L 1 KR 348/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 5 KR 297/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 348/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 9/12
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Freiberufliche Hebammen haben als Beleghebammen nach der bis zum 31. Juli 2007 geltenden Hebammenhilfe - Gebührenverordnung Anspruch auf Vergütung ihrer Hebammenleistungen gegenüber der Krankenkasse auch bei einem vollstationären Aufenthalt der Versicherten im Krankenhaus.

Einwendungen der Krankenkasse aus dem Rechtsverhältnis zum Krankenhaus können insoweit nicht gegenüber der Hebamme geltend gemacht werden.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. November 2009 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 185,17 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 32,69 EUR seit dem 18. November 2006, aus 44,67 EUR seit dem 17. November 2006 und aus 107,81 EUR seit dem 10. November 2006 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens unter Einschluss der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Kosten der Beigeladenen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruch für Hebammenleistungen i.H. von 185,17 EUR.

Die Klägerin ist als freiberufliche Hebamme tätig und hat am 14. März 2000 mit dem Kreiskrankenhaus C-Stadt (Beigeladene) einen Vertrag geschlossen, wonach ihr gestattet ist, in diesem Krankenhaus gemeinsam mit mehreren anderen Hebammen Hebammenleistungen zu erbringen. In Abschnitt II des Vertrages ist niedergelegt, dass "die Leistungen ( ) die Hebamme als freiberuflich tätige Hebamme direkt der Wöchnerin (erbringt). Sie rechnet ihre Leistungen mit der Wöchnerin bzw. mit deren Krankenkasse nach Maßgabe des § 376a (Reichsversicherungsordnung) RVO ab".

Mit Rechnung vom 17. Oktober 2006, bei der Beklagten eingegangen am 19. Oktober 2006, stellte die Klägerin der Beklagten nach der Hebammenhilfe-Gebührenverordnung (HebGV) einen Betrag in Höhe von 107,81 EUR für Leistungen der Mutterschaftsvorsorge (Hilfe bei Beschwerden, CTG-Überwachung, Entnahme von Körpermaterial sowie Wegegeld) für die Versicherte E. in dem Zeitraum vom 25. Juli bis 30. Juli 2006 in Rechnung. Unter dem 24. Oktober 2006, bei der Beklagten eingegangen am 26. Oktober 2006, stellte die Klägerin der Beklagten für entsprechende Leistungen der Mutterschaftsvorsorge und Wegegeld in dem Zeitraum vom 13. Oktober bis 16. Oktober 2006 gegenüber der Versicherten F. einen Betrag in Höhe von 44,67 EUR in Rechnung. Mit Rechnung vom 25. Oktober 2006, bei der Beklagten eingegangen am 27. Oktober 2006, erfolgte eine erneute Rechnungsstellung für Leistungen der Mutterschaftsvorsorge nebst Wegegeld bezüglich der Versicherten G. für den Zeitraum vom 13. Oktober bis 17. Oktober 2006 in Höhe von 32,69 EUR. Sämtliche Leistungen wurden im Rahmen eines vorgeburtlichen vollstationären Krankenhausaufenthaltes der Versicherten bei der Beigeladenen erbracht. Zahlungen auf diese Rechnungen erfolgten durch die Beklagte nicht. Weitere Rechnungen der Klägerin wurden von der Beklagten unter Vorbehalt beglichen.

Am 27. November 2006 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben, mit der sie gegenüber der Beklagten die Zahlung von 185,17 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach Ablauf von 3 Wochen nach dem Zugang der jeweiligen Rechnungen bei der Beklagten geltend macht. Die Beklagte übersehe, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Satz 2 der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) mit der Zahlung der Pflegesätze die Leistungen der Belegärzte und Beleghebammen gerade nicht abgegolten seien. Für diese sehe der Gesetzgeber eine gesonderte Vergütung vor, wie das Bundessozialgericht mit Urteil vom 24. Februar 1971 (3 RK 35/68) entsprechend entschieden habe. Sie habe die Leistungen nicht als angestellte Hebamme, sondern als freiberuflich tätige Beleghebamme erbracht. Denn sie entscheide selbst, ob und wann sie tätig sein wolle, wobei sie weder verpflichtet sei, eine bestimmte Stundenzahl an Arbeitsleistung zu erbringen, noch ein Gehalt erhalte. Sie bestimme auch, ob, wie lange und wann sie Urlaub nehme und rechne ihre Leistungen unmittelbar mit den Krankenkassen bzw. mit den selbstzahlenden Patientinnen ab. Dies sei mit dem Status einer angestellten Hebamme nicht zu vereinbaren. Sie sei auch nicht wie eine angestellte Hebamme tätig geworden, was sich bereits aus den Vertragsbeziehungen mit dem Krankenhaus herleite. Wenn das Krankenhaus die Leistung nach einem falschen DRG-Schlüssel abrechne, berühre dies den vorliegenden Abrechnungsstreit nicht. Ihr Anspruch gegen die Beklagte sei vielmehr von den Abrechnungen des Krankenhauses unabhängig. Dieses könne bei Inanspruchnahme von Beleghebammen deren Leistungen nicht abrechnen.

Die Beklagte hat hingegen ausgeführt, dass ein Krankenhaus bei einer vollstationären Behandlung, bei welcher die Tätigkeit einer Hebamme erforderlich werde, die entsprechenden Leistungen der Hebamme entweder selbst erbringen oder durch eine Beleghebamme erbringen lassen könne. Diese Tatbestände seien für die Vergütung der Leistung des Krankenhauses in der Fallpauschalenverordnung berücksichtigt. Eine selbstständige Vergütung der Leistungen einer Hebamme komme dabei nur in Betracht, wenn das Krankenhaus seine Leistung mit einer DRG mit Beleghebamme in Rechnung stelle, nicht jedoch, wenn eine DRG ohne Beleghebamme abgerechnet werde. Dabei falle die DRG ohne Beleghebamme höher aus, da in einem solchen Fall das Krankenhaus die Hebammenleistung selbst erbringe und somit eine zusätzliche Beleghebammentätigkeit nicht erforderlich werde. Wenn das Krankenhaus jedoch - wie hier - bei seiner Abrechnung die Hebammenleistungen einbeziehe und die Beklagte mangels Anhaltspunkten für eine Unrichtigkeit der Rechnung die Vergütung bezahle, sei der Behandlungsfall vollständig abgeschlossen. Mit der Zahlung der Beklagten an das Krankenhaus seien alle Ansprüche erloschen, so dass ein gesonderter Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte nicht bestehe. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG. Dort sei lediglich normiert, dass die Leistungen der Beleghebammen und -ärzte nicht zu den Krankenhausleistungen gehörten. Dies bedeute lediglich, dass die Krankenhäuser bei der Kalkulation ihrer Vergütungen die Leistungen der Beleghebammen und -ärzte nicht einbeziehen dürften, da diese gesondert abrechnen könnten. Würde die Beklagte vorliegend zur Zahlung verpflichtet, wäre die Leistung der Hebamme doppelt bezahlt. Die doppelte Vergütung einer Leistung würden jedoch weder die Fallpauschalenverordnung, noch der Vertrag über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V vorsehen. Vielmehr seien die Fallpauschalen wegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG gerade darauf ausgerichtet, eine doppelte Bezahlung von Leistungen zu verhindern. Teil dieser Krankenhausbehandlungen seien auch Hebammenleistungen gewesen, welche durch die Klägerin erbracht worden seien. Dass sich die Leistungserbringer dabei vor Eintritt in den Behandlungsablauf entsprechend abzustimmen gehabt hätten, ergebe sich aus den Vorgaben der Fallpauschalenverordnung. In dieser sei für die Vergütung von Krankenhausleistungen ausdrücklich vorgesehen, dass entweder am Krankenhaus angestellte Hebammen oder Beleghebammen tätig würden. Die von der Klägerin angeführten sozialgerichtlichen Entscheidungen seien ohne jegliches Präjudiz für den vorliegenden Rechtsstreit. Denn in den dort entschiedenen Fällen hätten die Krankenhäuser offenbar anders als hier eine DRG mit Beleghebamme abgerechnet, so dass den dortigen Klägerinnen auch unstreitig eine gesonderte Vergütung zugestanden habe. Zudem bestünden erhebliche Zweifel an der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin, da bei einer vollstationären Behandlung die Leistungen gänzlich dem Verantwortungsbereich des behandelnden Arztes unterfielen. Insoweit sei die Klägerin weisungsgebunden und dem Arzt untergeordnet. Auch sei im Rahmen des Vertrages ausdrücklich zwischen der Klägerin und der Beigeladenen vereinbart, dass diese in Fragen der Organisation den Weisungen des Krankenhausträgers und des ärztlichen Leiters nachzukommen habe. Eine Abrechnung der Klägerin mit der Kasse komme nicht in Betracht, da diese lediglich im Auftrag des Krankenhauses tätig geworden sei. Die Tätigkeit als Beleghebamme ende dort, wo sie nicht mehr eigenverantwortlich tätig werden könne. Neben § 39 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) gebe es für die §§ 195, 196 RVO keinen tatbestandlichen Anwendungsbereich.

Mit Urteil vom 6. November 2009 hat das Sozialgericht Kassel die Klage abgewiesen und die Berufung zum Hessischen Landessozialgericht zugelassen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf die streitgegenständliche Vergütung. Das betroffene Krankenhaus habe die hier streitigen Leistungsfälle nach den unwidersprochen gebliebenen Ausführungen der Beklagten insgesamt als vollstationäre Krankenhausbehandlungsfälle und dabei jeweils gegenüber der Beklagten mit einer DRG ohne Beleghebamme abgerechnet. Dies müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Ob sie ihre Leistung tatsächlich als freiberuflich selbstständig tätige Beleghebamme erbracht habe, sei unbeachtlich, da dies allein das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Krankenhaus berühre. Insoweit sei nicht zuletzt auf der Grundlage der von der Beklagten aufgezeigten Systematik die Krankenhausleistung als Hauptleistung zu werten, in deren Rahmen die Klägerin wiederum ihre Leistung als Nebenleistung erbracht habe. Da das Krankenhaus diese Nebenleistung dann im Ergebnis wie eine Leistung einer angestellten Hebamme und insoweit als Leistung entsprechend einer DRG-Fallpauschale ohne Beleghebamme abgerechnet und damit letztlich auch einen höheren Vergütungsanspruch erzielt habe, würden weitere zusätzliche Vergütungsansprüche der Klägerin gegenüber der Beklagten zumindest in Fallgestaltungen der vorliegenden Art ausscheiden. Es komme auch nicht darauf an, ob die Klägerin bei einer Abrechnung der Krankenhausbehandlungen durch das Krankenhaus nach einer DRG mit Beleghebamme einen Anspruch gehabt hätte. Zur Begründung hat sich das Gericht insoweit u.a. auf die Entscheidung des Sozialgerichtes Kassel in einem Parallelverfahren (Urteil vom 30. September 2009, S 12 KR 5/07) bezogen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 3. Dezember 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. Dezember 2009 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben. Die Klägerin hat - ergänzend zu ihrer bisherigen Begründung - ein Schreiben des Hospitals E., vom 19. November 2009 aus dem Parallelverfahren L 1 KR 401/10 vorgelegt. Dieses führt darin aus, dass DRGs mit niedrigen Relativgewichten abgerechnet worden seien, die in ihrem Wert den Bewertungsrelationen bei Belegoperateuren und Beleghebammen entsprochen hätten. Zu einer finanziellen Schädigung der Krankenkassen oder falschen Abrechnungen durch das Krankenhaus sei es nicht gekommen. Insbesondere in den Jahren 2005 und 2006 seien nicht bei allen DRGs unterschiedliche Bewertungsrelationen im DRG-Katalog vorgegeben gewesen, sobald es sich um eine DRG mit Beleghebamme gehandelt habe. Vielmehr seien DRGs aufgeführt, deren Relativgewicht sich im Wert nicht geändert habe, egal ob es sich um eine DRG mit oder ohne Beleghebamme gehandelt habe. Eine Unterscheidung in der Abrechnung sei von Seiten des Krankenhauses also nicht möglich gewesen.

