Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 AL 1017/05
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 60/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung der Klägerin, das an ihren ehemaligen Arbeitnehmer, den Zeugen S., gezahlte Arbeitslosengeld sowie die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom X.XXXXXXX 2004 bis 12. April 2005 in Höhe von insgesamt 9.438,05 EUR zu erstatten.
Der am X.XXXXXXX 1946 geborene Zeuge S. war ab 1. Dezember 1985 als Außendienstmitarbeiter bei der Klägerin beschäftigt. Seine Aufgabe bestand darin, Versicherungen und Bausparverträge für die Klägerin und die mit ihr durch Organisationsverträge verbundenen Gesellschaften zu vermitteln. Für geschäftlich zurückgelegte Kilometer sollte er Kilometerersatz und Tagegelder in einem in dem Vertrag näher bestimmten Umfang erhalten. Für Nebentätigkeiten bedurfte er nach den vertraglichen Bestimmungen einer Genehmigung.
Nachdem nach Ansicht der Klägerin erhebliche Schwächen bei Ausübung der Tätigkeit des Zeugen S. festgestellt wurden, wurde der Zeuge S. von der Klägerin zunächst angewiesen, jeweils Tages- und Wochenberichte zu erstellen. Schließlich beauftragte die Klägerin einen Detektiv, der den Zeugen S. am 10. Dezember 2001 von 7.30 Uhr bis 17.15 Uhr und am 11. Dezember 2001 von 8.00 Uhr bis 20.40 Uhr beobachtete. In dem hierzu gefertigten Protokoll des Detektivs wird u.a. angegeben, dass die Beobachtung jeweils vor dem Haus des Zeugen S. begonnen worden sei und dass dieser das Haus am 10. Dezember 2001 erst um 15.40 Uhr und am 11. Dezember 2001 erst um 14.35 Uhr verlassen habe. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Feststellungen des Detektivs wird auf dessen Protokolle (Bl. 130-133 der Verwaltungsakte der Beklagten) verwiesen. In seiner Abrechnung vom 31. Dezember 2001 gab der Zeuge S. für den 10. Dezember 2001 eine Reisezeit von 9.00 Uhr bis 21.50 Uhr und eine Fahrroute von B. nach F. und N. und zurück nach B. mit einer Fahrdistanz von 174 km an. Für den 11. Dezember 2001 wurde eine Reisezeit von 8.50 Uhr bis 20.50 Uhr und eine Fahrstrecke von B. nach Kassel zu einem nicht leserlichen Ort, dann weiter nach F. und zurück nach B. mit einer Distanz von 192 km angegeben. Daraufhin kündigte die Klägerin dem Zeugen S. am 8. Januar 2002 fristlos, nachdem sie ihm mit Schreiben vom 3. Januar 2002 mitgeteilt hatte, dass sich aus seiner Reisekostenabrechnung für den Monat Dezember 2001 der Verdacht ergebe, dass er falsche Angaben über seine Tätigkeiten und Reisewege gemacht habe. Hierzu hatte der Zeuge S. am 4. Januar 2002 erklärt, die Vorwürfe, die aus diesem Brief hervorgehen würden, seien leicht zu erklären. Er werde, sowie er seine Arbeit wieder aufgenommen habe, dieses mit der Klägerin ausführlich besprechen und dabei den Vorwurf restlos entkräften.
In dem sich anschließenden Arbeitsgerichtsprozess erklärte die Klägerin, der Zeuge S. habe den konkreten Verdacht nicht entkräftet, sich an zwei Tagen durch falsche Angaben über angebliche Tätigkeiten im Außendienst der Arbeitspflicht entzogen und sich durch unwahre Behauptungen über gefahrene Dienstkilometer einen erheblichen Vorteil verschafft zu haben. Aufgrund der am 2. Januar 2002 vorgelegten Reisekostenabrechnung sei der Verdacht entstanden, dass der Zeuge S. bei der Abrechnung des Kilometergeldes und des Tagesgeldes betrügen würde. Dieser bestritt im Arbeitsgerichtsprozess die Behauptungen im Einzelnen und bot hierfür Beweis an. Dabei legte er Bestätigungen verschiedener im Gastronomiebereich tätiger Personen – u.a. auch des Zeugen H. – vor, denen zufolge er zu Zeiten, zu denen er sich nach Angaben des Detektivs zu Hause aufgehalten haben sollte, diese Personen besucht habe. Er erklärte, dass er an den beiden Tagen, an denen die Beobachtung durch den Detektiv erfolgt sei, das Haus bereits vor dessen Eintreffen verlassen habe. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht endete am 28. Mai 2002 durch folgenden Vergleich:
"Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 25. Januar 2002 zum 30. September 2002 endet. Die Kündigung vom 8. Januar 2002 ist gegenstandslos. Die Beklagte hält die ursprünglich im Zusammenhang mit dieser Kündigung gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe nicht aufrecht."
Der Zeuge S. wurde unter Fortzahlung der arbeitsvertraglichen Vergütung bis zum 30. September 2002 von seiner Arbeitsleistung freigestellt. Die Klägerin verpflichtete sich, für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zu zahlen.
Der Zeuge S. bezog ab 1. Februar 2003 Arbeitslosengeld von der Beklagten. Mit Bescheid vom 6. Juni 2005 forderte die Beklagte von der Klägerin die Erstattung der für die Zeit vom X.XXXXXXX 2004 (Vollendung des 58. Lebensjahres) bis zum 12. April 2005 (Erschöpfung des Anspruchs) gezahlten Entgeltersatzleistungen sowie der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 9.438,05 EUR. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 147 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei die Klägerin verpflichtet, die gezahlten Leistungen zu erstatten. Umstände, die nach § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 3, 4 oder 5 SGB III den Nichteintritt der Erstattungspflicht rechtfertigen würden, seien nicht erkennbar.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, eine Erstattungspflicht bestehe nicht, weil der Befreiungstatbestand des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III erfüllt sei. Sie sei berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Durch das Verhalten des Zeugen S. sei das für die Fortsetzung der Zusammenarbeit bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung notwendige Vertrauen unheilbar zerstört worden. Der Vergleich vor dem Arbeitsgericht sei allein deshalb geschlossen worden, damit personelle Planungssicherheit eintrete.
Die gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2005 am 11. August 2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 23. August 2007 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig, insbesondere liege kein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III vor. Maßgebend sei insoweit der Maßstab des § 626 BGB. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung seien dabei die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Grundsätzlich könne ein Spesenbetrug einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Vorliegend wäre der Klägerin jedoch zuzumuten gewesen, im Gespräch mit dem Zeugen S. die Diskrepanz zwischen den Beobachtungen des Detektivs und den Reisekostenabrechnungen zu klären. Unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit des Zeugen und des Umstandes, dass zuvor offenbar nie ein Spesenbetrug zur Debatte gestanden habe, sei von einem verständigen Arbeitgeber zu erwarten, dass er in einem derartigen Fall nicht mit einer fristlosen Kündigung reagiere, sondern zunächst sorgfältig prüfe, ob der Verdacht begründet sei.
Mit der am 26. September 2007 gegen das ihr am 21. September 2007 zugestellte Urteil des Sozialgerichts eingelegten Berufung macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die von ihr ausgesprochene Kündigung als Verdachtskündigung wirksam gewesen sei. Der Zeuge S. habe den Vorwurf erst im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu entkräften versucht, nachdem die Klägerin ihre Information preisgegeben habe, auf die sich der Zeuge sodann in seinem Vortrag habe einrichten können. Das Sozialgericht hätte den Sachverhalt weiter von Amts wegen aufklären müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Hamburg vom 23. August 2007 sowie den Bescheid vom 6. Juni 2005 in der Gestalt des Wiederspruchbescheides vom 14. Juli 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2007 den Zeugen S. persönlich und im Einverständnis der Beteiligten den Zeugen H. telefonisch gehört. Der Zeuge H. hatte bereits zuvor mit Schreiben vom 6. März 2011 und 16. April 2011 eine schriftliche Aussage gemacht. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2011 und die genannten Schreiben des Zeugen H. verwiesen.
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vom 21. Oktober 2010 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Berichterstatter konnte im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senates entscheiden (§ 155 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die gegen den streitgegenständlichen Bescheid gerichtete Klage als unbegründet zurückgewiesen. Denn die Beklagte fordert mit diesem Bescheid zu Recht von der Klägerin die Erstattung von dem Zeugen S. gewährtem Arbeitslosengeld und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 9.438,05 EUR.
Rechtsgrundlage des Anspruchs der Beklagten ist nach § 434l Abs. 3 SGB III § 147a SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung (a.F.), da das Arbeitsverhältnis des Zeugen S. mit der Klägerin vor dem 26. September 2003 beendet war.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 147a Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F., nach denen der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate zu erstatten hat, ist erfüllt.
Es greift auch keiner der Ausschlusstatbestände des § 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F., wobei innerhalb der Aufzählung der 3. Alternative dieser Regelung nur die Nr. 5 in Betracht kommt. § 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. lautet daher, soweit hier von Bedeutung:
"Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist, der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt oder der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass (Nr. 5) er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen."
Das Beschäftigungsverhältnis des Zeugen S. mit der Klägerin endete trotz der vorherigen Freistellung (vgl. zu den Auswirkungen der Freistellung auf das Ende des Beschäftigungsverhältnisses BSG, Urt. v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 9) erst zum 30. September 2002 und damit nach der Vollendung des 56. Lebensjahres des Zeugen S ... Da auch nicht ersichtlich ist, dass der Zeuge S. die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 SGB III genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt hat, ist entscheidend, ob die Klägerin dargelegt und nachgewiesen hat, dass sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Dies ist der Klägerin nicht gelungen.
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass für die Prüfung dieses Merkmals allein entscheidend ist, ob der Kündigungsgrund objektiv gegeben war, wobei keine Bindung der Beklagten oder der Sozialgerichte an arbeitsgerichtliche Entscheidungen besteht (Munsche, in: Beck scher Online-Kommentar, SGB III, Stand: März 2011, § 147a Rn. 33). Der in Bezug auf das hier in Rede stehende Beschäftigungsverhältnis geschlossene arbeitsgerichtliche Vergleich hat daher für die hier zu beantwortende Frage keinerlei Bedeutung. Auch hat sich die Prüfung nicht nur auf das Vorliegen der von der Klägerin ausgesprochenen Verdachtskündigung zu beschränken.
Nach den von dem Gericht vorgenommenen Ermittlungen ist jedoch kein Grund ersichtlich, aus dem die Klägerin berechtigt gewesen wäre, dem Zeugen S. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Vorwürfe, die die Klägerin zum Anlass ihrer ursprünglichen Verdachtskündigung genommen hat, als auch hinsichtlich des zwischenzeitlich im Rahmen dieses Verfahren entstandenen Verdachts der Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit.
Das Sozialgericht hat in seiner Entscheidung zutreffend dargelegt, dass und unter welchen Voraussetzungen ein so genannter Spesenbetrug ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sein kann. Hierauf wird Bezug genommen. Unter Berücksichtigung dessen ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zu einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war.
Die Klägerin hat dem Zeugen S. mit Anhörung vom 3. Januar 2002 vorgeworfen, dass er falsche Angaben über seine Tätigkeit und Reisewege gemacht habe. Sie stützte sich dabei insbesondere auf die Erkenntnisse des Detektivs, der den Kläger am 10. und 11. Dezember 2001 beobachtet und festgestellt hatte, dass der Zeuge S. zu weiten Teilen der in der Abrechnung angegebenen Zeiten tatsächlich zu Hause gewesen sei.
Die Ermittlungen des Gerichtes haben jedoch ergeben, dass der Zeuge S. entgegen der Annahme des Detektivs an den Vormittagen des 10. und 11. Dezember 2001 nicht bei sich zu Hause, sondern in Ausübung seiner Tätigkeit für die Klägerin geschäftlich unterwegs war. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen H., der die von dem Zeugen S. bereits im arbeitsgerichtlichen Verfahren behaupteten Treffen in der Brauerei G. in M. am Vormittag des 10. und 11. Dezember 2001 ausdrücklich bestätigt hat. Eine erste Bestätigung erfolgte bereits in dem in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgelegtem Schreiben vom 16. Januar 2002 (vgl. Bl. 204 der Verwaltungsakte der Beklagten). Auf gerichtliche Nachfrage hat der Zeuge H. sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung telefonisch diese Angaben bestätigt und dabei den Inhalt der Treffen detailreich geschildert. Es gibt für das Gericht keinen Anlass, an dieser Aussage zu zweifeln. Denn zum einen ist es für das Gericht aufgrund der detaillierten Angaben des Zeugen H. fernliegend anzunehmen, dass diese erfunden sein könnten. Zum anderen ist nicht ersichtlich, warum der Zeuge H. an dieser Stelle zu Gunsten des Zeugen S. die Unwahrheit sagen sollte, wo er doch im Übrigen mit seiner schriftlichen Aussage zunächst den Verdacht einer nicht genehmigten Nebentätigkeit des Zeugen S. hervorgerufen hat. Auch die Feststellungen des Detektivs stehen dem nicht entgegen. Der Zeuge S. hat bereits im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass er an den beiden von dem Detektiv beobachteten Tagen das Haus bereits vor dessen Eintreffen verlassen hatte. Da dies nicht wiederlegt werden kann, sind die Feststellungen des Detektivs für die Vormittage des 10. und 11. Dezember 2001 unergiebig.
