L 9 R 940/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 3003/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 940/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Berücksichtigung der Zeit vom 4.7.1963 bis 31.12.1963 als Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung bei ihrer Altersrente.

Die 1942 geborene Klägerin hat von Oktober 1958 bis September 1960 eine Ausbildung zur technischen Zeichnerin absolviert und war anschließend bis Ende Dezember 1961 als technische Zeichnerin beschäftigt. Danach hat sie sich in E., F. und I. aufgehalten und verschiedene Beschäftigungen ausgeübt bzw. Sprachschulen besucht.

Bezüglich der hier streitigen Anrechnungszeit wegen Fachschulausbildung in E. gab die Klägerin im Rahmen eines Kontenklärungsverfahrens unter dem 15.12.2004 an, sie habe vom 1.7.1963 bis 26.7.1964 in E. eine Sprachschule (Vollzeitschule) besucht. Hierzu legte sie eine Prüfungsbescheinigung, ausgestellt von der Universität C. im Juni 1964, über ein "Lower Certificate in English" vor. Im Rahmen ihres Antrags auf Gewährung einer Altersrente vom 28.1.2005 legte die Klägerin Unterlagen über ihre Beschäftigungen in E. vor und machte folgende Angaben: 1.7.1963 bis 22.8.1963 Au-pair bei Familie H., um Englisch in der Schule zu lernen 23.8.1963 bis 9.1.1964 Assistant Nurse im Altersheim und Schulbesuch 12.1.1964 bis 2.2.1964 Zimmermädchen und Küchenhilfe im Hotel 3.2.1964 bis 14.6.1964 Allroundkraft (Laufmädchen, Reinigung) 15.6.1964 bis 25.7.1964 Jugendherbergsreise in E ...

Der britische Rentenversicherungsträger "The Pension Service" bescheinigte am 15.7.2005 auf dem Formblatt E 205 GB, die Klägerin sei vom 3.12.1962 bis 1.12.1963 15 Wochen und vom 2.12.1963 bis 6.12.1964 28 Wochen (insgesamt 43 Wochen) als beschäftigte Person nach Art. 48 EWG Nr. 1408/71 versichert gewesen. Mit Schreiben vom 8.11.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der britische Versicherungsträger habe Versicherungszeiten von weniger als 12 Kalendermonaten bestätigt, weshalb ihr eine separate englische Rente nicht zustehe. Die britischen Versicherungszeiten würden bei der endgültigen Rentenberechnung gem. Art. 48 VO (EWG) Nr. 1408/71 in der deutschen Rente abgegolten.

Mit Bescheid vom 25.2.2005 merkte die Beklagte die Zeit der Fachschulausbildung vom 1.1.1965 bis 25.6.1965 als Anrechnungszeit vor. Ferner führte sie aus, die Zeiten vom 4.7.1963 bis 26.7.1964 und vom 26.6.1965 bis 30.9.1965 könnten nicht als Anrechnungszeiten vorgemerkt werden, weil sie nicht nachgewiesen seien. Die Zeiten vom 1.10.1965 bis 30.11.1965 und vom 15.11.1966 des 21.12.1966 könnten nicht als Anrechnungszeiten vorgemerkt werden, weil die Ausbildung weder mindestens einen Halbjahreskurs mit Ganztagsunterricht noch im Rahmen eines zeitlich kürzeren Kurses mindestens 600 Unterrichtsstunden umfasst haben bzw. hätten. Weiter teilte sie mit, welche Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht als Anrechnungszeiten vorgemerkt würden. Dieser Bescheid wurde bindend.

Mit Bescheid vom 7.7.2005 ("Mitteilung über die vorläufige Leistung") gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1.9.2005 Altersrente für Frauen in Höhe von monatlich 632,89 EUR (Zahlbetrag), wobei nur die in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigt waren. Sie führte aus, die Rente sei eine vorläufige Leistung im Sinne des Art. 45 der VO (EWG) Nr. 574/72. Die Höhe dieser Leistung sei von der Bindungswirkung des Bescheides ausgenommen und könne daher nicht angefochten werden.

Mit Schreiben vom 20.7.2006, eingegangen bei der Beklagten am 5.9.2006, machte die Klägerin unter Hinweis auf die Bescheinigung des britischen Versicherungsträgers geltend, da nunmehr belegt sei, dass sie vom 2.7.1963 bis 31.6.1964 in E. gelebt habe, bitte sie ihren Schulbesuch in H. und in L., für den sie Schulgeld entrichtet habe, anzuerkennen und die Rentenberechnung zu korrigieren. Ihr E.aufenthalt habe nicht dem Geldverdienen, sondern einzig und allein der Weiterbildung für den beruflichen Werdegang und der Erlangung der englischen Sprache gedient. Die Klägerin legte eine Erklärung ihrer Freundin I. H., geborene B., (abgekürzt: H.) vom 14.7.2006 vor, die bestätigte, dass sie zusammen mit der Klägerin von Juli bis Dezember 1963 eine Sprachenschule in H. in E. besucht habe.

Mit Bescheid vom 20.9.2006 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 28.1.2006 (gemeint wohl 20.7.2006) auf Rücknahme des Bescheides vom 25.2.2005 ab. Zur Begründung führte sie aus, der Fachschulbegriff sei erfüllt, sofern die Ausbildung a) mindestens einen Halbjahreskurs mit Ganztagsunterricht umfasste oder b) im Rahmen eines zeitlich kürzeren Kurses mit mindestens 600 Unterrichtsstunden erfolgte. Gleichzeitig müsse die Zeit und Arbeitskraft des Auszubildenden überwiegend in Anspruch genommen worden sein. Dies sei der Fall, wenn die zeitliche Belastung durch die Ausbildung mehr als 20 Wochenstunden betragen habe. Um eine Ausbildung als Anrechnungstatsache berücksichtigen zu können, müssten der Beginn, die ununterbrochene Dauer und das Ende (gegebenenfalls Abschluss) nachgewiesen werden. Das eingesandte Zeugnis reiche als Nachweis nicht aus. Es müsse bei der bisherigen Entscheidung verbleiben.

Auf den Widerspruch der Klägerin vom 17.10.2006 holte die Beklagte Auskünfte bei der Klägerin und bei H. (Telefonvermerk vom 13.11.2006 und schriftliche Äußerung vom 14.11.2006) ein. Die Klägerin gab unter dem 24.11.2006 an, nach ihrer Erinnerung sei von Montag bis Freitag jeweils nachmittags (2 Doppelstunden) Schule gewesen. Bei der Familie H. (1.7.1963 bis 22.8.1963) sei sie als Au-pair gewesen. Im Altersheim (23.8.1963 bis 31.12.1963) habe sie von Montag bis Samstag 5 Stunden vormittags gearbeitet. Für die Hausaufgaben habe sie ca. 2 Stunden pro Woche benötigt. Ferner habe sie täglich ca. 1 Stunde für freiwilliges Vokabelpauken, Grammatiklernen und Lesen englischer Literatur aufgewandt. In L. (12.1.1964 bis 14.6.1964) sei sie eher nur dreimal pro Woche in der Schule gewesen, da sie auch anderweitigen kulturellen Interessen nachgegangen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16.3.2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Zeit vom 4.7.1963 bis 26.7.1964 könne nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden.

Hiergegen hat die Klägerin am 17.4.2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben und vorgetragen, der Aufwand für die Sprachausbildung sei weit höher als 20 Stunden pro Woche gewesen. Der außerschulische Aufwand habe von Montag bis Freitag zwischen 2 und 6 Stunden täglich gelegen. Die Klägerin hat Auszüge über schriftliche Aufzeichnungen, die Tage Donnerstag, den 19.9.1963, Montag, den 23.9.1963 bis Donnerstag, den 26.9.1963, Montag, den 30.9.1963 bis Donnerstag, den 3.10.1963 sowie Montag, den 7.10.1963 und Dienstag, den 8.10.1963 betreffend, vorgelegt und erklärt, Aufzeichnungen über den Freitag fehlten, weil an diesem Tag nur flüssig lesen und Aussprache gelernt worden sei.

Mit Bescheid vom 29.1.2008 stellte die Beklagte die Altersrente für Frauen bei der Klägerin unter Berücksichtigung ausländischer Versicherungszeiten, u.a. der Pflichtbeitragszeiten in Großbritannien 1.8.1963 bis 31.8.1963 Pflichtbeitragszeit, keine Anrechnung 1.9.1963 bis 1.12.1963 4 Monate Pflichtbeitragszeit 2.12.1963 bis 31.5.1964 Pflichtbeitragszeit, keine Anrechnung 1.6.1964 bis 6.12.1964 7 Monate Pflichtbeitragszeit neu fest und gewährte der Klägerin eine Altersrente für Frauen ab 1.9.2005 in Höhe von 649,42 EUR (Zahlbetrag).

