Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KR 112/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 397/11
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe der Patientenunter-lagen wird abgewiesen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Stufenklage zunächst um die Frage, ob das beklagte Krankenhaus an die klagende Krankenkasse die Patientenakten für einen im Jahr 2005 durchgeführten und abgerechneten Behandlungsfall, dessen Prüfung die Klägerin erst im Jahr 2009 eingeleitet hat, herausgeben muss.
Der bei der Klägerin Versicherte H.-G. F (im Folgenden: Versicherter) wurde von der Beklagten, die ein zur Versorgung der gesetzlichen Versicherten zugelassenes Krankenhaus betreibt, stationär in der Zeit vom 04.10. bis zum 11.10.2005 behandelt. Am 02.11.2005 stellte die Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.236,74 Euro in Rechnung, der vollständig beglichen wurde. Dabei legte sie die DRG I53Z zu Grunde.
Im Jahr 2009 beauftrage die Beklagte den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahn-vermögens mit der Überprüfung der ordnungsgemäßen Kodierung und fügte der Anfrage folgende Bemerkungen bei: "5-832.4 plausibel? Handelt es sich um eine individuelle Komponente der kodierten Prozeduren?". Ohne diesen OPS-Code würde sich nach den Feststellungen der Klägerin die DRG ändern (I56Z), was zu einem möglichen Differenzbetrag von 976,36 Euro zu ihren Gunsten führen würde. Am 16.09.2009 bat der Medizinische Dienst des Bundeseisenbahnvermögens die Beklagte erfolglos um Übersendung von Patientenunterlagen.
Daraufhin hat die Klägerin am 16.12.2009 Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zunächst zur Herausgabe der Patientenakte und sodann zur Zahlung des sich nach Überprüfung des Behandlungsfalls ergebenden Rückforderungsbetrages zu verurteilen. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V habe zum Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung noch nicht gegolten und sei nach den Feststellungen des BSG im Urteil vom 20.11.2008 (B 3 KN 4/08 KR R) auch nicht rückwirkend anwendbar. Die Klägerin beruft sich – wie auch in den weiteren beim SG Duisburg anhängigen Parallelverfahren – darauf, dass gesetzliche oder vertragliche Fristen zur Überprüfung einer Abrechnung für einen stationären Aufenthalt nicht ersichtlich seien. Sie sei daher zur Überprüfung im Rahmen der vierjährigen Verjährungsfrist befugt. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BSG vom 28.02.2007 (B 3 KR 12/06 R). Folge des Überprüfungsrechts sei die Pflicht des Krankenhauses, die Patientenakte an den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens herauszugeben.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, Entlassungsbericht, die Pflegedokumentation sowie die Patientenkurve und den Operationsbericht aus dem stationären Aufenthalt von F., H.-G., geb. 30.08.XXXX im Zeitraum vom 04.10.2005 bis 11.10.2005 an den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens, Karl-Marx-Alle 90A herauszugeben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Aus der vom Gesetzgeber inzwischen festgelegten Frist von 6 Wochen könne rückgeschlossen werden, welcher zeitliche Rahmen auch in der Zeit vor Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V für eine Rechnungsprüfung geboten gewesen sei. Auch vor der Einführung der Norm sei die Krankenkasse zur Einschaltung des MDK nur innerhalb einer Frist von 6 Wochen befugt gewesen. Denn nur in dieser zeitlichen Nähe könne überprüft wer-den, ob eine Krankenhausbehandlung notwendig gewesen und ihre Abrechnung korrekt erfolgt sei. Vier Jahre nach der Krankenhausbehandlung könne dies nicht mehr nachvollzogen werden. Die Klägerin könne sich nicht auf das Urteil des BSG vom 20.11.2008 (B 3 KN 4/08 KR R) berufen, da es zur Rechtslage in Sachsen-Anhalt ergangen sei. Das LSG NRW habe in seinem Urteil vom 03.06.2003 (L 5 KR 205/02) festgestellt, dass die Liquidität eines Krankenhauses nicht gefährdet werden dürfe. Die Krankenkasse müsse daher ihrer Prüfungspflicht pflichtgemäß und unverzüglich nachkommen. Dies lasse sich aus dem Rechtsgedanken des § 271 BGB herleiten. Die Klägerin habe auch nicht mitgeteilt, worin die von ihr festgestellten Kodierauffälligkeiten bestehen.
