L 8 AL 1964/11 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AL 3070/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1964/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 24. März 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes wegen seines Nichterscheinens zum Termin zur mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht Mannheim (SG) am 24.03.2011.

Mit seiner am 26.08.2010 beim SG erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Feststellung einer Sperrzeit vom 04.05.2010 bis 24.05.2010 durch Bescheid der Beklagten vom 07.06.2010, weil der Kläger sich ohne wichtigen Grund geweigert habe, an einer ihm am 16.03.2010 angebotenen Maßnahme zur beruflichen Eingliederung teilzunehmen. Der Kläger macht geltend, eine Aufforderung der Beklagten zur Teilnahme an einer Maßnahme sei ihm zu keinem Zeitpunkt zugegangen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Zwar könne der Zugang des Einladungsschreibens generell nicht belegt werden. Der Kläger müsse jedoch das Schreiben erhalten haben.

Mit Terminsbestimmung vom 26.01.2011 bestimmte das SG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 24.03.2011, 9:20 Uhr. Das persönliche Erscheinen des Klägers wurde angeordnet und der Kläger auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens hingewiesen. Zu diesem Termin wurde der Kläger vom SG am 29.01.2011 mit Zustellungsurkunde geladen.

Ausweislich der Sitzungsniederschrift des SG vom 24.03.2011 erschienen der Prozessbevollmächtigte des Klägers sowie ein Vertreter der Beklagten zum Termin am 24.03.2011 (Beginn 09:20 Uhr Ende: 10:28 Uhr). Der Kläger selbst erschien ohne Mitteilung von Gründen nicht. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers teilte hierzu mit, dass der Kläger eigentlich habe anwesend sein wollen. Ein Versuch, den Kläger telefonisch zu erreichen, blieb erfolglos. Nach streitiger Verhandlung und Unterbrechung der mündlichen Verhandlung verkündete die Vorsitzende (im Namen der Kammer) den Beschluss, dass gegen den Kläger ein Ordnungsgeld in Höhe von 150 EUR festgesetzt und dass die mündliche Verhandlung vertagt wird. Zur Begründung des Ordnungsgeldbeschlusses wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24.03.2011 ausgeführt, die Kammer sei auf das persönliche Erscheinen des Klägers zum Abschluss des Verfahrens angewiesen. Um sich von der entscheidungserheblichen Tatsache des Zugangs des Einladungsschreibens vom 16.03.2010 zu überzeugen, für die die Beklagte die Beweislast trage, sei eine persönliche Anhörung des Klägers unerlässlich.

Der Kläger reichte am 25.03.2011 ohne weitere Angaben durch seinen Prozessbevollmächtigten eine von Dr. G. am 24.03.2011 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, in der Arbeitsunfähigkeit des Klägers vom 24.03.2011 bis 27.03.2011 bescheinigt wurde. Am 06.05.2011 teilte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten hierzu mit, die Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei als Beschwerde gegen den Ordnungsgeldbeschluss zu werten.

Das SG hat die Beschwerde am 12.05.2011 dem LSG Baden-Württemberg zur Entscheidung vorgelegt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 24. März 2011 aufzuheben.

Die Beklagte hat sich nicht geäußert.

Der Senat hat Dr. G. schriftlich als sachverständige Zeugin angehört. Dr. G. hat in der Stellungnahme vom 06.06.2011 mitgeteilt, der Kläger habe am 24.03.2011 um 14:00 Uhr einen Praxistermin als neuer Patient vereinbart. Er habe über eine seit dem Vortag bestehende Übelkeit mit einhergehendem Erbrechen sowie Diarrhoen geklagt. Dem Kläger sei eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden, weil er mitgeteilt habe, in der Gastronomie tätig zu sein. Im weiteren Verlauf habe sich der Kläger nicht erneut in der Praxis vorgestellt. Da der Kläger in der Lage gewesen sei, am 24.03.2011 selbständig die Praxis aufzusuchen, wäre er ihres Erachtens auch in der Lage gewesen, seinen Termin beim SG am 24.03.2011 persönlich wahrzunehmen.

Der Kläger hat zu der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage von Dr. G. vorgetragen, er sei am Termintag so schwer erkrankt gewesen, dass ihm eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt worden sei. Zwar sei die Frage der Verhandlungsunfähigkeit verneint worden. Dies sei für die Beschwerdeentscheidung jedoch nicht maßgeblich, da ihm in seiner Ladung nicht aufgegeben worden sei, ein Attest vorzulegen, das ihm Verhandlungsunfähigkeit bescheinige. Er sei deshalb davon ausgegangen, dass er aufgrund seiner Erkrankung und der damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit nicht bei Gericht erscheinen müsse. Von einem wie ihm Rechtsunkundigen könne nicht erwartet werden, dass er die feinen juristischen Unterschiede zwischen Arbeitsunfähigkeit und Verhandlungsunfähigkeit verstehe, geschweige denn, dass er diese kennen müsse.

