L 6 SF 1418/10 B

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Nordhausen (FST)
Aktenzeichen
S 18 SF 77/09 E
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1418/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Grundsätzlich ist bei Rahmengebühren auch der vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beiordnung erbrachte Arbeits- und Zeitaufwand des Rechtsanwalts im Verfahren in die Beurteilung einzubeziehen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - Az.: L 15 SF 303/09 B E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2008 - Az.: L 19 B 21/08 AS, a.A. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17. Juli 2008 - Az.: L 1 B 127/08 SK).

2. Fertigt der Rechtsanwalt im Verfahren lediglich zwei Schriftsätze, ist der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im Vergleich zu anderen Verfahren unterdurchschnittlich.

3. Für die Bestimmung der Bedeutung der Angelegenheit kommt es vor allem auf die Höhe des geltend gemachten Anspruchs an. Wird er im Hauptverfahren nicht beziffert, kann eine durchschnittliche Bedeutung nicht unterstellt werden.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Mai 2010, abgeändert mit Beschluss vom 4. Oktober 2010, aufgehoben und die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren auf 250,27 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Rechtsanwaltsgebühren für ein Verfahren vor dem Sozialgericht Nordhausen streitig (Az.: S 18 AS 2840/08).

Mit Bescheid vom 7. März 2008 gewährte die beklagte ARGE Grundsicherung U.-H.-K. den Klägerinnen zu 1. und 2. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 401,00 Euro und Kosten der Unterkunft in Höhe von 161,21 Euro. Im Widerspruchsverfahren begehrten die von dem Beschwerdeführer vertretenen Klägerinnen, den Lebensgefährten der Klägerin zu 1. (Kläger zu 3.) in die Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen. Die Beklagte erließ einen Änderungsbescheid vom 29. August 2008 und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2008 zurück. Mit der am 11. September 2008 erhobenen Klage machten die Kläger geltend, der Änderungsbescheid sei ihnen nicht zugegangen. Der Kläger zu 3. sei in die Bedarfsgemeinschaft einzubeziehen und dieser insgesamt "höhere" Kosten der Unterkunft und allen "höhere Leistungen (KdU, Rundungsregelung)" zu bewilligen. Nachdem die Beklagte mitgeteilt hatte, dass der Änderungsbescheid an einen anderen ebenfalls bevollmächtigten Rechtsanwalt geschickt worden sei, begrenzte der Beschwerdeführer unter dem 21. November 2008 das klägerische Begehren auf die Kosten der Unterkunft (KdU). Mit Beschluss vom 20. Februar 2009 gewährte das Sozialgericht den Klägern Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung und ordnete den Beschwerdeführer bei. Das Sozialgericht verhandelte in seiner 48 Minuten dauernden Sitzung am 23. Februar 2009 (Unterbrechung 18 Minuten) und änderte mit seinem Urteil vom gleichen Tag die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheids insoweit ab, als die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung zu tragen habe und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten notwendig sei. Im Übrigen wies es die Klage ab. Die Beklagte habe die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu ¼ zu erstatten.

In seiner Kostenrechnung vom 5. Mai 2009 machte der Beschwerdeführer aus der Staatskasse für das Verfahren einen Betrag 450,61 Euro geltend, der sich wie folgt errechnet:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG 170,00 Euro
Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG 102,00 Euro
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 Euro
Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld 12,88 Euro
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro Zwischensumme 504,88 Euro
Mehrwertsteuer 95,93 Euro
Gesamtbetrag 600,81 Euro
davon ¾ 450,61 Euro

Unter dem 17. Juni 2009 wies die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UKB) die Zahlung von 88,16 Euro an und führte aus, hinsichtlich der Verfahrensgebühr Nr. 3103, 1008 VV RVG sei eine um 40 v.H. reduzierte Mittelgebühr (163,20 Euro) angemessen. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Kläger sei gerade noch durchschnittlich, Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit weit unterdurchschnittlich und die Einkommensverhältnisse unterdurchschnittlich gewesen. Die beantragte Terminsgebühr sei angemessen; berücksichtigt wurden in der Berechnung 102,00 Euro. Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgeld seien anteilig (1/6) zu erstatten, denn am 23. Februar 2009 habe der Beschwerdeführer an sechs Verfahren teilgenommen.

