L 8 AL 4127/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 AL 1854/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4127/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten sind die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) und die Rückforderung erbrachter Leistungen streitig.

Der am 31.03.1982 geborene Kläger meldete sich bei der Agentur für Arbeit K. (AA) nach einer Zwischenbeschäftigung vom 01.08.2006 bis 30.06.2007 als Paketzusteller erneut arbeitslos und beantragte die Weiterzahlung von Alg. Am 23.07.2007 wurde dem Kläger von der AA Alg ab 01.07.2007 mit einer Anspruchsdauer von 321 Tagen auf der Grundlage eines täglichen Arbeitsentgelts in Höhe von 49,87 EUR (gemäß § 328 SGB III vorläufig) weiter bewilligt.

Der Kläger vereinbarte mit der AA eine betriebliche Trainingsmaßnahme bei der Firma R. T. (R.). Am 04.10.2007 bzw. 23.11.2007 teilte er der AA mit, ab 01.11.2007 bzw. 01.01.2008 bei der Firma R. eingestellt zu werden. Am 07.02.2008 legte der Kläger der AA bei einer persönlichen Vorsprache (entsprechend einer weiteren telefonischen Mitteilung vom 17.12.2007 und einer schriftlichen Veränderungsmitteilung vom 09.01.2008) zwei Bescheinigungen über Nebeneinkommen der Firma R. für die Zeit vom 01.12.2007 bis 31.01.2008 jeweils über eine vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit von unter 15 Stunden vor. Mit Bescheid vom 03.03.2008 hob die AA daraufhin die Bewilligung von Alg für die Zeit vom 01.12.2007 bis 31.01.2008 wegen der Berücksichtigung von Nebeneinkommen in Höhe von 106,20 EUR teilweise auf. Ab 01.04.2008 befand sich der Kläger in einem Beschäftigungsverhältnis bei der Firma W., weshalb die AA mit Bescheid vom 08.05.2008 die Bewilligung von Alg ab 01.04.2008 ganz aufhob und vom Kläger einen Überzahlungsbetrag von 630,60 EUR zurückforderte.

Am 25.02.2008 teilte die Autobahnpolizei M. der AA telefonisch eine illegale Beschäftigung des Klägers mit. Mit Schreiben vom 09.10.2008 teilte das Hauptzollamt K. der AA mit, dass gegen den Kläger ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren durchgeführt worden sei und zusammenfassend gesagt werden könne, dass der Kläger in der Zeit vom 12.07.2007 bis 02.04.2008 einer mehr als geringfügigen Beschäftigung bei der Firma R. nachgegangen sei.

Nach Anhörung des Klägers (Anhörungsschreiben vom 06.11.2008) hob die AA mit Bescheid vom 24.03.2009 die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 12.07.2007 ganz auf und forderte vom Kläger in der Zeit vom 12.07.2007 bis 31.03.2008 erbrachte Leistungen in Höhe von insgesamt 7.104,93 EUR zurück, da der Kläger im genannten Zeitraum in einem Beschäftigungsverhältnis von mindestens 15 Stunden wöchentlich gestanden habe und daher nicht arbeitslos gewesen sei. Der Kläger sei seiner Verpflichtung, alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 05.04.2009 Widerspruch ein. Er machte geltend, bei der Firma R. lediglich ein Praktikum durchgeführt und nie mehr als 15 Stunden pro Woche gearbeitet zu haben. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2009 wurde der Widerspruch von der AA zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der Kläger am 28.04.2009 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG). Er machte zur Begründung geltend, die Beklagte sei über die Tätigkeit bei der Firma R. informiert gewesen. Die Beklagte habe die Tätigkeit und das durchgeführte Praktikum vermittelt. Eine Wochenarbeitszeit von 15 Stunden sei nie überschritten worden.