II.

Die gemäß §§ 172 Absatz 1, 118 Absatz 1 SGG i.V.m. §§ 141 Absatz 3, 380 Absatz 3 Zivilprozessordnung (ZPO) statthafte und gemäß § 173 Satz 1 SGG frist- und formgemäß eingelegte Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des SG vom 24.03.2011 ist zulässig. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Ordnungsgeldbeschluss des SG ist nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für das vom SG verhängte Ordnungsgeld ist § 202 SGG i.V.m. §§ 141 Abs. 3, 380, 381 Abs. 1 ZPO. Nach § 141 Abs. 3 ZPO kann gegen einen im Termin ausgebliebenen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet war (§§ 106 Abs. 3 Nr. 7, 111 Abs. 1 Satz 1 SGG), ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Nach § 381 Abs. 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung des Ordnungsgeldes, wenn das Ausbleiben des Beteiligten rechtzeitig genügend entschuldigt wird (§ 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die nachträgliche Entschuldigung führt zur Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses (§ 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Kein Ordnungsgeld darf nach § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO auferlegt werden, wenn der Beteiligte zum Termin einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO stellt die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts. Dem Gericht ist damit nicht nur ein Auswahlermessen hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgeldes in Höhe von 5 bis 1.000 EUR (Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB) eröffnet. Es hat auch über das "Ob" des Ordnungsgeldes zu befinden.

Bei der Festsetzung des Ordnungsgeldes muss der konkrete Grund für die Anordnung des persönlichen Erscheinens beachtet werden. Zweck des § 111 Absatz 1 Satz 1 SGG ist, ebenso wie die in dieser Vorschrift geregelte Ladung von Zeugen und Sachverständigen, die Aufklärung des Sachverhalts (so ausdrücklich § 141 Absatz 1 Satz 1 ZPO). Nicht relevant ist, eine vermeintliche Missachtung einer richterlichen Anordnung oder der gerichtlichen Autorität zu ahnden. Auch die (dem ausbleibenden Beteiligten oft nicht bekannte) Absicht des Gerichts, eine streitige Entscheidung zu verhindern und die einvernehmliche Regelung zwischen den Beteiligten zu ermöglichen, rechtfertigt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nicht. Sie kommt nur in Betracht, wenn durch das unentschuldigte Ausbleiben des Beteiligten die Aufklärung des Sachverhalts verhindert oder erschwert wird und deshalb eine Verzögerung des Rechtsstreits eintritt (LSG Berlin v. 10.06.2004 -L 3 B 14/04 U - m.w.N; LSG Baden-Württemberg vom 02.08.1993 - L 3 B 62/93 -, Breith. 1994, 166; vgl. auch Knittel in Henning, SGG, Kommentar mit Nebenrecht, § 111 RdNr. 9).

Diese Voraussetzungen sind beim Kläger erfüllt. Der Kläger ist mit der Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin am 24.03.2011 mittels Zustellurkunde am 29.01.2011 durch Ersatzzustellung ordnungsgemäß geladen worden. Er ist ferner auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden (§ 111 Abs. 1 Satz 2 SGG). Im Termin ist er ohne Mitteilung von Gründen nicht erschienen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24.03.2011 hat der erschienene Prozessbevollmächtigte des Klägers keine Gründe für das Ausbleiben des Klägers genannt. Auch der Kläger selbst hat dem Gericht (vor Beginn oder während des Termins) keine Gründe für sein Nichterscheinen mitgeteilt. Das SG war auch nicht wegen des Erscheinens des Prozessbevollmächtigten des Klägers gehindert, ein Ordnungsgeld zu verhängen. Denn die Anwesenheit eines Vertreters im Sinne des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO muss der persönlichen Anwesenheit der Partei in jeder Hinsicht gleichwertig sein (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 2009, 27. Auflage, § 141 RdNr. 16). Dies war nicht der Fall. Nach dem Inhalt der Gerichtsakte des SG ist für die Entscheidung des Rechtsstreites von (entscheidender) Bedeutung, ob dem Kläger ein Einladungsschreiben vom 16.03.2010, das Anlass für die streitgegenständliche Sperrzeit war, zugegangen ist, was der Kläger bestreitet. Dazu sieht sich das SG zu Recht in der Pflicht, den Kläger persönlich anzuhören. Ausreichende Angaben hierzu hat der erschienene Prozessbevollmächtigte für den Kläger nicht machen können, zumal es bei der streitigen Frage um die höchstpersönliche Kenntnis des Klägers geht. Die hierzu vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 24.03.2011 gemachten Angaben waren für das SG auch tatsächlich nicht ausreichend, was sich darin zeigt, dass das SG die mündliche Verhandlung vertagt hat. Durch sein unentschuldigtes Ausbleiben hat der Kläger damit die Aufklärung des Sachverhalts verhindert oder erschwert und eine Verzögerung der Entscheidung des Rechtsstreits verursacht, da die mündliche Verhandlung vom SG hat vertagt werden müssen.

