L 2 AL 40/08

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 AL 635/06
Datum
-
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 40/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch in dem Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab 1. Dezember 2005 und die Erstattung des Arbeitslosengeldes in Höhe von 3.365,70 EUR sowie der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 1.006,98 EUR.

Der 1971 geborene Kläger, der von Beruf Speditionskaufmann ist, war bis zum 8. September 2003 als Sachbearbeiter bei der Firma T. GmbH & Co. KG beschäftigt. Nach Erhalt der Kündigung des Arbeitgebers zum 30. November 2005 meldete er sich am 14. September 2005 arbeitsuchend und zum 1. Dezember 2005 arbeitslos. Am 17. November 2005 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass er sich außerhalb Hamburgs aufhalte. Er habe höchstwahrscheinlich eine Stelle bei einer Reederei. Die Arbeitsaufnahme werde möglicherweise erst im April/Mai sein. Er melde sich, sobald er wisse, ob er die Stelle habe. Am 29. November 2005 teilte der Kläger schriftlich mit, dass er ab 1. Mai 2006 eine Tätigkeit als Schifffahrtskaufmann aufnehmen werde.

Mit Bescheid vom 8. November 2005 bewilligte ihm die Beklagte Arbeitslosengeld ab 1. Dezember 2005 für 360 Tage.

Im März 2006 ging bei der Beklagten die Anzeige einer Rechtsanwaltskanzlei ein, die die geschiedene Ehefrau des Klägers vertrat und in der mitgeteilt wurde, dass der Kläger seiner Verpflichtung, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, nicht nachkomme. Er sei am 4. November 2005 mit den beiden gemeinsamen Kindern in den Libanon gereist und nicht zurückgekommen. Es sei Haftbefehl gegen ihn erlassen worden.

Mit Bescheid vom 16. März 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab 1. Dezember 2005 wegen der Ortsabwesenheit des Klägers auf. Mit den Bescheiden vom 30. März 2006 verlangte sie die Erstattung des bis zum 28. Februar 2006 gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von 3.365,70 EUR und der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 1.006,98 EUR.

Gegen den Bescheid vom 16. März 2006 legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er habe Mitte November mit dem Arbeitsvermittler telefoniert und ihm die Situation geschildert, dass er nämlich im Ausland sei und mit großer Wahrscheinlichkeit einen Arbeitsplatz im Ausland zum Mai gefunden habe. Nachdem er die Zusage des Arbeitgebers erhalten habe, habe er noch Ende November eine entsprechende Information an die Beklagte gesendet. Nach seinen Informationen sei er für den Zeitraum bis zur Arbeitsaufnahme nicht zu vermitteln gewesen und habe sich eigenständig um einen lukrativen Job gekümmert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, nachdem sie zuvor festgestellt hatte, dass die Rücknahme der Bewilligungsentscheidung auf § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt werde. Die Beklagte führte aus, der Kläger habe sich während der Zeit, während der er im Leistungsbezug gestanden habe, nicht in Deutschland aufgehalten. Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld sei die Arbeitslosigkeit. Arbeitslos sei nach § 118 Abs. 1 SGB III, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehe und eine versicherungspflichtige Beschäftigung suche. Dies setze unter anderem voraus, dass der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung stehe, d.h. arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit sei (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III). Arbeitsfähig sei ein Arbeitsloser unter anderem dann, wenn er Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung – zeit- und ortsnah – Folge leisten könne und dürfe (§ 119 Abs. 5 Nr. 2 SGB III). Der Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit habe durch die Erreichbarkeitsanordnung (EAO) Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt. Nach § 1 Abs. 1 EAO könne ein Arbeitsloser Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage sei, unverzüglich 1. Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2. das Arbeitsamt aufzusuchen, 3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Der Arbeitslose müsse sicherstellen, dass die Agentur für Arbeit ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen könne. Der Kläger sei nicht erreichbar gewesen. Die Beklagte sei verpflichtet, die rechtswidrige Bewilligungsentscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn der Begünstigte keinen Vertrauensschutz genieße, weil er die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung gekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt habe. Grobe Fahrlässigkeit liege vor, wenn eindeutige Hinweise in Vordrucken, Merkblättern sowie mündliche Belehrungen nicht beachtet worden seien. Diese Voraussetzung sei im Falle des Klägers erfüllt. Er habe in seinem Leistungsantrag mit seiner Unterschrift bestätigt, das Merkblatt für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Dieses Merkblatt enthalte ausführliche Hinweise zu Fragen der Verfügbarkeit/Erreichbarkeit. Der Kläger hätte daher wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass der Leistungsanspruch weggefallen war (§ 45 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III). Die Erstattungspflicht ergebe sich aus § 50 Abs. 1 SGB X, hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge aus § 335 Abs. 1 und 5 SGB III.