Entgegen dem zunächst durch die schriftliche Aussage des Zeugen H. entstandenen Verdacht, dass der Zeuge S. bei seinen Besuchen der Brauerei G. einer nicht genehmigten Nebentätigkeit nachgegangen sein könnte, hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2011 zur Überzeugung des Gerichtes ergeben, dass der Zeuge S. in Ausübung seiner Tätigkeit für die Klägerin die Brauerei G. besucht hat. Der Zeuge S. hat, mit der schriftlichen Aussage des Zeugen H. konfrontiert, in keiner Weise nervös oder emotional angespannt reagiert, wie dies bei einem "Ertappt-Sein" zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr hat er für das Gericht gut nachvollziehbar erläutert, dass er bei seinen Kontakten zu dem Zeugen H. im Interesse der Kundenpflege und im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin vermittelnd zwischen seinen Versicherungskunden und der Brauerei tätig geworden sei. Zudem habe er bei diesen Kontakten auch Informationen über neue mögliche Versicherungskunden erlangen können. Er habe hierfür von der Brauerei keinerlei Entlohnung erhalten. Der Zeuge H. hat in der telefonischen Befragung diese Angaben im Wesentlichen bestätigt. Insbesondere hat auch er angegeben, dass dem Zeugen S. von der Brauerei keinerlei Art von Entlohnung gezahlt worden sei. Es liegt damit für das Gericht keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, dass der Zeuge S. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin eine nicht genehmigte Nebentätigkeit ausgeübt haben könnte, die einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen könnte.
Das Gericht ist aufgrund dieser Erkenntnisse davon überzeugt, dass der Zeuge S. zu den Zeiten, zu denen er nach den Angaben des Detektivs zu Hause war, tatsächlich seiner Tätigkeit für die Klägerin nachgegangen ist. Damit bricht der im Rahmen der Verdachtskündigung von der Klägerin geäußerte Vorwurf weitestgehend in sich zusammen. Der Verdachtskündigung ist damit durch das Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen (vgl. zu der Berücksichtigung von Be- und Entlastungsvorbringen bei einer Verdachtskündigung BAG, Urteil vom 14. September 1994 – 2 AZR 164/94, BAGE 78, 18 und Urteil vom 10. Februar 2005 – 2 AZR 189/04, NZA 2005, 1056) die Grundlage entzogen.
Es verbleibt lediglich die Differenz zwischen der in der Reisekostenabrechnung angegebenen Fahrroute und der dabei zurückgelegten Fahrdistanz. Für beide Routen ergibt sich eine wesentlich geringere Fahrdistanz als angegeben. Auch dieser Umstand berechtigte die Klägerin jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer fristlosen Kündigung. Der Zeuge S. hat im arbeitsgerichtlichen Verfahren im Einzelnen angegeben, welche Strecke er tatsächlich an beiden Tagen gefahren ist. Dies habe er so auf dem Abrechnungsformular nicht darstellen können, da hierfür nicht ausreichend Platz gewesen sei. Er habe zuvor die Abrechnung immer auf diese Weise vorgenommen, ohne dass dies beanstandet worden sei. Das Gericht braucht diesbezüglich nicht zu entscheiden, inwieweit dieser Vortrag überzeugend ist. Denn vor dem Hintergrund, dass die Differenz zwischen der angegebenen Fahrroute und der Fahrdistanz offen erkennbar war, hätte hier zunächst die Klägerin den Kontakt zu dem Zeugen S. suchen müssen, um die offensichtliche Unstimmigkeit aufzuklären. Eine Berechtigung zu einer sofortigen fristlosen Kündigung kann aus diesem Sachverhalt nicht abgeleitet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Streitig ist die Verpflichtung der Klägerin, das an ihren ehemaligen Arbeitnehmer, den Zeugen S., gezahlte Arbeitslosengeld sowie die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom X.XXXXXXX 2004 bis 12. April 2005 in Höhe von insgesamt 9.438,05 EUR zu erstatten.
Der am X.XXXXXXX 1946 geborene Zeuge S. war ab 1. Dezember 1985 als Außendienstmitarbeiter bei der Klägerin beschäftigt. Seine Aufgabe bestand darin, Versicherungen und Bausparverträge für die Klägerin und die mit ihr durch Organisationsverträge verbundenen Gesellschaften zu vermitteln. Für geschäftlich zurückgelegte Kilometer sollte er Kilometerersatz und Tagegelder in einem in dem Vertrag näher bestimmten Umfang erhalten. Für Nebentätigkeiten bedurfte er nach den vertraglichen Bestimmungen einer Genehmigung.
