Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 1 BL 6/06
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 BL 4/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 4. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) zusteht.
Der 1954 geborene Kläger leidet seit einem am 28.02.2002 erlittenen leichten Schlaganfall mit Gehirnblutung an einer Sehstörung. Er stellte erstmals im August 2002 einen Antrag nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG), den der Beklagte mit Bescheid vom 21.10.2002 ablehnte. Der behandelnde Augenarzt Dr. R. hatte im September 2002 über eine Minderung der Sehschärfe (rechtes und linkes Auge jeweils 0,32 korrigiert), eine ausgeprägte konzentrische Einschränkung der Gesichtsfelder und eine linksseitige Abduzensparese mit binokularer Diplopie berichtet. Er habe dem Kläger eine Okklusion zur Unterdrückung der störenden Doppelbilder empfohlen und eine Lesebrille verordnet. Die beigefügten computerperimetrischen Befunde vom Mai, Juni, Juli und August 2002 zeigen ein Rest-Gesichtsfeld auf dem linken Auge vom Zentrum nach unten zwischen 14° und 20° und auf dem rechten Auge vom Zentrum nach unten zwischen 17° und 21°.
Einen weiteren Antrag auf Blindengeld vom November 2002 nahm der Kläger im Dezember 2002 wieder zurück. Im Antragsschreiben vom 22.11.2002 entschuldigte er seine Schrift damit, dass die linke Gesichtshälfte beim Schreiben auf dem Schreibtisch liege, die linke Hand eine Lupe halte und er mit der rechten Hand schreibe.
Aufgrund eines im August 2002 gestellten Antrags auf Feststellung einer Behinderung stellte der Beklagte mit Bescheid vom 22.10.2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 fest und bewertete die Sehbehinderung und Gesichtsfeldeinschränkung beidseits mit einem Einzel-GdB von 70, die Halbseitenreststörung rechts mit einem Einzel-GdB von 30 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10. Mit Änderungsbescheid vom 29.04.2004 wurden ein GdB von 100 und Merkzeichen B, G und RF zuerkannt, wobei die Sehminderung nunmehr mit 80 bewertet war. Im Rahmen der Ermittlungen hatte der Beklagte das für den Rentenversicherungsträger erstattete augenärztliche Gutachten des Dr. W. beigezogen, der am 20.03.2003 eine Sehschärfenminderung rechts auf 0,3 und links auf 0,2, eine Abduzensschwäche links mit störenden Doppelbildern (Diplopie) und eine konzentrische Gesichtsfeldeinengung rechts um 18° und links um 13° bestätigt hatte.
Laut Arztbrief der Augenklinik der J.-Universität vom 27.02.2003 wurde bei der Kontrolluntersuchung am 28.01.2003 ein Visus des rechten und des linken Auges von 0,4 befundet. Von einer Augenmuskeloperation wurde abgeraten, da postoperativ mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin eine Diplopie bestehen würde.
Bei einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) am 08.12.2005 wurde beobachtet, dass der Kläger sehr lichtempfindlich sei und eine dunkle Brille trage. Gezieltes Greifen sei möglich. Nach seinen Angaben sei Lesen möglich, es dauere aber sehr lange, bis alles entziffert sei. Auf der Straße sei er sehr unsicher wegen vorhandener Doppelbilder. Leistungen aus der Pflegeversicherung wurden mit Bescheid der BKK Pflegekasse Linde vom 12.12.2005 abgelehnt.
Am 03.11.2005 stellte der Kläger erneut Antrag auf Blindengeld. Auf Anfrage teilte
Dr. R. mit Schreiben vom 10.11.2005 mit, dass bei einer Untersuchung am 24.10.2005 die korrigierte Sehschärfe auf beiden Augen 0,2 betragen habe und eine ausgeprägte konzentrische Einschränkung der Gesichtsfelder bestehe. Der Patient sei durch die Minderung der Sehschärfe, die Gesichtsfeldeinschränkung sowie die binokulare Diplopie in erheblichem Maße beeinträchtigt und könne sich nur mit einseitiger Okklusion bewegen. Auf Veranlassung des Beklagten erstattete Prof. Dr. G. unter Mitarbeit der Oberärztin Dr. S. (Augenklinik des Universitätsklinikums W.) am 12.01.2006 ein augenärztliches Gutachten: Die unkorrigierte und korrigierte Sehschärfe des Klägers betrage rechts 0,32, links 0,2 und bei beidäugiger Prüfung korrigiert 0,2. Bei beiden Augen bestehe eine konzentrische Einschränkung des Gesichtsfelds (laut Anlage maximale Außengrenze des Gesichtsfelds bei ca. 7,5° bzw. ca. 7°), die allerdings durch die ophtalmologische Untersuchung nicht erklärbar sei. Da die dokumentierte Sehleistung durch objektivierbare Befunde im optischen System für nicht begründbar gehalten wurde, erfolgten am 24.05.2006 ergänzende Untersuchungen (elektrophysiologische Untersuchung, Ganzfeld-Elektroretinogramm - ERG -, photopisches ERG, multifokales ERG). Die Gutachter stellten abschließend fest, dass die Befunde gegen die angegebene konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung sprächen, und wiesen darauf hin, dass auch das Bewegungsverhalten des Klägers ein größeres Gesichtsfeld vermuten lasse, als er es angebe. Sie hielten den Kläger nicht für blindengeldberechtigt.
Der Beklagte lehnte daraufhin den Blindengeldantrag mit Bescheid vom 29.06.2006 ab, der durch Widerspruchsbescheid vom 05.09.2006 bestätigt wurde. Im Widerspruchsverfahren hatte der Kläger geltend gemacht, dass er eindeutig sehbehindert und blindengeldberechtigt sei. Auf der Straße tue er sich sehr schwer, stoße oftmals mit Personen zusammen, weil er sie zu spät wahrnehme. Beim Einkaufen benötige er Fremdhilfe, er könne das Verfalldatum nicht lesen. Zu Hause behelfe er sich qualvoll mit der Lupe, Lesen und Schreiben seien stümperhaft und auch mit der Lupe sehr quälend. Er könne nicht fernschauen. Das Gutachten vom 24.04.2006 (richtig 24.05.2006) sei menschenunwürdig, auch Dr. R. finde das Gutachten unverschämt.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 15.09.2006 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Dr. R. hat mit Schreiben vom 11.09.2006 über die letzte Untersuchung am 24.10.2005 berichtet und - entgegen der Auskunft vom 10.11.2005 - die Sehschärfe auf beiden Augen mit 0,125 angegeben. Außerdem hat er den computerperimetrischen Befund vom 03.07.2006 beigefügt (rechtes Gesichtsfeld bis 10° nach unten, linkes Gesichtsfeld bis 13° nach unten). Der Patient sei "praktisch blind im Sinne des Gesetzes".
Die Sachverständige Dr. S. hat am 14.02.2007 ein augenärztliches Gutachten erstattet. Bei der Untersuchung am 15.11.2006 hat sie eine korrigierte Sehschärfe von 0,05 für das rechte und das linke Auge gemessen. Bei der Gesichtsfelduntersuchung mit dem Halbkugelperimeter nach Goldmann habe sich eine hochgradige konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung gezeigt, beim rechten Auge für die Test-Marke III 4 nasal und unten auf 5°, oben und temporal auf ca. 8°, beim linken Auge für die Test-Marke V 4 unten und temporal auf ca. 7°, nasal und oben auf ca. 10° (die Test-Marke III 4 sei nicht erkannt worden). Der Kläger habe sich in der Praxis gut zurechtgefunden und nach Abschluss der Untersuchung an der Garderobe seine Jacke unter verschiedenen Jacken sofort gefunden. Sein Bewegungsverhalten sei mit der von ihm angegebenen beidseitigen hochgradigen konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung nicht in Einklang zu bringen, es lasse ein deutlich besseres Gesichtsfeld vermuten. Auch die Ableitung der visuell evozierten Potenziale (VEP), die bei ihrer Untersuchung im Normbereich gelegen hätten, sowie die elektrophysiologischen Untersuchungen der Universitäts-Augenklinik W. ließen ein deutlich größeres Gesichtsfeld als angegeben vermuten. Blindheit im Sinn des Gesetzes liege nicht vor. In der durch den aktuellen Befundbericht des Dr. R. vom 27.02.2007 veranlassten ergänzenden Stellungnahme vom 03.04.2007 hat die Sachverständige an ihrer Beurteilung festgehalten. Dr. R. hatte am 26.02.2007 einen Visus auf dem rechten und auf dem linken Auge von 0,1 ermittelt, das Rest-Gesichtsfeld mit einem Durchmesser von ca. 10° angegeben und den Patienten als "praktisch blind im Sinn des Gesetzes" bezeichnet.