Weiter trägt die Klägerin vor, dass die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 28. Januar 2009, B 6 KA 30/07 R) ihre Auffassung bestätige. Denn § 2 Abs. 1 Satz 2 BPflV bestimme, dass die Leistungen der Belegärzte nicht zu den nach dem krankenhausrechtlichen Vergütungssystem zu vergütenden Krankenhausleistungen gehörten. Sie sei auch eindeutig als Beleghebamme tätig gewesen. Zur Bestätigung ihres Vorbringens hat sie u.a. eine Bescheinigung der Beigeladenen und Korrespondenz zwischen dem Leiter der Beigeladenen und dem Rechtsanwalt der Hessischen Krankenhausgesellschaft vorgelegt.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. November 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 185,17 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 32,69 EUR seit dem 18. November 2006, aus 44,67 EUR seit dem 17. November 2006 und aus 107,81 EUR seit dem 10. November 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend. Die HebGV regle ausschließlich die Vergütung für den ambulanten Betreuungsrahmen und den Umfang der Entbindung. Für den stationären Bereich sei die HebGV lediglich auf die regelrechte Entbindung und Nachsorge anzuwenden. Insbesondere bezüglich der Versicherten H., früher G., habe die Beigeladene aber mit der DRG E69A (Bronchitis und Asthma bronchiale, mehr als ein Belegtag und Alter ) 55 Jahre oder mit äußerst schweren oder schweren CC) abgerechnet. Beleghebammen könnten aber ausschließlich im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett, also bei Behandlungen im Krankenhaus tätig werden, welche der Hauptdiagnose 14 zuzuordnen seien. Zudem seien Krankenhausleistungen nur zwischen Krankenkasse und Krankenhaus abzurechnen. Dies gelte nach der Rechtsprechung des Bundssozialgerichts (Urteil vom 28. Februar 2007, B 3 KR 17/06 R) auch, soweit das Krankenhaus Leistungen Dritter hinzuziehe. Der Vergütungsanspruch des Dritten könne daher nur gegen das Krankenhaus und nicht gegen den Patienten oder dessen Versicherung entstehen. Dies gelte nach dem Bundssozialgericht für alle Leistungen, die im Verhältnis zu der vom Krankenhaus zu erbringenden Hauptbehandlungsleistung lediglich ergänzende oder unterstützende Funktion hätten. Die Klägerin sei nicht als Beleghebamme, sondern als einfache freiberufliche Hebamme tätig geworden. Zudem habe das Bundessozialgericht entschieden, dass neben dem Vergütungsanspruch des Krankenhauses kein weiterer Vergütungsanspruch bestehe, wenn die entsprechenden Leistungen durch das Krankenhaus zur Verfügung gestellt und bereits über den Pflegesatz vergütet würden (Urteil vom 28. Januar 2009, B 6 KA 30/07 R).

Die Beigeladene hat sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gegeben (vgl. LSG Niedersachsen, Urteil vom 12. Juli 2000, L 4 KR 15/99).

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist begründet. Das abweisende Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung an die Klägerin zu verurteilen.

Die Zahlungspflicht der Krankenkassen für Hebammenleistungen für den streitigen Zeitraum ergibt sich aus § 134 SGB V (in der bis zum 31. Dezember 2006 gültigen Fassung) in Verbindung mit der HebGV (BGBl. I 1986, 1662, in der Fassung der Verordnung vom 21. Juli 2004, BGBl. I 1731, aufgehoben mit Wirkung vom 31. Juli 2007, BGBl. I 2007, 2876), der Anlage zu § 2 Abs. 1 HebGV (Gebührenverzeichnis, BGBl. I 2004, 1733 ff.) und §§ 195 f. RVO (in der Fassung vom 14. November 2003, BGBl. I 2190).

Zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen bei Schwangerschaft und Mutterschaft gehört gemäß §§ 195 Abs. 1 Nr. 1, 196 RVO die Hebammenhilfe.

Durch diese Vorschriften wird ein Vergütungsanspruch der Hebamme gegen die Krankenkasse begründet. Dieser entsteht kraft Gesetzes, wenn die Hebamme entsprechend ihrer berufsrechtlichen Pflicht einer Schwangeren Hilfe leistet. Einer vertragsärztlichen Verordnung bedarf es nicht (Bundessozialgericht, Urteil vom 21. August 1996, 3 RK 22/95; Krauskopf in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Kommentar, Stand: November 2010, § 196 RVO Rdnr. 10 f.).

Gemäß § 134 SGB V a.F. sind unter Mitwirkung der Verbände der Krankenkassen und der Berufsorganisationen der Hebammen mit der HebGV die Gebühren für alle Verrichtungen und Aufwendungen der freiberuflichen Hebammen für beide Teile verbindlich festgelegt worden. Als Vergütung zahlen die Krankenkassen danach die in der für den jeweiligen Abrechungszeitraum bestimmten Fassung des Gebührenverzeichnisses genannten Leistungen, Ersatz von Auslagen und Wegegeld (§ 2 HebGV). Die Hebamme soll ihre Rechnung innerhalb eines Monats nach der Entbindung bei der zuständigen Krankenkasse einreichen (§ 5 Abs. 1 HebGV). Die Krankenkasse hat die Rechnung innerhalb von drei Wochen nach Rechungseingang zu begleichen, soweit die Leistungspflicht besteht (§ 5 Abs. 4 HebGV). Als Leistungen der Mutterschaftsvorsorge und Schwangerenbetreuung sind im Gebührenverzeichnis u.a. "Hilfe bei Schwangerschaftsbeschwerden oder Wehen" (Nr. A. 4 und 5) mit einer Gebühr von 13,60 EUR bzw. 16,90 EUR für jede angefangene halbe Stunde je nach Tageszeit, "Entnahme von Körpermaterial" (Nr. A. 3) mit einer Gebühr von 5,45 EUR und "CTG-Überwachung" (Nr. A. 6) mit einer Gebühr von 6 EUR aufgeführt. Darüber hinaus besteht Anspruch auf Wegegeld gemäß § 4 HebGV.

Die Klägerin wurde für die Versicherten der Beklagten in ihrer Eigenschaft als Beleghebamme als freiberufliche Hebamme tätig, § 1 Abs. 1 HebGV. Durch den Belegvertrag mit der Beigeladenen vom 14. März 2000 hat sie ihren Status als selbstständige Hebamme gerade nicht verloren. Dort ist ausdrücklich geregelt, dass sie ihre Leistung als freiberuflich tätige Hebamme eigenverantwortlich direkt der "Wöchnerin" erbringt und die Leistungen mit der "Wöchnerin" bzw. mit deren Krankenkasse unmittelbar abrechnet. Eine Eingliederung der Klägerin in die Organisation der Beigeladenen liegt nicht vor. Es erfolgte ausweislich der Angaben der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht – zusammen mit weiteren Hebammen – insoweit lediglich eine Sicherstellung der Präsenz im Klinikbereich, um die Versorgung zu gewährleisten (vgl. insoweit zu den denkbaren Modellen auch: § 4 Abs. 3 Satz 2 HebGV). Den Status der Klägerin als freiberufliche Hebamme hat die Beklagte zudem im Berufungsverfahren nicht mehr bestritten.

Durch die streitgegenständliche Leistungserbringung hat die Klägerin auch einen Anspruch auf Zahlung des von ihr geltend gemachten Betrages erworben. Sie hat Leistungen im Rahmen von Mutterschaftsvorsorge und Schwangerenbetreuung erbracht. Diese sind Teil der Hebammenhilfe gemäß §§ 195 f. RVO (vgl. Meyer in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Band 4, 19. Auflage, § 196 RVO Rdnr. 36; Krauskopf, a.a.O., § 196 RVO Rdnr. 10).

Dem Vergütungsanspruch der Klägerin steht nicht entgegen, dass die Hebammenhilfe im Rahmen von stationären Behandlungen der betreffenden Versicherten erbracht wurde. Die HebGV ist keineswegs auf ambulante Leistungen der Hebammen begrenzt. Die Beklagte kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass es sich bei den streitigen Leistungen um allgemeine Krankenhausleistungen im Sinne von § 2 KHEntgG handele, die sie nicht gegenüber der Klägerin zu zahlen habe. Denn nach § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG gehören zu den Krankenhausleistungen, die von dem Krankenhaus abgerechnet werden, nicht die Leistungen der Beleghebammen. Diese werden vielmehr eigenständig durch die Beleghebammen abgerechnet. Etwas anderes folgt nicht aus § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG, wonach zu den allgemeinen Krankenhausleistungen auch die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter gehören. Diese Regelung bewirkt, dass die allgemeinen Krankenhausleistungen nur zwischen Krankenkasse und Krankenhaus abzurechnen sind, selbst wenn das Krankenhaus in einem bestimmten Rahmen Dritte hinzuzieht (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2007, B 3 KR 17/06 R). Dies ist eine Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, dass das Krankenhaus Leistungen der Krankenhausbehandlung, die es auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen erbringen darf, durch eigenes Personal durchführen lassen muss (vgl. Landessozialgericht Sachsen, Urteil vom 30. April 2008, L 1 KR 103/07).

