsstörung litt, ist diese mit dem Ende der ersten stationären Behandlung in Bad Bramstedt am 09. November 2004, aus der die Klägerin aus Sicht der Ärzte arbeitsfähig und in wesentlich gebessertem Zustand entlassen wurde, abgeklungen, so dass jedenfalls ab diesem Zeitpunkt eine MdE in rentenberechtigendem Grade nicht mehr vorgelegen hat und nicht mehr vorliegt.

Soweit die Klägerin unter einer Depression bzw. depressiven Episoden leidet und gelitten hat, sind diese Leiden, ebenso wie die somatoforme Störung, nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen. Dies ergibt sich für den Senat gleichfalls schlüssig und überzeugend aus den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. E ...

Soweit hiervon abweichend Dr. Dr. N. und Dr. B. in den von der Beklagten eingeholten Gutachten von einer über den 09. November 2004 hinaus fortbestehenden unfallbedingten MdE in rentenberechtigendem Grade ausgegangen sind, vermochte sich auch der Senat diesen Einschätzungen nicht anzuschließen. Wie Prof. Dr. Dr. M. und auch Dr. M. in ihren beratungsärztlichen Stellungnahmen ausgeführt haben, sind diese gutachterlichen Einschätzungen hinsichtlich Diagnostik und Schlussfolgerungen, Kausalitätsbeurteilung sowie Einschätzung der MdE nicht schlüssig und nachvollziehbar. Dies hat sich auch durch das Gutachten von Prof. Dr. E. bestätigt.

Damit hat die Klägerin keinen Anspruch auf Verletztenrente über den 09. November 2004 hinaus, weswegen der Senat die Berufung zurückweist. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved