Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 77 AS 22540/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 1575/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2009 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Höhe von 27,70 EUR für Juni 2008.
Der Kläger bewohnt seit 1. Juni 2008 eine 57,11 qm große 2-Zimmer-Wohnung in der Kstraße, B, deren monatliche Bruttowarmmiete im streitigen Zeitraum sich auf 387,70 EUR belief. Mit Bescheid vom 3. Juni 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger für Juni 2008 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 347,- EUR und KdU in Höhe von 360,- EUR. Mit Änderungsbescheid vom 24. Juni 2008 wurde dem Kläger im Übrigen für Juni 2008 vorläufig ein befristeteter Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 80,- EUR gewährt. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers unter Hinweis auf den von ihm angenommenen Richtwert für Ein-Personen-Haushalte in Höhe von 360,- EUR für angemessene Bruttowarmmieten mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2008 zurück. Mit Änderungsbescheid vom 18. August 2008 wurden dem Kläger u.a. endgültig KdU für Juni 2008 in Höhe von 360,- EUR bewilligt.
Die Klage, mit der die Kläger nach Maßgabe des im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrages für den maßgeblichen Zeitraum die Bewilligung von Unterkunftskosten für Juni 2008 in Höhe von 387,70 EUR begehrt hatte, hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 27. Januar 2009 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme von KdU in Höhe von insgesamt 387,70 EUR für Juni 2008. Nach der "Produkttheorie" des Bundessozialgerichts (BSG) seien in Berlin monatlich 357,50 EUR als angemessene KdU für einen Ein-Personen-Haushalt anzusehen. In Berlin seien Wohnungen unterhalb der als angemessen anzusehenden Kosten auch konkret verfügbar. Dies gelte insbesondere für 1- bis 2-Zimmerwohnungen. Eine Recherche der Kammer im Internet unter www.immobilienscout24.de habe ergeben, dass 1- bis 2-Zimmerwohnungen mit einer Miete innerhalb der vom Beklagten als angemessen angesehenen Mietobergrenze regelmäßig in ausreichender Zahl vorhanden seien. Dies gelte auch für Wohnungen, die sich im Umkreis von ca. 10 km der vom Kläger nunmehr bewohnten Wohnung befänden. Dieser Bereich sei auch ausreichend, um dem Kläger die Beibehaltung seines bisherigen sozialen Umfeldes zu garantieren.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 28. August 2009 die Berufung zugelassen. Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf die Schriftsätze vom 5. März 2009 und 13. Juli 2009 wird Bezug genommen.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2009 aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. §§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des SG-Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Dies ist hier der Fall. Das angefochtene Urteil ist unter Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (§§ 62, 128 Abs. 2 SGG, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) ergangen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BSG, Beschluss vom 2. April 2009 - B 2 U 281/08 B – mwN; juris). Infolgedessen lässt § 128 Abs. 2 SGG lediglich die Verwertung solcher Tatsachen und Beweisergebnisse im Urteil zu, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Möglichkeit der Äußerung setzt voraus, dass die Beteiligten die maßgeblichen Tatsachen und insbesondere Beweisergebnisse erfahren (vgl. BSG, Beschluss vom 23. September 2003 – B 4 RA 4/03 B-, juris). Im vorliegenden Fall hat das SG versäumt, die ausweislich der Entscheidungsgründe von ihm vorgenommene Recherche im Internet unter www.immmobilienscout24.de zur für entscheidungserheblich gehaltenen Verfügbarkeit von Wohnungen zu einer von ihm als angemessen angesehenen Miete in das Verfahren einzuführen. Es handelt sich auch um einen wesentlichen Verfahrensmangel, weil die Entscheidung des SG darauf beruhen kann (zum Begriff "wesentlich" vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer; SGG, 9. Auflage 2008, § 159 Rn. 3a; Lüdtke, in HK-SGG, 3. Auflage 2009, § 159 Rn. 6 mwN). Ausweislich der Urteilbegründung war das Ergebnis der vom SG durchgeführten Internetrecherche nach seiner - insoweit maßgeblichen - Rechtsauffassung entscheidungserheblich. Durch die unterbliebene Einführung in das Verfahren ist dem Kläger die Möglichkeit genommen worden, sich auf die auf der Grundlage der gerichtlichen Ermittlungen erfolgte Bewertung der Sach- und Rechtslage einzustellen und eventuell seinen Vortrag zu ergänzen. Der Senat hat sich im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens dafür entschieden, von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch zu machen. Dem SG wird auf diese Weise Gelegenheit gegeben, den ersten Rechtszug verfahrensfehlerfrei abzuschließen, und dem Kläger geht keine Tatsacheninstanz verloren, in der er für sein Anliegen weiter vortragen kann. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass der Kläger durch seine zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemachte eigene Internetrechercheergebnisse vom 30. Oktober 2008 Unterkunftsalternativen mit einem auch nach Auffassung des SG angemessenen Mietzins bereits benannt hatte. Bei seiner Entscheidung wird das SG im Übrigen zu prüfen haben, ob der Änderungsbescheid vom 18. August 2008 Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG geworden ist (so zur Ersetzung eines vorläufigen Honorarbescheides durch einen endgültigen Bescheid BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 23 Rn. 11).
Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Bewilligung weiterer Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in Höhe von 27,70 EUR für Juni 2008.