Seine Erinnerung hat der Beschwerdeführer auf die Höhe der Verfahrens- und Terminsgebühr beschränkt und damit begründet, dass der Umfang seiner anwaltlichen Arbeit nicht unterdurchschnittlich gewesen sei; es habe sich beim SGB II um eine sehr komplexe und komplizierte Rechtsmaterie gehandelt. Die Kürzung der Terminsgebühr sei nicht angebracht, weil die volle Terminsgebühr mit der Wahrnehmung des Termins entstehe. Hinsichtlich des Tages- und Abwesenheitsgeldes werde darauf hingewiesen, dass am 23. Februar 2009 tatsächlich vier Verhandlungen vor dem Sozialgericht stattgefunden hatten.

Mit Beschluss vom 14. Mai 2010 hat das Sozialgericht die aus der Staatskasse zu erstattende Gebühr auf 227,65 Euro festgesetzt. Die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 sei in Höhe von 56,67 Euro (1/3 der Mittelgebühr) festzusetzen. Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit habe sich seit der Beiordnung auf die Erklärung der Teilrücknahme beschränkt. Diese prozessuale Erklärung sei nicht schwierig gewesen. Nachdem sich der zurückgenommene Teil des Rechtsstreits auf Rundungsproblematiken bezogen habe, sei die Bedeutung der Sache weit unterdurchschnittlich gewesen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger seien unterdurchschnittlich gewesen; ein besonderes Haftungsrisiko sei nicht ersichtlich. Die Terminsgebühr werde auf 113,33 Euro festgesetzt. Ausweislich der Niederschrift seien Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit unterdurchschnittlich gewesen. Besondere rechtliche Schwierigkeiten stellten sich im Termin nicht. Die anwaltliche Tätigkeit habe sich auf die Formulierung der Anträge und einen kurzen rechtlichen Meinungsaustausch beschränkt. Die durchschnittliche Dauer eines Erörterungstermins betrage ca. 30 bis 45 Minuten, sodass die Dauer von 30 Minuten unterdurchschnittlich sei. Die Fahrtkosten seien angesichts der Fahrtstrecke auf 5,25 Euro zu kürzen. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2010 hat das Sozialgericht seinen Beschluss wegen eines Schreib- bzw. Rechenfehlers berichtigt und die zu erstattende Gebühr wie folgt festgesetzt.

Verfahrensgebühr Nr. 3103, 1008 VV RVG 90,67 Euro
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 113,33 Euro
Fahrtkosten 5,25 Euro
Tage- und Abwesenheitsgeld 5,83 Euro
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro Zwischensumme 235,08 Euro
Mehrwertsteuer 44,67 Euro
Gesamtbetrag 279,75 Euro
davon ¾ 209,81 Euro

Dagegen hat der Beschwerdeführer am 8. November 2010 Beschwerde eingelegt und vorgetragen, die Bedeutung der Angelegenheit sei für die Kläger nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R) überdurchschnittlich gewesen. Die unterdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse würden durch die überdurchschnittliche Bedeutung der Angelegenheit kompensiert. Der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien durchschnittlich gewesen, weil er sich mit der Rechtmäßigkeit der Leistungsbewilligung auseinandergesetzt habe. Bei der Terminsgebühr komme es nicht auf die Dauer des Termins an.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 14. Mai 2009, abgeändert mit Beschluss vom 4. Oktober 2010, aufzuheben und seine Vergütung auf 450,61 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf die Entscheidung des Sozialgerichts.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 6. Januar 2011) und sie dem Thüringer Landessozialgericht vorgelegt. Der Senatsvorsitzende hat mit Beschluss vom 17. März 2011 das Verfahren dem Senat nach §§ 56 Abs. 1 S. 1, 33 Abs. 8 S. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen.

II.

Die Beschwerde gegen die Festsetzung der Rechtsanwaltsgebühren ist nach §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 26. Januar 2009 - Az.: L 6 B 256/08 SF; 16. Januar 2009 - Az.: L 6 B 255/08 SF, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF) und zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 Euro. Die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 14. Mai 2010 ist unrichtig. Damit konnte die Beschwerde - wie geschehen - innerhalb der Jahresfrist des § 66 Abs. 2 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF).

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

Nach § 3 Abs. 1 S. 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, Betragsrahmengebühren, die dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt aus der Landeskasse zu erstatten sind (§ 45 Abs. 1 RVG). Die Kläger, denen PKH gewährt wurde, waren kostenprivilegierte Beteiligte i.S.d. § 183 S. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Damit scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 S. 1 SGG). Der Vergütungsanspruch bestimmt sich nach § 48 Abs. 1 RVG nach den Beschlüssen, durch die die PKH bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist.