Die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes ist angemessen. Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB). Danach ist ein Rahmen von 5,00 EUR bis 1.000,00 EUR vorgegeben, innerhalb dessen sich das Ordnungsgeld bewegen kann. Bei der Zumessung hat das Gericht die Umstände, die für oder gegen den Kläger sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist auf das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen schuldhafte Auswirkungen, auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers sowie auf das Verhalten nach dem Ordnungsverstoß abzustellen (vgl. Bay. LSG, Beschluss vom 03.03.2011 - L 2 AL 57/11 B -, veröffentlicht im Internet sozialgerichtsbarkeit.de). Das SG hat ein Ordnungsgeld im deutlich unteren Bereich des eröffneten Rahmens festgesetzt, das in seiner konkreten Höhe von 150 EUR nicht zu beanstanden ist. Dagegen hatte der Kläger im Übrigen auch keine Einwendungen erhoben.

Der Kläger hat sich auch nicht - nachträglich - hinreichend entschuldigt. Er hat seine Verhinderung nicht glaubhaft gemacht. Zwar hat der Kläger eine Kopie einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung von Dr. G. vom 24.03.2011 vorgelegt, in der dem Kläger Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 24.03.2011 bis 27.03.2011 bescheinigt wird. Dass der Kläger wegen einer Erkrankung gehindert war, den Termin am 24.03.2011 beim SG wahrzunehmen, wird dadurch jedoch nicht glaubhaft gemacht. Denn eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit, die weder zur Reise- noch Verhandlungsunfähigkeit führt, entschuldigt das Ausbleiben zum Termin nicht (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Auflage, § 381 RdNr. 6). Dies trifft beim Kläger zu. Dr. G. hat in der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 06.06.2011 angegeben, dass der Kläger in der Lage gewesen wäre, den Termin beim SG am 24.03.2011 persönlich wahrzunehmen und damit eine Reise- und Verhandlungsunfähigkeit des Klägers verneint. Diese Angaben sind für den Senat plausibel und überzeugend. Denn nach den weiteren Angaben von Dr. G. wurde dem Kläger wegen einer vermutlich infektiösen Gastroenteritis die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nur deswegen erteilt, weil der Kläger mitgeteilt hat, in der Gastronomie tätig zu sein. Dass der Kläger auch gehindert war, an der öffentlichen Sitzung des SG am 24.03.2011 persönlich teilzunehmen, kann danach nicht angenommen werden. Der Kläger kann sich zur Entschuldigung seines Ausbleibens auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er sei davon ausgegangen, dass er aufgrund seiner Erkrankung und der damit verbundenen Arbeitsunfähigkeit nicht bei Gericht erscheinen müsse. Ungeachtet der Tatsache, dass nach den Angaben der Dr. G. die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Kläger erst nach dem Ende des Termins am 24.03.2011 (10:28 Uhr) nach 14:00 Uhr ausgestellt worden sein muss, durfte der Kläger subjektiv nicht berechtigt davon ausgehen, aufgrund der krankheitsbedingt ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht zum Termin erscheinen zu müssen und hiermit entschuldigt zu sein. Eine - ggfs. telefonische - "Krankmeldung" bei Gericht erfolgte nicht. Eine Erläuterung zu den Hinderungsgründen einer Reise- oder Verhandlungsunfähigkeit konnte dem Kläger nicht gegeben werden. Dass seine Erkrankung seinem Erscheinen bei Gericht nicht entgegensteht, hätte sich dem Kläger aus der einfachen Überlegung aufdrängen müssen, dass er auch eine Arztpraxis aufsuchen konnte. Eine Gesundheitsverbesserung bis zum Nachmittag wird nicht vorgetragen. Dass das SG durch sein Verhalten dem Kläger zu einer fehlerhaften Annahme Anlass gegeben hätte, ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Maßgeblich ist vielmehr, dass dem Kläger sein Erscheinen zum Termin am 24.03.2011 trotz der Erkrankung zumutbar gewesen ist, was ihm auch klar sein musste.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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