Die Beklagte trat unter Bezug auf die Feststellungen des Hauptzollamtes K. der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 21.07.2010 wies das SG die Klage ab. Es führte zur Begründung aus, die Beklagte sei gemäß § 45 SGB X zur rückwirkenden Aufhebung der Leistungsbewilligung berechtigt. Der Kläger sei - bereits vor Erlass des Bewilligungsbescheides - ab 12.07.2007 nicht arbeitslos gewesen, weil er zu diesem Zeitpunkt eine mehr als geringfügige Tätigkeit als Fahrer bei der Firma R. aufgenommen habe. Dies ergebe sich zur Überzeugung des Gerichtes aus den Ermittlungen des Hauptzollamtes. Die Angaben des Klägers seien eine widerlegte Schutzbehauptung, die zudem Unstimmigkeiten aufwiesen. Darüber hinaus sei ein Anspruch auf Alg ab dem 12.07.2007 wegen des Erlöschens der Arbeitslosmeldung nicht gegeben. Auf Vertrauensschutz könne sich der Kläger nicht berufen, weil er die Aufnahme der Tätigkeit nicht angezeigt habe und ihm darüber hinaus die Rechtswidrigkeit der Bewilligung hätte bewusst sein müssen. Die Rücknahmefristen seien eingehalten. Der Kläger sei damit gemäß § 50 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit § 335 SGB III zur Erstattung des im Zeitraum vom 12.07.2007 bis 31.03.2008 erhaltenen Alg und der geleisteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung verpflichtet. Die Berechnung der Rückforderungssumme sei nicht zu beanstanden. Das Urteil wurde dem Kläger mit Zustellungsurkunde am 03.08.2007 zugestellt.

Am 01.09.2010 hat der Kläger durch ein nicht unterzeichnetes Schreiben vom 26.08.2010 Berufung eingelegt. Das Berufungsschreiben hat sich in einem Briefumschlag ohne handschriftlichen Vermerk befunden. Der Kläger ist mit der am 08.09.2010 abgesandten Eingangsmittelung durch den Berichterstatter auf die fehlende Unterschrift hingewiesen und ihm ist mitgeteilt worden, dass die Unterschrift umgehend nachgeholt werden sollte. Am 22.09.2010 hat der Kläger das Schreiben vom 26.08.2010 in unterschriebener Form (ohne weitere Mitteilungen) dem Senat übersandt.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Berufung ausgeführt, das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei vom Amtsgerichts Karlsruhe eingestellt worden. Das SG habe die strafrechtlichen Ermittlungen unzutreffend gewürdigt. Das SG habe ihm keine Möglichkeit eingeräumt, die ganzen Missverständnisse und Kleinigkeiten aufzuklären.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 21. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten und vom 24. März 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Ausführungen des Klägers zur Begründung seiner Berufung seien nicht geeignet, die Entscheidungsgründe des Urteils des SG zu widerlegen.

Auf richterliche Hinweisschreiben vom 14.03.2011, 04.04.2011 und 02.05.2011 an den Kläger, dass die Berufung unzulässig erscheint, hat der Kläger ergänzend vorgetragen, er habe das durch Zustellungsurkunde am 03.08.2010 zugestellte Urteil erst am 28.08.2010 zur Hand bekommen. Das Urteil sei nicht an seinem Wohnsitz zugestellt worden, da er bei seiner Tante in einem Zimmer wohne. Er selbst besitze keine Wohnung. Er sei bei seiner Tante nur polizeilich angemeldet, wohne jedoch hauptsächlich in einem Lkw, da er als Kraftfahrer angestellt sei. Da er wegen Problemen mit der deutschen Rechtschreibung auf Hilfe angewiesen sei, habe sich nach dem 28.08.2010 alles verzögert. Erst am 31.08.2010 habe er die Gelegenheit gehabt, ein Berufungsschreiben zur fertigen. Dies sei nach der Nachtschicht gewesen. Außerdem sei er total im Stress gewesen, weshalb er versehentlich die Berufungsschrift nicht unterschrieben habe. Dies sei ihm, nachdem er ausgeruht habe, am gleichen Abend eingefallen. Er habe am 01.09.2010 Kontakt mit dem Gericht aufgenommen. Ihm sei gesagt worden, es reiche aus, wenn er das Schreiben mit Unterschrift am 03.09.2010 bis Mitternacht faxe. Dies habe er zusammen mit seiner Bekannten, die der Kläger als Zeugin namentlich benannt hat, am 03.09.2010 zwischen 19:00 und 19:30 Uhr in K. von einem Internetcafé aus getan. Wie sich dann ergeben habe, sei sein Fax nie angekommen bzw. verloren gegangen. Er sei dann angeschrieben worden, dass die Unterschrift noch benötigt werde. Er habe sich telefonisch mit dem Gericht (unter einer vom Kläger benannten Telefonnummer, die der Geschäftsstelle des 8. Senats zuzuordnen ist) in Verbindung gesetzt und sich erkundigt, ob sein Fax zugegangen sei. Ihm sei gesagt worden, es sei nicht schlimm, er könne sein Schreiben mit Unterschrift nachreichen. Dies habe er bei der nächsten Möglichkeit getan. Erst nach fast sieben Monaten sei ihm dann mitgeteilt worden, dass die Berufung unzulässig erscheine. Erweise sich seine Berufung als unzulässig, sei seine Existenz wegen seiner Schulden für die nächsten Jahre weiterhin ruiniert, obwohl er ein neues Leben begonnen habe. Am 23.04.2011 habe er mehrfach versucht, sein Schreiben nochmals per Fax zu übersenden. Dies sei aus irgend einem Grund gescheitert. Der Kläger hat hierzu Sendeberichte vorgelegt. Außerdem hat sich der Kläger auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 06.05.1998 (B 13 RJ 85/97 R) berufen. Weiter hat der Kläger zur Sache vorgetragen und sich insbesondere darauf berufen, dass das SG nicht berücksichtigt habe, dass er im Strafverfahren vom Amtsgericht K. freigesprochen worden sei. Der Kläger hat hierzu einen Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe vom 28.08.2009 vorgelegt, wonach das Verfahren gegen den Kläger endgültig eingestellt wurde, nachdem er die erteilten Auflagen erfüllt habe.

Der Kläger ist mit richterlicher Verfügung vom 02.05.2011 darauf hingewiesen worden, dass der Senat die Berufung ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter und ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig verwerfen kann.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf zwei Bände Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Klägers ist nicht zulässig. Der Kläger hat die Berufung gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 01.09.2010 nicht formgerecht (1.) und am 22.09.2010 nicht innerhalb der Berufungsfrist (2.) eingelegt. Gründe, dem Kläger gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, liegen nicht vor (3.). Die Berufung ist daher als unzulässig zu verwerfen (§ 158 Satz 1 SGG). Die Entscheidung kann gemäß § 158 Satz 2 SGG durch Beschluss ergehen. Hierauf ist der Kläger mit richterlicher Verfügung vom 02.05.2011 im Übrigen hingewiesen worden. Der Senat hat in Ausübung seines richterlichen Ermessens durch Beschluss entscheiden können, da das SG (aufgrund mündlicher Verhandlung) durch Urteil entschieden hat (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 158 RdNr. 6 m.w.N.).

Der Senat hat den Berufungsantrag nach dem erkennbaren Begehren des Klägers sachdienlich gefasst.

1. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Danach ist für die Einlegung der Berufung die Schriftform vorgeschrieben (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 151 RdNr. 3). Hierauf wurde der Kläger in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils vom SG hingewiesen. Diesem Formerfordernis entspricht das am 01.09.2010 beim Landessozialgericht eingegangene Berufungsschreiben des Klägers nicht. Denn diese Berufungsschrift enthält keine Unterschrift des Klägers (und ist auch nicht zur Niederschrift eingelegt worden).

Schriftlich bedeutet grundsätzlich, dass der Schriftsatz vom Berufungsführer eigenhändig zu unterschreiben ist. Das Schriftformerfordernis für die Einlegung von Rechtsmitteln ist vom Gesetzgeber aus Gründen der Rechtssicherheit vorgesehen worden und soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist (Gemeinsamer Senat der Obersten Bundesgerichte [GmSOBG], BGHZ 144, 160 = SozR 3-1750 § 130 Nr. 1).

