Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 30 KR 2282/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 KR 516/10 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen einer Nichtzulassungsbeschwerde nach §§ 145, 144 Abs.2 Nr.1, Nr.2, Nr.3 SGG
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 14. April 2010 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 76,75 EUR festgesetzt.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt war, gegen spätere Forderungen der Klägerin aus Arzneimittellieferungen mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 76,75 EUR aufzurechnen, und der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 41,46 EUR zusteht.
Die Klägerin ist Inhaberin der T.-A. in J. und belieferte Versicherte einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) mit Arzneimitteln. In den Jahren 2006 und 2007 gab sie in hier streitigen drei Fällen aufgrund ärztlicher Verordnung Medikamente an Versicherte ab, die sie mit der Beklagten abrechnete. Bei späteren Überprüfungen beanstandete die Beklagte die Abrechnungen der Klägerin und setzte entsprechende Beträge von laufenden Forderungen ab (Retaxierung). Im Einzelnen handelt es sich um folgende Sachverhalte:
1. Im Mai 2006 gab die Klägerin das Arzneimittel Metoformin 850 Heumann 120 Stück an die Versicherte A. S. ab. Dem zu Grunde lag eine ärztliche Verordnung der Praxis Dres. R, R.-E., L. über Metoformin 850 Heumann 30 Stück. Die Klägerin stellte der Beklagten hierfür einen Betrag in Höhe von 17,79 EUR in Rechnung, den die Beklagte zunächst an sie zahlte. Im Februar 2007 beanstandete die Beklagte u.a. diesen Betrag mit der Begründung, Änderungen oder Ergänzungen bedürften erneut der Unterschrift des Arztes. Den Einspruch wies die Beklagte zurück und verrechnete einen Betrag in Höhe von 7,19 EUR mit späteren Forderungen der Klägerin. Diese wandte sich erneut an die Beklagte und führte aus, der Arznei- und Hilfsmittelliefervertrag für Thüringen (ALV Th), gültig seit dem 1. September 2003, und § 17 Abs. 5 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) berechtigten sie dazu, bei erkennbaren Irrtümern eine Änderung auf dem Rezept zu vermerken. Sie habe bei Abgabe des Rezeptes sogleich erkannt, dass die Verordnung vom bisher Üblichen abweiche. Seit Anfang 2004 habe die Versicherte laufend das Medikament Metoformin 850 in einer Packung mit 120 Stück erhalten. Eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt habe ergeben, dass es sich bei der Verordnung von Metoformin 30 Stück um einen Irrtum gehandelt habe und 120 Stück abgegeben werden sollten. Dies habe sie auf der Vorderseite des Rezeptes vermerkt und entsprechend gehandelt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin forderte die Beklagte auf, an ihn 46,41 EUR Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen, da seine Inanspruchnahme durch die Zurückweisung des Einspruchs erforderlich geworden sei. 2. Im Oktober 2006 gab die Klägerin an die Versicherte B. Sch. das MedikamentMeloxicam ratioph 100 Stück ab. Dem zu Grunde lag eine Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin H. vom 9. Oktober 2006 über das Medikament Meloxicam ratioph 15 mg TAB 50 Stück N2. Die Klägerin rechnete bei der Beklagten einen Betrag in Höhe von 37,69 EUR ab. Im Juli 2007 beanstandete die Beklagte u.a. einen Betrag in Höhe von 13,08 EUR mit der Begründung, Änderungen oder Ergänzungen bedürften erneut der Unterschrift des Arztes. Hiergegen wandte die Klägerin ein, die Rückfrage bei der behandelnden Ärztin habe ergeben, dass entgegen der ärztlichen Verordnung 100 Stück des Arzneimittels abgegeben werden sollten. Dies habe sie auf dem Rezept entsprechend dokumentiert.
3. Im Dezember 2006 gab die Klägerin an den Versicherten W. Sch. das Medikament Avanida 4 MG 112 Stück ab. Dem zu Grunde lag eine Verordnung der Gemeinschaftspraxis Dr. R./P. über Avanida 8 MG Filmtabletten 28 Stück FTA N S. 1-0-0. Die Beklagte beanstandete diesbezüglich zunächst einen Betrag in Höhe von 78,96 EUR mit der Begründung, Änderungen und Ergänzungen bedürften der Unterschrift des Arztes vor Belieferung. Hiergegen wandte die Klägerin ein, das Arzneimittel Avanida sei so nicht lieferbar gewesen, sodass eine telefonische Rücksprache mit der Ärztin erfolgt sei. Diese habe angegeben, dass Avanida 4 MG 112 Stück mit der Dosierung 2-0-0 abgegeben werden solle. Die Beklagte senkte daraufhin den beanstandeten Betrag auf 56,48 EUR ab und verrechnete ihn mit unstreitigen Forderungen der Klägerin.
Am 17. August 2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben und diese am 13. März 2009 erweitert. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, Beträge in Höhe von insgesamt 76,75 EUR zurückzufordern. Sie sei nach § 17 Abs. 5 ApBetrO berechtigt gewesen, nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten, die Medikamente in den entsprechenden Mengen abzugeben. Die Beklagte habe keine konkrete Bestimmung des ALV Th benennen können, wonach dies nicht möglich sei. Nach § 17 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO sei sie verpflichtet, jede durch eine Aufklärung bedingte Änderung der Verschreibung auf dieser zu vermerken. Hierzu sei sie selbstverständlich auch berechtigt. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in dem Urteil vom 3. August 2006 - Az.: B 3 KR 7/05 R ein weitgehend unbürokratisches Verfahren gebilligt, dass dadurch erreicht werde, dass der Apotheker Unklarheiten über abzugebende Medikamentenmengen durch einfache telefonische Nachfragen beim Arzt kläre. Soweit die Beklagte die irrige Ansicht vertrete, dass der Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) - hier § 29 Abs. 7 - von den Apothekern zu beachten sei, gelte dieser Vertrag für sie nicht. Mit den Verschreibungen verbunden seien die §§ 129 ff SGB V insofern, als sie eine vertragsärztliche Verordnung voraussetzten. Nach § 72 Abs. 2 SGB V sei die vertragsärztliche Versorgung "im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen" zu regeln. Um einen solchen Vertrag handele es sich bei dem BMV-Ä nach § 82 Abs. 1 SGB V. In den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln vom 31. August 1993 sei unter A. Grundlagen Nummer 1 Satz 2 bestimmt, dass die Richtlinien von Vertragsärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zu beachten seien. Die Apotheker seien selbstverständlich nicht genannt. Die gesetzlichen Vorschriften der ApBetrO blieben davon unberührt. Die Regelung in Ziffer 2.5.2. Abs. 3 des ALV TH rechtfertige keinen Umkehrschluss entgegen § 17 Abs. 5 ApBetrO. Der Vertrag erlaube dem Apotheker in den beschriebenen Fällen die Abgabe eines Arzneimittels nach eigenem Ermessen ohne Beseitigung der Unklarheit, wenn der Vertragsarzt nicht zu erreichen sei. Dazu genüge eine entsprechende Ergänzung und Aufzeichnung des Apothekers.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, lediglich in den in Ziffer 2.5.2 Abs. 3 des ALV TH genannten Fällen sei der Apotheker berechtigt, inhaltlich von der Verordnung des Arztes abzuweichen und dies durch einen Vermerk auf der Vorderseite der Verordnung zu dokumentieren. Alle anderen Änderungen, die das verordnete Arzneimittel beträfen, könnten ausschließlich durch den Arzt vorgenommen und müssten auch von diesem unterzeichnet werden. Dies stelle auch § 29 Abs. 7 BMV-Ä klar. Aus diesen Regelungen ergebe sich, dass eine Änderung der Urkunde, die eine Arzneimittelverordnung unstreitig darstelle, ausschließlich durch den ausstellenden Arzt erfolgen könne und von diesem auch durch Unterschrift bestätigt werden müsse.
Mit Urteil vom 14. April 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, im Hinblick auf die Retaxierungsbeträge sei ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen. Zu den gesetzlichen Bestimmungen bzw. vertraglichen Regelungen von deren Einhaltung das Kaufpreisangebot der Beklagten abhängig sei, gehöre der ALV TH. Unter der Ziffer 2.4 Abs. 1 ALV TH heiße es: "Die Abgabe erfolgt aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Verordnung zu Lasten der angegebenen Krankenkasse. Die Abgabebestimmungen ergeben sich aus den gesetzlichen Regelungen und den weiteren Bestimmungen dieses Vertrages". Nach Ziffer 2.4 Abs. 2 ALV TH ist eine ärztliche Verordnung ordnungsgemäß ausgestellt, wenn sie neben dem Mittel oder den Mitteln u.a. die Verordnungsmenge enthalte. Insoweit sei sie Teil der ärztlichen Verordnung und müsse von dem Arzt vorgenommen worden sein. Da die von der Klägerin abgegebenen Medikamente nicht auf den ärztlichen Verordnungen mit den jeweiligen Mengen beruhten, seien sie nicht "aufgrund" ärztlicher Verordnungen im Sinne der Ziffer 2.4 Abs. 1 ALV Th erfolgt. Aus dem Urteil des BSG vom 3. August 2006 - Az.: B 3 KR 7/05 R folge kein anderes Ergebnis. Die dortigen Ausführungen des BSG beträfen nicht den Fall, dass der Apotheker eine Menge des Arzneimittels abgibt, die über die Verordnungsmenge hinausgehe. Ein Anspruch auf Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren bestehe nicht, weil sich die Beklagte nicht in Verzug befunden habe.
Am 25. Mai 2010 hat die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Oft müssten Apotheker Unklarheiten von Verordnungen fernmündlich mit den verordnenden Ärzten abklären und die Verschreibungen nach § 17 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO abändern. Das SG habe diese Regelung überhaupt nicht bedacht, was als Verletzung des grundgesetzlich vorgeschriebenen rechtlichen Gehörs zu werten sei. Zudem weiche das Urteil des SG vom Urteil des BSG vom 3. August 2006 -Az.: B 3 KR 7/05 R ab. Das BSG habe unter Randnummer 18 am Ende für den konkreten Fall ausgeführt, dass der Apotheker durch einfache telefonische Nachfrage beim Arzt klären könne, "ob es sich um die versehentliche Verschreibung einer nicht existenten Packungsgröße oder eine gezielte Dosierung handele". Das SG habe es unterlassen zu überdenken, weshalb das "unbürokratische Verfahren" rechtlich möglich sei; auch das BSG könne nicht einfach irgendetwas erfinden, sondern sei an Gesetz und Recht gebunden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichtes Altenburg vom 14. April 2010 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte des Sozialgerichts Altenburg (Az.: S 30 KR 2282/07) Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
II.
Die Nichtszulassungsbeschwerde, die auf die Berufungszulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützt wird, ist unbegründet.
Nach § 145 Abs. 1 des SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden. Nach § 144 Absatz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (1) bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Die Berufung bedurfte hier der Zulassung durch das Sozialgericht, weil die Klägerin insgesamt die Zahlung von 118,21 EUR begehrt. Das SG hat sie nicht zugelassen.
1. Der Begriff grundsätzliche Bedeutung in § 144 Abs. 1 SGG ist wie in § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auszulegen. Eine Rechtssache hat über den Einzelfall hinaus nur dann eine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Berufungsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl. BSG, Beschluss vom 3. April 2008 - Az.: B 11b AS 15/07 B m.w.N., nach juris). Ein Individualinteresse genügt nicht. Maßgebend ist nicht die richtige Einzelfallentscheidung; sie ist nur eine Folge der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2008 - Az.: L 6 B 128/08 KR NZB).
Soweit dem Vortrag der Klägerin "oft müssen Apotheker Unklarheiten von Verordnungen fernmündlich mit den verordnenden Ärzten abklären und die Verschreibungen gemäß § 17 Abs. 5 ApBetrO abändern" überhaupt eine Rechtsfrage zu entnehmen ist, fehlt es jedenfalls an der Klärungsbedürftigkeit, weil sich die Antwort unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften und der Rechtsprechung ergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 3. April 2008 - Az.: B 11b AS 15/07 B, nach juris). Nach dem mit Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 - Az.: B 3 KR 13/08 R (nach juris) ist Rechtsgrundlage für den öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch eines Apothekers bei der Abgabe von Arzneimitteln unmittelbar § 129 SGB V i.V.m. den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 SGB V. § 129 SGB V regelt den Abschluss von Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung, und zwar in Absatz 2 bis Absatz 4 auf Bundesebene und in Absatz 5 auf Landesebene. Nach § 129 Abs. 2 SGB V regeln die Spitzenverbände der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere für die Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte. Nach § 129 Abs. 5 SGB V können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V hat nach Absatz 3 Rechtswirkung für Apotheken, wenn sie einem Mitgliedsverband der Spitzenorganisation angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass von der Spitzenorganisation abgeschlossene Verträge für die dem Verband angehörenden Apotheken haben, oder wenn sie dem Rahmenvertrag beitreten. Das gilt nach § 129 Abs. 5 Satz 2 SGB V für die Verträge auf Landesebene entsprechend. Die nach § 129 SGB V abgeschlossenen Verträge regeln vorrangig nicht die Beziehungen zwischen den vertragsschließenden Verbänden, sondern zwischen den einzelnen Krankenkassen und den Apothekern. Sie wirken insoweit normativ. Sie sind wie Rechtsnormen allein nach dem "objektivierten Willen des Gesetzes" auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 - Az.: 3 RK 26/94 nach juris). Maßgebend sind also § 129 SGB V sowie der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V und der ALV auf Landesebene. Das Gesetz über das Apothekenwesen - Apothekengesetz - (ApothG) und die auf Grund § 21 ApothG erlassene Apothekenbetriebsordnung begründen dagegen keine Ansprüche auf Vergütung gegen die Beklagte. Dort werden die Pflichten der Apotheken allgemein geregelt. Nach dem Apothekengesetz ist es Aufgabe der Apotheken, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dem dient die Einhaltung der berufsrechtlichen Vorschriften, der in der Apothekenbetriebsordnung enthaltenen Betriebsvorschriften und des zum Schutz der Allgemeinheit erlassenen Arzneimittelrechts (vgl. Luthe in Hauck, Sozialgesetzbuch SGB V, Stand: November 2010, § 129 Rn. 9 m.w.N.). Verstößt der Apotheker gegen diese Vorschriften kann allerdings unabhängig von dem jeweiligen auf Bundesebene geschlossenen Rahmenvertrag oder auf Landesebene geschlossenen Vertrag ein Vergütungsanspruch zu verneinen sein (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 1996 -Az.: L 16 Kr 233/94, nach juris). Voraussetzung für die Abgabe von Arzneimitteln ist nach § 129 Abs. 1 SGB V eine vertragsärztliche Verordnung. Mit seiner Verordnung konkretisiert der Vertragsarzt das Rahmenrecht des Versicherten auf Arzneimittelversorgung als Sachleistung für den vorliegenden Versicherungsfall; er trägt über die Wirtschaftlichkeitsprüfung und mögliche Arzneiregresse die volle Verantwortung für sein Verordnungsverhalten. Die Verordnung dokumentiert, dass das Medikament als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung auf Kosten der Krankenkasse an den Versicherten abgegeben wird. Umgekehrt folgt hieraus der Vergütungsanspruch des Apothekers gegen die Krankenkasse dem Grunde nach; er wird durch das Kassenrezept als für das Abrechnungsverhältnis