Nachdem nach Ansicht der Klägerin erhebliche Schwächen bei Ausübung der Tätigkeit des Zeugen S. festgestellt wurden, wurde der Zeuge S. von der Klägerin zunächst angewiesen, jeweils Tages- und Wochenberichte zu erstellen. Schließlich beauftragte die Klägerin einen Detektiv, der den Zeugen S. am 10. Dezember 2001 von 7.30 Uhr bis 17.15 Uhr und am 11. Dezember 2001 von 8.00 Uhr bis 20.40 Uhr beobachtete. In dem hierzu gefertigten Protokoll des Detektivs wird u.a. angegeben, dass die Beobachtung jeweils vor dem Haus des Zeugen S. begonnen worden sei und dass dieser das Haus am 10. Dezember 2001 erst um 15.40 Uhr und am 11. Dezember 2001 erst um 14.35 Uhr verlassen habe. Bezüglich der weiteren Einzelheiten der Feststellungen des Detektivs wird auf dessen Protokolle (Bl. 130-133 der Verwaltungsakte der Beklagten) verwiesen. In seiner Abrechnung vom 31. Dezember 2001 gab der Zeuge S. für den 10. Dezember 2001 eine Reisezeit von 9.00 Uhr bis 21.50 Uhr und eine Fahrroute von B. nach F. und N. und zurück nach B. mit einer Fahrdistanz von 174 km an. Für den 11. Dezember 2001 wurde eine Reisezeit von 8.50 Uhr bis 20.50 Uhr und eine Fahrstrecke von B. nach Kassel zu einem nicht leserlichen Ort, dann weiter nach F. und zurück nach B. mit einer Distanz von 192 km angegeben. Daraufhin kündigte die Klägerin dem Zeugen S. am 8. Januar 2002 fristlos, nachdem sie ihm mit Schreiben vom 3. Januar 2002 mitgeteilt hatte, dass sich aus seiner Reisekostenabrechnung für den Monat Dezember 2001 der Verdacht ergebe, dass er falsche Angaben über seine Tätigkeiten und Reisewege gemacht habe. Hierzu hatte der Zeuge S. am 4. Januar 2002 erklärt, die Vorwürfe, die aus diesem Brief hervorgehen würden, seien leicht zu erklären. Er werde, sowie er seine Arbeit wieder aufgenommen habe, dieses mit der Klägerin ausführlich besprechen und dabei den Vorwurf restlos entkräften.
In dem sich anschließenden Arbeitsgerichtsprozess erklärte die Klägerin, der Zeuge S. habe den konkreten Verdacht nicht entkräftet, sich an zwei Tagen durch falsche Angaben über angebliche Tätigkeiten im Außendienst der Arbeitspflicht entzogen und sich durch unwahre Behauptungen über gefahrene Dienstkilometer einen erheblichen Vorteil verschafft zu haben. Aufgrund der am 2. Januar 2002 vorgelegten Reisekostenabrechnung sei der Verdacht entstanden, dass der Zeuge S. bei der Abrechnung des Kilometergeldes und des Tagesgeldes betrügen würde. Dieser bestritt im Arbeitsgerichtsprozess die Behauptungen im Einzelnen und bot hierfür Beweis an. Dabei legte er Bestätigungen verschiedener im Gastronomiebereich tätiger Personen – u.a. auch des Zeugen H. – vor, denen zufolge er zu Zeiten, zu denen er sich nach Angaben des Detektivs zu Hause aufgehalten haben sollte, diese Personen besucht habe. Er erklärte, dass er an den beiden Tagen, an denen die Beobachtung durch den Detektiv erfolgt sei, das Haus bereits vor dessen Eintreffen verlassen habe. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht endete am 28. Mai 2002 durch folgenden Vergleich:
"Die Parteien sind sich darüber einig, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 25. Januar 2002 zum 30. September 2002 endet. Die Kündigung vom 8. Januar 2002 ist gegenstandslos. Die Beklagte hält die ursprünglich im Zusammenhang mit dieser Kündigung gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe nicht aufrecht."
Der Zeuge S. wurde unter Fortzahlung der arbeitsvertraglichen Vergütung bis zum 30. September 2002 von seiner Arbeitsleistung freigestellt. Die Klägerin verpflichtete sich, für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung zu zahlen.
Der Zeuge S. bezog ab 1. Februar 2003 Arbeitslosengeld von der Beklagten. Mit Bescheid vom 6. Juni 2005 forderte die Beklagte von der Klägerin die Erstattung der für die Zeit vom X.XXXXXXX 2004 (Vollendung des 58. Lebensjahres) bis zum 12. April 2005 (Erschöpfung des Anspruchs) gezahlten Entgeltersatzleistungen sowie der Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 9.438,05 EUR. Zur Begründung führte sie aus, gemäß § 147 a Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sei die Klägerin verpflichtet, die gezahlten Leistungen zu erstatten. Umstände, die nach § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 3, 4 oder 5 SGB III den Nichteintritt der Erstattungspflicht rechtfertigen würden, seien nicht erkennbar.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Widerspruch ein mit der Begründung, eine Erstattungspflicht bestehe nicht, weil der Befreiungstatbestand des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III erfüllt sei. Sie sei berechtigt gewesen, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Durch das Verhalten des Zeugen S. sei das für die Fortsetzung der Zusammenarbeit bis zum Ablauf der Frist für eine ordentliche Kündigung notwendige Vertrauen unheilbar zerstört worden. Der Vergleich vor dem Arbeitsgericht sei allein deshalb geschlossen worden, damit personelle Planungssicherheit eintrete.
Die gegen den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 14. Juli 2005 am 11. August 2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 23. August 2007 abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig, insbesondere liege kein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung im Sinne des § 147 a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB III vor. Maßgebend sei insoweit der Maßstab des § 626 BGB. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung seien dabei die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und eine Abwägung der jeweiligen Interessen beider Vertragsteile erforderlich. Grundsätzlich könne ein Spesenbetrug einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen. Vorliegend wäre der Klägerin jedoch zuzumuten gewesen, im Gespräch mit dem Zeugen S. die Diskrepanz zwischen den Beobachtungen des Detektivs und den Reisekostenabrechnungen zu klären. Unter Berücksichtigung der langen Betriebszugehörigkeit des Zeugen und des Umstandes, dass zuvor offenbar nie ein Spesenbetrug zur Debatte gestanden habe, sei von einem verständigen Arbeitgeber zu erwarten, dass er in einem derartigen Fall nicht mit einer fristlosen Kündigung reagiere, sondern zunächst sorgfältig prüfe, ob der Verdacht begründet sei.
Mit der am 26. September 2007 gegen das ihr am 21. September 2007 zugestellte Urteil des Sozialgerichts eingelegten Berufung macht die Klägerin weiterhin geltend, dass die von ihr ausgesprochene Kündigung als Verdachtskündigung wirksam gewesen sei. Der Zeuge S. habe den Vorwurf erst im arbeitsgerichtlichen Verfahren zu entkräften versucht, nachdem die Klägerin ihre Information preisgegeben habe, auf die sich der Zeuge sodann in seinem Vortrag habe einrichten können. Das Sozialgericht hätte den Sachverhalt weiter von Amts wegen aufklären müssen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgericht Hamburg vom 23. August 2007 sowie den Bescheid vom 6. Juni 2005 in der Gestalt des Wiederspruchbescheides vom 14. Juli 2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2007 den Zeugen S. persönlich und im Einverständnis der Beteiligten den Zeugen H. telefonisch gehört. Der Zeuge H. hatte bereits zuvor mit Schreiben vom 6. März 2011 und 16. April 2011 eine schriftliche Aussage gemacht. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2011 und die genannten Schreiben des Zeugen H. verwiesen.
Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vom 21. Oktober 2010 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter einverstanden erklärt.
Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Berichterstatter konnte im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senates entscheiden (§ 155 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die gegen den streitgegenständlichen Bescheid gerichtete Klage als unbegründet zurückgewiesen. Denn die Beklagte fordert mit diesem Bescheid zu Recht von der Klägerin die Erstattung von dem Zeugen S. gewährtem Arbeitslosengeld und Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 9.438,05 EUR.
Rechtsgrundlage des Anspruchs der Beklagten ist nach § 434l Abs. 3 SGB III § 147a SGB III in der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Fassung (a.F.), da das Arbeitsverhältnis des Zeugen S. mit der Klägerin vor dem 26. September 2003 beendet war.
Die Anspruchsvoraussetzungen des § 147a Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F., nach denen der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 124 Abs. 1 die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 24 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat, der Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 24 Monate zu erstatten hat, ist erfüllt.