Angesichts der Spezialvorschrift in § 2 Abs. 1 Satz 2 KHEntgG können Beleghebammen allerdings nicht als Dritte im Sinne von § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG angesehen werden. Sie leisten vielmehr aufgrund eines Vertrages mit dem Krankenhaus Hebammenhilfe. Dabei sind sie nicht Angestellte des Krankenhauses und erhalten von diesem auch keine Vergütung (vgl. Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, Band 1, Stand: Dezember 2001, § 2 BPflV, Anm. I. 3.). Dies gilt auch dann, wenn eine freiberufliche Hebamme anstelle einer verhinderten angestellten Hebamme tätig wird oder regelmäßig freiberuflich tätige Hebammen die Hebammenhilfe leisten. Die freiberufliche Hebamme kann wegen ihrer Vergütung nicht an das Krankenhaus verwiesen werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 1971, 3 RK 35/68; Urteil vom 21. August 1996, 3 RK 22/95; Krauskopf, a.a.O., § 196 RVO Rn. 11).

Die Beklagte kann dem Vergütungsanspruch der Klägerin ferner nicht entgegen halten, dass die streitgegenständlichen Leistungen bereits von der Beigeladenen abgerechnet worden seien. Denn die Vergütungsansprüche der Beleghebamme und der Beigeladenen sind voneinander unabhängig und etwaige Einwendungen auf das jeweilige Rechtsverhältnis beschränkt. Sollte von der Beigeladenen eine falsche Bewertungsrelation bezüglich einer DRG-Fallpauschale abgerechnet worden sein, so kann die Beklagte dies nur gegenüber der Beigeladenen geltend machen. Soweit im Behandlungszeitpunkt keine spezielle Bewertungsrelation für den Einsatz von Beleghebammen im Fallpauschalenkatalog vorgesehen war, berührt dies ebenfalls nur das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und der Beigeladenen. Der Fallpauschalenkatalog wird nach §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b Abs. 1 Satz 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) vom Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit der deutschen Krankenhausgesellschaft vereinbart. Etwaige im Fallpauschalenkatalog enthaltene Lücken können sich nicht auf das Verhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten auswirken (vgl. Sozialgericht Augsburg, Urteil vom 22. September 2010, S 10 KR 390/09; Sozialgericht Hildesheim, Urteil vom 4. November 2010, S 22 KR 374/06; Sozialgericht Hildesheim, Gerichtsbescheid vom 23. Oktober 2008, S 52 KR 223/07; Sozialgericht Regensburg, Gerichtsbescheid vom 7. September 2009, S 2 KR 291/06; Sozialgericht Nürnberg, Urteil vom 24. Juni 2010, S 11 KR 446/06; Sozialgericht Gelsenkirchen, Urteil vom 20. Juli 2006, S 17 KR 113/05; Sozialgericht Lübeck, Urteil vom 1. Juni 2006, S 3 KR 121/05; zu § 376a Abs. 2 RVO siehe auch: Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 1971, 3 RK 35/68).

Das von der Beklagten angeführte Urteil des Bundessozialgerichts vom 28. Januar 2009 (B 6 KA 30/07 R) erging in einem vertragsarztrechtlichen Verfahren zur Vergütung der von Belegärzten erbrachten und veranlassten Laborleistungen. Es ist für Vergütungsfragen von Hebammenleistungen nicht einschlägig.

Der Zinszahlungsanspruch der Klägerin ist ebenfalls begründet. Die Beklagte befindet sich bezüglich des Betrages von 32,69 EUR seit dem 18. November 2006, bezüglich des Betrages von 44,67 EUR seit dem 17. November 2006 und in Höhe des Betrages von 107,81 EUR seit dem 10. November 2006 im Zahlungsverzug. Nach § 5 Abs. 4 Satz 1 HebGV hat die Krankenkasse die Rechnung innerhalb von drei Wochen nach Rechnungseingang zu begleichen. Vorliegend datieren die Rechnungen vom 25. Oktober 2006 (Eingang bei der Beklagten am 27. Oktober 2006 für 32,69 EUR), vom 24. Oktober 2006 (Eingang bei der Beklagten am 26. Oktober 2006 für 44,67 EUR) und vom 17. Oktober 2006 (Eingang bei der Beklagten am 19. Oktober 2006 für 107,81 EUR). Bei Rechtsgeschäften, an denen – wie hier – ein Verbraucher nicht beteiligt ist, beträgt der Zinssatz für Entgeltforderungen 8 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V, §§ 286, 288 Abs. 2, 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch; Bundessozialgericht, Urteil vom 19. April 2007, B 3 KR 10/06 R).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1 und 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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