In der mündlichen Verhandlung vom 22.1.2009 hat die Klägerin erklärt, es könne sein, dass sie während der Zeit in L. nicht so regelmäßig die Schule besucht habe. Sie beschränke deswegen ihr Klagebegehren auf die Zeit, in der sie in H. die Schule besucht habe. Dementsprechend hat die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.3.2007 zu verurteilen, die Zeit vom 4.7.1963 bis einschließlich Dezember 1963 als Anrechnungszeit anzuerkennen und in die Rentenberechnung einzustellen.

Mit Urteil vom 22.1.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, für die Zeit des Schulbesuchs in E. vom 4.7.1963 bis 31.12.1963 in H. sei nach Überzeugung des SG keine Anrechnungszeit festzustellen. Bei der Sprachschule in E. handle es sich um keinen Schulbesuch im Sinne der von § 58 Abs. 1 Ziff. 4 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), da er nicht der Allgemeinbildung, sondern dem Unterricht in einer Sprache gedient habe. Es habe sich auch nicht um einen Fachschulbesuch, d.h. um eine berufsbezogene Ausbildung, gehandelt. Der Schulbesuch in E. habe allein der Vertiefung bzw. Aneignung der englischen Sprache gedient. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine fachspezifische Sprachausbildung in dem Sinne, dass die Klägerin die für ihren erlernten Beruf notwendige Fachsprache in diesem Kurs erlernt habe. Für die Zeit vom 1.8.1963 bis 31.8.1963 und vom 1.12.1963 bis 31.12.1963 seien bereits Pflichtbeitragszeiten ohne Anrechnung berücksichtigt. Die Zeit vom 1.9.1963 bis 30.11.1963 sei mit Pflichtbeitragszeiten belegt. Für diese Zeiten spreche § 58 Abs. 3a (gemeint: § 58 Abs. 4a) SGB VI gegen die Anerkennung als schulischer Ausbildung. Danach seien Zeiten der schulischen Ausbildung neben einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit nur Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung, wenn der Zeitaufwand für die schulische Ausbildung unter Berücksichtigung des Zeitaufwands für die Beschäftigung oder Tätigkeit überwogen habe. Nach dem Vortrag der Klägerin und unter Berücksichtigung der Zeugenaussage im Verwaltungsverfahren habe das SG erhebliche Zweifel, ob die Schulausbildung überwogen habe, da die Klägerin als Au-pair bzw. Hilfskrankenschwester beschäftigt gewesen sei. Auch wenn sie außerhalb und neben dem eigentlichen Schulunterricht englische Bücher und Ähnliches gelesen habe, könne dies nicht als Zeit der schulischen Ausbildung angesehen und anerkannt werden.

Gegen das am 6.2.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 27.2.2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, es fänden sich im Urteil viele Missverständnisse und Ungereimtheiten sowie Unstimmigkeiten und Interpretationsmissstände im Bescheid vom 16.3.2007, welche in der mündlichen Verhandlung vom 22.1.2009 wegen Zeitmangels nicht hätten ausgeräumt werden können. Ihr Berufsziel sei technische Übersetzerin gewesen. Voraussetzung hierfür sei ein abgeschlossener technischer Beruf gewesen. Die Sprachschule gelte als Fachschule. Bevor man technisches Englisch studiere, benötige man im Vorfeld ein sehr gutes Basisenglisch.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. Januar 2009 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2008 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr höhere Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung der Zeit vom 4. Juli 1963 bis 31. Dezember 1963 als Anrechnungszeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, aus der Berufungsbegründung der Klägerin ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Sie verweise auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Der Senat hat die Beklagte gebeten, eine Vergleichsberechnung durchzuführen und mitzuteilen, ob sich die Berücksichtigung der streitigen Zeit (gemeint: 4.7.1963 bis 31.12.1963) überhaupt günstig für die Klägerin auswirken würde.

Die Beklagte hat daraufhin erklärt, eine Probeberechnung der Altersrente der Klägerin mit der begehrten Fachschulzeit vom 4.7.1963 bis 26.7.1964 (gefragt: 4.7.1963 bis 31.12.1963) habe eine geringfügige Steigerung der Entgeltpunkte von 27,3865 auf 27,6841 ergeben. Dies hätte zur Folge, dass ab Rentenbeginn 1.9.2005 die sog. Bruttorente (vor Abzug des Kranken- und Pflegeversicherungsanteils) um 7,61 EUR höher ausfallen würde. Die Klägerin habe bereits mit Schreiben vom 8.8.2008 eine entsprechende Auskunft erhalten.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf höhere Altersrente für Frauen unter Berücksichtigung der Zeit vom 4.7.1963 bis 31.12.1963 als Anrechnungszeit hat.

Nach dem Klagebegehren ist ausschließlich darüber zu entscheiden, ob der Klägerin eine höhere Rente allein deswegen zusteht, weil die Zeit vom 4.7.1963 bis 31.12.1963, in der die Klägerin nach ihren Angaben eine Sprachschule in E. besucht hat, als Anrechnungszeit zu berücksichtigen ist.

Der während des Klageverfahrens ergangene endgültige Rentenbescheid vom 29.1.2008 hat (anders als der vorläufige Rentenbescheid vom 7.7.2005, vgl. Urteil des BSG vom 9.10.2007 - B 5b/8 KN 2 /06 R -2600- in SozR 4-2600 § 201 Nr. 1 und in Juris) in seinem angefochtenen Teil den im Vormerkungsverfahren ergangenen und ursprünglich mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt vom 20.9.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.3.2007 gem. § 96 SGG ersetzt, weil dieser aufgrund desselben Sachverhalts von der Klägerin mit demselben Ziel der Berücksichtigung der oben genannten Zeiten als Anrechnungszeiten in Streit gestellt worden war. Diese Bescheide waren deswegen nicht mehr Klagegegenstand (vgl. BSG, Urteil vom 14.5.2003 - B 4 RA 26/02 R - in SozR 4-2600 § 256b Nr. 1 und in Juris).

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin ist § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI. Danach sind Anrechnungszeiten Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht und an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. Vorliegend kommt allein eine Anrechnungszeit wegen Besuches einer Fachschule in Betracht.

Normzweck der Anrechnung von Zeiten einer schulischen Ausbildung bei der Rentenversicherung ist es, den Versicherten vor Nachteilen zu schützen, die dadurch eintreten, dass er durch die im Gesetz genannten Umstände unverschuldet daran gehindert war, eine pflichtversicherte Tätigkeit auszuüben und dadurch Pflichtbeiträge zu leisten (BSG SozR 2200 § 1259 Nrn. 38, 41, 56). Um eine übermäßige Belastung der Versichertengemeinschaft zu vermeiden, hat der Gesetzgeber die Ausbildungen der Art nach und zeitlich begrenzt; als unverschuldet die Entrichtung von Pflichtbeiträgen hindernden, zu Lasten der Solidargemeinschaft der Versicherten auszugleichenden Umstand anerkennt der Gesetzgeber in der genannten Norm nur diejenige Ausbildung, die über das 17. Lebensjahr hinaus "für den späteren Beruf notwendig" ist (BSG SozR 2200 § 1259 Nrn. 38, 41, 56). Als von der beruflichen Fortbildung zu trennende notwendige Ausbildung nennt das Gesetz u. a. die Fachschulausbildung. Dieser im Gesetz nicht definierte Begriff ist im Wesentlichen so auszulegen, wie er in dem vom Bundesminister für Arbeit 1956 herausgegebenen Fachschulverzeichnis verstanden wird (vgl. Gürtner in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Stand Dezember 2010, § 58 SGB VI Rn. 39).

Fachschulen sind danach solche nicht als Hochschulen anerkannten berufsbildenden Schulen, die der landwirtschaftlichen, gartenbaulichen, bergmännischen, gewerblichen, handwerklichen, kunsthandwerklichen, kaufmännischen, verkehrswirtschaftlichen, frauenberuflichen, sozialpädagogischen, künstlerischen, sportlichen oder einer verwandten Ausbildung dienen, deren Besuch eine ausreichende praktische Berufsvorbildung oder mindestens berufspraktische Tätigkeit voraussetzt und deren Lehrgang mindestens einen Halbjahreskurs mit Ganztagsunterricht oder in der Regel insgesamt 600 Unterrichtstunden umfasst.

