L 3 R 169/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 9 RA 373/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 169/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Dezember 2008 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind für das gesamte gerichtliche Verfahren erster und zweiter Instanz nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Der 1955 geborene Kläger absolvierte eine Ausbildung an der Staatlichen Ballettschule B, die er mit 17 Jahren am 28. Juni 1972 mit dem Abschluss "Bühnentänzer" beendete. Anschließend arbeitete er vom 01. August 1972 bis zum 31. Juli 1976 als Tänzer am Nationaltheater in W und vom 01. August 1976 bis zum 31. Juli 1983 als Gruppentänzer an der D Staatsoper in B. Bereits während seiner Zeit als Tänzer in W hatte er Probleme mit den Kniegelenken, was u. a. zu Kniegelenkspunktionen führte. Ab dem 01. August 1983 war er als Tänzer (Solo mit Gruppe) am M-Theater in B beschäftigt. Ab dem 05. Mai 1986 wurde er wegen anhaltender Kniegelenksprobleme nur noch auf einem Schonarbeitsplatz (als Schließer) eingesetzt. Am 14. September 1986 endete sein Engagement als Tänzer am M-Theater. Unter dem 27. März 1986 empfahl die Arbeitshygieneinspektion des Magistrats von B der BGL die bei dem Kläger bestehende Chondropathie beider Kniegelenke ab März 1985 mit einem Körperschaden von 20% als Berufskrankheit (BK) nach Ziffer 71 der Liste zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von BKen anzuerkennen. Dem lag ein Erstgutachten vom 21. Februar 1986 zugrunde. In der Folge gewährte der FDGB dem Kläger mit Bescheid vom 16. Mai 1986 ab dem 01. März 1985 eine Unfallrente nach einem Körperschaden von 20%. Diese Rente wird bis heute von der Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution (BGHW) weiter geleistet (Nachgutachten vom 22. Mai 1996 und 05. Oktober 2001). Vom 15. September 1986 bis zum 31. Dezember 1991 bezog der Kläger darüber hinaus eine berufsbezogene Zuwendung nach der Anordnung über die Gewährung einer berufsbezogenen Zuwendung an Ballettmitglieder in staatlichen Einrichtungen der DDR vom 01. Juli 1983.

Nach seiner Tätigkeit als Tänzer arbeitete der Kläger zunächst ab dem 15. September 1986 als leitender Mitarbeiter Veranstaltungsorganisation bei der Kulturdirektion B (bis zum 31. Oktober 1986), dann als Hausmeister bei der Krippenvereinigung B (vom 01. November 1986 bis zum 08. August 1988). Anschließend arbeitete er auf Honorarba-sis u. a. als Kleindarsteller bei der DEFA. Im Jahr 1990 wurde er arbeitslos. Kurzzeitig nahm er im November 1990 an einer ABM-Maßnahme als Sportlehrer teil. Vom 04. Dezember 1990 bis zum 28. Februar 1991 absolvierte er eine Umschulung zum Industriekaufmann, die er jedoch abbrach. Ab dem 01. März 1991 bis zum 31. Mai 1994 war er als Vorarbeiter (so die Angabe gegenüber der BG am 03. April 1992) oder
Personalleiter/Disponent in einer Glas- und Gebäudereinigungsfirma – Firma F B Hausservice – beschäftigt. Zum 01. Juni 1995 machte er sich als Immobilienmakler für Einfamilienhäuser und Baugrundstücke auf Provisionsbasis selbständig, wobei er über eine Zulassung nach § 34c Gewerbeordnung (GewO) verfügte und zunächst in
Bürogemeinschaft mit der Firma F Immobilien arbeitete. 1997 gründete er sein eigenes Büro und verließ die Firma F Immobilien. Die Tätigkeit als Immobilienmakler gab er zum 31. Oktober 2001 aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf. Seither übt er nach Aktenlage keine berufliche Tätigkeit mehr aus.

Am 23. November 2000 beantragte der Kläger die Zuerkennung einer Berufsunfähig-keitsrente unter Verweis darauf, dass er seit 1986 seinen erlernten Beruf als Balletttänzer nicht mehr ausüben könne. Im Rahmen ihrer Ermittlungen veranlasste die Beklagte u. a. eine Untersuchung und Begutachtung des Klägers durch den Orthopäden F. In dem Gutachten vom 05. April 2001 (Untersuchung des Klägers am 12. März 2001) gelangte dieser zu der Auffassung, der Kläger könne aufgrund einer Chondropathia patellae beidseits mit wiederkehrenden Reizzuständen, einer anteromedialen Instabilität links, einer leichten Bewegungseinschränkung des linken oberen Sprunggelenks bei beginnenden Verschleißerscheinungen sowie eines rezidivierenden Lumbalsyndroms seit 1986 nicht mehr als Bühnentänzer arbeiten, sei jedoch in dem zuletzt ausgeübten Beruf als Makler vollschichtig einsetzbar. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er körperlich leichte Arbeiten ohne Zwangshaltungen sowie ohne Tätigkeiten, die mit häufigem Knien oder Bücken verbunden seien, vollschichtig
verrichten. Tätigkeiten auf Gerüsten und Leitern seien nicht möglich. Das gelegentliche Tragen von mittelschweren Gegenständen bis 10 kg sei zumutbar. Mit Bescheid vom 08. Mai 2001 lehnte die Beklagte sodann die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit sowie von Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung ab. Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass der Kläger derzeit die für den Anspruch auf eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfülle, da er in der Zeit vom 23. November 1995 bis zum 22. November 2000 keine rentenrechtlich relevanten Zeiten zurückgelegt habe. Auf den Widerspruch des Klägers veranlasste die Beklagte eine Stellungnahme durch den berufskundlichen Berater V vom 24. August 2001. Mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2001 wies die Beklagte den Widerspruch schließlich zurück und führte zur Begründung aus, zwar könne der Kläger nicht mehr als Bühnentänzer arbeiten. Auch habe er diesen Beruf aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen. Er sei jedoch für die ehemals von ihm ausgeübte Tätigkeit als Personalleiter sowie für die derzeitige Tätigkeit als Immobilienmakler vollschichtig leistungsfähig, eine Rente wegen
Erwerbsminderung stehe ihm deshalb nicht zu.

