L 12 KA 102/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 32 KA 1524/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 102/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. April 1998 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem als Radiologen zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassenen Kläger im 1. und 3. Quartal 1996 eine Honorarausgleichszahlung gemäß der ab 1. Januar 1996 geltenden Anlage 4 zum Honorarverteilungsmaßstab (HVM) der Beklagten zuzuerkennen ist.

Mit Bescheiden vom 6. August 1996 und 14. Januar 1997 wurde dem Kläger für das 1. Quartal 1996 ein Honorar von DM 306.359,99 und für das 3. Quartal 1996 von DM 339.539,72 gewährt. Am 9. August 1996 bzw. 20. Februar 1997 beantragte der Kläger, ihn im 1. und 3. Quartal 1996 als Härtefall anzuerkennen. Er verwies auf seine Honorareinbußen gegenüber den Vorjahresquartalen. Mit Schreiben vom 12. September 1996, 24. Oktober 1996 und 25. Februar 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Bearbeitung die Vorlage einer vom Finanzamt oder dem Steuerberater bestätigten Einnahmeüberschussrechnung für das Veranlagungsjahr 1995, ersatzweise für 1994, voraussetze. Diese müsse die gesamten Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit beinhalten. Für das 3. Quartal 1996 legte der Kläger daraufhin mit Schreiben vom 19. März 1997 eine vom Steuerberater bestätigte Übersicht der GKV-Einnahmen sowie der Ausgaben für die GKV-Patienten von 1994 und 1995 vor. Diese Übersicht sei vom Berufsverband der deutschen Radiologen und Nuklearmediziner e.V. für diesen Zweck erstellt und als ausreichend angesehen worden.

Mit Bescheiden vom 20. Dezember 1996 und 25. April 1997 lehnte die Beklagte die Anträge auf Honorarausgleichszahlung ab. Die dagegen eingelegten Widersprüche wies sie mit Widerspruchsbescheiden vom 22. September 1997 zurück. Nach Nr.1 Satz 1 der Anlage 4 "Härtefallregelung EBM 96" zum HVM könne der Vorstand einem zugelassenen Arzt für die Quartale des Jahres 1996 eine Honorarausgleichszahlung zuerkennen, wenn die auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) für die ärztlichen Leistungen in der jeweiligen Fassung vorzunehmende Honorarverteilung nach den Anlagen 1 und 2 zu einer unbilligen Härte führe und Gründe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dies erforderten. Eine unbillige Härte liege nach Nr.2 der Anlage 4 nur vor, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorlägen: a) Im Vergleich zum Vorjahresquartal müsse eine Honorarunterschreitung von mehr als 15 % vorliegen, b) dieser Honorarrückgang müsse auf die Auswirkungen des EBM 96 zurückzuführen sein und c) die Möglichkeit