Im Erörterungstermin vom 08.03.2011 ist ein Widerrufsvergleich geschlossen worden, den die Beklagte fristgerecht widerrufen hat. Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 04.04.2011 und 08.04.2011 ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entschei-dungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG ent-scheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren auf Herausgabe der Unterlagen der Beklagten über die stationäre Behandlung des Versicherten und Erstattung eines ggf. überzahlten Betrags zutreffend ihm Rahmen einer Stufenklage. Eine solche Klage ist gemäß § 202 SGG iVm § 254 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren statthaft (BSG SozR SozR 5550 § 13 Nr. 1; BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, Juris Randnr. 12). Daher konnte der weitere Klageantrag auf Zahlung zunächst abweichend von § 92 Satz 1 SGG unbeziffert gestellt werden (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, Juris Randnr. 12). Die statthafte Klageart für das Herausgabeverlangen ist die echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.11.2009, L 1 KR 152/08, Juris Randnr. 80).
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl I S. 2266) und des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13.06.1994 (BGBl I S. 229). Wenn die Krankenkassen nach § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V aF eine gutachtliche Stellung-nahme oder Prüfung durch den Medizinischen Dienst veranlasst haben, so sind die Leistungserbringer grundsätzlich verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des Medizinischen Dienstes unmittelbar an diesen zu übermitteln. Der Anspruch der Klägerin ist indessen nicht mehr durchsetzbar. Die Herausgabe der Unterlagen kann wegen verspäteter Einleitung des Prüfungsverfahrens nicht mehr geltend gemacht werden.
Zunächst unterschied das BSG bei der Frage der Überprüfung einer Rechnung durch die Krankenkasse nach dem Gegenstand der Überprüfung und differenzierte dann weiter. Bei der Notwendigkeit oder der Dauer einer stationären Behandlung sei das Prüfungsverfahren in der Regel spätestens dann einzuleiten, wenn die Krankenkasse nach Vorlage der Rechnung und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung Zweifel haben sollte. Unterlasse sie dies in gravierender Weise – als Beispiel nannte das BSG die nachhaltige, über den Einzelfall hinausgehende Nichteinhaltung der vereinbarten Regeln des Prüfungsverfahrens in Form pauschaler, allein auf statistische Werte gegründete Einwände –, so sei sie nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen ausgeschlossen, die bis dahin geltend gemacht werden konnten (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, Juris Randnr 19). In weiteren Entscheidungen, in denen es um die Notwendigkeit von Krankenhausbehandlungen ging, erwähnte das BSG, dass die Krankenkasse eine "zeitnahe" Prüfung durchführen dürfe (BSG, Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R, Juris Randnr. 27; vgl. auch BSG, Urteil vom 16.12.2008, B 1 KN 3/08 KR R, Juris Randnr. 27, 38). Etwas anderes gelte für die Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, Juris Randnr 19). Sie könne auch geraume Zeit nach Abschluss der Behandlung anhand vorliegender Unterlagen und Dokumentationen noch sachgerecht vorgenommen werden, ohne dass die Gefahr einer Verschlechterung der Beweislage des Krankenhausträgers drohe. Maßgeblich sei bei Zweifeln an der Abrechnung allein, dass es sich nicht um eine routinemäßige Stichprobenprüfung handeln dürfe, sondern der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung bestehen müsse (vgl. BSG aaO, Juris Randnr. 22). Der Herausgabeanspruch der Krankenkasse unterliege, wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien, als zeitlicher Obergrenze (nur) der vierjährigen Ver-jährungsfrist (vgl. auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 25.04.2008, L 1 B 198/08 KR-ER).
