L 7 AS 214/11 B ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 128/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 214/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Eilantrag ist kein Widerspruch
Ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an das Sozialgericht kann einen Widerspruch nicht ersetzen. Ein Antrag an das Gericht auf eine vorläufige Regelung in einem Eilverfahren ist etwas grundlegend anderes als ein Antrag an die zuständige Behörde, einen Bescheid nochmals auf Rechtmäßigkeit und ggf. Zweckmäßigkeit zu überprüfen.
Ein Bescheid, der Leistungen nach SGB II gemäß § 66 SGB I entzieht, ist nach § 39 Nr. 1 SGB II als Herabsetzung von Leistungen sofort vollziehbar.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 24. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Streitig ist im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz die Entziehung von zuvor bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt nach SGB II.

Die Antragsteller sind Vater und Tochter (geboren 2005) und beziehen seit geraumer Zeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II vom Beschwerdegegner. Zuletzt wurden mit Bescheid vom 01.09.2010 Leistungen für den Zeitraum von September 2010 bis einschließlich Februar 2011 in Höhe von zuletzt 915,50 Euro monatlich bewilligt.

Dem Antragsgegner wurde aufgrund eigener Ermittlungen (Kontoabrufverfahren § 93 AO) bekannt, dass der Antragsteller zu 1 seit mehreren Jahren über zwei Konten bei zwei verschiedenen Banken verfügt, die er dem Antragsgegner nicht mitgeteilt hatte. Mit Schreiben vom 05.11.2011 wurde er aufgefordert, hierzu Kontoauszüge für die Zeit ab 01.07.2006 vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Antragsteller zu 1 nicht nach. Mit Bescheid vom 28.11.2010 (Seite 2050 Verwaltungsakte) entzog der Antragsgegner die bewilligten Leistungen gemäß § 66 SGB I ab 01.01.2011 in vollem Umfang. Der Bescheid enthält eine zutreffende Rechtsfolgenbelehrung. Er wurde mit Postzustellungsurkunde vor dem 02.12.2010 zugestellt. Ein Widerspruch wurde aber nicht eingelegt.

Am 02.02.2011 stellte der Antragsteller beim Sozialgericht Regensburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Der Antragsgegner teilte mit, dass die Leistung für Januar 2011 versehentlich tatsächlich ausgezahlt wurden. Mit Beschluss vom 24.02.2011 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ab. Der Bescheid sei bestandskräftig geworden, weil nicht innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist Widerspruch erhoben worden sei. Da der Einziehungsbescheid bestandskräftig sei, sei auch keine einstweilige Anordnung zur Auszahlung der für Februar 2011 bewilligten Leistungen möglich. Es liege am Antragsteller zu 1, die erbetenen Mitwirkungshandlungen zu erbringen.

Am 17.03.2011 haben die Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts eingelegt. Der Beschluss des Sozialgerichts sei mutwillig und missbräuchlich. Der Antragsteller zu 1 werde seit Jahrzehnten an seinem Lebenserfolg gehindert. Es handle sich um ein manipuliertes Verfahren. In den Ämtern und Gerichten seien nur verlogene Betrüger. Es würden ständig Grundrechte verletzt werden.

Die Leistungen für die Zeit ab 01.03.2011 wurden mit Bescheid vom 24.03.2011 versagt (Seite 2113 Verwaltungsakte). Hierzu ist ein weiteres Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes am Sozialgericht Regensburg anhängig (S 8 AS 308/11 ER).

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 24.02.2011 aufzuheben und den Antragsgegner vorläufig zu verpflichten, die mit Bescheid vom 01.09.2010 bewilligten Leistungen für Februar 2011 auszuzahlen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Sozialgericht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt hat.

Streitgegenstand dieses Verfahrens sind allein die Ansprüche der Antragsteller für den Monat Februar 2011. Die Leistungen für Januar 2011 haben sie versehentlich erhalten. Die Leistungen ab März 2011 sind Gegenstand eines anderen Eilverfahrens, das derzeit am Sozialgericht Regensburg anhängig ist.

Der Entziehungsbescheid ist als "Herabsetzung" der Leistungen nach § 39 Nr. 1 SGB II sofort vollziehbar (so auch Beschluss BayLSG vom 13.10.2009, L 16 AS 590/09 B ER, und in der Literatur Oestreicher, SGB II/SGB XII, § 39 SGB II Rn. 30, 37 sowie Hauck/Noftz, SGB II, § 39 Rn. 76).

Die Antragsteller wollen den belastenden Verwaltungsakt abwehren. Statthaft ist allein ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG. Würde die aufschiebende Wirkung angeordnet werden, könnte die Entziehung keine Wirkung entfalten und die ursprüngliche Bewilligung käme zur Geltung. Eine einstweilige Anordnung muss daneben regelmäßig nicht verfügt werden (anders etwa, wenn die Behörde die aus der aufschiebenden Wirkung resultierende vorläufige Leistungsverpflichtung bestreiten würde).

Eine aufschiebende Wirkung gegen den Entziehungsbescheid kann aber schon deswegen nicht angeordnet werden, weil nichts vorhanden ist, was eine aufschiebende Wirkung auslösen könnte. Für eine aufschiebende Wirkung hätte gegen den Entziehungsbescheid gemäß § 86a SGG ein Widerspruch eingelegt werden müssen. Daran fehlt es hier. Auch der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz an das Sozialgericht oder die Beschwerde ersetzen keinen Widerspruch. Ein Antrag an das Gericht auf eine vorläufige Regelung in einem Eilverfahren ist etwas grundlegend anderes als ein Antrag an die zuständige Behörde, einen Bescheid nochmals auf Rechtmäßigkeit und ggf. Zweckmäßigkeit zu überprüfen (so auch Wündrich, Sozialgerichtsbarkeit 2009, Seite 207 und Hölzer, info also, 2010, S. 101).

Der Entziehungsbescheid wurde darüber hinaus auch gemäß § 77 SGG bindend, weil kein rechtzeitiger Widerspruch eingelegt wurde. Die Rechtsbehelfsbelehrung im Bescheid vom 28.11.2010 war korrekt. Bei einem bindenden Bescheid kann eine aufschiebende Wirkung nicht mehr festgestellt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Das Gericht sieht Anlass zu folgendem Hinweis:
Es gibt seit einiger Zeit zahlreiche Auseinandersetzungen wegen der Leistungen zum Lebensunterhalt, die die Antragsteller und seine Tochter existentiell betreffen und - das zeigen seine Schreiben überdeutlich - ihn auch emotional erheblich aus dem Gleichgewicht bringen. Diese Auseinandersetzungen kann der Antragsteller aber nicht dadurch zu seinen Gunsten lenken, indem er haltlose Beschuldigungen und Beleidigungen gegen alle Beteiligten vorbringt und jede konstruktive Mitwirkung verweigert. Wenn es so ist, dass er zwei Konten verheimlicht hat, dann muss er jetzt Unterlagen, insbesondere Kontoauszüge, vorlegen und bei Rückfragen Rede und Antwort stehen. Dies kann für ihn unangenehm sein - das ist aber allemal besser, als ohne existenzsichernde Leistungen leben zu müssen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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