der Betriebskostenreduzierung in der Praxis müssten erschöpft sein. Nach Nr.4 der Anlage 4 zum HVM obliege es dem Arzt, die Betriebskosten seiner Praxis zur Prüfung der Voraussetzungen nach Anlage 4 Nr.2c HVM darzulegen und durch hierzu geeignete Unterlagen nachzuweisen. Nach Nr.6 Satz 2 der Anlage 4 zum HVM regele der Vorstand das Nähere, insbesondere zum Verfahren, einschließlich der Zuständigkeit für die Entscheidung. Der Vorstand habe festgelegt, dass die Praxis die Höhe ihrer für das Veranlagungsjahr 1995 geltend gemachten Praxiskosten/Betriebsausgaben in Form einer Einnahmenüberschussrechnung nachzuweisen habe, die vom Finanzamt oder Steuerberater zu bestätigen sei. Weitere Voraussetzung für eine Ausgleichszahlung sei, dass Sicherstellungsgründe dies erforderten. Diese lägen aber nur dann vor, wenn die Praxis in ihrer Existenz gefährdet sei und Patienten (vorübergehend) nicht mehr (von ihrem Arzt) betreut werden könnten. Auch aus dieser Erwägung heraus rechtfertige sich die vom Vorstand begründete Pflicht zur Vorlage der Einnahmenüberschussregelung einschließlich der Einnahmen durch Privatpatienten, denn ohne diese Angaben könne die für einen Härtefall erforderliche existenzielle Gefährdung der Praxis nicht nachgewiesen werden. Darüber hinaus handle es sich bei der Härtefallregelung nach Anlage 4 zum HVM um eine Ermessensvorschrift. Die Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen bedeute somit noch nicht, dass der einzelne Arzt einen Anspruch auf Härtefallzahlung habe, sondern lediglich, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen der Vorstand sein Ermessen auszuüben habe. Im Rahmen seiner Ermessensausübung müsse der Vorstand Kriterien festlegen, die Grenzen für Honorarausgleichszahlungen setzten. Diese Grenze könne nur die wirtschaftliche Bedürftigkeit des antragstellenden Arztes sein, zu deren Beurteilung die wirtschaftliche Gesamtsituation - also einschließlich der Privateinnahmen - erforderlich sei. Sei der antragstellende Arzt nicht bereit, diese Einnahmen offen zu legen, könne er nicht erwarten, zu Lasten der übrigen Vertragsärzte zusätzliche Honorarzahlungen zu erhalten. Es müsse von ihm erwartet werden, seine wirtschaftliche Notsituation entsprechend zu belegen. Da im vorliegenden Fall eine Einnahmenüberschussrechnung weder im Rahmen des Antrags- noch im Widerspruchsverfahren beigebracht worden sei, müssten die Widersprüche mangels Nachprüfbarkeit der Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung gemäß Nr.2 Punkt c der Anlage 4 zum HVM bzw. mangels Feststellbarkeit der Voraussetzungen nach Nr.1 der Anlage 4 zum HVM (Sicherstellungsgründe) zurückgewiesen werden.

Gegen die am 13. Oktober 1997 mit Einschreiben zur Post gegebenen Widerspruchsbescheide ließ der Kläger am 12. November 1997 Klagen zum Sozialgericht München erheben (Az.: S 32 Ka 1524/97; S 32 Ka 1661/97). Zu deren Begründung trugen die Bevollmächtigten im Wesentlichen Folgendes vor: Der Kläger, der als Radiologe nur auf Überweisung hin tätig sei, habe 1996 nicht die Möglichkeit gehabt, den fallenden Punktwert durch Leistungsausweitungen aufzufangen und seine Einkommenssituation so auf dem Niveau von 1995 zu halten. Dies habe, wie bei der Mehrzahl der radiologischen Praxen, zu erheblichen Rentabilitätsproblemen geführt, die ohne stützendes Eingreifen dazu führen könnten, dass die notwendige medizinische Versorgung nicht mehr zur Verfügung stehe. Am 9. Juli 1996 sei deshalb von den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung eine Bundesempfehlung erlassen worden, nach der die einzelnen KVen geeignete Maßnahmen zur Stützung der von Umsatzeinbußen betroffenen radiologischen Praxen zu treffen hätten. Ziel dieser Regelung sollte es sein, die erbrachten Leistungen kostendeckend zu vergüten. Durch Beschluss der Vertreterversammlung vom 20. Juli 1996 sei von der KV Bayern die Härtefallregelung zum EBM 96 beschlossen worden, die rückwirkend zum 1. Januar 1996 in Kraft getreten sei. Die notwendigen Voraussetzungen für die Gewährung der Honorarausgleichszahlungen lägen beim Kläger sowohl im 1. als auch im 3. Quartal 1996 vor. Er habe im 1. Quartal 1996 gegenüber dem Vorjahresquartal einen Honorarrückgang von ca. 35 % und im 3. Quartal 1996 um ca. 17 % gehabt. Der Rückgang an Honorarzahlungen sei nicht auf einen Rückgang der Tätigkeit des Klägers zurückzuführen, denn die Fallzahlen seien im 1. Quartal 1996 im Vergleich zum Vorjahresquartal um 3,5 % nur unwesentlich gesunken; im 3. Quartal 1996 seien sie im Vergleich zum Vorjahresquartal gestiegen. Der Kläger habe auch versucht, mit verschiedenen Maßnahmen der Betriebskostensenkung zu reagieren. So habe er im Jahre 1996 eine Arzthelferin sowie eine weitere Mitarbeiterin entlassen müssen. Aufgrund der Tatsache, dass die für Betrieb und Wartung der notwendigen medizinischen Gerätschaften nötigen Fixkosten, die den größten Teil der Betriebskosten ausmachten, einer Reduzierung nicht zugänglich seien, und auch die Abschreibung der Geräte als feste Größe in die Praxisausgaben für die GKV einfließen müsse, seien die Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung ausgeschöpft. Die Honorarentwicklung in den Quartalen 1/96 und 3/96 könne als ruinös für den Kläger bezeichnet werden. In beiden Quartalen sei aufgrund der enormen Abschreibungswerte und regelmäßigen Unterhaltskosten eine Unterdeckung zu verzeichnen; bestenfalls habe kostendeckend gearbeitet werden können. Der Kläger sei darauf angewiesen, dass auch der GKV-Bereich Gewinne abwerfe. Andernfalls sei die Versorgung der GKV-Patienten gefährdet, so dass deren Sicherstellung eine Honorarausgleichszahlung bedinge. Der Kläger habe seiner Widerspruchsbegründung ein vom Berufsverband der deutschen Radiologen und Nuklearmediziner e.V. entworfenes Übersichtsformular beigefügt, das die Praxiseinnahmen und Praxisausgaben betreffend die Behandlung von GKV-Patienten detailliert aufschlüssle und die Ermittlung der für das Vorliegen der Härtefallregelung geforderten Voraussetzungen ermögliche. Die Ansicht der Beklagten, dass der Antrag nur bearbeitet werden könne, wenn eine vom Finanzamt oder einem Steuerberater bestätigte Einnahmeüberschussrechnung vorgelegt werde, die Nachweise über die gesamten Einkünfte aus ärztlicher Tätigkeit enthalte, sei nicht vertretbar. Denn würde man bei der Frage, ob die Tätigkeit des Arztes durch den Honorarverteilungsmaßstab noch im ausreichenden Maße entlohnt werde, auch die Honorare aus der Behandlung der privatversicherten Patienten berücksichtigen, würde dies der tatsächlichen Situation nicht gerecht werden. Die gesetzlichen Krankenversicherer könnten es sich leisten, die Vertragsärzte unzumutbar schlecht bzw. nicht kostendeckend zu zahlen und damit ihr eigenes Budget zu schonen, da sie bei der Beurteilung der Angemessenheit ihrer Honorarverteilung von der aufwandsgerechten Honorarerstattung durch die privaten Krankenversicherer profitieren würden. Die Existenzgefährdung einer Praxis, die sowohl GKV-Patienten als auch Privatpatienten behandle, würde erst sehr viel später eintreten als bei einer Praxis, die auf GKV-Patienten angewiesen sei. Damit würden die Betreiber erstgenannter Praxen unangemessen benachteiligt. Bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen der Anlage 4 zum HVM seien deshalb lediglich die Zahlen aus der Behandlung der GKV-Patienten zugrunde zu legen.