Unterdessen hat das BSG seine Rechtsprechung zu den Rechten und Pflichten im Ver-hältnis von Krankenkasse und Krankenhaus anhand von Fällen, in denen es aus Sicht des Krankenhauses um die nachträgliche Korrektur einer Schlussrechnung ging, weiter-entwickelt. Es betont nunmehr den Grundsatz der Beschleunigung im Abrechnungsverfahren und das Prinzip der Waffengleichheit (BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 12/08 R, Juris Randnr. 10, 16, 18). Der genannten Entscheidung zugrunde lag eine stationäre Krankenhausbehandlung im Jahr 2006, für die das Krankenhaus drei Monate nach der Schlussrechnung eine andere DRG ansetzte und den Differenzbetrag von 58,06 Euro geltend machte. Das BSG stellte in diesem Zusammenhang die Rechte und Pflichten beider Seiten aus dem nach ständiger Rechtsprechung über § 69 SGB V anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben dar. So wie die Krankenkasse auch nach Zahlung der Krankenhausrechnung nachträgliche Korrekturen vornehmen dürfe, sei ebenso das Krankenhaus auch noch nach Rechnungsstellung grundsätzlich zur Nachforderung einer offenen Vergütung befugt (aaO, Juris Randnr. 9). Die Nachforderung eines restlichen Vergütungsanspruchs stehe jedoch – ebenso wie die Einzelfallkorrektur einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse – unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben (BSG aaO, Juris Randnr. 10). Auch wenn die landesvertraglichen Regelungen der Krankenkasse grundsätzlich Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art er-laubten, so habe die Krankenkasse dennoch insbesondere unter Berücksichtigung der hohen Zahl von Abrechnungsfällen dafür Sorge zu tragen, dass eine als Schlussrechnung bezeichnete und mit Vorbehalten nicht versehene Krankenhausabrechnung innerhalb kurzer Zeit auf ihre sachliche und rechnerische Richtigkeit geprüft werde (BSG aaO, Juris Randnr. 13). Ungeachtet dessen, dass § 275 Abs. 1c SGB V erst zum 01.04.2007 in Kraft getreten sei, gelte die Einleitungsfrist des Prüfungsverfahrens von sechs Wochen auch für die Zeit zuvor, da es sich nicht um eine Rechtsänderung, sondern nur um eine Konkretisierung handele (BSG aaO, Juris Randnr. 18). Im Rahmen der 6-Wochen-Frist kann demnach sowohl von Seiten des Krankenhauses als auch von Seiten der Krankenkasse ohne weitere Voraussetzungen eine Rechnungskorrektur resp. eine Abrechnungsprüfung erfolgen. Darüber hinaus steht dem Krankenhaus eine Rechnungskorrektur nur dann offen, wenn entweder bereits ein Prüfungsverfahren von Seiten der Krankenkasse zeitgerecht eingeleitet worden war oder bestimmte Schwellenwerte überschritten sind (Betrag der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V bzw. 5 % des Ausgangsrech-nungswertes; vgl. BSG aaO, Juris Randnr. 19). Auch ein offen zu Tage liegender Abrechnungsfehler kann eine nachträgliche Korrektur rechtfertigen (BSG aaO; Juris Randnr. 19; BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 11/09 R, Juris Randnr. 19).
Ob insbesondere die Schwellenwerte auch für die Krankenkasse bei der Einleitung eines Prüfungsverfahrens nach Ablauf von 6 Wochen gelten, kann hier offenbleiben. Auch wenn der Krankenkasse – aus Gründen der Waffengleichheit – ein Prüfungsrecht bei Überschreiten der Schwellenwerte auch nach Fristablauf zugestanden würde, so kann sie sich ebenso wie das Krankenhaus bei der Rechnungskorrektur mit der Ausübung des Rechts nicht bis zum Ende der Verjährungsfrist Zeit lassen. Das BSG hat insoweit entschieden, dass nach einer abgewickelten Schlussrechnung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herzuleiten ist, dass für eine Rechnungskorrektur nicht immer der gesamte zeitliche Rahmen der Verjährungsfrist zur Verfügung stehen muss. Eine erst nach zwei Jahren erfolgte Nachforderung sah es als nicht mehr zulässig an (BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 11/09 R, Juris Randnr. 21). Der 3. Senat des BSG schloss sich den Erwägungen des 1. Senats an (BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 12/08 R, Juris Randnr. 10). Die tragenden Gründe sind nach Auffassung der Kammer auch auf die Frage der Abrechnungsprüfung durch die Krankenkasse zu übertragen. Wenngleich für ein Krankenhaus bezogen auf Einnahmen und Ausgaben nicht dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen wie für eine Krankenkasse (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 11/09 R, Juris Randnr. 17: Notwendigkeit der Kalkulation der Beiträge bezogen auf das Kalenderjahr) gelten, so ist ihm im Rahmen der Waffengleichheit und nach dem Grundsatz der Beschleunigung im Ab-rechnungsverfahren dennoch nicht mehr zuzumuten, dass die Krankenkasse vier Jahre nach der Abwicklung eine Rechnung überprüft. Soweit die erkennende Kammer in einer Entscheidung davon ausgegangen ist, dass dem Krankenhaus vier Jahre nach erfolgter Rechnung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Rechnungskorrektur eines nicht offensichtlichen Fehlers nicht mehr möglich ist (S 7 KR 140/09, Urteil vom 11.05.2011), kann aus Sicht der Kammer nichts anderes für die Rechnungsprüfung eines nicht offensichtlichen Abrechnungsfehlers – unterstellt, es handelt sich überhaupt um einen Abrechnungsfehler – durch die Krankenkasse gelten. Selbst wenn der behauptete Abrechnungsfehler (andere DRG) vorliegen würde, so wäre ein Rückerstattungsanspruch nicht mehr durchsetzbar. Infolgedessen besteht schon kein Anspruch auf Herausgabe der Akten.
Aus der Entscheidung des BSG vom 20.11.2008 (B 3 KN 4/08 KR R) ergibt sich keine günstige Rechtsfolge für die Klägerin, da die Sachverhaltskonstellation eine andere ist. Die Krankenkasse hatte in dem genannten Fall die Rechnung des Krankenhauses nur unter Vorbehalt bezahlt. Das BSG hatte zudem darauf hingewiesen, dass eine Kranken-kasse Krankenhausrechnungen dann nicht in voller Höhe begleichen muss, wenn es seine Einwendungen gegen die Abrechnung innerhalb angemessener Frist und der Höhe nach beziffert geltend gemacht hat (BSG aaO, Juris Randnr.18). Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht vor. Auch einen Vorbehalt hat die Klägerin nicht erklärt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen einer Stufenklage zunächst um die Frage, ob das beklagte Krankenhaus an die klagende Krankenkasse die Patientenakten für einen im Jahr 2005 durchgeführten und abgerechneten Behandlungsfall, dessen Prüfung die Klägerin erst im Jahr 2009 eingeleitet hat, herausgeben muss.
Der bei der Klägerin Versicherte H.-G. F (im Folgenden: Versicherter) wurde von der Beklagten, die ein zur Versorgung der gesetzlichen Versicherten zugelassenes Krankenhaus betreibt, stationär in der Zeit vom 04.10. bis zum 11.10.2005 behandelt. Am 02.11.2005 stellte die Beklagte der Klägerin einen Betrag in Höhe von 5.236,74 Euro in Rechnung, der vollständig beglichen wurde. Dabei legte sie die DRG I53Z zu Grunde.
Im Jahr 2009 beauftrage die Beklagte den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahn-vermögens mit der Überprüfung der ordnungsgemäßen Kodierung und fügte der Anfrage folgende Bemerkungen bei: "5-832.4 plausibel? Handelt es sich um eine individuelle Komponente der kodierten Prozeduren?". Ohne diesen OPS-Code würde sich nach den Feststellungen der Klägerin die DRG ändern (I56Z), was zu einem möglichen Differenzbetrag von 976,36 Euro zu ihren Gunsten führen würde. Am 16.09.2009 bat der Medizinische Dienst des Bundeseisenbahnvermögens die Beklagte erfolglos um Übersendung von Patientenunterlagen.