Mit der am 10. Juli 2006 erhobenen Klage macht der Kläger geltend, er sei zwar zum damaligen Zeitpunkt kurzzeitig in seinem Heimatland auf Arbeitsplatzsuche gewesen. Dies habe er der Beklagten telefonisch mitgeteilt. Er hätte jederzeit zeitnah etwaigen Vorschlägen der Beklagten Folge leisten können. Seine Post habe ihn jederzeit erreicht. Er habe der Beklagten Ende November 2005 mitgeteilt, dass er ab Mai 2006 ein neues Arbeitsverhältnis habe.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. April 2008 abgewiesen. Zur Begründung hat es sich auf die Ausführungen des Widerspruchsbescheides bezogen und ergänzend ausgeführt, dass der Kläger nach den Maßgaben der EAO in der Zeit ab 1. Dezember 2005 den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung gestanden und damit kein Anspruch auf Arbeitslosengeld gehabt habe. Der Kläger habe auch zumindest grob fahrlässig verkannt, dass er keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Er sei durch das im Rahmen der Antragstellung erhaltene Merkblatt und bereits in einem Gespräch im Jahre 2001 darauf hingewiesen worden, dass die Erreichbarkeit Anspruchsvoraussetzung sei. Unerheblich sei dabei, ob die Beklagte in der hier streitigen Zeit zwischen dem 1. Dezember 2005 und dem 1. Mai 2006 den Kläger tatsächlich in den Arbeitsmarkt hätte vermitteln können und wollen.

Mit der am 30. April 2008 eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er habe nicht grob fahrlässig gehandelt, sondern vielmehr die Beklagte im Telefonat vom 17. November 2005 von dem "Umstand Libanon" in Kenntnis gesetzt. Er habe der Beklagten auch zeitlich und örtlich jederzeit zur Verfügung gestanden und alles so organisiert, dass er jederzeit von den Mitteilungen der Beklagten Kenntnis habe nehmen können und sei durch gute Kontakte zu einem Reisebüro in der Lage gewesen, das Arbeitsamt oder einen potentiellen Arbeitgeber schnell aufzusuchen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes vom 24. August 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 16. März 2006 und 30. März 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2006 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichtes für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin vom 8. Februar 2011 mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Berichterstatter konnte im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senates und ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 155 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4, § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Sie ist jedoch unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die gegen die streitgegenständlichen Bescheide erhobene Klage abgewiesen. Die Bescheide sind rechtmäßig.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung ist § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Dessen Abs. 1 Satz 1 und 2 lautet: Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit (Nr. 2) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist oder (Nr. 4) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Die in § 48 Abs. 1 S. 2 SGB X für atypische Fälle gebotene intendierte Ermessensausübung ("soll") ist im Bereich des Arbeitsförderungsrechts nicht anzuwenden, § 330 Abs. 1 S. 1 SGB III.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

Eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse ist hier dadurch eingetreten, dass der Kläger ab dem Beginn des Leistungsbezugs am 1. Dezember 2005 für die Beklagte aufgrund seines Aufenthaltes im Libanon nicht verfügbar und damit nicht arbeitslos war. Diese Änderung der Verhältnisse ist auch nach dem Erlass des Bewilligungsbescheides vom 8. November 2005 erfolgt, so dass nicht § 45 SGB X, sondern § 48 SGB X maßgeblich ist. Zwar ist der Kläger offensichtlich bereits Anfang November 2005 in den Libanon gereist. Jedoch hat er in dem Erörterungstermin am 8. Februar 2011 angegeben, zunächst nur einen Aufenthalt von 3 Wochen geplant zu haben. Daraus ergibt sich, dass der Kläger die für den vorliegenden Fall relevante Entscheidung, über den 1. Dezember 2005 hinaus im Libanon zu bleiben, erst nach dem Erlass des Bewilligungsbescheides getroffen hat.

Nach § 119 Abs.1 SGB III ist ein Arbeitnehmer arbeitslos, der (1.) nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit), (2.) sich bemüht, seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden (Eigenbemühungen) und (3.) den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht nach § 119 Abs.5 SGB III zur Verfügung, wer (1.) eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, (2.) Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, (3.) bereit ist, jede Beschäftigung i.S. Nr.1 anzunehmen und auszuüben und (4.) bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Die sich hiernach ergebenden Pflichten sind durch die EAO konkretisiert. Nach § 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen der Agentur zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich (1.) Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, (2.) die Agentur für Arbeit aufzusuchen, (3.) mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und (4.) eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Nach § 1 Abs. 2 EAO hat der Arbeitslose deshalb sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktage an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Nach § 3 Abs. 1 EAO steht der Verfügbarkeit nicht entgegen, wenn sich der Arbeitslose bis zu 3 Wochen im Kalenderjahr außerhalb des in § 2 EAO genannten zeit- und ortsnahen Bereichs mit vorheriger Zustimmung der Beklagten aufhält.

Nach diesen Maßgaben war der Kläger ab dem 1. Dezember 2005 für die Beklagte nicht verfügbar und damit nicht arbeitslos. Es liegt auf der Hand, dass der sich im Libanon aufhaltende Kläger möglichen Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung nicht im Sinne des § 1 EAO zeit- und ortsnah Folge leisten konnte. Insbesondere konnte die Beklagte den Kläger nicht, wie von § 1 Abs. 1 Satz 2 AEO gefordert, an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift durch Briefpost erreichen. Vielmehr hielt sich der Kläger außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches im Sinne des § 3 EAO auf. Abgesehen davon, dass er hierbei die nach § 3 Abs. 1 EAO maximal mögliche Verweildauer von drei Wochen im Kalenderjahr weit überschritt, hatte die Beklagte hierzu nicht ihre vorherige Zustimmung erteilt. Eine Zustimmung zu einem dauerhaften Aufenthalt im Ausland für die Zeit ab 1. Dezember 2005 kann insbesondere nicht in dem Telefonat vom 17. November 2005 erblickt werden. Denn wie der Kläger in dem Erörterungstermin vom 8. Februar 2011 selbst angegeben hat, wurde in diesem Telefonat keine Aussage dazu getroffen, wie lange er im Libanon bleiben werde. Damit fehlte es der Beklagten zu diesem Zeitpunkt an der Kenntnis eines Auslandaufenthaltes für die Zeit ab 1. Dezember 2005, der Gegenstand einer Zustimmung hätte sein können. Für die Beklagte gab es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger dauerhaft, bis zur Aufnahme der für den 1. Mai 2006 in Aussicht stehenden Beschäftigung im Ausland bleiben werde. Dies gilt insbesondere auch unter Berücksichtigung der Veränderungsmitteilung des Klägers vom 25. November 2005 (vgl. Bl. 154 der Verwaltungsakte der Beklagten). Auch dieser lässt sich in keiner Weise entnehmen, dass der Kläger sich zum damaligen Zeitpunkt und auch für die nächsten Monate im Libanon aufhalten werde. So ist als Absendeadresse die Hamburger Anschrift des Klägers angegeben. Als Veränderung wird die Aufnahme einer Tätigkeit als Schifffahrtskaufmann ab dem 1. Mai 2006 genannt. In dem für Angaben zu einem Umzug vorgesehenen Feld des Formulars hat der Kläger keinerlei Angaben gemacht.

