Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 3 R 920/04
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 571/08
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Als besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe für die Heirat schließen lassen.
2. Neben der vom Gesetzgeber vorgegebenen Fiktion einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von unter einem Jahr spricht für das Vorliegen einer Versorgungsehe, dass die Beteiligten gerade im Wissen um die lebensgefährliche Krankheit geheiratet haben.
2. Neben der vom Gesetzgeber vorgegebenen Fiktion einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von unter einem Jahr spricht für das Vorliegen einer Versorgungsehe, dass die Beteiligten gerade im Wissen um die lebensgefährliche Krankheit geheiratet haben.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.04.2008 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 08.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2004 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat.
Der 1945 geborene Kläger beantragte am 10.05.2004 Hinterbliebenenrente nach der Versicherten A. A., geboren 1948, verstorben am 17.03.2004 nach Eheschließung am 08.10.2003. Bei der Antragstellung gab der Kläger an, er habe vor der Eheschließung 17 Jahre mit der Verstorbenen in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt. Bei der Verehelichung habe er nicht wissen können, dass seine Frau an Krebs erkranken und sterben werde.
Mit Bescheid vom 08.07.2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Hinterbliebenenrente ab. Die tödlichen Folgen der Krebserkrankung seien zum Zeitpunkt der Eheschließung am 08.10.2003 absehbar gewesen, besondere Umstände die eine Versorgungsrente widerlegen würden, lägen nicht vor. Dagegen hat der Kläger Widerspruch erhoben. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, die Eheleute hätten bereits seit August 1988 zusammengelebt und eine Eheschließung deshalb hinausgeschoben, da der Kläger betreffend Scheidungsangelegenheiten ein "gebranntes Kind" gewesen sei. Nachdem aber beide letztlich 15 Jahre gut zusammengelebt hätten, wären sie sich einig gewesen, ihre fest bestehende Verbindung durch die Eheschließung zu legalisieren. Sie hätten die ganzen Jahre hinweg wie ein Ehepaar zusammengelebt, aus einem Topf gewirtschaftet und gemeinsam in das im Alleineigentum von der verstorbenen Versicherten stehende Anwesen zur Erhaltung und Modernisierung investiert. Es sei für beide zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht absehbar gewesen, dass die Ehe nur von so kurzer Dauer sein würde. Es sei beiden bekannt gewesen, dass die Ehefrau an Krebs erkrankt gewesen sei, jedoch sei zum Zeitpunkt der Eheschließung das Behandlungsstadium so positiv gewesen, dass der Frau noch mehrere Lebensjahre in Aussicht gestellt worden seien. Der unvorhersehbare Rückfall Anfang des Jahres 2004 sei für beide überraschend gekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Tatsache, dass der Kläger mit seiner verstorbenen Ehefrau bereits seit August 1988 zusammengelebt habe, und erst am 08.10.2003 geheiratet habe, stütze sogar die Vermutung, dass angesichts der Krebserkrankung der überwiegende Zweck der Heirat der Versorgungsgedanke gewesen sei.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, dass die verstorbene Versicherte bereits Ende Januar/Anfang Februar 2003 bei der Standesbeamtin in Bad S. vorgesprochen habe, weil sie das Aufgebot habe bestellen wollen. Das Aufgebot und die Eheschließung hätten sich dadurch verzögert, dass sie erkrankt sei und sich stationärer Behandlung im Klinikum A-Stadt habe unterziehen müssen. Das Aufgebot habe sich bis Oktober 2003 hinausgeschoben, als es der Versicherten gesundheitlich wieder besser gegangen sei. Die Versicherte sei in zeitlicher Nähe mit der Eheschließung richtiggehend aufgeblüht, sodass für keinen Familienangehörigen ein Anhalt gewesen sei, dass sie an einer schweren Krebserkrankung leiden würde. Die Eheschließung sei also bereits ein Jahr vor dem Todesfall geplant gewesen. Die über das Jahr 2003 durchgeführte Chemotherapie habe so gut angeschlagen, dass der Versicherten berechtigte Hoffnung gemacht worden sei, die Krankheit besiegt zu haben. Deshalb sei der Todesfall für die Eheleute A. überraschend gekommen.
Das SG hat im Rahmen weiterer Ermittlungen eine Auskunft über Mitgliedschaftszeiten und Arbeitsunfähigkeiten bei der AOK Bayern eingeholt, sowie einen Befundbericht des die verstorbene Versicherte behandelnden Frauenarztes Dr.K. eingeholt. Dieser hat am 25.08.2005 mitgeteilt, seit 01.04.2003 sei eine zunehmende Verschlechterung des bekannten Peritonealkarzinoms erfolgt. Es sei über die Schwere der Erkrankung gesprochen worden, eine Überlebenswahrscheinlichkeit sei nicht mitgeteilt worden.