Das Sozialgericht Würzburg hat die Klage mit Urteil vom 04.05.2007 abgewiesen. Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung erschienen und hat sich, wie im Urteil festgehalten ist, sicher und problemlos im Sitzungssaal bewegt.
Am 01.06.2007 hat der Kläger Berufung eingelegt und das Urteil als empörendes Fehlurteil und Menschenrechtsverletzung bezeichnet. Ihm stehe Blindengeld zu, er werde es gerichtlich einklagen, auch wenn er bis zum obersten Gerichtshof und zum Bundesverfassungsgericht ziehen müsse. Seine Sehkraft betrage auf beiden Augen 0,1, damit sei er einem Blinden gleichgestellt und blind im Sinne des Gesetzes. Das Gutachten der
Dr. S. entspreche nicht der Wahrheit. Dr. R. könne alles erklären, weil er sich mit seiner neurologischen Krankheit intensiv befasst habe. Er hat weitere Befundberichte des Dr. R. vom 07.12.2007 und 15.10.2008 (Sehschärfe jeweils 0,1, Gesichtsfeld am 14.10.2008 mit einem Durchmesser von 3° bis 5°) sowie computerperimetrische Befunde vom 05.07.2007, 06.09.2007, 07.12.2007, 16.01.2008 und 02.06.2008 vorgelegt. Außerdem hat er zum Beweis seiner Blindheit auf das Gutachten des Dr. W. vom 20.03.2003 verwiesen. Auf den Vorhalt des Beklagten, dass die Fähigkeit, lesen und in dieser Weise schreiben zu können, mit Blindheit eher nicht zu vereinbaren sei, hat der Kläger behauptet, er könne weder lesen noch schreiben noch fernsehen, weil er sehbehindert sei. Eine Vertrauensperson schreibe ihm die Schriftsätze so, wie er es diktiere, sie habe allerdings sein Ehrenwort, dass sie unbekannt bleibe.
Dr. P. hatte am 02.07.2002 eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns durchgeführt. Beauftragt als Sachverständiger hat er am 18.07.2008 erneut eine MRT gefertigt und im radiologischen Gutachten vom 12.08.2008 festgestellt, dass nach dem Befund vom 18.07.2008 ein Defekt bestehe, der aus radiologischer Sicht durchaus zu Sehstörungen beider Augen führen könne. Zur Frage des Sehvermögens könne er als Radiologe allerdings nicht Stellung nehmen. Ein signifikanter Befundwandel vom 02.07.2002 zum 18.07.2008 sei anhand des vorliegenden Bildmaterials nicht zu erkennen.
Der Sachverständige Dr. B. hat in einem augenfachärztlichen Gutachten für das linke und das rechte Auge jeweils eine Kurz- und Schwachsichtigkeit sowie einen grauen Star diagnostiziert. Die Sehschärfe betrage mit bester Korrektur an beiden Augen 1/50, an beiden Augen bestehe eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung bis auf 3°. Er hat den Anspruch des Klägers auf Blindengeld bejaht. Außer dem grauen Star hat er krankheitswertige Befunde nicht benannt. Die VEP waren bei seiner Untersuchung am 27.02.2009 für das rechte Auge normal und für das linke Auge verlangsamt. Das von ihm durchgeführte ERG war für beide Augen unauffällig.
Der Beklagte hat eingewendet, der Sachverständige habe sich zu der sehr deutlichen Diskrepanz zwischen den Angaben zu Sehschärfe und Gesichtsfeld einerseits und den morphologischen Befunden sowie den Ergebnissen der elektrophysiologischen Untersuchungen andererseits nicht geäußert. Er habe sich auch nicht zu den widersprüchlichen Angaben des Klägers geäußert. Dieser klage über Doppelbilder, obwohl er nach eigener Aussage auf dem linken Auge nur noch Lichtschein erkenne, was einem vollständigen Verlust des Sehvermögens auf diesem Auge entspreche. Die präzise Angabe einer Gesichtsfeldeinschränkung des linken Auges auf ca. 2° bis 3° passe ebenfalls nicht dazu, diese Differenzierung sei bei einer auf das Erkennen von lichtscheinreduzierten Sehschärfe nicht mehr möglich. Damit konfrontiert hat Dr. B., ohne auf die konkreten Einwände einzugehen, die Möglichkeit einer kortikalen Erblindung ins Spiel gebracht, die sich nicht etwa am Auge, sondern nur intracerebral nachweisen lasse, und bedauert, dass radiologische Befunde nicht zur Verfügung stünden (ergänzende Stellungnahme vom 19.05.2009). Auf den Vorhalt, dass bereits das radiologische Gutachten des Dr. P. vom 12.08.2008 vorliege, ist Dr. B. in der weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 24.07.2009 nicht eingegangen. Er hat vielmehr bei einer erneuten Vorstellung des Klägers am 16.07.2009 dessen Verhalten im Bereich der Praxis und auf der Straße beobachtet und daraus den Schluss gezogen, dass dieser eine bessere Restorientierungsfähigkeit in Raum und Verkehr zeige, als man es bei den vorliegenden Untersuchungsergebnissen erwarten dürfte. Gleichwohl ist Dr. B. bei seiner Meinung, dass Blindheit im Sinne des Gesetzes vorliege, geblieben und hat empfohlen, bei weiter bestehendem Zweifel die neuroopthalmologische Abteilung der Universitäts-Augenklinik Tübingen hinzuzuziehen.
Der Beklagte hat eine Überprüfung nach Aktenlage durch Prof. Dr. U. (Augenklinik des Klinikums der Universität C-Stadt) veranlasst und dem Senat dessen Schreiben vom 18.06.2009 vorgelegt. Prof. Dr. U. teilt die Zweifel des Beklagten am Vorliegen von Blindheit im Sinn des Gesetzes und hat dies damit begründet, dass das Gutachten des Dr. B. in sich nicht schlüssig sei. Er hat dazu mehrere Beispiele genannt. So würden die unauffälligen morphologischen Befunde beider Augen sowie die Ableitung eines Normalbefunds des VEP am rechten Auge den subjektiven Angaben des Klägers zu Sehschärfe und Gesichtsfeld widersprechen. Weiter hat er darauf aufmerksam gemacht, dass die Angaben des Klägers im Gesichtsfeld bisher nie am Bjerrum-Schirm objektiv überprüft worden seien.
Als weiteren Sachverständigen hat der Senat Dr. C. (Augenklinik des Klinikums I. der Technischen Universität C-Stadt) ernannt, der im augenfachärztlichen Gutachten vom 10.02.2010 samt ergänzender Stellungnahme vom 26.04.2010 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Blindheit im Sinn des Gesetzes nicht nachweisbar sei und bis zum 03.07.2006 selbst nach den subjektiven Angaben des Klägers nicht bestanden habe. Erstmals bei der Untersuchung durch Dr. S. am 15.11.2006 sei ein Befund nach den für Begutachtungen gültigen Maßstäben erhoben worden, der die Blindheitskriterien unterschreite, wenn man den Angaben des Klägers Glauben schenken könnte. Es bestehe aber kein erkennbares strukturelles Korrelat, das auch nur annähernd in der Lage wäre, die beklagte massive Minderung des Sehvermögens auf beiden Augen zu erklären. Der Kläger hat bei der Untersuchung am 08.01.2010 die Sehschärfe des rechten Auges, des linken Auges und beider Augen wie folgt angegeben: kein Erkennen von Sehzeichen (Landoltringen), kein Fingerzählen, kein Erkennen von Handbewegungsrichtungen, Lichtwahrnehmung bei defekter Lichtlokalisation. Weiter hat er eine maximal konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung am rechten Auge und am linken Auge auf höchstens 2° angegeben.