Die Höhe der Vergütung errechnet sich nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1 zum RVG. Die Höhe der Rahmengebühr bestimmt nach § 14 Abs. 1 RVG der Rechtsanwalt im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen (Satz 1); bei Rahmengebühren ist das Haftungsrisiko zu berücksichtigen (Satz 3). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (Satz 4), wobei ihm nach allgemeiner Meinung ein Spielraum (sogenannte Toleranzgrenze) von 20 v.H. zusteht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R m.w.N., nach juris; ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Beschlüsse vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 26. November 2008 - Az.: L 6 B 130/08 SF, 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF, 14. März 2001 - Az.: L 6 B 3/01 SF; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, § 73a Rdnr. 13 f.; Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr. 12). Unbilligkeit liegt vor, wenn der Rechtsanwalt die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG unter Beachtung des Beurteilungsspielraums objektiv nicht hinreichend beachtet (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 12. September 2006 – Az.: L 1 B 320/05 SF SK, nach juris); dann erfolgt eine Festsetzung nur in Höhe der angemessenen Gebühren.

Hier übersteigen die beantragten Gebühren die tatsächlich zustehenden um mehr als 20 v.H. und sind damit unbillig.

Dem Beschwerdeführer steht eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG nur in Höhe von 85,00 (1/2 Mittelgebühr) zu, womit der Toleranzrahmen überschritten wird. Die Gebühr , die durch die Wahrnehmung des Kammertermins am 23. Februar 2009, Stellung des Antrags und Begründung entstand, vergütet das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 2 VV RVG) sobald der Rechtsanwalt zum Verfahrensbevollmächtigten bestellt wird und eine unter die Gebühr fallende Tätigkeit ausgeübt hat (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, 19. Auflage 2010, Vorb. 3 VV Rdnr. 26). Unschädlich ist, dass sie bereits durch die Klageerhebung vor dem Wirksamwerden der Beiordnung angefallen war, denn ein Vergütungsanspruch entsteht auch bei erneuter Erfüllung der Voraussetzungen (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - Az.: L 15 SF 303/09 B E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2008 - Az.: L 19 B 21/08 AS; FG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Januar 2008 - Az.: 14 Ko 3929/07 KF, alle nach juris).

Bei dem Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist vor allem der zeitliche Aufwand zu berücksichtigen, den der Rechtsanwalt im Vergleich mit den übrigen beim Sozialgericht anhängigen Verfahren (nicht eingeschränkt auf Verfahren nach dem SGB II) tatsächlich in der Sache betrieben hat und objektiv auf die Sache verwenden musste (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 19. Auflage 2010, § 14 Rdnr 15). Zu berücksichtigen ist auch der sonstige Aufwand, z.B. für Besprechung, Beratung, Aktenstudium, Anfertigung von Notizen, Anfordern und Sichten von Unterlagen, ggf. Rechtsprechungs- und Literaturrecherche, Schriftverkehr mit dem Auftraggeber und dem Gericht sowie alle Tätigkeiten, die mangels entsprechender Gebührenvorschriften nicht durch eine besondere Gebühr vergütet werden (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris). Zeitlich scheidet eine Einschränkung auf die Tätigkeiten seit der Beiordnung oder seit Eingang des vollständigen PKH-Antrags (so die Vorinstanz) aus. Der Senat schließt sich der Rechtsprechung an, nach der grundsätzlich der gesamte Arbeits- und Zeitaufwand des Rechtsanwalts im Verfahren - auch vor dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Beiordnung - in die Beurteilung einzubeziehen ist (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Juli 2010 - Az.: L 15 SF 303/09 B E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2008 - Az.: L 19 B 21/08 AS, a.A. LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17. Juli 2008 - Az.: L 1 B 127/08 SK, alle nach juris) und gibt seine entgegenstehende frühere Rechtsansicht auf (vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. Mai 2010 - Az.: L 6 SF 198/10 B und 19. Juni 2007 - Az.: L 6 B 80/07 SF).