Das SG hat weiter die Berichte der Frauenklinik A-Stadt eingeholt und den Internisten Dr.S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 07.08.2006 im Wesentlichen festgestellt, dass aufgrund der dokumentierten Krankengeschichte der verstorbenen Versicherten am 08.10.2003 objektiv absehbar gewesen sei, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung die Patientin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Jahr nicht überleben würde. Zu Beginn der Behandlung (Anmerkung des Gerichts: Ende 2001) sei nicht objektiv vorhersehbar gewesen, dass die Patientin an der Erkrankung versterben würde. Ab dem Rezidiv der Erkrankung im Februar 2003 sei wahrscheinlich gewesen, dass die verstorbene Versicherte an dieser Erkrankung versterben würde, eine Abschätzung des voraussichtlichen Todeszeitpunkts sei allerdings noch nicht möglich gewesen. Der Kläger als medizinischer Laie hätte aufgrund der deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes im September 2003 erkennen können, dass es sich um eine gravierende Erkrankung gehandelt habe. Nach Aktenlage sei der Ehemann bei Arztgesprächen offensichtlich anwesend gewesen. Sofern die behandelnden Ärzte die Informationen über den Krankheitsverlauf mitgeteilt hätten, die zur Erklärung der jeweils vorgenommenen Therapieänderungen notwendig gewesen seien, habe zum Zeitpunkt der Eheschließung für die Patientin und ihren Ehemann ersichtlich sein müssen, dass es sich um eine unheilbare und letztlich tödlich verlaufende Erkrankung gehandelt habe. Allein durch Beobachtung habe für den Ehemann wohl erst in den letzten Wochen vor dem Ableben der Versicherten auf einen baldigen Tod geschlossen werden können.
Die Allgemeinarztpraxis Dr.S. und G. hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass die damals die Versicherte behandelnde Ärztin Dr.H. nicht mehr in der Praxis tätig sei. Aus den ihnen vorliegenden Dokumentationen gingen keine weiteren Angaben hervor.
Im Erörterungstermin am 03.05.2007 hat der Kläger erklärt, dass die verstorbene Versicherte in der Vergangenheit häufig an ihn herangetreten sei wegen der Eheschließung. Er habe jedoch gesagt, dass man auch so gut zusammenlebe. Vor allem nach dem Anbau des Hauses habe Frau A. gesagt, man solle heiraten, weil sonst alles flöten ginge. Das Aufgebot habe die verstorbene Versicherte allein bestellt, er schätze ca. 4 Wochen vor der Trauung.
In der mündlichen Verhandlung am 25.07.2007 hat die Verwaltungsangestellte B. G. von Stadt Bad S. als Zeugin mitgeteilt, die Anmeldung für die Eheschließung am 08.10.2003 sei am 29.09.2003 erfolgt. Heute und auch zur damaligen Zeit habe es kein Aufgebotsverfahren mit Aushang mehr gegeben, theoretisch genüge es, wenn die Anmeldung einen Tag vor der Eheschließung erfolge, sofern der Terminplan dies zulasse. Bereits im Januar 2003 hätten sich die späteren Eheleute erkundigt, was man für eine Eheschließung benötige. Dies sei normal so, weil die meisten Leute ja nicht wüssten, welche Unterlagen für die Anmeldung und Eheschließung benötigt würden. Nach diesem Zeitpunkt habe sie nichts mehr von den späteren Eheleuten gehört, erst wieder im September 2003. Aus den Unterlagen sei ersichtlich, dass die Dokumente für die Eheschließung teilweise vom 13.01.2003 datierten. Im Januar 2003 sei über einen Heiratstermin noch nicht geredet worden.
Der Kläger hat erklärt, dass die Eheschließung nicht bereits z.B. im Februar erfolgt sei, weil die verstorbene Versicherte zu dieser Zeit von Krankenhaus zu Krankenhaus gemusst habe und daher keine Zeit geblieben sei.
Der Sohn des Klägers A. A. hat erklärt, die Absicht zur Eheschließung habe schon länger bestanden, seit 6 bis 8 Jahren. Einmal seien sogar Ringe gekauft worden, die dann als Freundschaftsringe gedient hätten. Die Eheschließung sei deshalb nicht erfolgt, weil keine Zeit gewesen sei, wegen des Obst- und Gemüsestandes. Die Absichten seien konkret geworden, als es mit der Krankheit bergauf gegangen sei. Er erinnere sich an die Begriffe "Tumormarker" und die verstorbene Versicherte sei davon ausgegangen, dass die Chemotherapie gewirkt hätte. Er könne sich daran erinnern, dass die ausgefallenen Haare nachgewachsen seien und sie an Gewicht zugenommen habe. Die verstorbene Versicherte habe gemeint, dass man sich jetzt eine schönere Zeit machen könne und habe heiraten wollen und eine Hochzeitsreise unternehmen. An die Hochzeit könne er sich deshalb zeitlich noch ungefähr erinnern, weil er kurz darauf Geburtstag habe. Er erinnere sich auch an einen Krankenhausaufenthalt kurz vorher, seiner Meinung nach sei es ein Kontrollcheck gewesen, jedenfalls habe die verstorbene Versicherte darüber nicht weiter erzählt. Die Versicherte habe auch einmal davon gesprochen, dass man sehe, wie schnell alles schlecht werden könne. Sie sei davon ausgegangen, dass sie noch eine 2. Chance habe, man müsse nicht immer nur arbeiten. Sie wolle verreisen und jetzt wäre auch der Zeitpunkt zum Heiraten. Sie habe immer in die Berge gewollt. