Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 5 SO 90/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 294/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 31.03.2011 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 31.03.2011 ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Das SG Dortmund hat ihren Antrag auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
b) Diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin begehrt die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, mit ihr eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) abzuschließen.
Die Antragstellerin bietet im Rahmen ihrer heilpädagogischen Praxis einen Dienst i.S.d. § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII an und ist in ihrer Funktion als Leistungserbringerin somit eine Einrichtung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Ob die Antragstellerin über die gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB XII erforderliche Eignung verfügt, hatte der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht weiter festzustellen, weil die weiteren Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen (dazu sogleich); die Eignung der Antragstellerin ist von dem Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden.
Der Abschluss einer Vereinbarung mit dem Leistungserbringer steht im gebundenen Ermessen des Sozialhilfeträgers (Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 75 Rn. 44 m.w.N.). Gebunden ist das Ermessen deshalb, weil der Sozialhilfeträger die in § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII normierten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit berücksichtigen und im Falle mehrerer gleich geeigneter Einrichtungen einen Leistungserbringervergleich gemäß § 75 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vornehmen muss.
Diese Ermessensdirektiven erfordern einen Vergleich der für geeignet befundenen Einrichtungen in Bezug auf die Vergütung unter Berücksichtigung von Leistungsinhalt, -umfang und -qualität (Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 Rn. 45 m.w.N.). Erst nach diesem Leistungserbringervergleich - und nicht schon davor - stellt sich die Frage, ob das Ermessen hinsichtlich der Einrichtungen, die alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, auf Null reduziert ist (dies bejahend Mrozynski, ZFSH/SGB 2011, S. 197, 203; Flint in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 34, jeweils m.w.N.).
Einen solchen Leistungserbringervergleich (zu seinem Inhalt ausführlich Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 Rn. 45) hat der Antragsgegner bislang nach Aktenlage nicht durchgeführt. Er hat stattdessen einen Vertragsschluss (vorrangig) mit der Begründung abgelehnt, dass kein Bedarf an einem zusätzlichen Angebot bestehe, weil (gleich) geeignete Einrichtungen bereits in ausreichender Zahl vorhanden seien (z.B. Schriftsatz vom 22.03.2011, S. 2 unten). Diese Begründung dürfte ermessensfehlerhaft sein, worauf die Antragstellerin mehrfach und insbesondere bereits im Verwaltungsverfahren hingewiesen hat. Denn eine Angebotssteuerung durch eine Bedarfsprüfung sieht das Gesetz nicht vor, so dass es an der erforderlichen normativen Grundlage fehlen dürfte (Mrozynski, a.a.O., S. 203 mit Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht vom 30.09.1993, 5 C 41/91, BVerwGE 94, 202, zu § 93 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG)). Das SGB XII formuliert in seinem § 75 vielmehr, wie ausgeführt, ausdrücklich andere Ermessensdirektiven. Die angebotssteuernde Einflussnahme einer (ermessensfehlerfreien) Entscheidung des Sozialhilfeträgers erfolgt somit nicht über eine Bedarfsprüfung, sondern gemäß § 75 SGB XII allein in der Weise, dass sowohl die Errichtung als auch die Existenz von nicht leistungsfähigen Einrichtungen erschwert wird; überdies erhält der Leistungserbringer mit dem Abschluss einer Leistungsvereinbarung keine Belegungsgarantie (Mrozynski, a.a.O., S. 203 f.).
Ein derartiger Leistungsvergleich im dargestellten Sinn war im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu leisten. Ein vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz kann und soll diese exekutivische Prüfung regelmäßig nicht ersetzen. Hierzu bestand auch im konkreten Fall der Antragstellerin keine Notwendigkeit. Denn die Antragstellerin hat (zuletzt mit Schriftsatz vom 27.04.2011, Seite 5) selbst vorgetragen, dass sie auf Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes angewiesen ist. Anhaltspunkte dafür, dass ihr Ehemann diese tatsächlich nicht gewährt, waren nicht ersichtlich; dies ist auch von der Antragstellerin nicht behauptet worden. Das Existenzminimum der Antragstellerin ist damit sichergestellt und durch ein Abwarten der sozialgerichtlichen Hauptsacheentscheidung nicht gefährdet. Eine Gefährdung des Bestandes der heilpädagogischen Praxis vermochte der Senat ebenfalls nicht zu erkennen, zumal das Normengefüge des § 75 SGB XII den Unternehmer nicht von dem allgemeinen Risiko wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder sogar eines Misserfolges (als "Kehrseite" der Unternehmensfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) befreit.
Der Antragsgegner wird den erforderlichen und bisher von ihm nicht durchgeführten Leistungserbringervergleich daher nunmehr vorzunehmen haben; eine abschließende Überprüfung bleibt dem sozialgerichtlichen Klageverfahren vorbehalten.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 31.03.2011 ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.
1. Das SG Dortmund hat ihren Antrag auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.
a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).
b) Diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
Die Antragstellerin begehrt die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, mit ihr eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) abzuschließen.
Die Antragstellerin bietet im Rahmen ihrer heilpädagogischen Praxis einen Dienst i.S.d. § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII an und ist in ihrer Funktion als Leistungserbringerin somit eine Einrichtung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Ob die Antragstellerin über die gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB XII erforderliche Eignung verfügt, hatte der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht weiter festzustellen, weil die weiteren Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen (dazu sogleich); die Eignung der Antragstellerin ist von dem Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden.
Der Abschluss einer Vereinbarung mit dem Leistungserbringer steht im gebundenen Ermessen des Sozialhilfeträgers (Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 75 Rn. 44 m.w.N.). Gebunden ist das Ermessen deshalb, weil der Sozialhilfeträger die in § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII normierten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit berücksichtigen und im Falle mehrerer gleich geeigneter Einrichtungen einen Leistungserbringervergleich gemäß § 75 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vornehmen muss.
Diese Ermessensdirektiven erfordern einen Vergleich der für geeignet befundenen Einrichtungen in Bezug auf die Vergütung unter Berücksichtigung von Leistungsinhalt, -umfang und -qualität (Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 Rn. 45 m.w.N.). Erst nach diesem Leistungserbringervergleich - und nicht schon davor - stellt sich die Frage, ob das Ermessen hinsichtlich der Einrichtungen, die alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, auf Null reduziert ist (dies bejahend Mrozynski, ZFSH/SGB 2011, S. 197, 203; Flint in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Aufl. 2010, § 75 Rn. 34, jeweils m.w.N.).
Einen solchen Leistungserbringervergleich (zu seinem Inhalt ausführlich Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 Rn. 45) hat der Antragsgegner bislang nach Aktenlage nicht durchgeführt. Er hat stattdessen einen Vertragsschluss (vorrangig) mit der Begründung abgelehnt, dass kein Bedarf an einem zusätzlichen Angebot bestehe, weil (gleich) geeignete Einrichtungen bereits in ausreichender Zahl vorhanden seien (z.B. Schriftsatz vom 22.03.2011, S. 2 unten). Diese Begründung dürfte ermessensfehlerhaft sein, worauf die Antragstellerin mehrfach und insbesondere bereits im Verwaltungsverfahren hingewiesen hat. Denn eine Angebotssteuerung durch eine Bedarfsprüfung sieht das Gesetz nicht vor, so dass es an der erforderlichen normativen Grundlage fehlen dürfte (Mrozynski, a.a.O., S. 203 mit Hinweis auf Bundesverwaltungsgericht vom 30.09.1993, 5 C 41/91, BVerwGE 94, 202, zu § 93 Abs. 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG)). Das SGB XII formuliert in seinem § 75 vielmehr, wie ausgeführt, ausdrücklich andere Ermessensdirektiven. Die angebotssteuernde Einflussnahme einer (ermessensfehlerfreien) Entscheidung des Sozialhilfeträgers erfolgt somit nicht über eine Bedarfsprüfung, sondern gemäß § 75 SGB XII allein in der Weise, dass sowohl die Errichtung als auch die Existenz von nicht leistungsfähigen Einrichtungen erschwert wird; überdies erhält der Leistungserbringer mit dem Abschluss einer Leistungsvereinbarung keine Belegungsgarantie (Mrozynski, a.a.O., S. 203 f.).
Ein derartiger Leistungsvergleich im dargestellten Sinn war im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zu leisten. Ein vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz kann und soll diese exekutivische Prüfung regelmäßig nicht ersetzen. Hierzu bestand auch im konkreten Fall der Antragstellerin keine Notwendigkeit. Denn die Antragstellerin hat (zuletzt mit Schriftsatz vom 27.04.2011, Seite 5) selbst vorgetragen, dass sie auf Unterhaltsleistungen ihres Ehemannes angewiesen ist. Anhaltspunkte dafür, dass ihr Ehemann diese tatsächlich nicht gewährt, waren nicht ersichtlich; dies ist auch von der Antragstellerin nicht behauptet worden. Das Existenzminimum der Antragstellerin ist damit sichergestellt und durch ein Abwarten der sozialgerichtlichen Hauptsacheentscheidung nicht gefährdet. Eine Gefährdung des Bestandes der heilpädagogischen Praxis vermochte der Senat ebenfalls nicht zu erkennen, zumal das Normengefüge des § 75 SGB XII den Unternehmer nicht von dem allgemeinen Risiko wirtschaftlicher Schwierigkeiten oder sogar eines Misserfolges (als "Kehrseite" der Unternehmensfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) befreit.
Der Antragsgegner wird den erforderlichen und bisher von ihm nicht durchgeführten Leistungserbringervergleich daher nunmehr vorzunehmen haben; eine abschließende Überprüfung bleibt dem sozialgerichtlichen Klageverfahren vorbehalten.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
3. Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht angreifbar (§ 177 SGG).
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