Der Sachverständige hat bei der Untersuchung am 08.01.2010 Untersuchungsmethoden einbezogen, die Schlussfolgerungen zur Frage der Zuverlässigkeit der subjektiven Angaben des Klägers zu seinem Sehvermögen erlauben. Der optokinetische Nystagmus (Augenzittern) ist am rechten und am linken Auge horizontal und vertikal normal auslösbar gewesen. Im sog. Kotowski-Test hätten sich, so Dr. C., Muster mit einem "Visusäquivalent" von immerhin 0,7 am rechten und am linken Auge provozieren lassen. Die mit dem Kugelperimeter nach Goldmann erfolgte Gesichtsfeldbestimmung ist am Bjerrum-Schirm überprüft worden. Im Rahmen der elektrophysiologischen Untersuchung sind ein Kontrastmuster-VECP und ein Blitz-VECP durchgeführt worden. Schließlich hat der Sachverständige auch das Verhalten des Klägers beobachtet und einige Auffälligkeiten festgehalten. Dieser habe beispielsweise zweimal die von ihm, dem Sachverständigen, in der Position veränderte Brille prompt und gezielt an ihren Bügeln aufgenommen. Er habe mehrfach seine Umhängetasche exakt neben dem Untersuchungsstuhl platziert, bevor er diesen zum Hinsetzen abgetastet habe. Der Kopf sei an Kopf- und Stirnstützen der Spaltlampe zielsicher herangeführt worden.
Der Sachverständige hat für das rechte und das linke Auge jeweils folgende Diagnosen gestellt:
- geringe Kurzsichtigkeit (Myopie);
- geringe Stabsichtigkeit (Astigmatismus);
- Altersweitsichtigkeit (Presbyopie);
- geringe Linsentrübungen im Sinn eines dezenten beginnenden grauen Stars (Cataracta incipiens);
- Verdacht auf Syndrom des trockenen Auges (V.a. Sicca-Syndrom);
- Schlupflid des Oberlides (Dermatochalasis);
- Verdacht auf psychogene Sehstörung.
Bei Zusammenarbeit beider Augen bestehe ein Außenschielen (Exotropie) und der Verdacht auf Sehbahnschädigung auf Höhe des seitlichen Kniehöckers links (V.a. Corpus geniculatum laterale Läsion links).
Die Fehlsichtigkeiten ließen sich mit optischen Hilfsmitteln ausgleichen und seien mit der getragenen Brille weitgehend ausgeglichen. Sie würden deswegen nicht zur subjektiv angegebenen massiven Sehminderung beitragen. Die vermehrte Bindehautfältelung am Unterlidrand weise auf eine Trockenheit der Augen hin, die die brennenden Augenschmerzen gut erklären könnte. Die Schlupflider seien geeignet, das Gesichtsfeld etwas nach oben einzuschränken, sie könnten aber nicht das konzentrisch eingeengte Gesichtsfeld und die Minderung der Sehschärfe erklären, weil die optische Achse frei sei. Auch die Linsentrübungen seien nur dezent ausgeprägt und homogen ausgebildet, so dass sie weder eine nennenswerte Sehschärfeminderung noch signifikante monokulare Doppelbilder noch Verzerrtsehen noch eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung verursachen könnten. Unverkennbar sei das (erworbene) Außenschielen vorwiegend des rechten Auges, das sehr gut eine Doppelsichtigkeit mit horizontalen Doppelbildern hervorrufen könne.
Das subjektive Beschwerdebild mute komplex-konfus an und sei teilweise unverständlich: Für die einäugigen Mehrfachbilder ("3,5-fach") bestünde kein Korrelat im optischen Apparat. Das Vollokklusiv in der Brille mache Sinn, um die beidäugigen Doppelbilder zu vermeiden. Völlig unverständlich bleibe der Sinn der Mattfolie auf der anderen Seite, den der Kläger mit einem näheren Zusammenrücken der Mehrfachbilder erkläre. Die Mattfolie sei dagegen geeignet, die Sehschärfe am nicht vollokkludierten Auge noch einmal erheblich zu reduzieren und die Blendempfindlichkeit wegen der Streuungseffekte zu erhöhen. Sie wirke sich zudem orientierungsstörend aus. Hinzu komme die lichtmindernde Wirkung der Tönung (75%). Das beobachtete Verhalten hinsichtlich der Orientierung im Raum beziehe sich auf das Verhalten bei Benutzung der einschränkenden Brille. Der Kläger gebe an, dass er ihn, den Sachverständigen, wenn auch nicht scharf, in ca. einem Meter Entfernung dreimal sehe. Wenn die Angaben zum Gesichtsfeld (2°) stimmen würden, müsste er nicht ihn, sondern höchstens zentrale Details, z.B. sein Ohr, dreimal sehen. Angesichts der subjektiv angegebenen Sehschärfe von Lichtwahrnehmung dürfte er auch diese zentralen Details nicht sehen.
Der Sachverständige hat dargelegt, dass die objektiven Befunde für eine deutlich bessere Sehschärfe sprächen als vom Kläger angegeben. Aller klinischen Erfahrung nach betrage die Sehschärfe mindestens 0,1 an jedem Auge, wobei die Befunde mit noch höheren Sehschärfen vereinbar seien. Das Blitz-VECP weise auf eine Sehbahnschädigung hin, die aber wegen der weiteren objektiven Befunde (Muster-VECP, optokinetischer Nystagmus) eine so massive Sehschärfeminderung wie angegeben nicht verursachen könnte. Der Test mit dem Bjerrum-Schirm habe gezeigt, dass die subjektiven Angaben zum Gesichtsfeld des rechten Auges und des linken Auges nicht stimmen könnten, weil nach dem physikalischen Strahlensatz eine Abstandsvergrößerung mit entsprechender Reizmarkenvergrößerung zu einer entsprechenden Gesichtsfeldausweitung führen müsse, was der Kläger aber nicht im nötigen Ausmaß angegeben habe. Da die Angaben des Klägers zur Wahrheitsfindung nicht beitragen könnten, seien die objektiv gewonnenen Befunde von besonderer Bedeutung: Die ERG-Befunde seien stets unauffällig gewesen, weshalb die Netzhautebene als Ursache für die konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung ausgeschlossen werden könne. Die Sehnerven sähen in ihren Köpfen normal aus, auch die Muster-VECP ergäben keinen Hinweis auf eine massive Sehnervenschädigung, so dass eine wesentliche Sehnervenerkrankung als Ursache für die massive Gesichtsfeldeinschränkung ebenfalls nicht in Frage komme. Die gut ableitbaren Muster-VECP sprächen weiterhin gegen eine noch höher liegende massive beidseitige Schädigung der Sehbahn und/ oder der Sehrinde als mögliche Ursache für eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung. Eine Rindenblindheit läge aller Wahrscheinlichkeit nach also auch nicht vor. Schließlich spreche auch das Verhalten des Klägers gegen eine derart massive konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung. Abschließend äußert der Sachverständige den Verdacht auf eine behandlungsbedürftige psychogene Sehstörung oder zumindest auf eine psychogene Überlagerung. Schicksalhaft wirke sich die "Bestätigung" von Blindheit durch den behandelnden Augenarzt Dr. R. und den Gutachter Dr. B. aus.
Der Kläger beruft sich auf das Gutachten des Dr. B., danach sei Blindheit im Sinn des Gesetzes bewiesen. Das Gutachten des Dr. C. sei "null nichtig". Er schlägt die Vernehmung des Sanitäters vor, der den Krankentransport durchgeführt habe. Dr. C. habe zu diesem gesagt, dass "die" dem Kläger die Blinden-Angelegenheit widerlegen wollten. Ihm den Blindenausweis zu unterschlagen, sei Staatsbetrug.
Der Kläger ist entsprechend seiner schriftlichen Ankündigung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.05.2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 29.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2006 zu verpflichten, Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz ab Antragstellung zu leisten und Merkzeichen BL zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es gäbe weder für die ausgeprägte und im Lauf des Verfahrens zunehmende Sehschärfenminderung noch für die ausgeprägte und im Verfahren ebenfalls deutlich zunehmende konzentrische Gesichtsfeldeinengung ein morphologisches Korrelat. Bei einem Ausfall des gesamten peripheren und teilweise auch zentralen Gesichtsfeldes, wie es der Kläger angebe, hätte zumindest das skotopische ERG negativ ausfallen müssen. Eine einseitige Thalamusblutung im Februar 2002 könnte eine flintenröhrenförmige Gesichtsfeldeinschränkung beidseits in keiner Weise erklären.
Die dem Kläger am 14.10.2010 zugestellte Terminsmitteilung enthält den Hinweis, dass auch im Fall seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden könne.
Der Senat hat die Akten des Beklagten (Blindengeldakte, Schwerbehindertenakte) und des Sozialgerichts Würzburg beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da dieser über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen seines
Ausbleibens hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz vom 29.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2006. Nicht Gegen-stand dieses Verfahrens ist Merkzeichen BL, das der Kläger erstmals im Berufungsverfahren verlangt hat. Dahin stehen kann die Frage, ob es sich insoweit um eine gemäß § 99 Abs. 1 SGG zulässige Klageänderung handelt. Denn die Klage ist mangels diesbezüglicher Bescheide des Beklagten unzulässig.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Blindengeld, weil der Nachweis von Blindheit im Sinn des Bayerischen Blindengeldgesetzes nicht erbracht ist. Der Kläger trägt die objektive Beweis- bzw. Feststellungslast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 103 Rn. 19a).