Hiergegen hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt (Oder) (SG) erhoben. Er sei aufgrund seines sechsjährigen Studiums an der Staatlichen Ballettschule B nach dem Mehrstufenschema des Bundessozialgerichts (BSG) als Angestellter mit einer Tätigkeit, die ein abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hoch- oder Fachhochschule voraussetze, einzuordnen. Er hat u. a. einen Vermerk des M-Theaters über die Einschätzung der gehaltlichen Entwicklung des Klägers sowie den Anstellungsvertrag des Klägers vom 01. September 1992 über die Beschäftigung als Personalleiter/Disponent bei der Firma F B ab dem 01. September 1992 vorgelegt.

Die Beklagte hat unter Vorlage eines Versicherungsverlaufs vom 03. Dezember 2002 darauf hingewiesen, dass der letzte Pflichtbeitrag des Klägers im Mai 1995 entrichtet worden sei. Bei einem fiktiven Leistungsfall spätestens am 30. Juni 1997 seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen teilweiser bzw. voller Erwerbsminderung bzw. wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit noch erfüllt. Der Kläger habe eine Fachschulausbildung als Bühnentänzer absolviert. Ein Fachhochschul- oder Hochschulabschluss liege nicht vor. Daraus resultiere der qualifizierte Berufsschutz eines mehr als zweijährig (meist dreijährig) Ausgebildeten, der innerhalb des von der Rechtsprechung des BSG geschaffenen Mehrstufenschemas eine Verweisung auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ausschließe. Der Kläger müsse sich nur verweisen lassen auf Tätigkeiten, für die ebenfalls eine mindestens dreijährige Ausbildung erforderlich sei und auf Tätigkeiten mit einer Ausbildung oder Anlernung von drei Monaten bis zu zwei Jahren (sog. angelernte Tätigkeiten). Aufgrund seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Personaldisponent/selbständiger Immobilienmakler und des verbliebenen Restleistungsvermögens sei der Kläger noch in der Lage, eine Tätigkeit als Personalleiter z. B. in einer Hausverwaltungsfirma auszu-üben. Darüber hinaus könne er im Rahmen der Prüfung der sozialen Zumutbarkeit z. B. auf Tätigkeiten verwiesen werden, die mit der Vergütungsgruppe VIII BAT bzw. Entgeltgruppe 3 TVöD in Behörden oder mit Gehaltsgruppe 2 im Einzel- und/oder Großhandel bewertet würden. Konkret zu benennen seien die Tätigkeiten eines Tele-fonisten oder an einem Empfang oder an einer Information z. B. in einer öffentlichen Verwaltung.

Das SG hat ermittelt durch Beiziehung der Akten der Großhandels- und Lagerei - BG (jetzt: BGHW) sowie der Leistungsakte des Arbeitsamtes S. Darüber hinaus hat das SG den Entlassungsbericht der C vom 14. Dezember 2001 (stationärer Aufenthalt vom 31. Oktober 2001 bis zum 01. Dezember 2001 wegen bipolarer affektiver Störung, gegenwärtig depressive Episode) und die Sozialversicherungsausweise (SVA) des Klägers beigezogen. Des Weiteren hat es Ausdrucke aus der Datenbank BERUFENET vom 31. Oktober 2006 zum Berufsbild "Immobilienmakler/in" sowie vom 04. September 2008 zum Berufsbild "Tänzer/in – klassisch (schulische Ausbildung)" in den Rechtsstreit eingeführt.

Schließlich hat das SG ein berufskundliches Gutachten von dem Berater für Rehabilitanden und Schwerbehinderte Menschen W vom 29. November 2007 eingeholt. Darin ist dieser zum Ergebnis gelangt, der Kläger habe sein höchstes Qualifizierungsniveau als Bühnentänzer erreicht. Hier verfüge er über einen Fachschulabschluss. Für die Berufsausübung als Immobilienmakler bedürfe es keiner Ausbildung. Der Zugang werde jedoch durch Aus- und Fortbildungen wie Immobilienkaufmann, Betriebwirt für Grundstücks- und Wohnungswesen oder Kaufmann der Grundstücks- und
Wohnungswirtschaft erleichtert. Benötigt werde in jedem Fall eine Berufszulassung gemäß § 34c Gewerbeordnung (GewO). Bei der Tätigkeit des Immobilienmaklers handele es sich ausgehend von den auszuübenden Tätigkeiten sowie den als Zugang dienlichen Berufen um eine besonders hoch qualifizierte Tätigkeit. Bei Aufnahme der Tätigkeit als Immobilienmakler habe der Kläger angesichts der von ihm vorher ausgeübten Tätigkeiten nicht über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen können, um die Tätigkeit als Immobilienmakler erfolgreich ausüben zu können. Die vom Kläger bei der Firma B ausgeübte Tätigkeit als Personalleiter/Disponent befinde sich auf dem Qualifikationsniveau eines hoch qualifizierten Facharbeiters. Nach den vorliegenden Unterlagen sei der Kläger in der Lage, bei klein- und mittelständigen Unternehmen als Personalleiter/Disponent zu arbeiten. Eine Einarbeitungszeit mit entsprechender Qualifizierung müsse auf mindestens ein Jahr veranschlagt werden. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 09. April 2008 hat Herr W präzisiert, dass der Kläger trotz seiner mehrjährigen Berufserfahrung als Personalleiter/Disponent ohne weitere Qualifizierung im Bereich Personalwesen/Personalmanagement auf dem freien Arbeitsmarkt nicht unter Wettbewerbsbedingungen beschäftigt werden könne. Es fehle ihm an einer berufsspezifischen Ausbildung. In einer weiteren Stellungnahme vom 17. Juni 2008 hat er ausgeführt, aufgrund der vorliegenden Arbeitsbiografie des Klägers und den bekannten körperlichen und psychischen Leistungsvoraussetzungen sei der Kläger in der Lage, als Telefonist oder Mitarbeiter am Empfang/Rezeption/Information auszuüben. Es handele sich um Anlerntätigkeiten, die in einer dreimonatigen Einarbeitungsphase erlernbar seien. In einer folgenden ergänzenden Stellungnahme vom 06. Oktober 2008 hat Herr W dargelegt, die Ausbildung des Klägers als Bühnentänzer habe nach einer vierjährigen Studienzeit mit einem Diplom -FH geendet. Da er über einen Studienabschluss verfüge und länger als die Regelzeit für eine Facharbeiterausbildung ein Studium absolviert habe, sei der Abschluss und die dann ausgeübte langjäh-rige Tätigkeit als Bühnentänzer auf das Niveau über dem des besonders qualifizierten Facharbeiters nach dem Mehrstufenschema einzuordnen. Das Qualifikationsniveau des Telefonisten liege weit unter dem eines Bühnentänzers.

Die Beklagte hat daraufhin die Verweisungstätigkeit als Telefonist nicht aufrechterhalten. Da die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmalig am 30. Juni 1997 erfüllt gewesen seien, seien auch die damaligen beruflichen Umstände des Klägers zu berücksichtigen. Die von 1991 bis 1995 ausgeübte Tätigkeit als Personalleiter und Disponent sei ihm damals sozial und gesundheitlich zumutbar gewesen, da sie im Mehrstufenschema mindestens der Gruppe der Angelernten mit einer längeren als zweijährigen Ausbildungszeit zuzuordnen sei. Vom Zeitpunkt der Beendigung der Tä-tigkeit als Personalleiter/Disponent bis zur letztmaligen Erfüllung der versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen am 30. Juni 1997 seien 18 Monate vergangen. Rückblickend betrachtet hätte der Kläger zur Tätigkeit als Personalleiter zurückkehren können. Im Übrigen habe der Kläger selber angegeben, eine zweijährige Einarbeitung bzw. praktische Ausbildung bei der Firma F Immobilien durchlaufen zu haben, so dass er sich fachlich auf dem Niveau eines angehenden bzw. ausgebildeten Kaufmanns für Grundstücks- und Wohnungswirtschaft (neu: Immobilienkaufmann) befunden habe. Es sei unbeachtlich, dass der Kläger zum spätesten Leistungsfall am 30. Juni 1997 selb-ständig tätig gewesen sei, denn eine Verweisung sei auch auf eine selbständige Tätigkeit möglich, wenn – wie hier – der Versicherte in der selbständigen Tätigkeit eine sichere Existenzgrundlage gefunden habe und die schon seit längerer Zeit in nen-nenswertem Umfang und mit wirtschaftlichem Erfolg betriebene selbständige Tätigkeit im eigenen Unternehmen nur fortzusetzen brauche.

Das SG hat die Beklagte durch Urteil vom 16. Dezember 2008 verurteilt, dem Kläger ab dem 01. November 2000 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren. Auszugehen sei von dem vom Kläger erlernten und aus gesundheitlichen Gründen im April 1986 aufgegebenen Beruf als Bühnentänzer. Diese Tätigkeit sei nach dem Mehrstufenschema der Stufe der besonders hoch qualifizierten Angestellten zuzuordnen, denn er habe eine Ausbildung an einer staatlich anerkannten Fachschule absolviert, die nach einer vierjährigen Studienzeit mit dem Staatsexamen abgeschlossen worden sei. Die Ausbildung habe damit länger als eine dreijährige Ausbildung zum Fachangestellten gedauert. Zumutbare Verweisungstätigkeiten lägen nicht vor. Die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten als Personalleiter und Immobilienmakler könne der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wegen fehlender berufsqualifizierender Abschlüsse nicht wettbewerbsfähig verrichten. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen sei nicht der Zeitpunkt der Rentenantragstellung, sondern das Vorliegen des Leistungsfalls. Der Leistungsfall sei hier bereits im April 1986 eingetreten, so dass die versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen erfüllt seien. Dass der Kläger tatsächlich im Zeitraum von 1991 bis 2001 als Personalleiter und Immobilienmakler tätig gewesen sei, sei für eine Verneinung des Berufschutzes als Bühnentänzer nicht ausreichend, da er diese Tätigkeiten nicht wettbewerbsfähig habe verrichten können. In den Jahren 1995 bis 1997 hätten im Übrigen die Verdienste des Klägers aus seiner Tätigkeit als Immobilienmakler laut den von ihm vorgelegten Steuerbescheiden unter dem von dem
Sachverständigen W veranschlagten Jahresdurchschnittseinkommen eines angestellten Immobilienmaklers i. H. v. 26.460,00 Euro gelegen. Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der Fassung vom 31. Dezember 2000 sei die Rente ab dem 01. November 2000 zu leisten.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der diese die Auffassung vertritt, bei der Beantwortung der Frage der Qualität der Ausbildung zum Bühnentänzer sowie des Berufes an sich sei auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des Leistungsfalls abzustellen. Die Staatliche Ballettschule B habe im Jahr 1986 "nur" eine Fachschulausbildung in den Bereichen Bühnentanz und Akrobatik angeboten. Bei der Ausbildung zum Bühnentänzer an der Staatlichen Ballettschule B habe es sich um eine allgemeinbildende und parallel stattfindende berufsqualifizierende schulische Ausbildung gehandelt. Die Staatliche Ballettschule B bestehe heute aus einer Grund-schule mit den Klassenstufen 5 und 6, einer Realschule mit den Klassenstufen 7 und 8, einer Berufsfachschule mit den Klassenstufen 11 und 12 sowie einem beruflichen Gymnasium mit den Klassen 11 bis 13. Im Zeitraum der Ausbildung des Klägers habe die reguläre Dauer der tänzerischen Ausbildung sieben Jahre betragen und mit der erfolgreich absolvierten 12. Klasse geendet, so dass die Ausbildung mit der 6. Klasse habe begonnen werden können. Als allgemeinbildender Schulabschluss sei das Abschlusszeugnis der 10. Klasse der Polytechnischen Oberschule (POS) – heute ent-sprechend mittlerer Bildungsabschluss bzw. Realschulabschluss – erlangt worden. Der berufsqualifizierende Abschluss Bühnentanz habe in einem Fachschulabschluss bestanden. Die Absolventen der Schule hätten darüber hinaus nicht über die Aner-kennung der Fachhochschulreife oder gar der allgemeinen Hochschulreife (Abitur) verfügt. Die formalrechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme eines
Hochschulstudiengangs oder auch eines Fachhochschulstudiengangs seien für Absolventen der Berufsfachschule Bühnentanz oder Artistik nicht erfüllt. Die Bildungseinrichtung der Fachschulen habe es in der DDR für verschiedene Berufsgruppen, insbesondere für den technischen und ökonomischen Bereich, aber auch für die Agrarwirtschaft, gegeben. Der Besuch dieser Fachschulen/Ingenieurschulen habe den Abschluss der 10. Klasse und eine abgeschlossene Berufsausbildung/Facharbeiterabschluss in einer artverwandten Fachrichtung vorausgesetzt. Der Abschluss einer solchen Fachschule/Ingenieurschule habe außerdem durch Erlangen der Hochschulreife die Möglichkeit eröffnet, das Studium an einer Universität aufzunehmen. Von diesen Grundsätzen hinsichtlich Eingangsvoraussetzung und Qualifikation für ein Hochschulstudium sei die frühere Ausbildung zum Bühnentänzer abgewichen. Auch der Kläger hätte aufgrund seines Schulbesuchs und des erworbenen Abschlusses als Bühnentänzer zum damaligen Zeitpunkt kein Hochschul- oder Fachhochschulstudium aufnehmen können. Der Kläger habe die Staatliche Ballettschule von 1966 bis 1972, d. h. von seinem 11. bis zu seinem 17. Lebensjahr besucht. Innerhalb dieses Zeitraumes habe er auch die allgemeine Schulpflicht von 10 Jahren erfüllen müssen. Zur Ausbildung im Bühnentanz hätte, wenn sie Fachhochschul- oder Hochschulniveau hätte erreichen sollen, auch die Vermittlung entsprechender wissenschaftlicher und theoretischer Kenntnisse und Befähigungen gehören müssen. Es erscheine nicht einleuchtend, dass dies im Rah-men der 11. und 12. Klasse in einem vergleichbaren Umfang zu erreichen gewesen wäre. Der Abschluss als Bühnentänzer habe vielmehr einen ersten berufsqualifizierenden Bildungsabschluss nach dem Abschluss der 10. Klasse der POS dargestellt. Eine Gleichstellung des Abschlusses Bühnentänzer mit einem Fachhochschulab-schluss durch die in Berlin zuständige Senatsverwaltung habe es nicht gegeben. Dem Kläger werde unter Zugrundelegung des erreichten Schulabschlusses (mittlere Reife) und der danach erreichten beruflichen Qualifikation (Berufsfachschulabschluss als Bühnentänzer) der Berufsschutz der Stufe 3 des Mehrstufenschemas – Angestellte mit einer längeren als zweijährigen (regelmäßig dreijährigen) Ausbildung – zugebilligt. Es gebe entgegen den Aussagen des berufskundlichen Sachverständigen W keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als spezifisch qualifizierter Angestellter der Gruppe 4 oder als Angestellter mit abgeschlossenem Hochschul- oder Fachhoch-schulstudium der Gruppe 5 des Mehrstufenschemas zu beurteilen sei. Ausgehend von der Stufe 3 des Mehrstufenschemas und den Erfahrungen des Klägers im Umgang mit Kunden, in der Erledigung von Büroarbeiten, im Umgang mit Personal und auch im Einsatz in den Bereichen Hausservice und Hausmeisterdienste sei er zumutbar verweisbar auf eine Tätigkeit als Künstlervermittler in entsprechenden
Künstleragenturen. Unter Berücksichtigung aller Leistungseinschränkungen sei der Kläger darüber hinaus verweisbar auf eine Tätigkeit als Mitarbeiter in der Registratur z. B. im
öffentlichen Dienst nach Entgeltgruppe 3 TVöD (früher Vergütungsgruppe VIII BAT). Die Beklagte legt u. a. einen Ausdruck aus der Datenbank BERUFENET vom 17. Februar 2009 zu dem Berufsbild "Künstlervermittler/in (nicht bei der Agentur für Arbeit)",
Kopien eines berufkundlichen Gutachtens der Frau Y. B vom 21. August 2007, eine Auskunft der Staatlichen Ballettschule B vom 06. November 2009, einen Aufsatz von Hans-Martin Barthold "Schul- und Berufsausbildung in der DDR", Telefonvermerke vom 01. September 2010 über ein Gespräch mit der Staatlichen Ballettschule Berlin sowie vom 02. September 2010 über ein Gespräch mit der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin, den Vordruck für eine Gleichstellungsbescheinigung sowie den Beschluss der Kultusminister und –senatoren vom 10./11. Oktober 1991 zur Gleichwertigkeit von DDR-Bildungsabschlüssen vor.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. Dezember 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Die von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeiten eines Künstlervermittlers sowie eines Registrators seien nicht zumutbar. Die Ausführungen der Beklagten zur qualitativen Bewertung seiner Tätigkeit als Bühnentänzer hielten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, denn der Sachverständige W habe in seiner ausführlichen Stellungnahme vom 06. Oktober 2008 hervorgehoben, dass der Abschluss als Bühnentänzer über dem eines qualifizierten Facharbeiters stehe.