Es greift auch keiner der Ausschlusstatbestände des § 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F., wobei innerhalb der Aufzählung der 3. Alternative dieser Regelung nur die Nr. 5 in Betracht kommt. § 147a Abs. 1 Satz 2 SGB III a.F. lautet daher, soweit hier von Bedeutung:
"Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist, der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt oder der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass (Nr. 5) er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen."
Das Beschäftigungsverhältnis des Zeugen S. mit der Klägerin endete trotz der vorherigen Freistellung (vgl. zu den Auswirkungen der Freistellung auf das Ende des Beschäftigungsverhältnisses BSG, Urt. v. 24.9.2008 – B 12 KR 22/07 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 9) erst zum 30. September 2002 und damit nach der Vollendung des 56. Lebensjahres des Zeugen S ... Da auch nicht ersichtlich ist, dass der Zeuge S. die Voraussetzungen für eine der in § 142 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 SGB III genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt hat, ist entscheidend, ob die Klägerin dargelegt und nachgewiesen hat, dass sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen. Dies ist der Klägerin nicht gelungen.
Dabei ist zunächst festzuhalten, dass für die Prüfung dieses Merkmals allein entscheidend ist, ob der Kündigungsgrund objektiv gegeben war, wobei keine Bindung der Beklagten oder der Sozialgerichte an arbeitsgerichtliche Entscheidungen besteht (Munsche, in: Beck scher Online-Kommentar, SGB III, Stand: März 2011, § 147a Rn. 33). Der in Bezug auf das hier in Rede stehende Beschäftigungsverhältnis geschlossene arbeitsgerichtliche Vergleich hat daher für die hier zu beantwortende Frage keinerlei Bedeutung. Auch hat sich die Prüfung nicht nur auf das Vorliegen der von der Klägerin ausgesprochenen Verdachtskündigung zu beschränken.
Nach den von dem Gericht vorgenommenen Ermittlungen ist jedoch kein Grund ersichtlich, aus dem die Klägerin berechtigt gewesen wäre, dem Zeugen S. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Vorwürfe, die die Klägerin zum Anlass ihrer ursprünglichen Verdachtskündigung genommen hat, als auch hinsichtlich des zwischenzeitlich im Rahmen dieses Verfahren entstandenen Verdachts der Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit.
Das Sozialgericht hat in seiner Entscheidung zutreffend dargelegt, dass und unter welchen Voraussetzungen ein so genannter Spesenbetrug ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sein kann. Hierauf wird Bezug genommen. Unter Berücksichtigung dessen ist nicht erkennbar, dass die Klägerin zu einer fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund berechtigt war.
Die Klägerin hat dem Zeugen S. mit Anhörung vom 3. Januar 2002 vorgeworfen, dass er falsche Angaben über seine Tätigkeit und Reisewege gemacht habe. Sie stützte sich dabei insbesondere auf die Erkenntnisse des Detektivs, der den Kläger am 10. und 11. Dezember 2001 beobachtet und festgestellt hatte, dass der Zeuge S. zu weiten Teilen der in der Abrechnung angegebenen Zeiten tatsächlich zu Hause gewesen sei.
Die Ermittlungen des Gerichtes haben jedoch ergeben, dass der Zeuge S. entgegen der Annahme des Detektivs an den Vormittagen des 10. und 11. Dezember 2001 nicht bei sich zu Hause, sondern in Ausübung seiner Tätigkeit für die Klägerin geschäftlich unterwegs war. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen H., der die von dem Zeugen S. bereits im arbeitsgerichtlichen Verfahren behaupteten Treffen in der Brauerei G. in M. am Vormittag des 10. und 11. Dezember 2001 ausdrücklich bestätigt hat. Eine erste Bestätigung erfolgte bereits in dem in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgelegtem Schreiben vom 16. Januar 2002 (vgl. Bl. 204 der Verwaltungsakte der Beklagten). Auf gerichtliche Nachfrage hat der Zeuge H. sowohl schriftlich als auch in der mündlichen Verhandlung telefonisch diese Angaben bestätigt und dabei den Inhalt der Treffen detailreich geschildert. Es gibt für das Gericht keinen Anlass, an dieser Aussage zu zweifeln. Denn zum einen ist es für das Gericht aufgrund der detaillierten Angaben des Zeugen H. fernliegend anzunehmen, dass diese erfunden sein könnten. Zum anderen ist nicht ersichtlich, warum der Zeuge H. an dieser Stelle zu Gunsten des Zeugen S. die Unwahrheit sagen sollte, wo er doch im Übrigen mit seiner schriftlichen Aussage zunächst den Verdacht einer nicht genehmigten Nebentätigkeit des Zeugen S. hervorgerufen hat. Auch die Feststellungen des Detektivs stehen dem nicht entgegen. Der Zeuge S. hat bereits im arbeitsgerichtlichen Verfahren vorgetragen, dass er an den beiden von dem Detektiv beobachteten Tagen das Haus bereits vor dessen Eintreffen verlassen hatte. Da dies nicht wiederlegt werden kann, sind die Feststellungen des Detektivs für die Vormittage des 10. und 11. Dezember 2001 unergiebig.