Der Anspruch auf Blindengeld entsteht mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Voraussetzungen nach dem BayBlindG vorliegen, frühestens mit dem ersten Tag des Antragsmonats (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Das Gesetz definiert Blindheit wie folgt
(Art. 1 Abs. 2 BayBlindG):
Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind gelten auch Personen,
1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt,
2. bei denen durch Nummer 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nummer 1 gleich zu achten sind.
Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten.
Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/50 (0,02) oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe A 6. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze, Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung):
a) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
b) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
c) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
d) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
e) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
f) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
g) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und nach Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel vermag sich der Senat nicht von Blindheit im Sinn des Gesetzes zu überzeugen. Es ist nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bewiesen, dass die Sehschärfe des Klägers auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 (0,02) beträgt oder dass bei ihm wegen der Gesichtsfeldeinschränkung Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie einer Visusminderung auf 1/50 gleich zu achten wären.
Seit dem im Februar 2002 erlittenen Schlaganfall mit Gehirnblutung ist die Sehkraft des Klägers bezüglich beider Augen stark vermindert. Neben einer erheblichen Minderung der Sehschärfe ist es durch den Schlaganfall auch zu einer Einschränkung des Gesichtsfelds gekommen, wobei das Sehen zusätzlich erschwert wird durch störende Doppelbilder infolge einer linksseitigen Abduzensparese. Die Einschränkungen des Sehvermögens, wie sie seit 2002 und noch bei Beginn dieses Verfahrens im Herbst 2005 vorlagen, waren allerdings von vornherein nicht geeignet, Blindheit im Sinne des Gesetzes zu begründen. Die gegenteilige Einschätzung des Klägers beruht auf einer Verkennung der Rechtslage. Bis 2005 und jedenfalls noch Anfang 2006 lag der Visus auf beiden Augen bei mindestens 0,2 (so Dr. R. im Befundbericht vom 10.11.2005), nach dem Gutachten des Prof. Dr. G. vom 12.01.2006 sogar bei 0,32 auf dem besseren rechten Auge, was auch den Angaben des Dr. R. im September 2002 (Visus beider Augen jeweils 0,32), dem Untersuchungsbefund des Dr. W. im Gutachten vom 20.03.2003 (Visus auf dem besseren rechten Auge 0,3) und dem Befund der Universitäts-Augenklinik vom 28.01.2003 (Visus beider Augen 0,4) entspricht. Bei einem Visus von mehr als 0,1 führt eine Gesichtsfeldeinengung nur dann zu Blindheit im Sinn des Gesetzes, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben (siehe oben d). Nach allen bis 2005 und auch noch 2006 erhobenen Gesichtsfeldbefunden lag ein derart stark eingeschränktes Gesichtsfeld des Klägers eindeutig nicht vor. Erstmals bei der Untersuchung durch Dr. S. am 15.11.2006 wurde, wie der Sachverständige Dr. C. herausgearbeitet hat, ein Befund erhoben, der für den Anspruch auf Blindengeld Relevanz haben könnte.
Seither hat der Kläger bei verschiedenen Gelegenheiten Angaben zum Gesichtsfeld und später auch zur Sehschärfe gemacht, die grundsätzlich geeignet wären, Blindheit im Sinn des Gesetzes zu begründen. Der Senat kann sich aber zum Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen auf die subjektiven Angaben des Klägers nicht stützen, weil eine derart starke Einschränkung des Sehvermögens, wie sie der Kläger angibt, morphologisch nicht erklärbar ist und die Ergebnisse objektivierender Untersuchungsverfahren nicht im Einklang stehen mit den Angaben des Klägers zur Sehschärfe und zum Gesichtsfeld. Hinzu kommt, dass nach den Beobachtungen aller Sachverständigen einschließlich des Dr. B. die Orientierungsfähigkeit des Klägers im Raum und auch im Verkehr deutlich besser ist, als es nach den subjektiven Angaben insbesondere auch zur hochgradigen Gesichtsfeldeinengung zu erwarten wäre. Wegen unüberwindbarer Zweifel des Senats an der Richtigkeit der Angaben des Klägers zum verbliebenen Sehvermögen ist Blindheit im Sinne des Gesetzes nicht bewiesen.
Es fehlen jegliche morphologische Hinweise für Sehstörungen des Klägers in einem Ausmaß, dass sie Blindheit im Sinn des Gesetzes bedingen würden. Der Schlaganfall vom Februar 2002 bietet keine ausreichende Erklärung. Radiologisch bestätigt sind zwar Veränderungen in Bereichen des Kopfes, die für die visuelle Wahrnehmung zuständig sind. Es gibt aber keinen Anhalt für eine Verschlimmerung des Befundes seit 2002. Wie der Sachverständige Dr. P. im radiologischen Gutachten vom 12.08.2008 erläutert hat, ist ein signifikanter Befundwandel zwischen der MRT des Gehirns vom 02.07.2002 und der zum Vergleich am 18.07.2008 durchgeführten MRT nicht erkennbar. Die Folgen des Schlaganfalls können damit weder als Begründung für die vom Kläger behauptete kontinuierliche Verschlechterung des Sehvermögens dienen noch eine plötzliche Verschlimmerung Ende 2006 erklären. Wie zuletzt der Sachverständige Dr. C. im Gutachten vom 10.02.2010 erläutert hat, gibt es auch aus spezifisch augenärztlicher Sicht keine Erklärung für die vom Kläger beklagte massive Minderung des Sehvermögens auf beiden Augen. Eine dementsprechende Erkrankung an den Augen selbst liegt nicht vor. Wegen der wiederholt unauffälligen ERG-Befunde ist es ausgeschlossen, dass eine Erkrankung der Netzhaut ursächlich ist für die massive konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung. Eine nicht ausschließbare Sehbahnschädigung kann bei Berücksichtigung aller objektiven Befunde jedenfalls nicht eine so gravierende Sehschärfeminderung erklären, wie sie der Kläger angibt. Gegen das Vorliegen von Rindenblindheit sprechen die über die Sehrinde gut ableitbaren Muster-VECP.
Nahezu alle mit der Angelegenheit befassten Fachleute - die Sachverständigen Prof.
Dr. G./ Dr. S. (Januar/ Mai 2006), Dr. S. (Februar 2007), Dr. C. (Januar 2010), Prof. Dr. U. (Juni 2009), Dr. W. (März 2003), die Versorgungsärzte des Beklagten - haben die Voraussetzungen für Blindheit im Sinn des Gesetzes nicht bestätigen können. Zur Abrundung der Beweisaufnahme hat Dr. C. unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden objektivierenden Untersuchungsmethoden für den Senat überzeugend dargelegt, dass die Angaben des Klägers zum Sehvermögen nicht verwertbar sind.
Demgegenüber hat Dr. B. bei der Begutachtung im Februar 2009 zwar Blindheit im Sinne des Gesetzes bejaht, seine Ausführungen können den Senat aber nicht überzeugen. Denn er hat sich weder mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Angaben des Klägers zum Sehvermögen morphologisch erklärbar sind, noch hat er die erhebliche Diskrepanz zwischen den Angaben des Klägers zum Sehvermögen (Sehschärfe, Gesichtsfeld) und den Ergebnissen verschiedener aktenkundiger Untersuchungen (z.B. VEP, EEG) erklärt. Die mehrfach geäußerte Auffassung des behandelnden Augenarztes Dr. R., dass der Kläger "praktisch blind" sei, ist nicht hinreichend begründet und beruht zudem wohl auf einer Verkennung der Rechtslage.
Dem Antrag des Klägers auf Einvernahme des Sanitäters als Zeugen ist nicht zu entsprechen. Die angebliche Aussage des Sachverständigen Dr. C. gegenüber dem Sanitäter, dass "die" dem Kläger die Blinden-Angelegenheit widerlegen wollten, ist rechtlich nicht erheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) zusteht.