Der Senat hat eine Auskunft der Staatlichen Ballettschule B und Schule für Artistik vom 14. Juli 2010 eingeholt, nach der die Schule im Jahr 1972 nicht mit dem Abitur habe abgeschlossen werden können. Der Fachschulabschluss, der damals die höchst mögliche Qualifizierung an der Schule dargestellt habe, werde inzwischen von der Senatsverwaltung Berlin einem Fachhochschulabschluss gleichgestellt. Darüber hin-aus hat der Senat die Akte des Sozialgerichts Berlin zum Aktenzeichen S 7 An 4295/92 beigezogen sowie einen Ausdruck aus der Datenbank BERUFENET zum Berufsbild "Künstlervermittler/in (nicht bei der Agentur für Arbeit)" vom 13. Mai 2011 in den Rechtsstreit eingeführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akten der BGHW (Gz: ), die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts, eine Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht zu.

Der ab 01. November 2000 geltend gemachte Rentenanspruch richtet sich nach §§ 43, 44 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung.

Danach sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung oder gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 2 SGB VI).

Des Weiteren ist erforderlich, dass die Versicherten in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) entrichtet und vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI).

Zwar sind zum Zeitpunkt der Antragstellung im Januar 2000 die so genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen insofern nicht mehr erfüllt, als zu diesem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre keine ausreichende Anzahl an Pflichtbeiträgen im Versicherungsverlauf nachgewiesen ist. Allerdings wird vom Kläger der Eintritt der Berufsunfähigkeit bereits im April 1986 geltend gemacht und auch das SG ist von diesem Zeitpunkt ausgegangen. Geht man von April 1986 als maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts der Berufsunfähigkeit aus, ist die erforderliche Anzahl von 36 Kalender-monaten an Pflichtbeiträgen zweifelsohne gegeben, so dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen bezogen auf diesen Zeitpunkt erfüllt sind. Die allgemeine War-tezeit von fünf Jahren (§ 43 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) ist ebenfalls erfüllt.

Nach Auswertung des im Verwaltungsverfahren erstellten Sachverständigengutachtens des Orthopäden F vom 05. April 2001 sowie der im Zuge des BK- Verfahrens erstellten Gutachten des Arbeitsmediziners Dr. L und des Orthopäden Dr. Z vom 21. Februar 1986, des Dr. L und der Arbeitsmedizinerin Dr. C vom 13. Juni 1990 sowie des Orthopäden Dr. J vom 22. Mai 1996 und 05. Oktober 2001, ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger weder erwerbsunfähig noch berufsunfähig ist.

Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen steht fest, dass der Kläger spätestens seit Januar 1986 (Datum der Erstbegutachtung im Rahmen des BK- Verfahrens) an Gesundheitsstörungen des Stütz- und Bewegungsapparates in Form von Chondropathien beider Kniegelenken mit wiederkehrenden Arthritiden beider Kniege-lenke sowie wiederkehrenden Lumboischialgien bei Osteochondrose der Lendenwirbelsäule (LWS) leidet. Diese Leiden schränken das Leistungsvermögen des Klägers qualitativ ein.

Nach der überzeugenden Bewertung aller involvierten ärztlichen Sachverständigen ist der Kläger unter Berücksichtigung der langjährig bekannten Gesundheitsstörungen nur noch in der Lage, täglich regelmäßig körperlich leichte Arbeiten im Wechsel der Körperhaltungen ohne Zwangshaltungen sowie ohne häufiges Knien, Hocken, Bücken oder Springen vollschichtig zu verrichten. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sind nicht mehr zumutbar. Das gelegentliche Tragen von Lasten bis zu 10 kg ist möglich.

Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen kann der Kläger - was unter den Beteiligten nicht streitig ist - eine Tätigkeit als Bühnentänzer, wie er sie erlernt und bis April 1986 ausgeübt hat, nicht mehr verrichten. Er kann – zur Überzeugung des Senats – jedoch zumindest die von der Beklagten im Berufungsverfahren benannten und ihm sozial zumutbaren Tätigkeiten als Künstlervermittler in einer Künstleragentur sowie Mitarbeiter in einer Registratur z. B. im öffentlichen Dienst noch vollschichtig verrichten.

Ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit steht dem Versicherten nicht schon dann zu, wenn er seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann. Hinzukommen muss vielmehr, dass für den Versicherten auch keine sozial zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinne des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI mehr vor-handen ist, die er mit dem ihm verbliebenen Leistungsvermögen noch ausführen kann. Die soziale Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit richtet sich dabei nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs. Zwecks Vornahme dieser Bewertung hat die höchstrichterliche Rechtsprechung das so genannte Mehrstufenschema entwickelt; dieses Schema untergliedert die Angestelltenberufe in verschiedene Berufsgruppen. Diese Berufsgruppen werden durch die Leitberufe

• des Angestellten mit hoher beruflicher Qualifikation, die regelmäßig eine akademische oder vergleichbare Qualifikation voraussetzt, und mit einem Bruttoarbeitsentgelt oberhalb, an oder in der Nähe unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze, • des Angestellten mit Tätigkeiten, die ein abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule bzw. Fachhochschule voraussetzen, • des Angestellten mit Vorgesetztenfunktion bzw. spezifisch qualifizierte Angestellte, • des Angestellten mit einer längeren als zweijährigen (regelmäßig dreijährigen) Ausbildung, • des angelernten Angestellten (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) a) mit einer Anlernzeit von mehr als 12 Monaten bis zu zwei Jahren (sog. Ange-lernter des oberen Bereichs) b) mit einer Anlernzeit von mindestens drei Monaten bis zu 12 Monaten (sog. Angelernter des unteren Bereichs) und • des Angestellten ohne Ausbildung bzw. mit einer Anlernzeit von weniger als 3 Monaten charakterisiert.

Die Einordnung eines bestimmten Berufs in dieses Mehrstufenschema erfolgt dabei nicht ausschließlich nach der Dauer der absolvierten förmlichen Berufsausbildung. Ausschlaggebend ist vielmehr die Qualität der verrichteten Arbeit, d. h. der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit im Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung sowie des bisherigen Berufs, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (Bundessozialgericht (BSG) in SozR 4-2600 § 43 Nr. 1 Randnrn. 6-7 m. w. N.).

Ausgangspunkt für die Einstufung in das Mehrstufenschema ist nach der ständigen Rechtsprechung des BSG der bisherige Beruf, den die Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit, von der auch bei nur kurzfristiger Ausübung auszugehen ist, wenn sie zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben gewesen ist oder der Arbeitnehmer sich von einer früher ausgeübten höherwertigen Tätigkeit gelöst hat (BSG in SozR 2200 § 1246 Nrn. 126, 130, 164).

Der Kläger hat den Beruf des Bühnentänzers im Rahmen einer schulischen Ausbildung an der Staatlichen Ballettschule Berlin von 1966 bis zum 28. Juni 1972 erlernt und langjährig bis zum 04. Mai 1986 (bis zur Versetzung auf den Schonarbeitsplatz als Schließer) in Form eines Gruppentänzers (so die Eintragung im SVA durch die Deutsche Staatsoper Berlin) bzw. zuletzt als Tänzer Solo mit Gruppe (so die Eintragung im SVA durch das M-Theater) ausgeübt. Daran schlossen sich versicherungspflichtige Beschäftigungen als Mitarbeiter Veranstaltungsorganisation bei der Kulturdirektion Berlin, Hausmeister, Personalleiter/Disponent sowie selbständige,
versicherungsfreie Tätigkeiten als Kleindarsteller und zuletzt als Immobilienmakler an. Der Beruf als Bühnentänzer ist der einzige Ausbildungsberuf, den der Kläger erfolgreich erlernt hat. Diesen Beruf hat der Kläger – wie sich aus den Unterlagen der BGHW ergibt – aus gesundheitlichen Gründen aufgeben müssen, weshalb er trotz der langjährigen Nichtausübung und der anschließenden Ausübung anderer beruflicher Tätigkeiten der im Rahmen der Beurteilung nach dem Mehrstufenschema maßgebliche Beruf ist.

Entgegen der Auffassung des SG sowie des Klägers handelt es sich bei diesem Beruf nicht um eine Tätigkeit, die ein abgeschlossenes Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule bzw. Fachhochschule voraussetzte. Vielmehr ist der Beruf des Klägers in der von ihm erlernten und ausgeübten Form höchstens auf der Stufe eines Fach-Angestellten (Angestellte mit einer längeren als zweijährigen (regelmäßig dreijährigen) Ausbildung) einzuordnen. Dies ergibt sich bereits aus der Betrachtung des zeitlichen Ablaufs der Ausbildung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Regelungslage in der DDR. Der Kläger ist im August 1955 geboren. In der DDR bestand seit dem Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik vom 02. Dezember 1959 ab dem 7. Lebensjahr eine zehnklassige allgemeine Schulpflicht, der im Regelfall durch Besuch der POS nachgekommen wurde (§§ 1 Abs. 1, 8 Abs. 2 des Gesetzes über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik sowie § 8 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem vom 25. Februar 1965). Daraus folgt, dass der Kläger entweder zum Schuljahr 1961/1962 oder zum Schuljahr 1962/1963 in die 1. Klasse einer POS eingeschult worden sein dürfte. Laut Eintrag im SVA besuchte er seit dem Jahr 1966 (d. h. dem Schuljahr 1966/1967 und damit der 5. oder der 6. Klasse) die Staatliche Ballettschule B, die er dann zum Abschluss des Schuljahres 1971/1972 – dem 10. oder 11. Schuljahr – am 28. Juni 1972 abschloss. Daraus wird ersichtlich, dass der Kläger durch den Besuch der Staatlichen Ballettschule gerade einmal seiner zehnjährigen Schulpflicht bzw. der zehnjährigen Schulpflicht zzgl. eines weiteren Schuljahres nachgekommen ist. Er hat – wie auch die Auskünfte der Staatlichen Ballettschule vom 14. Juli 2010 und 01. September 2010 bestätigen – kein Abitur gemacht, das in der DDR auf schulischem Wege regelmäßig nach 12 Schuljahren absolviert wurde (vgl. § 21 Abs. 2 des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem). Auch wenn die Staatliche Ballettschule zu den so
genannten Fachschulen gehörte (vgl. §§ 41 ff des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem; Liste der Fachschulen der DDR auf S. 602 ff (604) des Ökonomischen Lexikons der DDR Band I, 3. Aufl. 1978, Verlag Die Wirtschaft), hat der Kläger keinen Fachschulabschluss aufzuweisen, der den Maßgaben der §§ 41 ff des Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem entspricht, denn das Studium an einer Ingenieur- oder Fachschule bzw. künstlerischen Fachschule schloss sich an den Abschluss der zehnjährigen POS und/oder eine abgeschlossene Berufsausbildung in einem artverwandten Beruf an (vgl. §§ 45 Abs. 2, 50 Abs. 3 des Ge-setzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem; Hans-Martin Barthold, "Schul- und Berufsausbildung in der DDR", in ibv Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Bundesanstalt für Arbeit - Nr. 50 vom 13. Dezember 1989 S. 2359 ff, S. 2367). Der Kläger verfügt auch nicht über einen Abschluss, der dem Ab-schluss an einer bundesdeutschen Fachhochschule gleichzusetzen wäre. Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Abschluss als Bühnentänzer auch nicht mit einem Fachhochschulabschluss gleichgestellt worden ist (vgl. die von der Beklagten vorgelegte Gesprächsnotiz vom 02. September 2010 sowie den Beschluss der Kultusminister- und –senatoren vom 10./11. Oktober 1991 zur Gleichwertigkeit von DDR-Bildungsabschlüssen in ibv - Informationen für die Beratungs- und Vermittlungsdienste der Bundesanstalt für Arbeit - Nr. 49 vom 04. Dezember 1991 S. 2371). Der Kläger kann daher höchstens als Fach-Angestellter eingestuft werden unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Berufsausbildung zum Bühnentänzer in die allgemeine Schulpflicht integriert und er nach Abschluss der Ausbildung insgesamt 14 Jahre als Bühnentänzer beschäftigt war. Eine höhere Einstufung kommt auch unter Be-rücksichtigung der während seines Berufslebens erworbenen Qualifikationen nicht in Betracht, denn er war bis zuletzt im Wesentlichen Gruppentänzer. Laut SVA-Eintragung des M-Theaters war er Tänzer Solo mit Gruppe, d. h. er war weder Solotänzer im eigentlichen Sinne noch Erster Tänzer oder gar Ballettmeister.