Daraufhin hat die Klägerin am 16.12.2009 Klage erhoben mit dem Begehren, die Beklagte zunächst zur Herausgabe der Patientenakte und sodann zur Zahlung des sich nach Überprüfung des Behandlungsfalls ergebenden Rückforderungsbetrages zu verurteilen. § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V habe zum Zeitpunkt der Krankenhausbehandlung noch nicht gegolten und sei nach den Feststellungen des BSG im Urteil vom 20.11.2008 (B 3 KN 4/08 KR R) auch nicht rückwirkend anwendbar. Die Klägerin beruft sich – wie auch in den weiteren beim SG Duisburg anhängigen Parallelverfahren – darauf, dass gesetzliche oder vertragliche Fristen zur Überprüfung einer Abrechnung für einen stationären Aufenthalt nicht ersichtlich seien. Sie sei daher zur Überprüfung im Rahmen der vierjährigen Verjährungsfrist befugt. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BSG vom 28.02.2007 (B 3 KR 12/06 R). Folge des Überprüfungsrechts sei die Pflicht des Krankenhauses, die Patientenakte an den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens herauszugeben.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,
die Beklagte zu verurteilen, Entlassungsbericht, die Pflegedokumentation sowie die Patientenkurve und den Operationsbericht aus dem stationären Aufenthalt von F., H.-G., geb. 30.08.XXXX im Zeitraum vom 04.10.2005 bis 11.10.2005 an den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens, Karl-Marx-Alle 90A herauszugeben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Aus der vom Gesetzgeber inzwischen festgelegten Frist von 6 Wochen könne rückgeschlossen werden, welcher zeitliche Rahmen auch in der Zeit vor Einführung des § 275 Abs. 1c SGB V für eine Rechnungsprüfung geboten gewesen sei. Auch vor der Einführung der Norm sei die Krankenkasse zur Einschaltung des MDK nur innerhalb einer Frist von 6 Wochen befugt gewesen. Denn nur in dieser zeitlichen Nähe könne überprüft wer-den, ob eine Krankenhausbehandlung notwendig gewesen und ihre Abrechnung korrekt erfolgt sei. Vier Jahre nach der Krankenhausbehandlung könne dies nicht mehr nachvollzogen werden. Die Klägerin könne sich nicht auf das Urteil des BSG vom 20.11.2008 (B 3 KN 4/08 KR R) berufen, da es zur Rechtslage in Sachsen-Anhalt ergangen sei. Das LSG NRW habe in seinem Urteil vom 03.06.2003 (L 5 KR 205/02) festgestellt, dass die Liquidität eines Krankenhauses nicht gefährdet werden dürfe. Die Krankenkasse müsse daher ihrer Prüfungspflicht pflichtgemäß und unverzüglich nachkommen. Dies lasse sich aus dem Rechtsgedanken des § 271 BGB herleiten. Die Klägerin habe auch nicht mitgeteilt, worin die von ihr festgestellten Kodierauffälligkeiten bestehen.
Im Erörterungstermin vom 08.03.2011 ist ein Widerrufsvergleich geschlossen worden, den die Beklagte fristgerecht widerrufen hat. Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 04.04.2011 und 08.04.2011 ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entschei-dungsfindung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG ent-scheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erteilt haben.
Die Klägerin verfolgt ihr Begehren auf Herausgabe der Unterlagen der Beklagten über die stationäre Behandlung des Versicherten und Erstattung eines ggf. überzahlten Betrags zutreffend ihm Rahmen einer Stufenklage. Eine solche Klage ist gemäß § 202 SGG iVm § 254 ZPO auch im sozialgerichtlichen Verfahren statthaft (BSG SozR SozR 5550 § 13 Nr. 1; BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, Juris Randnr. 12). Daher konnte der weitere Klageantrag auf Zahlung zunächst abweichend von § 92 Satz 1 SGG unbeziffert gestellt werden (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, Juris Randnr. 12). Die statthafte Klageart für das Herausgabeverlangen ist die echte Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11.11.2009, L 1 KR 152/08, Juris Randnr. 80).
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl I S. 2266) und des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13.06.1994 (BGBl I S. 229). Wenn die Krankenkassen nach § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V aF eine gutachtliche Stellung-nahme oder Prüfung durch den Medizinischen Dienst veranlasst haben, so sind die Leistungserbringer grundsätzlich verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des Medizinischen Dienstes unmittelbar an diesen zu übermitteln. Der Anspruch der Klägerin ist indessen nicht mehr durchsetzbar. Die Herausgabe der Unterlagen kann wegen verspäteter Einleitung des Prüfungsverfahrens nicht mehr geltend gemacht werden.