Der Kläger bewohnt seit 1. Juni 2008 eine 57,11 qm große 2-Zimmer-Wohnung in der Kstraße, B, deren monatliche Bruttowarmmiete im streitigen Zeitraum sich auf 387,70 EUR belief. Mit Bescheid vom 3. Juni 2008 bewilligte der Beklagte dem Kläger für Juni 2008 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 347,- EUR und KdU in Höhe von 360,- EUR. Mit Änderungsbescheid vom 24. Juni 2008 wurde dem Kläger im Übrigen für Juni 2008 vorläufig ein befristeteter Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe von 80,- EUR gewährt. Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers unter Hinweis auf den von ihm angenommenen Richtwert für Ein-Personen-Haushalte in Höhe von 360,- EUR für angemessene Bruttowarmmieten mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2008 zurück. Mit Änderungsbescheid vom 18. August 2008 wurden dem Kläger u.a. endgültig KdU für Juni 2008 in Höhe von 360,- EUR bewilligt.
Die Klage, mit der die Kläger nach Maßgabe des im Termin zur mündlichen Verhandlung gestellten Antrages für den maßgeblichen Zeitraum die Bewilligung von Unterkunftskosten für Juni 2008 in Höhe von 387,70 EUR begehrt hatte, hat das Sozialgericht (SG) Berlin mit Urteil vom 27. Januar 2009 abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Übernahme von KdU in Höhe von insgesamt 387,70 EUR für Juni 2008. Nach der "Produkttheorie" des Bundessozialgerichts (BSG) seien in Berlin monatlich 357,50 EUR als angemessene KdU für einen Ein-Personen-Haushalt anzusehen. In Berlin seien Wohnungen unterhalb der als angemessen anzusehenden Kosten auch konkret verfügbar. Dies gelte insbesondere für 1- bis 2-Zimmerwohnungen. Eine Recherche der Kammer im Internet unter www.immobilienscout24.de habe ergeben, dass 1- bis 2-Zimmerwohnungen mit einer Miete innerhalb der vom Beklagten als angemessen angesehenen Mietobergrenze regelmäßig in ausreichender Zahl vorhanden seien. Dies gelte auch für Wohnungen, die sich im Umkreis von ca. 10 km der vom Kläger nunmehr bewohnten Wohnung befänden. Dieser Bereich sei auch ausreichend, um dem Kläger die Beibehaltung seines bisherigen sozialen Umfeldes zu garantieren.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der Senat mit Beschluss vom 28. August 2009 die Berufung zugelassen. Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Auf die Schriftsätze vom 5. März 2009 und 13. Juli 2009 wird Bezug genommen.
Aus dem Vorbringen des Klägers ergibt sich der Antrag,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 27. Januar 2009 aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl. §§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist im Sinne der Aufhebung des SG-Urteils und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an das SG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet.
Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Dies ist hier der Fall. Das angefochtene Urteil ist unter Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (§§ 62, 128 Abs. 2 SGG, Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) ergangen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör soll verhindern, dass die Beteiligten durch eine Entscheidung überrascht werden, die auf Rechtsauffassungen, Tatsachen oder Beweisergebnissen beruht, zu denen sie sich nicht äußern konnten, und sicherstellen, dass ihr Vorbringen vom Gericht in seine Erwägungen mit einbezogen wird (BSG, Beschluss vom 2. April 2009 - B 2 U 281/08 B – mwN; juris). Infolgedessen lässt § 128 Abs. 2 SGG lediglich die Verwertung solcher Tatsachen und Beweisergebnisse im Urteil zu, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Möglichkeit der Äußerung setzt voraus, dass die Beteiligten die maßgeblichen Tatsachen und insbesondere Beweisergebnisse erfahren (vgl. BSG, Beschluss vom 23. September 2003 – B 4 RA 4/03 B-, juris). Im vorliegenden Fall hat das SG versäumt, die ausweislich der Entscheidungsgründe von ihm vorgenommene Recherche im Internet unter www.immmobilienscout24.de zur für entscheidungserheblich gehaltenen Verfügbarkeit von Wohnungen zu einer von ihm als angemessen angesehenen Miete in das Verfahren einzuführen. Es handelt sich auch um einen wesentlichen Verfahrensmangel, weil die Entscheidung des SG darauf beruhen kann (zum Begriff "wesentlich" vgl. Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer; SGG, 9. Auflage 2008, § 159 Rn. 3a; Lüdtke, in HK-SGG, 3. Auflage 2009, § 159 Rn. 6 mwN). Ausweislich der Urteilbegründung war das Ergebnis der vom SG durchgeführten Internetrecherche nach seiner - insoweit maßgeblichen - Rechtsauffassung entscheidungserheblich. Durch die unterbliebene Einführung in das Verfahren ist dem Kläger die Möglichkeit genommen worden, sich auf die auf der Grundlage der gerichtlichen Ermittlungen erfolgte Bewertung der Sach- und Rechtslage einzustellen und eventuell seinen Vortrag zu ergänzen. Der Senat hat sich im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens dafür entschieden, von der Möglichkeit der Zurückverweisung Gebrauch zu machen. Dem SG wird auf diese Weise Gelegenheit gegeben, den ersten Rechtszug verfahrensfehlerfrei abzuschließen, und dem Kläger geht keine Tatsacheninstanz verloren, in der er für sein Anliegen weiter vortragen kann. Dabei wird auch zu berücksichtigen sein, dass der Kläger durch seine zum Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gemachte eigene Internetrechercheergebnisse vom 30. Oktober 2008 Unterkunftsalternativen mit einem auch nach Auffassung des SG angemessenen Mietzins bereits benannt hatte. Bei seiner Entscheidung wird das SG im Übrigen zu prüfen haben, ob der Änderungsbescheid vom 18. August 2008 Gegenstand des Verfahrens nach § 96 SGG geworden ist (so zur Ersetzung eines vorläufigen Honorarbescheides durch einen endgültigen Bescheid BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 23 Rn. 11).
Die Kostenentscheidung bleibt dem SG vorbehalten.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
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