In Verfahren nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) fallen streitwertgebundene Wertgebühren an; der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ist ohne Bedeutung. Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält Vergütungen zwar nur für Tätigkeiten nach dem Wirksamwerden der Beiordnung (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 1991 - Az.: VIII ZR 187/90 in NJW 1992, 840), wenn eine gebührenauslösende Tätigkeit nach der Antragstellung feststellbar ist. Er erhält aus der Staatskasse aber alle Gebühren, die nach Eingang des PKH-Antrags abermals oder neu entstehen und zwar ohne Rücksicht auf seine vorangegangene Tätigkeit (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 12. Februar 2007 - Az.: 6 W 165/06, nach juris; Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, a.a.O., § 48 Rdnr. 104); ausgeschlossen sind sie nur dann, wenn sie ausschließlich vor der Antragstellung entstanden sind (vgl. Philippi in Zöller, ZPO, 27. Auflage 2009, § 119 Rdnr. 50). Nachdem die Verfahrensgebühr bereits mit jeder Tätigkeit entsteht, die ein Rechtsanwalt aufgrund seines Auftrages vornimmt, ist sie aus der Staatskasse zu erstatten, wenn und soweit der Anwalt auch nach Eingang des PKH-Antrags noch gebührenauslösende Tätigkeiten entfaltet. Der Rechtsanwalt ist nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht berechtigt, zusätzlich Ansprüche gegen den Mandanten geltend zu machen (sogenannte Forderungssperre), auch wenn die Gebührentatbestände bereits vor der Beiordnung erfüllt waren (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Februar 2008 - Az: I ZR 142/06, nach juris).

Wird - wie hier - bei der Rahmengebühr der vor der Wirksamkeit der Beiordnung angefallene Arbeitsaufwand nicht berücksichtigt, besteht für den "armen" Verfahrensbeteiligten ein erhöhtes Risiko, dass er einen Teil seiner Kosten selbst tragen muss (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. September 2009- Az.: L 19 B 21/08 AS, nach juris). Die Beiordnung selbst kommt erst ab dem Zeitpunkt des Eingangs des vollständigen PKH-Antrags (mit vollständigen Unterlagen) in Betracht. In den Fällen, in denen z.B. der Klageschriftsatz bereits davor gefertigt und eingereicht wird, könnte dieser Aufwand nicht berücksichtigt und der Teil der Gebühren nicht erstattet werden; die Verfahrensbeteiligten nach § 183 SGG müssten ihn selbst tragen. Dies wäre für sie eine nicht zu rechtfertigende Schlechterstellung gegenüber Beteiligten in Verfahren nach § 197a SGG. Das Ergebnis kann auch nicht durch eine entsprechende Anwendung der Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verhindert werden. Dies würde ein zusätzliches finanzielles Opfer des Rechtsanwalts beinhalten, das gegen Art. 12 des Grundgesetzes (GG) verstieße, denn dann wäre die Einschränkung der Freiheit der Berufsausübung nicht durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt und widerspräche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Im vorliegenden Fall war auch bei einem Abstellen auf die Tätigkeit des Beschwerdeführers ab Klageerhebung der Umfang seiner anwaltlichen Tätigkeit unterdurchschnittlich. Er fertigte zwei Schriftsätze und blieb damit auch unter Berücksichtigung des Aufwands für die übrigen genannten Tätigkeiten unter dem Durchschnitt. Er hatte nicht zu Rechtsproblemen, Gutachten oder medizinischen Unterlagen Stellung zu nehmen. Sein Vortrag, hier sei eine "umfassende rechtliche Prüfung" notwendig gewesen, ist unkonkretisiert und in dieser Form nicht verwertbar. Die rechtliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit ist zudem ein eigener Gesichtspunkt und für den Umfang der Tätigkeit nicht (zusätzlich) zu berücksichtigen; die Tätigkeit im Kammertermin wird durch die Terminsgebühr abgegolten. Nicht nachvollziehbar ist die Argumentation des Beschwerdeführers, er könne nicht dafür bestraft werden, dass er bereits vorgetragene Argumente nicht wiederholt habe. Bei § 14 RVG kann nur der tatsächliche, nicht aber ein fiktiver Aufwand berücksichtigt werden. Wiederholungen wären zudem objektiv nicht erforderlich gewesen.

Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit war unterdurchschnittlich (KdU) bzw. erheblich unterdurchschnittlich (Nichtanwendung der Rundungsregelung). Überdurchschnittlich schwierig ist die Tätigkeit z.B. dann, wenn erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten, die sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen können (vgl. BSG; Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris). Anhaltspunkte hierfür sind nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer selbst hat hierzu konkret nichts vorgetragen.