zwischen Apotheker und Krankenkassen maßgebliches Dokument konkretisiert. Der Apotheker kann nach § 129 ein Arzneimittel mithin nur dann auf Kassenkosten abgeben, wenn ein Vertragsarzt es auf dem hierfür vorgesehenen Formblatt verordnet hat (vgl. Luthe, a.a.O., § 129 Rn. 6 m.w.N.). Entsprechend dieser gesetzlichen Regelung regelt Ziffer 2.4 Abs. 1 ALV TH, dass die Abgabe aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Verordnung zu Lasten der angegebenen Krankenkasse erfolgt. Ziffer 2.4 Abs. 2 ALV TH regelt wann eine ärztliche Verordnung ordnungsgemäß ausgestellt ist. Diese muss u.a. das Mittel oder die Mittel und die Verordnungsmenge enthalten. Für die Versicherten S., Sch. und Sch. lagen in diesem Sinne ordnungsgemäße ärztliche Verordnungen vor. Soweit die Klägerin an diese andere als die ärztlich verordneten Mengen abgegeben hat, fehlte es dementsprechend an einer entsprechenden ärztlichen Verordnung. Eine Berechtigung der Klägerin, die ärztlich verordneten Mengen auch in Rücksprache mit den behandelnden Ärzten abzuändern, ergibt sich aus dem ALV TH nicht. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass es sich bei der Änderung der verordneten Mengen um die Heilung eines Formfehlers nach Ziffer 2.4 Abs. 3 ALV TH handelt. Die unter 2.5 ALV TH (Wirtschaftliche Abgabe verordneter Leistungen) - hier Ziffer 2.5.2 Abs. 3 - vorgesehene Berechtigung des Apothekers, wenn eine vertragsärztliche Verordnung von Fertigarzneimitteln hinsichtlich der Darreichungsform (Tropfen, Dragees usw.) oder der Dosierung unvollständig oder ungenau und der Vertragsarzt nicht zu erreichen ist, die Arzneiform oder Dosierung abzugeben und abzurechnen, die er nach pflichtgemäßem Ermessen für die richtige hält, trifft den vorliegenden Sachverhalt nicht. Ein Recht des Apothekers, die ärztliche Verordnung zu ändern oder zu ergänzen, würde auch § 29 Abs. 7 BMV-Ä widersprechen. Soweit die Klägerin meint, diese Bestimmung müsse ihr nicht bekannt sein, kann sie hieraus keinen Rechtsanspruch auf Vergütung herleiten.
2. Weiter macht die Klägerin den Zulassungsgrund der Abweichung geltend. Eine Abweichung (Divergenz) im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des SG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG oder das Thüringer Landessozialgericht - das Berufungsgericht - aufgestellt haben, sondern erst, wenn das SG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - Az.: B 12 R 37/07 B zu § 160 Abs. 2 SGG). Das SG weicht nur dann von einer Entscheidung ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der der zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG oder des Thüringer Landessozialgerichts entgegen steht und dem erstinstanzlichen Urteil tragend zu Grunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in dem vorgenannten Urteil des BSG oder des Berufungsgerichts enthalten ist und welcher im Urteil des SG enthaltende Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Nicht ausreichend ist ein Rechtsirrtum im Einzelfall (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 - Az.: B 4 RA 131/98 B, nach juris).
Die Klägerin trägt hierzu vor: "Das BSG hat unter Randnummer 18 am Ende für den konkreten Fall ausgeführt, dass der Apotheker durch einfache telefonische Nachfrage beim Arzt klären kann, "ob es sich um die versehentliche Verschreibung einer nicht existenten Packungsgröße oder eine gezielte Dosierung handelt"." Es ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass es sich hierbei um einen abstrakten Rechtssatz handelt, der dem Urteil des BSG tragend zu Grunde liegt und von dem das SG tragend abgewichen ist. Abgesehen davon handelt es sich vorliegend um einen anderen Sachverhalt.
3. Ein Verfahrensmangel wurde nicht ausreichend vorgetragen. Hier beruft sich die Klägerin auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sie meint, das SG habe § 17 Abs. 5 ApoBetrO auf den sie sich wiederholt berufen habe, in den Entscheidungsgründen überhaupt nicht bedacht, ihn bewusst übergangen. Soweit der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) sicherstellen soll, dass das Vorbringen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen mit einbezogen wird, ist das Gericht allerdings nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe des Verfahrens von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Eine Verletzung der Pflicht des Gerichts, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, kann nur festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - Az.: B 12 KR 2/10 B m.w.N.). Solche Umstände sind hier nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 43 Abs. 2, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 76,75 EUR festgesetzt.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte berechtigt war, gegen spätere Forderungen der Klägerin aus Arzneimittellieferungen mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 76,75 EUR aufzurechnen, und der Klägerin gegen die Beklagte ein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 41,46 EUR zusteht.
Die Klägerin ist Inhaberin der T.-A. in J. und belieferte Versicherte einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) mit Arzneimitteln. In den Jahren 2006 und 2007 gab sie in hier streitigen drei Fällen aufgrund ärztlicher Verordnung Medikamente an Versicherte ab, die sie mit der Beklagten abrechnete. Bei späteren Überprüfungen beanstandete die Beklagte die Abrechnungen der Klägerin und setzte entsprechende Beträge von laufenden Forderungen ab (Retaxierung). Im Einzelnen handelt es sich um folgende Sachverhalte:
1. Im Mai 2006 gab die Klägerin das Arzneimittel Metoformin 850 Heumann 120 Stück an die Versicherte A. S. ab. Dem zu Grunde lag eine ärztliche Verordnung der Praxis Dres. R, R.-E., L. über Metoformin 850 Heumann 30 Stück. Die Klägerin stellte der Beklagten hierfür einen Betrag in Höhe von 17,79 EUR in Rechnung, den die Beklagte zunächst an sie zahlte. Im Februar 2007 beanstandete die Beklagte u.a. diesen Betrag mit der Begründung, Änderungen oder Ergänzungen bedürften erneut der Unterschrift des Arztes. Den Einspruch wies die Beklagte zurück und verrechnete einen Betrag in Höhe von 7,19 EUR mit späteren Forderungen der Klägerin. Diese wandte sich erneut an die Beklagte und führte aus, der Arznei- und Hilfsmittelliefervertrag für Thüringen (ALV Th), gültig seit dem 1. September 2003, und § 17 Abs. 5 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) berechtigten sie dazu, bei erkennbaren Irrtümern eine Änderung auf dem Rezept zu vermerken. Sie habe bei Abgabe des Rezeptes sogleich erkannt, dass die Verordnung vom bisher Üblichen abweiche. Seit Anfang 2004 habe die Versicherte laufend das Medikament Metoformin 850 in einer Packung mit 120 Stück erhalten. Eine Rücksprache mit dem behandelnden Arzt habe ergeben, dass es sich bei der Verordnung von Metoformin 30 Stück um einen Irrtum gehandelt habe und 120 Stück abgegeben werden sollten. Dies habe sie auf der Vorderseite des Rezeptes vermerkt und entsprechend gehandelt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin forderte die Beklagte auf, an ihn 46,41 EUR Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen, da seine Inanspruchnahme durch die Zurückweisung des Einspruchs erforderlich geworden sei. 2. Im Oktober 2006 gab die Klägerin an die Versicherte B. Sch. das MedikamentMeloxicam ratioph 100 Stück ab. Dem zu Grunde lag eine Verordnung der Fachärztin für Allgemeinmedizin H. vom 9. Oktober 2006 über das Medikament Meloxicam ratioph 15 mg TAB 50 Stück N2. Die Klägerin rechnete bei der Beklagten einen Betrag in Höhe von 37,69 EUR ab. Im Juli 2007 beanstandete die Beklagte u.a. einen Betrag in Höhe von 13,08 EUR mit der Begründung, Änderungen oder Ergänzungen bedürften erneut der Unterschrift des Arztes. Hiergegen wandte die Klägerin ein, die Rückfrage bei der behandelnden Ärztin habe ergeben, dass entgegen der ärztlichen Verordnung 100 Stück des Arzneimittels abgegeben werden sollten. Dies habe sie auf dem Rezept entsprechend dokumentiert.
3. Im Dezember 2006 gab die Klägerin an den Versicherten W. Sch. das Medikament Avanida 4 MG 112 Stück ab. Dem zu Grunde lag eine Verordnung der Gemeinschaftspraxis Dr. R./P. über Avanida 8 MG Filmtabletten 28 Stück FTA N S. 1-0-0. Die Beklagte beanstandete diesbezüglich zunächst einen Betrag in Höhe von 78,96 EUR mit der Begründung, Änderungen und Ergänzungen bedürften der Unterschrift des Arztes vor Belieferung. Hiergegen wandte die Klägerin ein, das Arzneimittel Avanida sei so nicht lieferbar gewesen, sodass eine telefonische Rücksprache mit der Ärztin erfolgt sei. Diese habe angegeben, dass Avanida 4 MG 112 Stück mit der Dosierung 2-0-0 abgegeben werden solle. Die Beklagte senkte daraufhin den beanstandeten Betrag auf 56,48 EUR ab und verrechnete ihn mit unstreitigen Forderungen der Klägerin.
Am 17. August 2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht (SG) Klage erhoben und diese am 13. März 2009 erweitert. Sie vertritt die Auffassung, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, Beträge in Höhe von insgesamt 76,75 EUR zurückzufordern. Sie sei nach § 17 Abs. 5 ApBetrO berechtigt gewesen, nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten, die Medikamente in den entsprechenden Mengen abzugeben. Die Beklagte habe keine konkrete Bestimmung des ALV Th benennen können, wonach dies nicht möglich sei. Nach § 17 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO sei sie verpflichtet, jede durch eine Aufklärung bedingte Änderung der Verschreibung auf dieser zu vermerken. Hierzu sei sie selbstverständlich auch berechtigt. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in dem Urteil vom 3. August 2006 - Az.: B 3 KR 7/05 R ein weitgehend unbürokratisches Verfahren gebilligt, dass dadurch erreicht werde, dass der Apotheker Unklarheiten über abzugebende Medikamentenmengen durch einfache telefonische Nachfragen beim Arzt kläre. Soweit die Beklagte die irrige Ansicht vertrete, dass der Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) - hier § 29 Abs. 7 - von den Apothekern zu beachten sei, gelte dieser Vertrag für sie nicht. Mit den Verschreibungen verbunden seien die §§ 129 ff SGB V insofern, als sie eine vertragsärztliche Verordnung voraussetzten. Nach § 72 Abs. 2 SGB V sei die vertragsärztliche Versorgung "im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen" zu regeln. Um einen solchen Vertrag handele es sich bei dem BMV-Ä nach § 82 Abs. 1 SGB V. In den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln vom 31. August 1993 sei unter A. Grundlagen Nummer 1 Satz 2 bestimmt, dass die Richtlinien von Vertragsärzten, Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zu beachten seien. Die Apotheker seien selbstverständlich nicht genannt. Die gesetzlichen Vorschriften der ApBetrO blieben davon unberührt. Die Regelung in Ziffer 2.5.2. Abs. 3 des ALV TH rechtfertige keinen Umkehrschluss entgegen § 17 Abs. 5 ApBetrO. Der Vertrag erlaube dem Apotheker in den beschriebenen Fällen die Abgabe eines Arzneimittels nach eigenem Ermessen ohne Beseitigung der Unklarheit, wenn der Vertragsarzt nicht zu erreichen sei. Dazu genüge eine entsprechende Ergänzung und Aufzeichnung des Apothekers.
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, lediglich in den in Ziffer 2.5.2 Abs. 3 des ALV TH genannten Fällen sei der Apotheker berechtigt, inhaltlich von der Verordnung des Arztes abzuweichen und dies durch einen Vermerk auf der Vorderseite der Verordnung zu dokumentieren. Alle anderen Änderungen, die das verordnete Arzneimittel beträfen, könnten ausschließlich durch den Arzt vorgenommen und müssten auch von diesem unterzeichnet werden. Dies stelle auch § 29 Abs. 7 BMV-Ä klar. Aus diesen Regelungen ergebe sich, dass eine Änderung der Urkunde, die eine Arzneimittelverordnung unstreitig darstelle, ausschließlich durch den ausstellenden Arzt erfolgen könne und von diesem auch durch Unterschrift bestätigt werden müsse.
Mit Urteil vom 14. April 2010 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, im Hinblick auf die Retaxierungsbeträge sei ein Kaufvertrag nicht zu Stande gekommen. Zu den gesetzlichen Bestimmungen bzw. vertraglichen Regelungen von deren Einhaltung das Kaufpreisangebot der Beklagten abhängig sei, gehöre der ALV TH. Unter der Ziffer 2.4 Abs. 1 ALV TH heiße es: "Die Abgabe erfolgt aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Verordnung zu Lasten der angegebenen Krankenkasse. Die Abgabebestimmungen ergeben sich aus den gesetzlichen Regelungen und den weiteren Bestimmungen dieses Vertrages". Nach Ziffer 2.4 Abs. 2 ALV TH ist eine ärztliche Verordnung ordnungsgemäß ausgestellt, wenn sie neben dem Mittel oder den Mitteln u.a. die Verordnungsmenge enthalte. Insoweit sei sie Teil der ärztlichen Verordnung und müsse von dem Arzt vorgenommen worden sein. Da die von der Klägerin abgegebenen Medikamente nicht auf den ärztlichen Verordnungen mit den jeweiligen Mengen beruhten, seien sie nicht "aufgrund" ärztlicher Verordnungen im Sinne der Ziffer 2.4 Abs. 1 ALV Th erfolgt. Aus dem Urteil des BSG vom 3. August 2006 - Az.: B 3 KR 7/05 R folge kein anderes Ergebnis. Die dortigen Ausführungen des BSG beträfen nicht den Fall, dass der Apotheker eine Menge des Arzneimittels abgibt, die über die Verordnungsmenge hinausgehe. Ein Anspruch auf Zinsen und vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren bestehe nicht, weil sich die Beklagte nicht in Verzug befunden habe.
Am 25. Mai 2010 hat die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung Beschwerde eingelegt. Die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Oft müssten Apotheker Unklarheiten von Verordnungen fernmündlich mit den verordnenden Ärzten abklären und die Verschreibungen nach § 17 Abs. 5 Satz 3 ApBetrO abändern. Das SG habe diese Regelung überhaupt nicht bedacht, was als Verletzung des grundgesetzlich vorgeschriebenen rechtlichen Gehörs zu werten sei. Zudem weiche das Urteil des SG vom Urteil des BSG vom 3. August 2006 -Az.: B 3 KR 7/05 R ab. Das BSG habe unter Randnummer 18 am Ende für den konkreten Fall ausgeführt, dass der Apotheker durch einfache telefonische Nachfrage beim Arzt klären könne, "ob es sich um die versehentliche Verschreibung einer nicht existenten Packungsgröße oder eine gezielte Dosierung handele". Das SG habe es unterlassen zu überdenken, weshalb das "unbürokratische Verfahren" rechtlich möglich sei; auch das BSG könne nicht einfach irgendetwas erfinden, sondern sei an Gesetz und Recht gebunden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichtes Altenburg vom 14. April 2010 zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Nichtzulassungsbeschwerde zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Beschwerdeakte sowie der beigezogenen Prozessakte des Sozialgerichts Altenburg (Az.: S 30 KR 2282/07) Bezug genommen, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist.
II.
Die Nichtszulassungsbeschwerde, die auf die Berufungszulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) gestützt wird, ist unbegründet.