Der 1954 geborene Kläger leidet seit einem am 28.02.2002 erlittenen leichten Schlaganfall mit Gehirnblutung an einer Sehstörung. Er stellte erstmals im August 2002 einen Antrag nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG), den der Beklagte mit Bescheid vom 21.10.2002 ablehnte. Der behandelnde Augenarzt Dr. R. hatte im September 2002 über eine Minderung der Sehschärfe (rechtes und linkes Auge jeweils 0,32 korrigiert), eine ausgeprägte konzentrische Einschränkung der Gesichtsfelder und eine linksseitige Abduzensparese mit binokularer Diplopie berichtet. Er habe dem Kläger eine Okklusion zur Unterdrückung der störenden Doppelbilder empfohlen und eine Lesebrille verordnet. Die beigefügten computerperimetrischen Befunde vom Mai, Juni, Juli und August 2002 zeigen ein Rest-Gesichtsfeld auf dem linken Auge vom Zentrum nach unten zwischen 14° und 20° und auf dem rechten Auge vom Zentrum nach unten zwischen 17° und 21°.
Einen weiteren Antrag auf Blindengeld vom November 2002 nahm der Kläger im Dezember 2002 wieder zurück. Im Antragsschreiben vom 22.11.2002 entschuldigte er seine Schrift damit, dass die linke Gesichtshälfte beim Schreiben auf dem Schreibtisch liege, die linke Hand eine Lupe halte und er mit der rechten Hand schreibe.
Aufgrund eines im August 2002 gestellten Antrags auf Feststellung einer Behinderung stellte der Beklagte mit Bescheid vom 22.10.2002 einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 fest und bewertete die Sehbehinderung und Gesichtsfeldeinschränkung beidseits mit einem Einzel-GdB von 70, die Halbseitenreststörung rechts mit einem Einzel-GdB von 30 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10. Mit Änderungsbescheid vom 29.04.2004 wurden ein GdB von 100 und Merkzeichen B, G und RF zuerkannt, wobei die Sehminderung nunmehr mit 80 bewertet war. Im Rahmen der Ermittlungen hatte der Beklagte das für den Rentenversicherungsträger erstattete augenärztliche Gutachten des Dr. W. beigezogen, der am 20.03.2003 eine Sehschärfenminderung rechts auf 0,3 und links auf 0,2, eine Abduzensschwäche links mit störenden Doppelbildern (Diplopie) und eine konzentrische Gesichtsfeldeinengung rechts um 18° und links um 13° bestätigt hatte.
Laut Arztbrief der Augenklinik der J.-Universität vom 27.02.2003 wurde bei der Kontrolluntersuchung am 28.01.2003 ein Visus des rechten und des linken Auges von 0,4 befundet. Von einer Augenmuskeloperation wurde abgeraten, da postoperativ mit großer Wahrscheinlichkeit weiterhin eine Diplopie bestehen würde.
Bei einer Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) am 08.12.2005 wurde beobachtet, dass der Kläger sehr lichtempfindlich sei und eine dunkle Brille trage. Gezieltes Greifen sei möglich. Nach seinen Angaben sei Lesen möglich, es dauere aber sehr lange, bis alles entziffert sei. Auf der Straße sei er sehr unsicher wegen vorhandener Doppelbilder. Leistungen aus der Pflegeversicherung wurden mit Bescheid der BKK Pflegekasse Linde vom 12.12.2005 abgelehnt.
Am 03.11.2005 stellte der Kläger erneut Antrag auf Blindengeld. Auf Anfrage teilte
Dr. R. mit Schreiben vom 10.11.2005 mit, dass bei einer Untersuchung am 24.10.2005 die korrigierte Sehschärfe auf beiden Augen 0,2 betragen habe und eine ausgeprägte konzentrische Einschränkung der Gesichtsfelder bestehe. Der Patient sei durch die Minderung der Sehschärfe, die Gesichtsfeldeinschränkung sowie die binokulare Diplopie in erheblichem Maße beeinträchtigt und könne sich nur mit einseitiger Okklusion bewegen. Auf Veranlassung des Beklagten erstattete Prof. Dr. G. unter Mitarbeit der Oberärztin Dr. S. (Augenklinik des Universitätsklinikums W.) am 12.01.2006 ein augenärztliches Gutachten: Die unkorrigierte und korrigierte Sehschärfe des Klägers betrage rechts 0,32, links 0,2 und bei beidäugiger Prüfung korrigiert 0,2. Bei beiden Augen bestehe eine konzentrische Einschränkung des Gesichtsfelds (laut Anlage maximale Außengrenze des Gesichtsfelds bei ca. 7,5° bzw. ca. 7°), die allerdings durch die ophtalmologische Untersuchung nicht erklärbar sei. Da die dokumentierte Sehleistung durch objektivierbare Befunde im optischen System für nicht begründbar gehalten wurde, erfolgten am 24.05.2006 ergänzende Untersuchungen (elektrophysiologische Untersuchung, Ganzfeld-Elektroretinogramm - ERG -, photopisches ERG, multifokales ERG). Die Gutachter stellten abschließend fest, dass die Befunde gegen die angegebene konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung sprächen, und wiesen darauf hin, dass auch das Bewegungsverhalten des Klägers ein größeres Gesichtsfeld vermuten lasse, als er es angebe. Sie hielten den Kläger nicht für blindengeldberechtigt.
Der Beklagte lehnte daraufhin den Blindengeldantrag mit Bescheid vom 29.06.2006 ab, der durch Widerspruchsbescheid vom 05.09.2006 bestätigt wurde. Im Widerspruchsverfahren hatte der Kläger geltend gemacht, dass er eindeutig sehbehindert und blindengeldberechtigt sei. Auf der Straße tue er sich sehr schwer, stoße oftmals mit Personen zusammen, weil er sie zu spät wahrnehme. Beim Einkaufen benötige er Fremdhilfe, er könne das Verfalldatum nicht lesen. Zu Hause behelfe er sich qualvoll mit der Lupe, Lesen und Schreiben seien stümperhaft und auch mit der Lupe sehr quälend. Er könne nicht fernschauen. Das Gutachten vom 24.04.2006 (richtig 24.05.2006) sei menschenunwürdig, auch Dr. R. finde das Gutachten unverschämt.
Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 15.09.2006 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Dr. R. hat mit Schreiben vom 11.09.2006 über die letzte Untersuchung am 24.10.2005 berichtet und - entgegen der Auskunft vom 10.11.2005 - die Sehschärfe auf beiden Augen mit 0,125 angegeben. Außerdem hat er den computerperimetrischen Befund vom 03.07.2006 beigefügt (rechtes Gesichtsfeld bis 10° nach unten, linkes Gesichtsfeld bis 13° nach unten). Der Patient sei "praktisch blind im Sinne des Gesetzes".
Die Sachverständige Dr. S. hat am 14.02.2007 ein augenärztliches Gutachten erstattet. Bei der Untersuchung am 15.11.2006 hat sie eine korrigierte Sehschärfe von 0,05 für das rechte und das linke Auge gemessen. Bei der Gesichtsfelduntersuchung mit dem Halbkugelperimeter nach Goldmann habe sich eine hochgradige konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung gezeigt, beim rechten Auge für die Test-Marke III 4 nasal und unten auf 5°, oben und temporal auf ca. 8°, beim linken Auge für die Test-Marke V 4 unten und temporal auf ca. 7°, nasal und oben auf ca. 10° (die Test-Marke III 4 sei nicht erkannt worden). Der Kläger habe sich in der Praxis gut zurechtgefunden und nach Abschluss der Untersuchung an der Garderobe seine Jacke unter verschiedenen Jacken sofort gefunden. Sein Bewegungsverhalten sei mit der von ihm angegebenen beidseitigen hochgradigen konzentrischen Gesichtsfeldeinschränkung nicht in Einklang zu bringen, es lasse ein deutlich besseres Gesichtsfeld vermuten. Auch die Ableitung der visuell evozierten Potenziale (VEP), die bei ihrer Untersuchung im Normbereich gelegen hätten, sowie die elektrophysiologischen Untersuchungen der Universitäts-Augenklinik W. ließen ein deutlich größeres Gesichtsfeld als angegeben vermuten. Blindheit im Sinn des Gesetzes liege nicht vor. In der durch den aktuellen Befundbericht des Dr. R. vom 27.02.2007 veranlassten ergänzenden Stellungnahme vom 03.04.2007 hat die Sachverständige an ihrer Beurteilung festgehalten. Dr. R. hatte am 26.02.2007 einen Visus auf dem rechten und auf dem linken Auge von 0,1 ermittelt, das Rest-Gesichtsfeld mit einem Durchmesser von ca. 10° angegeben und den Patienten als "praktisch blind im Sinn des Gesetzes" bezeichnet.
Das Sozialgericht Würzburg hat die Klage mit Urteil vom 04.05.2007 abgewiesen. Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung erschienen und hat sich, wie im Urteil festgehalten ist, sicher und problemlos im Sitzungssaal bewegt.