Für die Bedeutung der Angelegenheit kommt es auf die unmittelbare tatsächliche, ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder rechtliche Auswirkung auf die Kläger - nicht für die Allgemeinheit - an (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, nach juris; Senatsbeschluss vom 25. Oktober 2010 - Az.: L 6 SF 652/10 E). Im vorliegenden Fall muss sie mangels konkreter Anhaltspunkte als unterdurchschnittlich eingeschätzt werden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ergibt sich die besondere Bedeutung nicht allein daraus, dass im Hauptsacheverfahren um Ansprüche nach dem SGB II und damit das soziokulturelle Existenzminimum gestritten wurde. Wesentlich ist vielmehr auch dann die Höhe des geltend gemachten Anspruchs. Das ergibt sich auch aus dem Urteil des BSG vom 1. Juli 2009 - Az.: B 4 AS 21/09 R, denn dort wird ausgeführt, dass eine "allenfalls durchschnittliche Bedeutung" in Betracht kommt, wenn es im Hauptsacheverfahren um "allenfalls monatliche Euro-Beträge im einstelligen Bereich und für einen nur kurzen streitigen Zeitraum von längstens sechs Monaten" geht. Hier hatten die Kläger die Höhe der begehrten Leistung (KdU) nicht beziffert; es ist zudem nicht ersichtlich, ob eine positive Entscheidung insgesamt zu einer Leistungserhöhung im Eurobereich geführt hätte. Dann kann eine nur durchschnittliche Bedeutung nicht unterstellt werden. Im Festsetzungsverfahren besteht auch kein Anlass, hierzu Ermittlungen anzustellen oder eine durchschnittliche Bedeutung zu unterstellen. Die Bedeutung der Rundungsregelung kann allenfalls im Cent-Bereich liegen und ist damit deutlich unterdurchschnittlich.

Bezogen auf das Durchschnittseinkommen der Gesamtbevölkerung waren die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Kläger weit unterdurchschnittlich. Eine Kompensation durch die Bedeutung der Sache scheidet aus. Anhaltspunkte für ein besonderes Haftungsrisiko des Beschwerdeführers bestehen nicht.

Die Gebühr ist nach Nr. 1008 VV RVG für zwei weitere Personen um 60 v.H. (= 51,00 Euro) auf 136,00 Euro zu erhöhen.

Bei der eigenständig zu prüfenden Terminsgebühr (vgl. Senatsbeschluss vom 3. April 2009 - Az.: L 6 B 261/08 SF m.w.N.) beträgt der Betragsrahmen nach Nr. 3106 VV RVG 20,00 bis 380,00 Euro. Die von dem Beschwerdeführer begehrte Mittelgebühr (200,00 Euro) ist deutlich zu hoch angesetzt; hier folgt der Senat der Argumentation der Vorinstanz, die 113,33 Euro angesetzt hat. Zur Begründung verweist er entsprechend § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe im Beschluss der Vorinstanz. Die Begründung des Beschwerdeführers beschränkt sich auf die Behauptung, die dort für wesentlich erachtete Dauer des Termins sei unerheblich. Der Senat hat aber bereits mehrfach entschieden (vgl. u.a. Beschlüsse vom 4. März 2011 - Az.: L 6 SF 184/11 B, 17. Dezember 2010 - Az.: L 6 SF 808/10 B, 29. April 2008 - Az.: L 6 B 32/08 SF), dass es für den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit auf die Dauer des Termins ankommt.

Nachdem der Beschwerdeführer schon seine Erinnerung auf die Verfahrens- und Terminsgebühr beschränkt hatte, sieht der Senat keinen Anlass auf die übrigen Positionen der Kostenrechnung einzugehen.

Damit errechnen sich die eigentlich zustehenden Gebühren wie folgt:

Nr. 3103 VV RVG 85,00 Euro Gebührenerhöhung Nr. 1008 VV RVG 51,00 Euro Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 113,33 Euro Fahrtkosten Nr. 7003 VV RVG 5,25 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV RVG 5,83 Euro Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro Zwischensumme 280,41 Euro Mehrwertsteuer 53,28 Euro Gesamtbetrag 333,69 Euro ¾ nach der Kostengrundentscheidung 250,27 Euro

Die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S 2 und 3 RVG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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