In der mündlichen Verhandlung am 22. April 1998 verband das Sozialgericht die beiden Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung.

Der Bevollmächtigte des Klägers wiederholte die schriftsätzlich gestellten Anträge. Diese lauteten:
1. Die Bescheide der Beklagten vom 20. November 1996 und 25. April 1997 in Form der Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 22. September 1997 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, auf den Kläger die Härtefallregelung EBM 96 gemäß Anlage 4 zum HVM anzuwenden und entsprechende Honorarausgleichszahlungen für die Quartale 1/96 und 3/96 zu erbringen. Hilfsweise beantragte er, die Berufung zuzulassen.

Die Beklagte beantragte,

die Klagen abzuweisen.

Sie verwies in ihren Klageerwiderungen vom 6. Februar 1998 auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden.

Mit Urteil vom 22. April 1998 wies das Sozialgericht die Klagen ab. Diese Entscheidung stützte es im Wesentlichen auf folgende Erwägungen: Die Entscheidungen der Beklagten begegneten keine Bedenken, da der Kläger die von der Beklagten zu Recht geforderten Unterlagen nicht vorgelegt habe. Im Rahmen eines Härteausgleichs könne die Beklagte gemäß der Anlage 4 zum HVM auf die Bedürftigkeit des Arztes abstellen und hierbei auch Einnahmen aus privatärztlicher Tätigkeit berücksichtigen. Da der Kläger insoweit Unterlagen nicht vorgelegt habe, hätte die Beklagte den Antrag ablehnen dürfen. Im Übrigen stützte sich die Kammer gemäß § 136 Abs.3 SGG auf die Gründe der Widerspruchsbescheide.

Gegen das am 17. Juli 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. August 1998 Berufung einlegen lassen. Zu deren Begründung wird auf das bisherige Vorbringen Bezug genommen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. April 1998 sowie die Bescheide der Beklagten vom 20. Dezember 1996 und vom 25. April 1997 in der Form der Widerspruchsbescheide vom 22. September 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über die Anträge des Klägers auf Gewährung einer Honorarausgleichszahlung für die Quartale 1/96 und 3/96 erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden. Hilfsweise beantragt er, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zur Begründung nimmt sie auf die Ausführungen in den Widerspruchsbescheiden Bezug.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakten (Honorarausgleichszahlung 1/96 und 3/96), die Klageakten (Az.: S 32 Ka 1524/97 und S 32 Ka 1661/97) sowie die Berufungsakte (Az.: L 12 KA 102/98) vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Die Bescheide der Beklagten vom 20. Dezember 1996 und 25. April 1997 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 22. September 1997 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat deshalb im Ergebnis zu Recht die kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen, die im Berufungsverfahren weiter verfolgt werden, abgewiesen.

Nach Nr.1 Satz 1 der am 20. Juli 1996 mit Rückwirkung ab 1. Januar 1996 beschlossenen Anlage 4 ("Härtefallregelung EBM 96") des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) der Beklagten (vgl. Bayerischer Staatsanzeiger 1996 Nr.31 S.5) kann der Vorstand einem zugelassenen Arzt für Quartale des Jahres 1996 eine Honorarausgleichszahlung zuerkennen, wenn die auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) für ärztliche Leistungen in der jeweils geltenden Fassung vorzunehmende Honorarverteilung nach den Anlagen 1 und 2 zu einer unbilligen Härte führt und Gründe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dies erfordern. Nach Nr.2 der Anlage 4 liegt eine unbillige Härte vor, wenn a) das Gesamthonorar des Arztes in einem Quartal des Jahres 1996 sein Gesamthonorar im entsprechenden Vorjahresquartal 1995 um mehr als 15 % unterschreitet, b) dieser Honorarrückgang auf die Auswirkungen des EBM 96 zurückzuführen ist und c) die Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung in dieser Praxis erschöpft sind. Nach Nr.4 der Anlage 4 obliegt es dem Arzt, die Betriebskosten seiner Praxis zur Prüfung der Voraussetzungen nach Nr.2c darzulegen und durch hierzu geeignete Unterlagen nachzuweisen. Gemäß Nr.5 der Anlage 4 kann die Honorarausgleichszahlung bis zur Höhe der Differenz zwischen dem für das antragsgegenständliche Quartal nach den Anlagen 1 und 2 anerkannten Honorar und dem entsprechenden Honorar des Arztes im jeweiligen Vorjahresquartal 1995 zuerkannt werden. Nach Nr.6 Satz 1 der Anlage 4 wird die Honorarausgleichszahlung auf Antrag gewährt. Das Nähere, insbesondere zum Verfahren einschließlich der Zuständigkeit für die Entscheidung, regelt der Vorstand der KVB (Nr.6 Satz 2). Gemäß Nr.7 der Anlage 4 werden Mehrbeträge, die für Honorarausgleichszahlungen erforderlich sind, dem Honorarausgleichsfonds der KVB entnommen.

Die Anlage 4 zum HVM beruht auf einer hinreichenden normativen Grundlage. Nach § 85 Abs.4 SGB V verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütung unter die Kassenärzte (Satz 1). Sie wendet dabei den im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen festzusetzenden Honorarverteilungsmaßstab an (Satz 2), der den Rechtscharakter einer Satzung hat und deshalb von der Vertreterversammlung beschlossen wird (zur Abgrenzung der Befugnisse vom Vertreterversammlung und Vorstand im Rahmen der Honorarverteilung: BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.28 S.209 f.; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.32 S.245 f.). Bei der Normierung des HVM hat die Vertreterversammlung wie jeder Normgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Dem Gesetz lässt sich nicht unmittelbar entnehmen, welche Regelungen eine Kassenärztliche Vereinigung über die für die Honorarverteilung im engeren Sinne erforderlichen Bestimmungen hinaus in ihrem HVM treffen kann (hier also über die Regelungen der Anlage 1 und 2 des ab 1. Januar 1996 geltenden HVM der Beklagten hinaus; zur Anlage 1 und 2: Bayerischer Staatsanzeiger 1995 Nr.51/52 S.22; geändert: Bayerischer Staatsanzeiger 1996 Nr.13 S.4; zur Vergütung radiologischer Leistungen mit dem für die übrigen Leistungen geltenden einheitlichen Punktwert: BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.30). Die höchstrichterliche Rechtsprechung geht davon aus, dass die Kassenärztliche Vereinigung angesichts des weiten Gestaltungsspielraums im HVM alle Sachverhalte regeln kann, die mit der Honorarverteilung im Zusammenhang stehen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr.32 S.246; dazu auch: Clemens, MedR 2000, 17, 23). Dazu gehört auch die Regelung von Härtefällen für atypische Fallkonstellationen, die u.U. sogar von Verfassungs wegen geboten sein kann (Art.3 Abs.1 GG i.V.m. Art.12 Abs.1 GG; vgl. dazu: BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.27 S.197 f.; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.28 S.210 f.; BSG, Urteil vom 28. April 1999, Az.: B 6 KA 63/98 R, SGb 1999, 403; dazu auch: Clemens, a.a.O., S.19 f.).Um eine solche Härtefallregelung handelt es sich, wie sich schon aus der Überschrift "Härtefallregelung EBM 96" ergibt, bei der Anlage 4 zum HVM. Deren Sinn und Zweck liegt darin, individuelle Härten infolge der Neufassung der EBM zum 1. Januar 1996 auszugleichen. Eine Honorarausgleichszahlung, deren Gewährung nach Nr.1 Satz 1 sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen des Vorstands der Beklagten steht ("kann"), soll im Falle einer unbilligen Härte diejenigen zugelassenen Ärzte begünstigen, deren Praxis zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung weiterhin für notwendig erachtet wird (Nr.1 Satz 1: "Gründe der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung dies erfordern"). Eine unbillige Härte wird angenommen, wenn ein ins Gewicht fallender, kausal auf die Neufassung des EBM 96 zurückzuführender Honorarrückgang vorliegt, der ohne Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.3 Abs.1 GG eine Bevorzugung (Privileg) gegenüber den anderen Vertragsärzten rechtfertigt. Als Berufsausübungsregelung ist die Anlage 4 zum HVM durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls ("Sicherstellung der Versorgung") gerechtfertigt und entspricht als solche auch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe, ist auch für diejenigen, die durch diese Regelung nicht begünstigt werden, die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt (vgl. etwa BVerfGE 81, 156 (188 f.); 94, 372 (390); BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.22 S.136).