Nach § 145 Abs. 1 des SGG kann die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht durch Beschwerde angefochten werden. Nach § 144 Absatz 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes (1) bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Die Berufung bedurfte hier der Zulassung durch das Sozialgericht, weil die Klägerin insgesamt die Zahlung von 118,21 EUR begehrt. Das SG hat sie nicht zugelassen.
1. Der Begriff grundsätzliche Bedeutung in § 144 Abs. 1 SGG ist wie in § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auszulegen. Eine Rechtssache hat über den Einzelfall hinaus nur dann eine grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Berufungsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl. BSG, Beschluss vom 3. April 2008 - Az.: B 11b AS 15/07 B m.w.N., nach juris). Ein Individualinteresse genügt nicht. Maßgebend ist nicht die richtige Einzelfallentscheidung; sie ist nur eine Folge der Klärung der grundsätzlichen Rechtsfrage (vgl. Senatsbeschluss vom 24. November 2008 - Az.: L 6 B 128/08 KR NZB).
Soweit dem Vortrag der Klägerin "oft müssen Apotheker Unklarheiten von Verordnungen fernmündlich mit den verordnenden Ärzten abklären und die Verschreibungen gemäß § 17 Abs. 5 ApBetrO abändern" überhaupt eine Rechtsfrage zu entnehmen ist, fehlt es jedenfalls an der Klärungsbedürftigkeit, weil sich die Antwort unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften und der Rechtsprechung ergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 3. April 2008 - Az.: B 11b AS 15/07 B, nach juris). Nach dem mit Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009 - Az.: B 3 KR 13/08 R (nach juris) ist Rechtsgrundlage für den öffentlich-rechtlichen Vergütungsanspruch eines Apothekers bei der Abgabe von Arzneimitteln unmittelbar § 129 SGB V i.V.m. den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und Abs. 5 Satz 1 SGB V. § 129 SGB V regelt den Abschluss von Rahmenverträgen über die Arzneimittelversorgung, und zwar in Absatz 2 bis Absatz 4 auf Bundesebene und in Absatz 5 auf Landesebene. Nach § 129 Abs. 2 SGB V regeln die Spitzenverbände der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker in einem gemeinsamen Rahmenvertrag das Nähere für die Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte. Nach § 129 Abs. 5 SGB V können die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen mit der für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen maßgeblichen Organisationen der Apotheker auf Landesebene ergänzende Verträge schließen. Der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 SGB V hat nach Absatz 3 Rechtswirkung für Apotheken, wenn sie einem Mitgliedsverband der Spitzenorganisation angehören und die Satzung des Verbandes vorsieht, dass von der Spitzenorganisation abgeschlossene Verträge für die dem Verband angehörenden Apotheken haben, oder wenn sie dem Rahmenvertrag beitreten. Das gilt nach § 129 Abs. 5 Satz 2 SGB V für die Verträge auf Landesebene entsprechend. Die nach § 129 SGB V abgeschlossenen Verträge regeln vorrangig nicht die Beziehungen zwischen den vertragsschließenden Verbänden, sondern zwischen den einzelnen Krankenkassen und den Apothekern. Sie wirken insoweit normativ. Sie sind wie Rechtsnormen allein nach dem "objektivierten Willen des Gesetzes" auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Januar 1996 - Az.: 3 RK 26/94 nach juris). Maßgebend sind also § 129 SGB V sowie der Rahmenvertrag nach § 129 SGB V und der ALV auf Landesebene. Das Gesetz über das Apothekenwesen - Apothekengesetz - (ApothG) und die auf Grund § 21 ApothG erlassene Apothekenbetriebsordnung begründen dagegen keine Ansprüche auf Vergütung gegen die Beklagte. Dort werden die Pflichten der Apotheken allgemein geregelt. Nach dem Apothekengesetz ist es Aufgabe der Apotheken, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Dem dient die Einhaltung der berufsrechtlichen Vorschriften, der in der Apothekenbetriebsordnung enthaltenen Betriebsvorschriften und des zum Schutz der Allgemeinheit erlassenen Arzneimittelrechts (vgl. Luthe in Hauck, Sozialgesetzbuch SGB V, Stand: November 2010, § 129 Rn. 9 m.w.N.). Verstößt der Apotheker gegen diese Vorschriften kann allerdings unabhängig von dem jeweiligen auf Bundesebene geschlossenen Rahmenvertrag oder auf Landesebene geschlossenen Vertrag ein Vergütungsanspruch zu verneinen sein (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19. Dezember 1996 -Az.: L 16 Kr 233/94, nach juris). Voraussetzung für die Abgabe von Arzneimitteln ist nach § 129 Abs. 1 SGB V eine vertragsärztliche Verordnung. Mit seiner Verordnung konkretisiert der Vertragsarzt das Rahmenrecht des Versicherten auf Arzneimittelversorgung als Sachleistung für den vorliegenden Versicherungsfall; er trägt über die Wirtschaftlichkeitsprüfung und mögliche Arzneiregresse die volle Verantwortung für sein Verordnungsverhalten. Die Verordnung dokumentiert, dass das Medikament als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung auf Kosten der Krankenkasse an den Versicherten abgegeben wird. Umgekehrt folgt hieraus der Vergütungsanspruch des Apothekers gegen die Krankenkasse dem Grunde nach; er wird durch das Kassenrezept als für das Abrechnungsverhältnis