Da im SGG das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift als Formanforderung nicht ausdrücklich geregelt ist und die Vorschrift des § 126 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wegen der Eigenständigkeit des Prozessrechts weder unmittelbar noch entsprechend auf Prozesshandlungen anzuwenden ist (vgl. GmSOGB, a.a.O.), sind in der Rechtsprechung Ausnahmen von der eigenhändigen Unterschrift zugelassen worden. Eine Ausnahme ist dann möglich, wenn auf andere Weise gewährleistet ist, dass dem Schriftstück allein oder in Verbindung mit beigefügten Unterlagen der Inhalt der Erklärung und die Person, von der sie ausgeht, zuverlässig entnommen werden kann, und wenn ferner hinreichend sicher feststeht, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist, ohne dass darüber Beweis erhoben werden muss (vgl. BSG, Urteile vom 06.05.1998 - B 13 RJ 85/97 R- und 30.01.2002 - B 5 RJ 10/01 R - NZS 2003,106; m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall liegt vorliegend nicht vor. Zwar lässt sich dem am 01.09.2010 eingegangen Berufungsschreiben die Person und der Inhalt der Erklärung hinreichend sicher entnehmen. Dagegen lässt sich dem Schriftsatz nicht entnehmen, ob es mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden ist. Dies lässt sich auch nicht in Verbindung mit dem zur Senatsakte genommenen Briefumschlag, in dem das Berufungsschreiben übersandt wurde, entnehmen, da der Briefumschlag mit keinem handschriftlichem Vermerk (wie Angabe des Empfängers und/oder Name und Anschrift des Klägers) versehen ist, der den Schluss darauf zuließe, dass das Schriftstück mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht übersandt worden ist. Damit ist die Berufung mit dem am 01.09.2010 eingegangenen Berufungsschreiben vom Kläger nicht ordnungsgemäß (formgerecht) erhoben worden. Dass der Kläger - auf Hinweis des Berichterstatters - am 22.09.2010 die Berufungsschrift vom 26.08.2010 mit seiner Unterschrift nachgereicht hat, ist ohne Bedeutung. Denn für die Frage, ob die Schriftform des § 151 Abs. 1 SGG eingehalten ist, können - abgesehen von der Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - nur die bis zum Ablauf der Berufungsfrist eingetretenen Umstände berücksichtigt werden (BSG, Urteil vom 06.05.1998, a.a.O.)

2. Das vom Kläger am 22.09.2010 mit seiner Unterschrift versehene und damit formgerecht nachgereichte Berufungsschreiben vom 26.08.2010 ist nicht innerhalb der Berufungsfrist eingegangen. Nach § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Nach Abs. 2 Satz 1 dieser Vorschrift wird die Berufungsfrist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift eingelegt wird.

Das angefochtene Urteil war mit einer ordnungsgemäßen und vollständigen Rechtsmittelbelehrung versehen. Die Rechtsmittelbelehrung enthielt das Gericht, bei dem die Berufung einzulegen ist (Landessozialgericht Baden-Württemberg), den Sitz und die von ihm einzuhaltende Frist (einen Monat). Sie entsprach damit den gesetzlichen Anforderungen des § 66 Abs. 1 SGG.