Nach Auffassung des Senats ist es rechtlich nicht zu beanstanden, wenn der Vorstand der Beklagten in Auslegung und Anwendung der vorgenannten verfassungskonformen Bestimmungen der Anlage 4 zum HVM verlangt, dass die Antragstellunger - wie der Kläger - eine vom Finanzamt oder dem Steuerberater bestätigte Einnahmeüberschussrechnung für das Jahr 1995 (ersatzweise 1994) vorzulegen haben, die die gesamten Einkünfte aus der ärztlichen Tätigkeit enthält. Die Beklagte hat gemäß § 20 SGB X alle Tatsachen zu ermitteln, die für ihre Entscheidung wesentlich, d.h. entscheidungserheblich sind (vgl. von Wulffen in Schroeder-Printzen u.a., SGB X, 3. Auflage, § 20 Rdnr.4; KassKomm-Krasney, § 20 SGB X Rdnr.5; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Auflage, § 24 Rdnr.16). Sie bedient sich dabei gemäß § 21 Abs.1 Satz 1 SGB X der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Gemäß § 21 Abs.2 Satz 1 und 2 SGB X sollen die Beteiligten bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken, insbesondere sollen sie ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, besteht gemäß § 21 Abs.2 Satz 3 SGB X nur, soweit dies durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist. Die Beteiligten trifft demnach eine Mitwirkungslast, eine Obliegenheit zur Mitwirkung, deren Nichterfüllung bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden kann. Der Grund für diese verfahrensrechtliche Last liegt in der Annahme, dass derjenige, der - wie hier - etwas für ihn Günstiges erreichen will, in aller Regel alles ihm Bekannte vortragen wird, um das von ihm Gewünschte zu erreichen. Dies gilt vor allem für Umstände, die in seine Sphäre und in seinen Erkenntnisbereich fallen. Die Mitwirkungslast besteht allerdings nur innerhalb besonderer Grenzen. Die Last wird inhaltlich begrenzt durch die Sphäre und den Erkenntnisbereich des Beteiligten. Die Erfüllung der Last muss zudem für den Beteiligten zumutbar und verhältnismäßig sein (vgl. von Wulffen, a.a.O., § 21 Rdnr.11; KassKomm-Krasney, a.a.O., § 21 Rdnr.9; Stelkens, a.a.O., § 26 Rdnr.30 ff.). Dies ist hier der Fall.

Sowohl die Voraussetzungen für die Ermessensentscheidung über die Ausgleichszahlung gemäß Anlage 4 zum HVM der Beklagten wie auch die Ermessensentscheidung selbst können nur bei Kenntnis auch der privaten Honorareinnahmen des Klägers sachgerecht geklärt bzw. getroffen werden. Die Ermessensentscheidung der Beklagten setzt zum einen das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne der Nr.1 Satz 1 i.V.m. der Nr.2 der Anlage 4 zum HVM voraus. Das Vorliegen einer unbilligen Härte hängt u.a. davon ab, dass die Möglichkeiten der Betriebskostenreduzierung in der Praxis des Klägers erschöpft sind. Soweit der Kläger zur Prüfung dieser Voraussetzungen gemäß der Anlage 4 zum HVM die Betriebskosten seiner Praxis darzulegen und durch hierzu geeignete Unterlagen nachzuweisen hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte hierzu die Darlegung bzw. den Nachweis auch der privaten Honorareinnahmen verlangt. Es wird dabei nicht verkannt, dass die Beklagte insoweit den Begriff der Betriebskosten, der grundsätzlich den Begriff der Betriebsausgaben im Sinne von § 4 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entspricht, sehr weit auslegt und dabei nicht eine einseitige Betrachtungsweise nur der Ausgabenseite, sondern eine relative Betrachtungsweise im Sinne eines Teilaspekts der Einkünfte zugrunde legt. Unabhängig davon ist die Vorlage der Einnahmenüberschussrechnung aber auch für die weiter vorausgesetzte Prüfung, ob Sicherstellungsgründe eine Honorarausgleichszahlung erfordern, notwendig. Auch hier ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte von Sicherungsstellungsgründen im Sinne der Nr.1 der Anlage 4 zum HVM nur dann ausgeht, wenn die Praxis in der Existenz gefährdet und damit Patienten vorübergehend nicht mehr von ihrem Arzt betreut werden können. Die Beurteilung einer Existenzgefährdung kann nur auf der Grundlage der Kenntnis auch der privaten Honorareinnahmen erfolgen. Aber auch die im Anschluss an die Feststellung des Vorliegens sowohl einer unbilligen Härte als auch von Sicherstellungsgründen im Sinne der Nr.1 der Anlage 4 notwendige Ermessensausübung kann nur in Kenntnis auch der privaten Honorareinnahmen des Klägers erfolgen. Denn der Vorstand der Beklagten hat für die Ausübung des Ermessens im Sinne einer an Art.3 Abs.1 GG orientierten gleichförmigen Verwaltungspraxis (Selbstbindung) bestimmte Kriterien festgelegt und dabei als maßgebliches Kriterium für die Ermessensausübung die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Antrag stellenden Arztes vorgegeben.

Die Vorlage einer vom Finanzamt bzw. vom Steuerberater bestätigten Einnahmeüberschussrechnung ist dem Kläger auch zumutbar. Das Verlangen der Beklagten steht im Zusammenhang mit einer Vergütungsregelung und greift damit in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit des Art.12 Abs.1 GG ein. Im Bereich von Berufsausübungsregelungen hat der Normgeber einen weiten Gestaltungsspielraum. Beeinträchtigungen der Berufsausübungsfreiheit sind dann nicht zu beanstanden, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des erfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird (vgl. etwa BVerfGE 81, 156 (188 f.); 94, 372 (390); BSG SozR 3-2500 § 85 Nr.22 S.136). Diesen Anforderungen wird die Anlage 4 zum HVM auch in der Auslegung und Anwendung der Beklagten gerecht. Die mit der Pflicht zur Vorlage von Unterlagen über die privaten Honorareinnahmen verbundene Grundrechtsbeeinträchtigung ist gering. Der Antragsteller wird, wenn er die erforderlichen Unterlagen nicht vorlegt, von der Gewährung einer Leistung ausgeschlossen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, sondern deren Gewährung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen der Beklagten steht. Das gewählte Mittel (Vorlagelast) ist zur Erreichung des verfolgten Zwecks (Prüfung der Voraussetzungen für die Ermessensausübung sowie die Festlegung der Kriterien für eine gleichförmige Ermessensausübung) geeignet und erforderlich und belastet die Ärzte, die eine Honorarausgleichszahlung begehren, nicht übermäßig.

Der Kläger ist dem entscheidungserheblichen und zumutbaren Vorlageverlangen der Beklagten nur unzureichend nachgekommen. Er hat lediglich ein Formular vorgelegt, das die Betriebskosten seiner Praxis für 1994 und 1995 enthält, die im Rahmen der Behandlung von GKV-Patienten angefallen sind. Wie bereits ausgeführt, kann die Beklagte nicht ohne Kenntnis der privaten Honorareinnahmen feststellen, ob die Voraussetzungen für eine Honorarausgleichszahlung gemäß der Anlage 4 zum HVM vorliegen (unbillige Härte und Notwendigkeit einer Ausgleichszahlung aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung). Außerdem kann die Beklagte ohne die Kenntnis dieser in der Sphäre des Klägers liegenden Umstände im Rahmen der Ermessensausübung nicht beurteilen, ob im Sinne einer gleichförmigen Verwaltungspraxis (Selbstbindung gemäß Art.3 Abs.1 GG) die dafür festgelegten Kriterien erfüllt sind, insbesondere, ob der Kläger wirtschaftlich bedürftig ist. Die Beklagte hat es deshalb mit den angefochtenen Bescheiden zu Recht abgelehnt, dem Kläger eine Honorarausgleichszahlung für das 1. und 3. Quartal 1996 zuzuerkennen.

Aus diesen Gründen ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 22. April 1998 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1 und Abs.4 Satz 2 SGG i.d.F. des Gesundheitsstrukturgesetzes und beruht auf der Erwägung, dass die Beklagte im Berufungsverfahren obsiegt hat.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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