Entgegen dem zunächst durch die schriftliche Aussage des Zeugen H. entstandenen Verdacht, dass der Zeuge S. bei seinen Besuchen der Brauerei G. einer nicht genehmigten Nebentätigkeit nachgegangen sein könnte, hat die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung vom 11. Mai 2011 zur Überzeugung des Gerichtes ergeben, dass der Zeuge S. in Ausübung seiner Tätigkeit für die Klägerin die Brauerei G. besucht hat. Der Zeuge S. hat, mit der schriftlichen Aussage des Zeugen H. konfrontiert, in keiner Weise nervös oder emotional angespannt reagiert, wie dies bei einem "Ertappt-Sein" zu erwarten gewesen wäre. Vielmehr hat er für das Gericht gut nachvollziehbar erläutert, dass er bei seinen Kontakten zu dem Zeugen H. im Interesse der Kundenpflege und im Rahmen seiner Tätigkeit für die Klägerin vermittelnd zwischen seinen Versicherungskunden und der Brauerei tätig geworden sei. Zudem habe er bei diesen Kontakten auch Informationen über neue mögliche Versicherungskunden erlangen können. Er habe hierfür von der Brauerei keinerlei Entlohnung erhalten. Der Zeuge H. hat in der telefonischen Befragung diese Angaben im Wesentlichen bestätigt. Insbesondere hat auch er angegeben, dass dem Zeugen S. von der Brauerei keinerlei Art von Entlohnung gezahlt worden sei. Es liegt damit für das Gericht keinerlei Anhaltspunkt dafür vor, dass der Zeuge S. neben seiner Tätigkeit für die Klägerin eine nicht genehmigte Nebentätigkeit ausgeübt haben könnte, die einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung darstellen könnte.
Das Gericht ist aufgrund dieser Erkenntnisse davon überzeugt, dass der Zeuge S. zu den Zeiten, zu denen er nach den Angaben des Detektivs zu Hause war, tatsächlich seiner Tätigkeit für die Klägerin nachgegangen ist. Damit bricht der im Rahmen der Verdachtskündigung von der Klägerin geäußerte Vorwurf weitestgehend in sich zusammen. Der Verdachtskündigung ist damit durch das Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen (vgl. zu der Berücksichtigung von Be- und Entlastungsvorbringen bei einer Verdachtskündigung BAG, Urteil vom 14. September 1994 – 2 AZR 164/94, BAGE 78, 18 und Urteil vom 10. Februar 2005 – 2 AZR 189/04, NZA 2005, 1056) die Grundlage entzogen.
Es verbleibt lediglich die Differenz zwischen der in der Reisekostenabrechnung angegebenen Fahrroute und der dabei zurückgelegten Fahrdistanz. Für beide Routen ergibt sich eine wesentlich geringere Fahrdistanz als angegeben. Auch dieser Umstand berechtigte die Klägerin jedoch nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer fristlosen Kündigung. Der Zeuge S. hat im arbeitsgerichtlichen Verfahren im Einzelnen angegeben, welche Strecke er tatsächlich an beiden Tagen gefahren ist. Dies habe er so auf dem Abrechnungsformular nicht darstellen können, da hierfür nicht ausreichend Platz gewesen sei. Er habe zuvor die Abrechnung immer auf diese Weise vorgenommen, ohne dass dies beanstandet worden sei. Das Gericht braucht diesbezüglich nicht zu entscheiden, inwieweit dieser Vortrag überzeugend ist. Denn vor dem Hintergrund, dass die Differenz zwischen der angegebenen Fahrroute und der Fahrdistanz offen erkennbar war, hätte hier zunächst die Klägerin den Kontakt zu dem Zeugen S. suchen müssen, um die offensichtliche Unstimmigkeit aufzuklären. Eine Berechtigung zu einer sofortigen fristlosen Kündigung kann aus diesem Sachverhalt nicht abgeleitet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
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