Am 01.06.2007 hat der Kläger Berufung eingelegt und das Urteil als empörendes Fehlurteil und Menschenrechtsverletzung bezeichnet. Ihm stehe Blindengeld zu, er werde es gerichtlich einklagen, auch wenn er bis zum obersten Gerichtshof und zum Bundesverfassungsgericht ziehen müsse. Seine Sehkraft betrage auf beiden Augen 0,1, damit sei er einem Blinden gleichgestellt und blind im Sinne des Gesetzes. Das Gutachten der
Dr. S. entspreche nicht der Wahrheit. Dr. R. könne alles erklären, weil er sich mit seiner neurologischen Krankheit intensiv befasst habe. Er hat weitere Befundberichte des Dr. R. vom 07.12.2007 und 15.10.2008 (Sehschärfe jeweils 0,1, Gesichtsfeld am 14.10.2008 mit einem Durchmesser von 3° bis 5°) sowie computerperimetrische Befunde vom 05.07.2007, 06.09.2007, 07.12.2007, 16.01.2008 und 02.06.2008 vorgelegt. Außerdem hat er zum Beweis seiner Blindheit auf das Gutachten des Dr. W. vom 20.03.2003 verwiesen. Auf den Vorhalt des Beklagten, dass die Fähigkeit, lesen und in dieser Weise schreiben zu können, mit Blindheit eher nicht zu vereinbaren sei, hat der Kläger behauptet, er könne weder lesen noch schreiben noch fernsehen, weil er sehbehindert sei. Eine Vertrauensperson schreibe ihm die Schriftsätze so, wie er es diktiere, sie habe allerdings sein Ehrenwort, dass sie unbekannt bleibe.
Dr. P. hatte am 02.07.2002 eine Magnetresonanztomographie (MRT) des Gehirns durchgeführt. Beauftragt als Sachverständiger hat er am 18.07.2008 erneut eine MRT gefertigt und im radiologischen Gutachten vom 12.08.2008 festgestellt, dass nach dem Befund vom 18.07.2008 ein Defekt bestehe, der aus radiologischer Sicht durchaus zu Sehstörungen beider Augen führen könne. Zur Frage des Sehvermögens könne er als Radiologe allerdings nicht Stellung nehmen. Ein signifikanter Befundwandel vom 02.07.2002 zum 18.07.2008 sei anhand des vorliegenden Bildmaterials nicht zu erkennen.
Der Sachverständige Dr. B. hat in einem augenfachärztlichen Gutachten für das linke und das rechte Auge jeweils eine Kurz- und Schwachsichtigkeit sowie einen grauen Star diagnostiziert. Die Sehschärfe betrage mit bester Korrektur an beiden Augen 1/50, an beiden Augen bestehe eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung bis auf 3°. Er hat den Anspruch des Klägers auf Blindengeld bejaht. Außer dem grauen Star hat er krankheitswertige Befunde nicht benannt. Die VEP waren bei seiner Untersuchung am 27.02.2009 für das rechte Auge normal und für das linke Auge verlangsamt. Das von ihm durchgeführte ERG war für beide Augen unauffällig.
Der Beklagte hat eingewendet, der Sachverständige habe sich zu der sehr deutlichen Diskrepanz zwischen den Angaben zu Sehschärfe und Gesichtsfeld einerseits und den morphologischen Befunden sowie den Ergebnissen der elektrophysiologischen Untersuchungen andererseits nicht geäußert. Er habe sich auch nicht zu den widersprüchlichen Angaben des Klägers geäußert. Dieser klage über Doppelbilder, obwohl er nach eigener Aussage auf dem linken Auge nur noch Lichtschein erkenne, was einem vollständigen Verlust des Sehvermögens auf diesem Auge entspreche. Die präzise Angabe einer Gesichtsfeldeinschränkung des linken Auges auf ca. 2° bis 3° passe ebenfalls nicht dazu, diese Differenzierung sei bei einer auf das Erkennen von lichtscheinreduzierten Sehschärfe nicht mehr möglich. Damit konfrontiert hat Dr. B., ohne auf die konkreten Einwände einzugehen, die Möglichkeit einer kortikalen Erblindung ins Spiel gebracht, die sich nicht etwa am Auge, sondern nur intracerebral nachweisen lasse, und bedauert, dass radiologische Befunde nicht zur Verfügung stünden (ergänzende Stellungnahme vom 19.05.2009). Auf den Vorhalt, dass bereits das radiologische Gutachten des Dr. P. vom 12.08.2008 vorliege, ist Dr. B. in der weiteren ergänzenden Stellungnahme vom 24.07.2009 nicht eingegangen. Er hat vielmehr bei einer erneuten Vorstellung des Klägers am 16.07.2009 dessen Verhalten im Bereich der Praxis und auf der Straße beobachtet und daraus den Schluss gezogen, dass dieser eine bessere Restorientierungsfähigkeit in Raum und Verkehr zeige, als man es bei den vorliegenden Untersuchungsergebnissen erwarten dürfte. Gleichwohl ist Dr. B. bei seiner Meinung, dass Blindheit im Sinne des Gesetzes vorliege, geblieben und hat empfohlen, bei weiter bestehendem Zweifel die neuroopthalmologische Abteilung der Universitäts-Augenklinik Tübingen hinzuzuziehen.
Der Beklagte hat eine Überprüfung nach Aktenlage durch Prof. Dr. U. (Augenklinik des Klinikums der Universität C-Stadt) veranlasst und dem Senat dessen Schreiben vom 18.06.2009 vorgelegt. Prof. Dr. U. teilt die Zweifel des Beklagten am Vorliegen von Blindheit im Sinn des Gesetzes und hat dies damit begründet, dass das Gutachten des Dr. B. in sich nicht schlüssig sei. Er hat dazu mehrere Beispiele genannt. So würden die unauffälligen morphologischen Befunde beider Augen sowie die Ableitung eines Normalbefunds des VEP am rechten Auge den subjektiven Angaben des Klägers zu Sehschärfe und Gesichtsfeld widersprechen. Weiter hat er darauf aufmerksam gemacht, dass die Angaben des Klägers im Gesichtsfeld bisher nie am Bjerrum-Schirm objektiv überprüft worden seien.
Als weiteren Sachverständigen hat der Senat Dr. C. (Augenklinik des Klinikums I. der Technischen Universität C-Stadt) ernannt, der im augenfachärztlichen Gutachten vom 10.02.2010 samt ergänzender Stellungnahme vom 26.04.2010 zu dem Ergebnis gekommen ist, dass Blindheit im Sinn des Gesetzes nicht nachweisbar sei und bis zum 03.07.2006 selbst nach den subjektiven Angaben des Klägers nicht bestanden habe. Erstmals bei der Untersuchung durch Dr. S. am 15.11.2006 sei ein Befund nach den für Begutachtungen gültigen Maßstäben erhoben worden, der die Blindheitskriterien unterschreite, wenn man den Angaben des Klägers Glauben schenken könnte. Es bestehe aber kein erkennbares strukturelles Korrelat, das auch nur annähernd in der Lage wäre, die beklagte massive Minderung des Sehvermögens auf beiden Augen zu erklären. Der Kläger hat bei der Untersuchung am 08.01.2010 die Sehschärfe des rechten Auges, des linken Auges und beider Augen wie folgt angegeben: kein Erkennen von Sehzeichen (Landoltringen), kein Fingerzählen, kein Erkennen von Handbewegungsrichtungen, Lichtwahrnehmung bei defekter Lichtlokalisation. Weiter hat er eine maximal konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung am rechten Auge und am linken Auge auf höchstens 2° angegeben.
Der Sachverständige hat bei der Untersuchung am 08.01.2010 Untersuchungsmethoden einbezogen, die Schlussfolgerungen zur Frage der Zuverlässigkeit der subjektiven Angaben des Klägers zu seinem Sehvermögen erlauben. Der optokinetische Nystagmus (Augenzittern) ist am rechten und am linken Auge horizontal und vertikal normal auslösbar gewesen. Im sog. Kotowski-Test hätten sich, so Dr. C., Muster mit einem "Visusäquivalent" von immerhin 0,7 am rechten und am linken Auge provozieren lassen. Die mit dem Kugelperimeter nach Goldmann erfolgte Gesichtsfeldbestimmung ist am Bjerrum-Schirm überprüft worden. Im Rahmen der elektrophysiologischen Untersuchung sind ein Kontrastmuster-VECP und ein Blitz-VECP durchgeführt worden. Schließlich hat der Sachverständige auch das Verhalten des Klägers beobachtet und einige Auffälligkeiten festgehalten. Dieser habe beispielsweise zweimal die von ihm, dem Sachverständigen, in der Position veränderte Brille prompt und gezielt an ihren Bügeln aufgenommen. Er habe mehrfach seine Umhängetasche exakt neben dem Untersuchungsstuhl platziert, bevor er diesen zum Hinsetzen abgetastet habe. Der Kopf sei an Kopf- und Stirnstützen der Spaltlampe zielsicher herangeführt worden.