Zunächst unterschied das BSG bei der Frage der Überprüfung einer Rechnung durch die Krankenkasse nach dem Gegenstand der Überprüfung und differenzierte dann weiter. Bei der Notwendigkeit oder der Dauer einer stationären Behandlung sei das Prüfungsverfahren in der Regel spätestens dann einzuleiten, wenn die Krankenkasse nach Vorlage der Rechnung und dem Fälligwerden der geforderten Vergütung Zweifel haben sollte. Unterlasse sie dies in gravierender Weise – als Beispiel nannte das BSG die nachhaltige, über den Einzelfall hinausgehende Nichteinhaltung der vereinbarten Regeln des Prüfungsverfahrens in Form pauschaler, allein auf statistische Werte gegründete Einwände –, so sei sie nach Treu und Glauben mit solchen Einwendungen ausgeschlossen, die bis dahin geltend gemacht werden konnten (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, Juris Randnr 19). In weiteren Entscheidungen, in denen es um die Notwendigkeit von Krankenhausbehandlungen ging, erwähnte das BSG, dass die Krankenkasse eine "zeitnahe" Prüfung durchführen dürfe (BSG, Urteil vom 30.06.2009, B 1 KR 24/08 R, Juris Randnr. 27; vgl. auch BSG, Urteil vom 16.12.2008, B 1 KN 3/08 KR R, Juris Randnr. 27, 38). Etwas anderes gelte für die Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung (BSG, Urteil vom 28.02.2007, B 3 KR 12/06 R, Juris Randnr 19). Sie könne auch geraume Zeit nach Abschluss der Behandlung anhand vorliegender Unterlagen und Dokumentationen noch sachgerecht vorgenommen werden, ohne dass die Gefahr einer Verschlechterung der Beweislage des Krankenhausträgers drohe. Maßgeblich sei bei Zweifeln an der Abrechnung allein, dass es sich nicht um eine routinemäßige Stichprobenprüfung handeln dürfe, sondern der konkrete Verdacht einer fehlerhaften Abrechnung bestehen müsse (vgl. BSG aaO, Juris Randnr. 22). Der Herausgabeanspruch der Krankenkasse unterliege, wenn diese Voraussetzungen erfüllt seien, als zeitlicher Obergrenze (nur) der vierjährigen Ver-jährungsfrist (vgl. auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 25.04.2008, L 1 B 198/08 KR-ER).
Unterdessen hat das BSG seine Rechtsprechung zu den Rechten und Pflichten im Ver-hältnis von Krankenkasse und Krankenhaus anhand von Fällen, in denen es aus Sicht des Krankenhauses um die nachträgliche Korrektur einer Schlussrechnung ging, weiter-entwickelt. Es betont nunmehr den Grundsatz der Beschleunigung im Abrechnungsverfahren und das Prinzip der Waffengleichheit (BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 12/08 R, Juris Randnr. 10, 16, 18). Der genannten Entscheidung zugrunde lag eine stationäre Krankenhausbehandlung im Jahr 2006, für die das Krankenhaus drei Monate nach der Schlussrechnung eine andere DRG ansetzte und den Differenzbetrag von 58,06 Euro geltend machte. Das BSG stellte in diesem Zusammenhang die Rechte und Pflichten beider Seiten aus dem nach ständiger Rechtsprechung über § 69 SGB V anzuwendenden Grundsatz von Treu und Glauben dar. So wie die Krankenkasse auch nach Zahlung der Krankenhausrechnung nachträgliche Korrekturen vornehmen dürfe, sei ebenso das Krankenhaus auch noch nach Rechnungsstellung grundsätzlich zur Nachforderung einer offenen Vergütung befugt (aaO, Juris Randnr. 9). Die Nachforderung eines restlichen Vergütungsanspruchs stehe jedoch – ebenso wie die Einzelfallkorrektur einer bereits bezahlten Krankenhausrechnung durch die Krankenkasse – unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben (BSG aaO, Juris Randnr. 10). Auch wenn die landesvertraglichen Regelungen der Krankenkasse grundsätzlich Beanstandungen rechnerischer oder sachlicher Art er-laubten, so habe die Krankenkasse dennoch insbesondere unter Berücksichtigung der hohen Zahl von Abrechnungsfällen dafür Sorge zu tragen, dass eine als Schlussrechnung bezeichnete und mit Vorbehalten nicht versehene Krankenhausabrechnung innerhalb kurzer Zeit auf ihre sachliche und rechnerische Richtigkeit geprüft werde (BSG aaO, Juris Randnr. 13). Ungeachtet dessen, dass § 275 Abs. 1c SGB V erst zum 01.04.2007 in Kraft getreten sei, gelte die Einleitungsfrist des Prüfungsverfahrens von sechs Wochen auch für die Zeit zuvor, da es sich nicht um eine Rechtsänderung, sondern nur um eine Konkretisierung handele (BSG aaO, Juris Randnr. 18). Im Rahmen der 6-Wochen-Frist kann demnach sowohl von Seiten des Krankenhauses als auch von Seiten der Krankenkasse ohne weitere Voraussetzungen eine Rechnungskorrektur resp. eine Abrechnungsprüfung erfolgen. Darüber hinaus steht dem Krankenhaus eine Rechnungskorrektur nur dann offen, wenn entweder bereits ein Prüfungsverfahren von Seiten der Krankenkasse zeitgerecht eingeleitet worden war oder bestimmte Schwellenwerte überschritten sind (Betrag der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V bzw. 5 % des Ausgangsrech-nungswertes; vgl. BSG aaO, Juris Randnr. 19). Auch ein offen zu Tage liegender Abrechnungsfehler kann eine nachträgliche Korrektur rechtfertigen (BSG aaO; Juris Randnr. 19; BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 11/09 R, Juris Randnr. 19).
Ob insbesondere die Schwellenwerte auch für die Krankenkasse bei der Einleitung eines Prüfungsverfahrens nach Ablauf von 6 Wochen gelten, kann hier offenbleiben. Auch wenn der Krankenkasse – aus Gründen der Waffengleichheit – ein Prüfungsrecht bei Überschreiten der Schwellenwerte auch nach Fristablauf zugestanden würde, so kann sie sich ebenso wie das Krankenhaus bei der Rechnungskorrektur mit der Ausübung des Rechts nicht bis zum Ende der Verjährungsfrist Zeit lassen. Das BSG hat insoweit entschieden, dass nach einer abgewickelten Schlussrechnung aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herzuleiten ist, dass für eine Rechnungskorrektur nicht immer der gesamte zeitliche Rahmen der Verjährungsfrist zur Verfügung stehen muss. Eine erst nach zwei Jahren erfolgte Nachforderung sah es als nicht mehr zulässig an (BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 11/09 R, Juris Randnr. 21). Der 3. Senat des BSG schloss sich den Erwägungen des 1. Senats an (BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 12/08 R, Juris Randnr. 10). Die tragenden Gründe sind nach Auffassung der Kammer auch auf die Frage der Abrechnungsprüfung durch die Krankenkasse zu übertragen. Wenngleich für ein Krankenhaus bezogen auf Einnahmen und Ausgaben nicht dieselben rechtlichen Rahmenbedingungen wie für eine Krankenkasse (vgl. BSG, Urteil vom 08.09.2009, B 1 KR 11/09 R, Juris Randnr. 17: Notwendigkeit der Kalkulation der Beiträge bezogen auf das Kalenderjahr) gelten, so ist ihm im Rahmen der Waffengleichheit und nach dem Grundsatz der Beschleunigung im Ab-rechnungsverfahren dennoch nicht mehr zuzumuten, dass die Krankenkasse vier Jahre nach der Abwicklung eine Rechnung überprüft. Soweit die erkennende Kammer in einer Entscheidung davon ausgegangen ist, dass dem Krankenhaus vier Jahre nach erfolgter Rechnung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Rechnungskorrektur eines nicht offensichtlichen Fehlers nicht mehr möglich ist (S 7 KR 140/09, Urteil vom 11.05.2011), kann aus Sicht der Kammer nichts anderes für die Rechnungsprüfung eines nicht offensichtlichen Abrechnungsfehlers – unterstellt, es handelt sich überhaupt um einen Abrechnungsfehler – durch die Krankenkasse gelten. Selbst wenn der behauptete Abrechnungsfehler (andere DRG) vorliegen würde, so wäre ein Rückerstattungsanspruch nicht mehr durchsetzbar. Infolgedessen besteht schon kein Anspruch auf Herausgabe der Akten.
Aus der Entscheidung des BSG vom 20.11.2008 (B 3 KN 4/08 KR R) ergibt sich keine günstige Rechtsfolge für die Klägerin, da die Sachverhaltskonstellation eine andere ist. Die Krankenkasse hatte in dem genannten Fall die Rechnung des Krankenhauses nur unter Vorbehalt bezahlt. Das BSG hatte zudem darauf hingewiesen, dass eine Kranken-kasse Krankenhausrechnungen dann nicht in voller Höhe begleichen muss, wenn es seine Einwendungen gegen die Abrechnung innerhalb angemessener Frist und der Höhe nach beziffert geltend gemacht hat (BSG aaO, Juris Randnr.18). Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht vor. Auch einen Vorbehalt hat die Klägerin nicht erklärt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Rechtskraft
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