Als Fach-Angestellter ist der Kläger auf Tätigkeiten seiner Stufe sowie auf alle Tätigkeiten der Anlernebene mit einer Anlernzeit oder Ausbildungszeit von drei bis zu 24 Monaten verweisbar. Ausgehend von seinem Status als Fach-Angestellter und dem zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung verbliebenen Leistungsvermögen ist der Kläger jedenfalls auf die Tätigkeit eines Mitarbeiters in einer Registratur z. B. im öffentlichen Dienst nach Entgeltgruppe 3 TVöD (früher Vergütungsgruppe VIII BAT) verweisbar. Die Verweisungstätigkeit ist laut dem von der Beklagten vorgelegten berufskundlichen Gutachten der Frau Y. B vom 21. August 2007 dem Bereich der Bürohilfskräfte zuzuordnen. Registraturkräfte arbeiten in kaufmännischen, verwaltungsbezogenen und technischen Bereichen in Behörden, Betrieben sowie sonstigen Organisationen und Einrichtungen. Die Aufgabe eines Mitarbeiters in der Registratur besteht u. a. im Ordnen, Auszeichnen, Bereitstellen, Aufbewahren und Aussondern von Schriftgut. Er registriert Vorgänge, leiht sie aus, ändert Aktenpläne, sucht Vorgänge, erledigt die Wiedervorlage, überwacht die Aktenvernichtung sowie die gesamten Termine, organisiert die Weitergabe von Schriftgut zur Archivierung und erledigt allgemeine Verwaltungsarbeiten. Es handelt sich um eine überwiegend leichte körperliche Arbeit, bei der auch ein Haltungswechsel möglich ist. Zum Transport von Akten werden Hilfsmittel wie Rollwagen eingesetzt. Häufiges Bücken, Knien, Hocken oder Springen sind nicht notwendig. Der Kläger ist im Übrigen nach den medizinischen Feststellungen jeden-falls zum Zeitpunkt der Antragstellung und davor auch in der Lage gewesen, gelegentlich Lasten bis zu 10 kg zu heben und zu tragen. Die Arbeit wird in geschlossenen Räumen und in Tagschicht, überwiegend ohne Publikumsverkehr verrichtet. Für eine Tätigkeit als Mitarbeiter in einer Registratur ist im Allgemeinen eine Ausbildung nicht notwendig, die Tätigkeit ist vielmehr der Anlernebene zuzuordnen, wie auch die Sachverständige B in ihrem Gutachten vom 21. August 2007 ausführt, und damit dem Kläger sozial zumutbar. Auch unter fachlichen Gesichtspunkten besteht eine Eignung des Klägers für diese Verweisungstätigkeit, da er aus seiner Tätigkeit als Personallei-ter/Disponent sowie seiner selbständigen Tätigkeit als Immobilienmakler über eine Vielzahl an verwertbaren Vorkenntnissen auf dem Gebiet der Büroführung verfügt und zur Überzeugung des Senats gegebenenfalls noch vorhandene Defizite in einer Ein-arbeitung binnen einer Drei-Monats-Frist ausgeglichen werden können. Der Kläger hat im Übrigen bis auf den Einwand, dass er seinen erlernten Beruf selber über dem eines Fach-Angestellten einstufe, keine weiteren Einwände gegen die Charakterisierung und Qualifizierung der Verweisungstätigkeit des Mitarbeiters in einer Registratur geäußert. Darüber hinaus dürfte der Kläger auch sozial zumutbar verweisbar sein auf die von der Beklagten benannte Tätigkeit als Künstlervermittler in einer Künstleragentur. Nach den von der Beklagten vorgelegten Nachweisen sowie dem vom Senat in den Rechtsstreit eingeführten Ausdruck aus der Datenbank BERUFENET handelt es sich ebenfalls um eine körperlich leichte Tätigkeit, die vorwiegend im Büro zu verrichten ist und keine Zwangshaltungen erfordert. Eine geregelte Ausbildung existiert nicht. Der Kläger verfügt über einschlägige Erfahrungen im künstlerischen Bereich durch seine berufliche Tätigkeit als Bühnentänzer, Mitarbeiter in der Veranstaltungsorganisation bei der Kulturdirektion Berlin sowie als Kleindarsteller bei der DEFA.

Nach alldem war der Berufung stattzugeben und das erstinstanzliche Urteil aufzuhe-ben sowie die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und berücksichtigt das Unterliegen des Klägers.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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