Der Sachverständige hat für das rechte und das linke Auge jeweils folgende Diagnosen gestellt:
- geringe Kurzsichtigkeit (Myopie);
- geringe Stabsichtigkeit (Astigmatismus);
- Altersweitsichtigkeit (Presbyopie);
- geringe Linsentrübungen im Sinn eines dezenten beginnenden grauen Stars (Cataracta incipiens);
- Verdacht auf Syndrom des trockenen Auges (V.a. Sicca-Syndrom);
- Schlupflid des Oberlides (Dermatochalasis);
- Verdacht auf psychogene Sehstörung.
Bei Zusammenarbeit beider Augen bestehe ein Außenschielen (Exotropie) und der Verdacht auf Sehbahnschädigung auf Höhe des seitlichen Kniehöckers links (V.a. Corpus geniculatum laterale Läsion links).
Die Fehlsichtigkeiten ließen sich mit optischen Hilfsmitteln ausgleichen und seien mit der getragenen Brille weitgehend ausgeglichen. Sie würden deswegen nicht zur subjektiv angegebenen massiven Sehminderung beitragen. Die vermehrte Bindehautfältelung am Unterlidrand weise auf eine Trockenheit der Augen hin, die die brennenden Augenschmerzen gut erklären könnte. Die Schlupflider seien geeignet, das Gesichtsfeld etwas nach oben einzuschränken, sie könnten aber nicht das konzentrisch eingeengte Gesichtsfeld und die Minderung der Sehschärfe erklären, weil die optische Achse frei sei. Auch die Linsentrübungen seien nur dezent ausgeprägt und homogen ausgebildet, so dass sie weder eine nennenswerte Sehschärfeminderung noch signifikante monokulare Doppelbilder noch Verzerrtsehen noch eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung verursachen könnten. Unverkennbar sei das (erworbene) Außenschielen vorwiegend des rechten Auges, das sehr gut eine Doppelsichtigkeit mit horizontalen Doppelbildern hervorrufen könne.
Das subjektive Beschwerdebild mute komplex-konfus an und sei teilweise unverständlich: Für die einäugigen Mehrfachbilder ("3,5-fach") bestünde kein Korrelat im optischen Apparat. Das Vollokklusiv in der Brille mache Sinn, um die beidäugigen Doppelbilder zu vermeiden. Völlig unverständlich bleibe der Sinn der Mattfolie auf der anderen Seite, den der Kläger mit einem näheren Zusammenrücken der Mehrfachbilder erkläre. Die Mattfolie sei dagegen geeignet, die Sehschärfe am nicht vollokkludierten Auge noch einmal erheblich zu reduzieren und die Blendempfindlichkeit wegen der Streuungseffekte zu erhöhen. Sie wirke sich zudem orientierungsstörend aus. Hinzu komme die lichtmindernde Wirkung der Tönung (75%). Das beobachtete Verhalten hinsichtlich der Orientierung im Raum beziehe sich auf das Verhalten bei Benutzung der einschränkenden Brille. Der Kläger gebe an, dass er ihn, den Sachverständigen, wenn auch nicht scharf, in ca. einem Meter Entfernung dreimal sehe. Wenn die Angaben zum Gesichtsfeld (2°) stimmen würden, müsste er nicht ihn, sondern höchstens zentrale Details, z.B. sein Ohr, dreimal sehen. Angesichts der subjektiv angegebenen Sehschärfe von Lichtwahrnehmung dürfte er auch diese zentralen Details nicht sehen.
Der Sachverständige hat dargelegt, dass die objektiven Befunde für eine deutlich bessere Sehschärfe sprächen als vom Kläger angegeben. Aller klinischen Erfahrung nach betrage die Sehschärfe mindestens 0,1 an jedem Auge, wobei die Befunde mit noch höheren Sehschärfen vereinbar seien. Das Blitz-VECP weise auf eine Sehbahnschädigung hin, die aber wegen der weiteren objektiven Befunde (Muster-VECP, optokinetischer Nystagmus) eine so massive Sehschärfeminderung wie angegeben nicht verursachen könnte. Der Test mit dem Bjerrum-Schirm habe gezeigt, dass die subjektiven Angaben zum Gesichtsfeld des rechten Auges und des linken Auges nicht stimmen könnten, weil nach dem physikalischen Strahlensatz eine Abstandsvergrößerung mit entsprechender Reizmarkenvergrößerung zu einer entsprechenden Gesichtsfeldausweitung führen müsse, was der Kläger aber nicht im nötigen Ausmaß angegeben habe. Da die Angaben des Klägers zur Wahrheitsfindung nicht beitragen könnten, seien die objektiv gewonnenen Befunde von besonderer Bedeutung: Die ERG-Befunde seien stets unauffällig gewesen, weshalb die Netzhautebene als Ursache für die konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung ausgeschlossen werden könne. Die Sehnerven sähen in ihren Köpfen normal aus, auch die Muster-VECP ergäben keinen Hinweis auf eine massive Sehnervenschädigung, so dass eine wesentliche Sehnervenerkrankung als Ursache für die massive Gesichtsfeldeinschränkung ebenfalls nicht in Frage komme. Die gut ableitbaren Muster-VECP sprächen weiterhin gegen eine noch höher liegende massive beidseitige Schädigung der Sehbahn und/ oder der Sehrinde als mögliche Ursache für eine konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung. Eine Rindenblindheit läge aller Wahrscheinlichkeit nach also auch nicht vor. Schließlich spreche auch das Verhalten des Klägers gegen eine derart massive konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung. Abschließend äußert der Sachverständige den Verdacht auf eine behandlungsbedürftige psychogene Sehstörung oder zumindest auf eine psychogene Überlagerung. Schicksalhaft wirke sich die "Bestätigung" von Blindheit durch den behandelnden Augenarzt Dr. R. und den Gutachter Dr. B. aus.
Der Kläger beruft sich auf das Gutachten des Dr. B., danach sei Blindheit im Sinn des Gesetzes bewiesen. Das Gutachten des Dr. C. sei "null nichtig". Er schlägt die Vernehmung des Sanitäters vor, der den Krankentransport durchgeführt habe. Dr. C. habe zu diesem gesagt, dass "die" dem Kläger die Blinden-Angelegenheit widerlegen wollten. Ihm den Blindenausweis zu unterschlagen, sei Staatsbetrug.
Der Kläger ist entsprechend seiner schriftlichen Ankündigung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen. Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 04.05.2007 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 29.06.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2006 zu verpflichten, Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz ab Antragstellung zu leisten und Merkzeichen BL zuzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es gäbe weder für die ausgeprägte und im Lauf des Verfahrens zunehmende Sehschärfenminderung noch für die ausgeprägte und im Verfahren ebenfalls deutlich zunehmende konzentrische Gesichtsfeldeinengung ein morphologisches Korrelat. Bei einem Ausfall des gesamten peripheren und teilweise auch zentralen Gesichtsfeldes, wie es der Kläger angebe, hätte zumindest das skotopische ERG negativ ausfallen müssen. Eine einseitige Thalamusblutung im Februar 2002 könnte eine flintenröhrenförmige Gesichtsfeldeinschränkung beidseits in keiner Weise erklären.
Die dem Kläger am 14.10.2010 zugestellte Terminsmitteilung enthält den Hinweis, dass auch im Fall seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden könne.
Der Senat hat die Akten des Beklagten (Blindengeldakte, Schwerbehindertenakte) und des Sozialgerichts Würzburg beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Berufungsakte und der beigezogenen Akten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, da dieser über den Termin zur mündlichen Verhandlung informiert und dabei auch auf die Folgen seines
Ausbleibens hingewiesen worden ist (§ 110 Abs. 1 Satz 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG).
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Streitgegenstand ist der Bescheid nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz vom 29.06.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.09.2006. Nicht Gegen-stand dieses Verfahrens ist Merkzeichen BL, das der Kläger erstmals im Berufungsverfahren verlangt hat. Dahin stehen kann die Frage, ob es sich insoweit um eine gemäß § 99 Abs. 1 SGG zulässige Klageänderung handelt. Denn die Klage ist mangels diesbezüglicher Bescheide des Beklagten unzulässig.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf Blindengeld, weil der Nachweis von Blindheit im Sinn des Bayerischen Blindengeldgesetzes nicht erbracht ist. Der Kläger trägt die objektive Beweis- bzw. Feststellungslast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Dieser allgemeine Rechtsgrundsatz gilt auch im sozialgerichtlichen Verfahren (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 103 Rn. 19a).