Da die Fachschulausbildung in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI neben der Schul- und Hochschulausbildung steht, so bedeutet dies, dass sie diesen Ausbildungen vergleichbar sein muss. Die Fachschulausbildung muss eine der herkömmlichen Schulausbildung vergleichbare Stetigkeit und Regelmäßigkeit der Ausbildung gewährleisten (BSG SozR 2200 § 1262 Nr. 9) und ihrem zeitlichen Umfang nach dem Bild einer Schulausbildung entsprechen (BSG SozR 2200 § 1259 Nr. 76). Was das Erfordernis einer bestimmten Ausbildungsdauer angeht, so soll dadurch die Fachschulausbildung von anderen kurzfristigen Maßnahmen der Fortbildung und Weiterbildung wie z. B. Umschulungs-, Meister- oder Ergänzungskursen abgegrenzt werden, die nach allgemeinem Sprachgebrauch nicht als Schulausbildung gelten und demzufolge von der Regelung des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI nicht umfasst werden (BSG SozR § 1259 RVO Nr. 49).

Der von der Klägerin in der Zeit von Juli bis Dezember 1963 in H. besuchte Sprachkurs erfüllt die Voraussetzung einer Fachschulausbildung nicht. Bei dem von der Klägerin dort besuchten Sprachkurs handelte es sich um keinen Halbjahreskurs mit Ganztagsunterricht, da der Kurs nach den eigenen Angaben der Klägerin lediglich nachmittags (montags bis freitags je 2 Doppelstunden) stattfand. Auch ist nicht nachgewiesen, dass der Kurs 600 Unterrichtsstunden umfasste.

Darüber hinaus scheitert die Berücksichtigung der Zeit vom 4.7.1963 bis 31.12.1963 als Anrechnungszeit daran, dass der Besuch der Sprachschule die Zeit und Arbeitskraft der Klägerin nicht überwiegend beansprucht hat.

Als Anrechnungszeit kann eine Ausbildung nur dann berücksichtigt werden, wenn diese Zeit und Arbeitskraft des Versicherten überwiegend beansprucht hat. Dies ergibt sich aus dem Normzweck der Anrechnungszeit, Beiträge zu ersetzen, die wegen der Ausbildung nicht gezahlt werden konnten. Eine überwiegende Inanspruchnahme in diesem Sinne liegt vor, wenn dem Betreffenden neben der Ausbildung keine Halbtagstätigkeit zumutbar ist (Gürtner in Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2010 § 58 Rn. 36). Bei der Anerkennung von Ausbildungszeiten als Ausfallzeiten (nach § 36 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4b Angestelltenversicherungsgesetz - AVG - und § 1259 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4b Reichsversicherungsordnung - RVO) hatten der 4. und 5. Senat des BSG die Auffassung vertreten, dass eine Ausbildung nur vorliege, wenn der Schüler oder Auszubildende mehr als 40 Stunden pro Woche durch sie in Anspruch genommen werde. Auch der früher für die Arbeiterrentenversicherung zuständige 12. Senat und der 11. Senat hatten diese Rechtsprechung geteilt. Dabei hat die Rechtsprechung der genannten Senate die Obergrenze für die wöchentliche Gesamtbelastung auf 60 Stunden festgelegt (BSG SozR 4-2600 § 58 Nr. 1 m.w.N.).

Der 10. Senat des BSG hat im Urteil vom 23.8.1989 (SozR 5870 § 2 Nr. 64) diese Gesamtbelastung hingegen für zu hoch gehalten und die Belastbarkeitsgrenze entsprechend der Arbeitszeitordnung im Regelfalle auf 48 Stunden pro Woche reduziert. Ausgehend von einer versicherungspflichtigen Halbtagsbeschäftigung von (damals) 20 Stunden, hat er im Kindergeldrecht eine relevante Ausbildung angenommen, wenn die Ausbildung die (volljährigen) Kindern mehr als 28 Stunden pro Woche in Anspruch genommen hat.

Die Klägerin war durch den Besuch der Sprachkurse nicht mehr als 28 Stunden und auch nicht mehr als 20 Stunden - was die Beklagte als Maßstab genommen hat - wöchentlich beansprucht. Darüber hinaus war es ihr auch möglich, eine Beschäftigung auszuüben, die über eine Halbtagstätigkeit hinausging, wie ihre Tätigkeit als Hilfskrankenschwester 5 Stunden pro Tag, 6 Tage pro Woche (30 Stunden wöchentlich), und ihre Tätigkeit als Au-pair zeigt.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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