Die Berufungsfrist begann gemäß § 64 Abs. 1 SGG mit dem Tag nach der Zustellung des angefochtenen Urteils an den Kläger, hier mit Ablauf des Tages der am 03.08.2010 erfolgten Zustellung, am 04.08.2010 zu laufen. Ein Zustellungsmangel liegt nicht vor. Das am 21.07.2010 verkündete Urteil war den Beteiligten gemäß § 135 SGG (unverzüglich) zuzustellen. Zugestellt wird nach § 63 Abs. 2 Satz 1 SGG von Amts wegen nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO). Da der der Kläger vom Postbediensteten nicht angetroffen worden ist und eine Ersatzzustellung des Urteils nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO nicht ausführbar war, konnte eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 Satz 1 ZPO erfolgen. Dabei vermerkt der Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks den Tag der Zustellung. Nach den entsprechenden Angaben in der aktenkundigen Zustellungsurkunde ist dies geschehen. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt (§ 180 Satz 2 ZPO), wobei es für die Wirksamkeit der Zustellung nicht darauf ankommt, ob und wann der Adressat das Schriftstück seinem Briefkasten entnommen und ob er es tatsächlich zur Kenntnis genommen hat (BSG, Beschluss vom 13.11.2008 - B 13 R 138/07 B -, veröffentlicht in juris). Der sich aus der Zustellungsurkunde ergebende volle Beweis der bezeugten Tatsachen ist nicht widerlegt. Hiergegen hat der Kläger auch keine Einwendungen erhoben. Dass der Kläger als Lkw-Fahrer unterwegs ist und über keine eigne Wohnung verfügt, sondern ein Zimmer der Wohnung seiner Tante bewohnt, wie er vorgetragen hat, ändert daran nichts. Die Zustellung kann an jedem Ort erfolgen, an dem der Adressat angetroffen wird (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 63 Nr. 11). Dies ist unter der Zustellungsadresse der Tante des Klägers der Fall. Dort ist der Kläger nach seinen Angaben auch polizeilich gemeldet. Darauf, ob der Kläger am Wohnort der Tante seien "Wohnsitz" hat, kommt es nicht an. Danach steht fest, dass das streitgegenständliche Urteil am 03.08.2010 ordnungsgemäß zugestellt wurde.

Damit begann die Berufungsfrist am 04.08.2010 zu laufen. Sie endet nach § 64 Abs. 2 Satz 1 SGG mit dem Ablauf des letzten Monats, welcher nach Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis (Zustellung) fällt, mithin am 03.09.2010. Die erst am 22.09.2010 übersandte - vom Kläger unterschiebene - Berufungsschrift vom 26.08.2010 wahrt daher die Berufungsfrist nicht.

3. Eine - gegebenenfalls von Amts wegen zu gewährende - Wiedereinsetzung (§ 67 Abs. 2 Satz 4 SGG) in die versäumte Berufungsfrist ist nicht möglich. Nach § 67 Abs. 1 SGG kann auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor.

Dass der Kläger hinsichtlich der am 01.09.2010 eingegangenen Berufungsschrift seine Unterschrift unverschuldet versäumt hat, ist nicht ersichtlich. Der Kläger hat sich hierzu darauf berufen, wegen der vorangegangenen Nachtschicht und wegen Stress "aus Versehen" das Berufungsschreiben nicht unterschrieben zu haben. Diese Umstände rechtfertigen die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Kläger verschuldet, nämlich aus Nachlässigkeit, seine Unterschrift vergessen hat. Unabhängig davon wäre es dem Kläger nach seinem Vorbringen noch möglich gewesen, vor Ablauf der Berufungsfrist am 03.09.2010, notfalls per Telefax, das Berufungsschreiben vom 26.08.2010 mit seiner Unterschrift versehen dem Landessozialgericht (oder dem SG) zu übersenden.