Der Anspruch auf Blindengeld entsteht mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Voraussetzungen nach dem BayBlindG vorliegen, frühestens mit dem ersten Tag des Antragsmonats (Art. 5 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Das Gesetz definiert Blindheit wie folgt
(Art. 1 Abs. 2 BayBlindG):
Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt. Als blind gelten auch Personen,
1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt,
2. bei denen durch Nummer 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nummer 1 gleich zu achten sind.
Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten.
Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/50 (0,02) oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der Deutschen Ophtalmologischen Gesellschaft folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe A 6. der Versorgungsmedizinischen Grundsätze, Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung):
a) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
b) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
c) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
d) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,
e) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,
f) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,
g) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und nach Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel vermag sich der Senat nicht von Blindheit im Sinn des Gesetzes zu überzeugen. Es ist nicht mit der erforderlichen an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit bewiesen, dass die Sehschärfe des Klägers auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 (0,02) beträgt oder dass bei ihm wegen der Gesichtsfeldeinschränkung Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie einer Visusminderung auf 1/50 gleich zu achten wären.
Seit dem im Februar 2002 erlittenen Schlaganfall mit Gehirnblutung ist die Sehkraft des Klägers bezüglich beider Augen stark vermindert. Neben einer erheblichen Minderung der Sehschärfe ist es durch den Schlaganfall auch zu einer Einschränkung des Gesichtsfelds gekommen, wobei das Sehen zusätzlich erschwert wird durch störende Doppelbilder infolge einer linksseitigen Abduzensparese. Die Einschränkungen des Sehvermögens, wie sie seit 2002 und noch bei Beginn dieses Verfahrens im Herbst 2005 vorlagen, waren allerdings von vornherein nicht geeignet, Blindheit im Sinne des Gesetzes zu begründen. Die gegenteilige Einschätzung des Klägers beruht auf einer Verkennung der Rechtslage. Bis 2005 und jedenfalls noch Anfang 2006 lag der Visus auf beiden Augen bei mindestens 0,2 (so Dr. R. im Befundbericht vom 10.11.2005), nach dem Gutachten des Prof. Dr. G. vom 12.01.2006 sogar bei 0,32 auf dem besseren rechten Auge, was auch den Angaben des Dr. R. im September 2002 (Visus beider Augen jeweils 0,32), dem Untersuchungsbefund des Dr. W. im Gutachten vom 20.03.2003 (Visus auf dem besseren rechten Auge 0,3) und dem Befund der Universitäts-Augenklinik vom 28.01.2003 (Visus beider Augen 0,4) entspricht. Bei einem Visus von mehr als 0,1 führt eine Gesichtsfeldeinengung nur dann zu Blindheit im Sinn des Gesetzes, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben (siehe oben d). Nach allen bis 2005 und auch noch 2006 erhobenen Gesichtsfeldbefunden lag ein derart stark eingeschränktes Gesichtsfeld des Klägers eindeutig nicht vor. Erstmals bei der Untersuchung durch Dr. S. am 15.11.2006 wurde, wie der Sachverständige Dr. C. herausgearbeitet hat, ein Befund erhoben, der für den Anspruch auf Blindengeld Relevanz haben könnte.
Seither hat der Kläger bei verschiedenen Gelegenheiten Angaben zum Gesichtsfeld und später auch zur Sehschärfe gemacht, die grundsätzlich geeignet wären, Blindheit im Sinn des Gesetzes zu begründen. Der Senat kann sich aber zum Beweis der anspruchsbegründenden Tatsachen auf die subjektiven Angaben des Klägers nicht stützen, weil eine derart starke Einschränkung des Sehvermögens, wie sie der Kläger angibt, morphologisch nicht erklärbar ist und die Ergebnisse objektivierender Untersuchungsverfahren nicht im Einklang stehen mit den Angaben des Klägers zur Sehschärfe und zum Gesichtsfeld. Hinzu kommt, dass nach den Beobachtungen aller Sachverständigen einschließlich des Dr. B. die Orientierungsfähigkeit des Klägers im Raum und auch im Verkehr deutlich besser ist, als es nach den subjektiven Angaben insbesondere auch zur hochgradigen Gesichtsfeldeinengung zu erwarten wäre. Wegen unüberwindbarer Zweifel des Senats an der Richtigkeit der Angaben des Klägers zum verbliebenen Sehvermögen ist Blindheit im Sinne des Gesetzes nicht bewiesen.
Es fehlen jegliche morphologische Hinweise für Sehstörungen des Klägers in einem Ausmaß, dass sie Blindheit im Sinn des Gesetzes bedingen würden. Der Schlaganfall vom Februar 2002 bietet keine ausreichende Erklärung. Radiologisch bestätigt sind zwar Veränderungen in Bereichen des Kopfes, die für die visuelle Wahrnehmung zuständig sind. Es gibt aber keinen Anhalt für eine Verschlimmerung des Befundes seit 2002. Wie der Sachverständige Dr. P. im radiologischen Gutachten vom 12.08.2008 erläutert hat, ist ein signifikanter Befundwandel zwischen der MRT des Gehirns vom 02.07.2002 und der zum Vergleich am 18.07.2008 durchgeführten MRT nicht erkennbar. Die Folgen des Schlaganfalls können damit weder als Begründung für die vom Kläger behauptete kontinuierliche Verschlechterung des Sehvermögens dienen noch eine plötzliche Verschlimmerung Ende 2006 erklären. Wie zuletzt der Sachverständige Dr. C. im Gutachten vom 10.02.2010 erläutert hat, gibt es auch aus spezifisch augenärztlicher Sicht keine Erklärung für die vom Kläger beklagte massive Minderung des Sehvermögens auf beiden Augen. Eine dementsprechende Erkrankung an den Augen selbst liegt nicht vor. Wegen der wiederholt unauffälligen ERG-Befunde ist es ausgeschlossen, dass eine Erkrankung der Netzhaut ursächlich ist für die massive konzentrische Gesichtsfeldeinschränkung. Eine nicht ausschließbare Sehbahnschädigung kann bei Berücksichtigung aller objektiven Befunde jedenfalls nicht eine so gravierende Sehschärfeminderung erklären, wie sie der Kläger angibt. Gegen das Vorliegen von Rindenblindheit sprechen die über die Sehrinde gut ableitbaren Muster-VECP.
Nahezu alle mit der Angelegenheit befassten Fachleute - die Sachverständigen Prof.
Dr. G./ Dr. S. (Januar/ Mai 2006), Dr. S. (Februar 2007), Dr. C. (Januar 2010), Prof. Dr. U. (Juni 2009), Dr. W. (März 2003), die Versorgungsärzte des Beklagten - haben die Voraussetzungen für Blindheit im Sinn des Gesetzes nicht bestätigen können. Zur Abrundung der Beweisaufnahme hat Dr. C. unter Einsatz aller zur Verfügung stehenden objektivierenden Untersuchungsmethoden für den Senat überzeugend dargelegt, dass die Angaben des Klägers zum Sehvermögen nicht verwertbar sind.
Demgegenüber hat Dr. B. bei der Begutachtung im Februar 2009 zwar Blindheit im Sinne des Gesetzes bejaht, seine Ausführungen können den Senat aber nicht überzeugen. Denn er hat sich weder mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Angaben des Klägers zum Sehvermögen morphologisch erklärbar sind, noch hat er die erhebliche Diskrepanz zwischen den Angaben des Klägers zum Sehvermögen (Sehschärfe, Gesichtsfeld) und den Ergebnissen verschiedener aktenkundiger Untersuchungen (z.B. VEP, EEG) erklärt. Die mehrfach geäußerte Auffassung des behandelnden Augenarztes Dr. R., dass der Kläger "praktisch blind" sei, ist nicht hinreichend begründet und beruht zudem wohl auf einer Verkennung der Rechtslage.
Dem Antrag des Klägers auf Einvernahme des Sanitäters als Zeugen ist nicht zu entsprechen. Die angebliche Aussage des Sachverständigen Dr. C. gegenüber dem Sanitäter, dass "die" dem Kläger die Blinden-Angelegenheit widerlegen wollten, ist rechtlich nicht erheblich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Revision wird nicht zugelassen.
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