Der Kläger ist seiner Pflicht zur Mitteilung einer wesentlichen für ihn nachteiligen Änderungen der Verhältnisse, nämlich dem Verbleib im Libanon für die Zeit ab dem 1. Dezember 2005, zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen.

Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der Legaldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit setzt ein erheblich gesteigertes Verschulden voraus. Hierbei ist ein subjektiver Maßstab zu Grunde zu legen (vgl. Urteil des Senates vom 10.12.2009, L 5 AL 16/06, in juris). Die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt danach, wer schon einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht anstellt und daher nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 45 RdNr. 52).

Nach dem persönlichen Eindruck, den das Gericht im Erörterungstermin vom 8. Februar 2011 gewinnen konnte, und unter Berücksichtigung seines Ausbildungsstandes und der bisher ausgeübten Tätigkeiten sind die intellektuellen Fähigkeiten des Klägers als überdurchschnittlich anzusehen. Dem Kläger musste daher ohne weiteres einleuchten, dass er der Beklagten den Verbleib im Libanon über den 1. Dezember 2005 hinaus klar und eindeutig mitteilen musste. Das Sozialgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger bereits im Jahr 2001 auf den Zusammenhang zwischen Auslandsaufenthalt und Bezug von Arbeitslosengeld hingewiesen worden ist (vgl. BewA-Vermerk vom 9. November 2001, Bl. 12 der Prozessakte). Der Kläger war also für diese Frage bereits sensibilisiert. Des Weiteren hat er sich in seinem Antrag auf Arbeitslosengeld vom 20. September 2005 ausdrücklich verpflichtet, Änderungen unverzüglich anzuzeigen. Hierauf wird auch in dem Merkblatt 1 hingewiesen, dessen Erhalt und Kenntnisnahme der Kläger ebenfalls im Antrag vom 20. September 2005 bestätigt hat. Insbesondere jedoch wäre ein Hinweis auf den Verbleib im Libanon im Zusammenhang mit der Verminderungsmitteilung vom 25. November 2005 zu erwarten gewesen. Wie bereits dargestellt, enthält diese Mitteilung jedoch keinerlei Hinweis hierauf. Vielmehr erwecken die gemachten Angaben den Eindruck, dass der Kläger sich in Hamburg aufhalte. Hat der Kläger damit nicht zu erkennen gegeben, dass er beabsichtigte, sich über dem 1. Dezember 2005 hinaus im Libanon aufzuhalten, so ist für die von dem Kläger angenommene Pflicht der Beklagten, ihn auf die Folgen eines Auslandaufenthaltes während des Bezugs von Arbeitslosengeld hinzuweisen, kein Anknüpfungspunkt ersichtlich. Als der Kläger in dem Telefonat vom 17. November 2005 offensichtlich erwähnt hat, sich derzeit im Ausland aufzuhalten, durfte die Beklagte davon ausgehen, dass er bis zum Beginn des Leistungsbezuges am 1. Dezember 2005 sich wieder in Hamburg einfinden würde. Wie bereits dargestellt, hat der Kläger im Erörterungstermin vom 8. Februar 2011 angegeben, dass er in dem Telefonat nicht zu erkennen gegeben hat, über den 1. Dezember 2005 hinaus im Libanon bleiben zu wollen.

Die Erstattungspflicht von überzahltem Arbeitslosengeld in Höhe von 3365,70 EUR ergibt sich aus § 50 Abs.1 SGB X. Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 28. Februar 2006 in Höhe von insgesamt 1006,98 EUR sind vom Kläger gemäß § 335 SGB III zu erstatten. Bedenken hinsichtlich der Höhe und Berechnung der Rückforderung sind vom Kläger nicht vorgetragen worden und dem Gericht nach erneuter Überprüfung nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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