Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 52 AL 326/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 96/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 21. März 2011 aufgehoben.
Dem Kläger wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten gewährt.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist begründet.
Dem – bedürftigen – Kläger ist für die erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung von höherem Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 1. November 2010 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – iVm §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -); die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage ist schon deshalb zu bejahen, weil das Sozialgericht (SG) zur abschließenden Beurteilung des Sach- und Streitstandes und mithin zur Prüfung, ob die Beklagte für den streitigen Zeitraum zu Recht Alg nach Maßgabe eines täglichen Bemessungsentgelts iHv 85,17 EUR bewilligt hat, noch weitere Ermittlungen anzustellen haben wird.
Nach § 129 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der hier anwendbaren, seit 01. August 2001 geltenden Fassung beträgt das Alg 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz) bzw. 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 01. Januar 2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2848) umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn u.a. der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III). Letzteres ist hier der Fall. Die Übergangsregelung in § 434j Abs. 3 SGB III findet vorliegend keine Anwendung, weil der Alg-Anspruch des Klägers nicht bis zum 31. Januar 2006 entstanden ist.
Weder im Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III noch im erweiterten Bemessungsrahmen des § 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt festgestellt werden. Bei dem Kläger ist daher als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III). Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber bei allen Versicherten, die keinen ausreichend zeitnahen Bemessungszeitraum von wenigstens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen haben, die Indizwirkung des zuletzt erzielten Lohns für den auf Grund des Versicherungsfalls eintretenden Lohnausfall als nicht mehr gewährleistet ansieht und deshalb stattdessen den voraussichtlichen aktuell erzielbaren Lohn zur Bemessungsgrundlage erhebt, bestehen nicht. Die fiktive Bemessung nach § 132 Abs. 1 SGB III und die nähere Ausgestaltung der fiktiven Bemessung in § 132 Abs. 2 SGB III verstoßen weder gegen Verfassungs- noch gegen Gemeinschaftsrecht (vgl. BSG, Urteile vom 29. Mai 2008 – B 11a/ 7a AL 64/06 R, B 11a AL 23/07 R – juris; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 11 AL 7/08 R = SozR 4-4300 § 130 Nr 5; BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 – B 7 AL 23/08 R = SozR 4-4300 § 132 Nr 3; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 – B 11 AL 42/08 R – juris; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2009 – B 7 AL 39/08 R – juris; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 – 1 BvL 11/07 - juris).
Nach § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. § 132 Abs. 2 Satz 2 SGB III legt zu diesem Zweck vier näher bezeichnete Qualifikationsgruppen fest, denen jeweils in Abhängigkeit von der für eine Beschäftigung erforderlichen Ausbildung ein Arbeitsentgelt in Höhe eines bestimmten Bruchteils der Bezugsgröße zugeordnet ist. Die Bezugsgröße ist das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag (§ 18 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV -). Sie belief sich im Jahr 2010 auf 30.660,- EUR (West).
Ob die Beklagte den Kläger in dem vorliegend streitbefangenen Zeitraum zutreffend der Qualifikationsgruppe 2 nach § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III (Beschäftigungen, die einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern) zugeordnet hat, lässt sich derzeit nicht abschließend entscheiden. Denn es bedarf weiterer Ermittlungen, um feststellen zu können, ob die die Beklagte insoweit ihre Vermittlungsbemühungen für den Kläger in erster Linie tatsächlich nur auf Beschäftigungen der Qualifikationsgruppe 2 zu erstrecken hatte und hat. Da der Gesetzgeber die Suche nach der insoweit maßgeblichen Beschäftigung ausdrücklich auf Tätigkeiten eingeschränkt hat, auf die sich die Vermittlungsbemühungen "in erster Linie" zu erstrecken haben, können nur diejenigen Tätigkeiten für die fiktive Bemessung relevant sein, mit denen der Arbeitslose bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann (vgl BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 – B 11 AL 42/08 R -). Bei mehreren in Betracht kommenden Beschäftigungen richtet sich die fiktive Bemessung nach derjenigen Beschäftigung, die die höchste berufliche Qualifikation erfordert. Die dergestalt von der Beklagten zu treffende Prognoseentscheidung (vgl BSG, Urteil vom 9. November 1989 – 11/7 RAr 63/87 – juris) ist im gerichtlichen Verfahren voll überprüfbar (vgl BSG SozR 4100 § 44 Nr 47). Die Prognoseentscheidung der Beklagten stützt sich im wesentlichen darauf, dass der Studienabschluss des Klägers in Physik bei Leistungsbeginn bereits mehr als 30 Jahre zurücklag und der Kläger die letzte "hochschulbezogene" Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bereits in der Zeit von 1976 bis 1986 verrichtet habe, weshalb die Vermittlungschancen in den akademisch-wissenschaftlichen Bereich gering seien. Diese Schlussfolgerung berücksichtigt weder die Tatsache, dass der Kläger von 1986 bis 1991 an der Akademie der Wissenschaften sowie von 1993 bis 1994 beim M-Institut für molekulare Medizin und somit – was durch weitere Ermittlungen zu klären wäre – wohl durchaus auch in diesem Zeitraum "akademisch-wissenschaftlich" tätig gewesen sein dürfte. Darüber hinaus hat die Beklagte aber auch nicht in Rechnung gestellt, dass der Kläger im Zeitraum von 2004 bis 2010 promoviert hat und daher auch über einen aktuellen Wissensstand als Physiker verfügen dürfte. Weshalb er auf dem Niveau einer Beschäftigung mit Hochschulabschluss, der bei einer Tätigkeit als "Physiker" (vgl. die Eingliederungsvereinbarung) auch außerhalb des Hochschulbereichs regelmäßig vorauszusetzen sein dürfte, nicht bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden könnte, erschließt sich ohne weitere Ermittlungen jedenfalls derzeit nicht, zumal es im Rahmen von § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III nicht darauf ankommt, ob andere mögliche Tätigkeitsfelder realistischere Vermittlungsmöglichkeiten bieten, solange eine Vermittlung in eine auf dem Arbeitsmarkt vorhandene Beschäftigung mit Hochschul- oder Fachhochschulausbildung grundsätzlich möglich erscheint (vgl. Behrend in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 132 Rn 35 mwN). Das SG wird daher im Einzelnen zu prüfen haben, welche personenbezogenen Vermittlungskriterien bei dem Kläger vorliegen und welches in Betracht kommende Arbeitsangebot dem gegenübersteht.
Eine Kostenentscheidung hat im PKH- Beschwerdeverfahren nicht zu ergehen (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Dem Kläger wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Berlin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten gewährt.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers ist begründet.
Dem – bedürftigen – Kläger ist für die erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Gewährung von höherem Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit ab 1. November 2010 Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – iVm §§ 114, 121 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO -); die hinreichende Erfolgsaussicht der Klage ist schon deshalb zu bejahen, weil das Sozialgericht (SG) zur abschließenden Beurteilung des Sach- und Streitstandes und mithin zur Prüfung, ob die Beklagte für den streitigen Zeitraum zu Recht Alg nach Maßgabe eines täglichen Bemessungsentgelts iHv 85,17 EUR bewilligt hat, noch weitere Ermittlungen anzustellen haben wird.
Nach § 129 Nr. 2 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der hier anwendbaren, seit 01. August 2001 geltenden Fassung beträgt das Alg 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz) bzw. 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 01. Januar 2005 geltenden Fassung des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003 (BGBl. I 2848) umfasst der Bemessungszeitraum die beim Ausscheiden des Arbeitslosen aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (§ 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Der Bemessungsrahmen wird auf zwei Jahre erweitert, wenn u.a. der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält (§ 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III). Kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden, ist als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III). Letzteres ist hier der Fall. Die Übergangsregelung in § 434j Abs. 3 SGB III findet vorliegend keine Anwendung, weil der Alg-Anspruch des Klägers nicht bis zum 31. Januar 2006 entstanden ist.
Weder im Bemessungsrahmen nach § 130 Abs. 1 Satz 2 SGB III noch im erweiterten Bemessungsrahmen des § 130 Abs. 3 Nr. 1 SGB III kann ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt festgestellt werden. Bei dem Kläger ist daher als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (§ 132 Abs. 1 SGB III). Verfassungsrechtliche Bedenken dagegen, dass der Gesetzgeber bei allen Versicherten, die keinen ausreichend zeitnahen Bemessungszeitraum von wenigstens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt vorzuweisen haben, die Indizwirkung des zuletzt erzielten Lohns für den auf Grund des Versicherungsfalls eintretenden Lohnausfall als nicht mehr gewährleistet ansieht und deshalb stattdessen den voraussichtlichen aktuell erzielbaren Lohn zur Bemessungsgrundlage erhebt, bestehen nicht. Die fiktive Bemessung nach § 132 Abs. 1 SGB III und die nähere Ausgestaltung der fiktiven Bemessung in § 132 Abs. 2 SGB III verstoßen weder gegen Verfassungs- noch gegen Gemeinschaftsrecht (vgl. BSG, Urteile vom 29. Mai 2008 – B 11a/ 7a AL 64/06 R, B 11a AL 23/07 R – juris; BSG, Urteil vom 6. Mai 2009 – B 11 AL 7/08 R = SozR 4-4300 § 130 Nr 5; BSG, Urteil vom 21. Juli 2009 – B 7 AL 23/08 R = SozR 4-4300 § 132 Nr 3; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 – B 11 AL 42/08 R – juris; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2009 – B 7 AL 39/08 R – juris; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 10. März 2010 – 1 BvL 11/07 - juris).