zwischen Apotheker und Krankenkassen maßgebliches Dokument konkretisiert. Der Apotheker kann nach § 129 ein Arzneimittel mithin nur dann auf Kassenkosten abgeben, wenn ein Vertragsarzt es auf dem hierfür vorgesehenen Formblatt verordnet hat (vgl. Luthe, a.a.O., § 129 Rn. 6 m.w.N.). Entsprechend dieser gesetzlichen Regelung regelt Ziffer 2.4 Abs. 1 ALV TH, dass die Abgabe aufgrund einer ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Verordnung zu Lasten der angegebenen Krankenkasse erfolgt. Ziffer 2.4 Abs. 2 ALV TH regelt wann eine ärztliche Verordnung ordnungsgemäß ausgestellt ist. Diese muss u.a. das Mittel oder die Mittel und die Verordnungsmenge enthalten. Für die Versicherten S., Sch. und Sch. lagen in diesem Sinne ordnungsgemäße ärztliche Verordnungen vor. Soweit die Klägerin an diese andere als die ärztlich verordneten Mengen abgegeben hat, fehlte es dementsprechend an einer entsprechenden ärztlichen Verordnung. Eine Berechtigung der Klägerin, die ärztlich verordneten Mengen auch in Rücksprache mit den behandelnden Ärzten abzuändern, ergibt sich aus dem ALV TH nicht. Die Klägerin behauptet selbst nicht, dass es sich bei der Änderung der verordneten Mengen um die Heilung eines Formfehlers nach Ziffer 2.4 Abs. 3 ALV TH handelt. Die unter 2.5 ALV TH (Wirtschaftliche Abgabe verordneter Leistungen) - hier Ziffer 2.5.2 Abs. 3 - vorgesehene Berechtigung des Apothekers, wenn eine vertragsärztliche Verordnung von Fertigarzneimitteln hinsichtlich der Darreichungsform (Tropfen, Dragees usw.) oder der Dosierung unvollständig oder ungenau und der Vertragsarzt nicht zu erreichen ist, die Arzneiform oder Dosierung abzugeben und abzurechnen, die er nach pflichtgemäßem Ermessen für die richtige hält, trifft den vorliegenden Sachverhalt nicht. Ein Recht des Apothekers, die ärztliche Verordnung zu ändern oder zu ergänzen, würde auch § 29 Abs. 7 BMV-Ä widersprechen. Soweit die Klägerin meint, diese Bestimmung müsse ihr nicht bekannt sein, kann sie hieraus keinen Rechtsanspruch auf Vergütung herleiten.
2. Weiter macht die Klägerin den Zulassungsgrund der Abweichung geltend. Eine Abweichung (Divergenz) im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zu Grunde gelegt worden sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das Urteil des SG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG oder das Thüringer Landessozialgericht - das Berufungsgericht - aufgestellt haben, sondern erst, wenn das SG diesen Kriterien widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 8. Dezember 2008 - Az.: B 12 R 37/07 B zu § 160 Abs. 2 SGG). Das SG weicht nur dann von einer Entscheidung ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt, der der zum selben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG oder des Thüringer Landessozialgerichts entgegen steht und dem erstinstanzlichen Urteil tragend zu Grunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in dem vorgenannten Urteil des BSG oder des Berufungsgerichts enthalten ist und welcher im Urteil des SG enthaltende Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Nicht ausreichend ist ein Rechtsirrtum im Einzelfall (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Januar 1999 - Az.: B 4 RA 131/98 B, nach juris).
Die Klägerin trägt hierzu vor: "Das BSG hat unter Randnummer 18 am Ende für den konkreten Fall ausgeführt, dass der Apotheker durch einfache telefonische Nachfrage beim Arzt klären kann, "ob es sich um die versehentliche Verschreibung einer nicht existenten Packungsgröße oder eine gezielte Dosierung handelt"." Es ist weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich, dass es sich hierbei um einen abstrakten Rechtssatz handelt, der dem Urteil des BSG tragend zu Grunde liegt und von dem das SG tragend abgewichen ist. Abgesehen davon handelt es sich vorliegend um einen anderen Sachverhalt.
3. Ein Verfahrensmangel wurde nicht ausreichend vorgetragen. Hier beruft sich die Klägerin auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sie meint, das SG habe § 17 Abs. 5 ApoBetrO auf den sie sich wiederholt berufen habe, in den Entscheidungsgründen überhaupt nicht bedacht, ihn bewusst übergangen. Soweit der Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) sicherstellen soll, dass das Vorbringen der Beteiligten vom Gericht in seine Erwägungen mit einbezogen wird, ist das Gericht allerdings nicht verpflichtet, auf sämtliche Tatsachen und Rechtsansichten einzugehen, die im Laufe des Verfahrens von der einen oder anderen Seite zur Sprache gebracht worden sind. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Die Gerichte brauchen nicht jedes Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich zu bescheiden. Eine Verletzung der Pflicht des Gerichts, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen, kann nur festgestellt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen des Falles ergibt (vgl. BSG, Beschluss vom 27. Oktober 2010 - Az.: B 12 KR 2/10 B m.w.N.). Solche Umstände sind hier nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 43 Abs. 2, 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG).
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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