Das Vorbringen des Klägers, er habe am 03.09.2010 (zwischen 19:00 Uhr und 19:30 Uhr) von einem Internetcafé aus das Berufungsschreiben vom 26.08.2010 mit seiner Unterschrift versehen per Telefax dem Landessozialgericht übermittelt, ist nicht glaubhaft. Nach dem "Journal" der Poststelle des Landessozialgerichts vom 03.09.2010 ist in der vom Kläger benannten Zeit der Eingang eines Telefax nicht dokumentiert, worauf der Kläger mit richterlichem Schreiben vom 02.05.2011 hingewiesen worden ist. Damit ist ausgeschlossen, dass der Kläger dem Landessozialgericht am 09.03.2010 das von ihm behauptete Telefax übermittelt hat, bzw. dass ein Telefax des Klägers vom 09.03.2010 versehentlich nicht zur Senatsakte gelangt ist. Es besteht deshalb auch kein Anlass, die vom Kläger benannte Zeugin zu vernehmen. Denn selbst dann, wenn die Zeugin bestätigt, dass der Kläger am 03.09.2010 ein Telefax versandt hat, wird dadurch der Zugang beim Landessozialgericht nicht nachgewiesen. Weiter bliebe offen, an welche Stelle das Telefax versandt wurde. Fehlgeschlagene Übermittlungsversuche hat der Kläger erst für einen am 23.04.2011 unternommenen Wiederholungsversuch unter Vorlage von Sendeberichten geltend gemacht. Dass der Kläger am 03.09.2010 vergeblich versucht hat, ein Telefax an das Landessozialgericht zu übermitteln, hat er dagegen nicht vorgetragen, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass das nach den Angaben des Klägers am 03.09.2010 übersandte Telefax den Empfänger erreicht hat. Auch unter Berücksichtigung der unter Beweis gestellten Angaben des Klägers spricht danach vieles dafür, dass eine Übermittlung eines Schriftstückes per Telefax am 03.09.2010 an die vom Kläger benannte Fax-Nummer des Landessozialgerichts versehentlich - und damit nicht unverschuldet - nicht erfolgt ist, so dass Wiedereinsetzungsgründe schon nach den eigenen Angaben des Klägers nicht glaubhaft gemacht sind. Ein etwaiges mitursächliches Verschulden des Gerichts, weil nach Eingang der nicht unterschriebenen Berufung am 01.09.2010 nicht sofort eine - ggfs. telefonische - Nachricht an den Kläger erging, was eine form- und fristgerechte Berufung bis 03.09.2010 hätte ermöglichen können, ist daher bereits nach dem Vorbringen des Klägers nicht kausal geworden. Unabhängig davon ist das Vorbringen des Klägers auch - sonst - widersprüchlich und unstimmig, weshalb der Senat sich auch deshalb nicht veranlasst sieht, die vom Kläger benannte Zeugin zu vernehmen. So hat der Kläger vorgetragen, erst am 28.08.2010 das Urteil in Händen und erst am 31.08.2010 Gelegenheit gehabt zu haben, ein Berufungsschreiben zu fertigen. Entgegen diesem Vorbringen datiert sein Berufungsschreiben gegen das Urteil des SG vom 21.07.2010 jedoch bereits vom 26.08.2010. Weiter ist unstimmig, dass der Kläger, auf den Hinweis in der Eingangsbestätigung des Senats vom 08.09.2010, dass die Berufungsschrift nicht unterzeichnet ist, am 22.09.2010 ohne weitere Anmerkung die von ihm unterzeichnete Berufungsschrift vom 26.08.2010 übersandt hat. Sollte der Kläger tatsächlich versucht haben, am 03.09.2010 die unterschriebene Berufungsschrift per Telefax zu übersenden, musste für ihn dringender Anlass bestanden haben, auf den Hinweis in der Eingangsbestätigung des Senats spätestens mit der Übersendung der unterschriebenen Berufungsschrift am 22.09.2010 auf diesen Umstand hinzuweisen. Denn ihm musste sich aufdrängen, dass dem Landessozialgericht außer der nicht unterzeichneten Berufungsschrift kein weiteres Berufungsschreiben zugegangen ist. Dies ist jedoch erst auf das richterliche Hinweisschreiben vom 14.03.2011 erfolgt. Dass sich der Kläger nach dem Zugang der Eingangsbestätigung telefonisch mit der Geschäftsstelle des 8. Senates unter der von ihm benannten Telefonnummer nach dem Eingang seines Telefaxes erkundigt hat und ihm dabei die von ihm behauptete Auskunft erteilt worden ist, ist nicht aktenkundig und vom Kläger auch nicht glaubhaft gemacht worden. Für den Senat drängt sich nach alledem auf, dass der Kläger durch sein nachträgliches Vorbringen lediglich den Versuch unternimmt, seine Berufung als zulässig erscheinen zu lassen.

Hinsichtlich der am 22.09.2010 nachgereichten unterschriebenen Berufungsschrift vom 26.08.2010 sind Wiedereinsetzungsgründe nicht ersichtlich und im Übrigen vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Die Berufung war daher gemäß § 158 SGG als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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