Nach § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist der Arbeitslose für die Festsetzung des fiktiven Arbeitsentgelts der Qualifikationsgruppe zuzuordnen, die der beruflichen Qualifikation entspricht, die für die Beschäftigung erforderlich ist, auf die die Agentur für Arbeit die Vermittlungsbemühungen für den Arbeitslosen in erster Linie zu erstrecken hat. § 132 Abs. 2 Satz 2 SGB III legt zu diesem Zweck vier näher bezeichnete Qualifikationsgruppen fest, denen jeweils in Abhängigkeit von der für eine Beschäftigung erforderlichen Ausbildung ein Arbeitsentgelt in Höhe eines bestimmten Bruchteils der Bezugsgröße zugeordnet ist. Die Bezugsgröße ist das Durchschnittsentgelt der gesetzlichen Rentenversicherung im vorvergangenen Kalenderjahr, aufgerundet auf den nächsthöheren, durch 420 teilbaren Betrag (§ 18 Abs. 1 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – SGB IV -). Sie belief sich im Jahr 2010 auf 30.660,- EUR (West).
Ob die Beklagte den Kläger in dem vorliegend streitbefangenen Zeitraum zutreffend der Qualifikationsgruppe 2 nach § 132 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB III (Beschäftigungen, die einen Fachschulabschluss, den Nachweis über eine abgeschlossene Qualifikation als Meister oder einen Abschluss in einer vergleichbaren Einrichtung erfordern) zugeordnet hat, lässt sich derzeit nicht abschließend entscheiden. Denn es bedarf weiterer Ermittlungen, um feststellen zu können, ob die die Beklagte insoweit ihre Vermittlungsbemühungen für den Kläger in erster Linie tatsächlich nur auf Beschäftigungen der Qualifikationsgruppe 2 zu erstrecken hatte und hat. Da der Gesetzgeber die Suche nach der insoweit maßgeblichen Beschäftigung ausdrücklich auf Tätigkeiten eingeschränkt hat, auf die sich die Vermittlungsbemühungen "in erster Linie" zu erstrecken haben, können nur diejenigen Tätigkeiten für die fiktive Bemessung relevant sein, mit denen der Arbeitslose bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden kann (vgl BSG, Urteil vom 3. Dezember 2009 – B 11 AL 42/08 R -). Bei mehreren in Betracht kommenden Beschäftigungen richtet sich die fiktive Bemessung nach derjenigen Beschäftigung, die die höchste berufliche Qualifikation erfordert. Die dergestalt von der Beklagten zu treffende Prognoseentscheidung (vgl BSG, Urteil vom 9. November 1989 – 11/7 RAr 63/87 – juris) ist im gerichtlichen Verfahren voll überprüfbar (vgl BSG SozR 4100 § 44 Nr 47). Die Prognoseentscheidung der Beklagten stützt sich im wesentlichen darauf, dass der Studienabschluss des Klägers in Physik bei Leistungsbeginn bereits mehr als 30 Jahre zurücklag und der Kläger die letzte "hochschulbezogene" Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bereits in der Zeit von 1976 bis 1986 verrichtet habe, weshalb die Vermittlungschancen in den akademisch-wissenschaftlichen Bereich gering seien. Diese Schlussfolgerung berücksichtigt weder die Tatsache, dass der Kläger von 1986 bis 1991 an der Akademie der Wissenschaften sowie von 1993 bis 1994 beim M-Institut für molekulare Medizin und somit – was durch weitere Ermittlungen zu klären wäre – wohl durchaus auch in diesem Zeitraum "akademisch-wissenschaftlich" tätig gewesen sein dürfte. Darüber hinaus hat die Beklagte aber auch nicht in Rechnung gestellt, dass der Kläger im Zeitraum von 2004 bis 2010 promoviert hat und daher auch über einen aktuellen Wissensstand als Physiker verfügen dürfte. Weshalb er auf dem Niveau einer Beschäftigung mit Hochschulabschluss, der bei einer Tätigkeit als "Physiker" (vgl. die Eingliederungsvereinbarung) auch außerhalb des Hochschulbereichs regelmäßig vorauszusetzen sein dürfte, nicht bestmöglich in den Arbeitsmarkt integriert werden könnte, erschließt sich ohne weitere Ermittlungen jedenfalls derzeit nicht, zumal es im Rahmen von § 132 Abs. 2 Satz 1 SGB III nicht darauf ankommt, ob andere mögliche Tätigkeitsfelder realistischere Vermittlungsmöglichkeiten bieten, solange eine Vermittlung in eine auf dem Arbeitsmarkt vorhandene Beschäftigung mit Hochschul- oder Fachhochschulausbildung grundsätzlich möglich erscheint (vgl. Behrend in: Eicher/Schlegel, SGB III, § 132 Rn 35 mwN). Das SG wird daher im Einzelnen zu prüfen haben, welche personenbezogenen Vermittlungskriterien bei dem Kläger vorliegen und welches in Betracht kommende Arbeitsangebot dem gegenübersteht.
Eine Kostenentscheidung hat im PKH- Beschwerdeverfahren nicht zu ergehen (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved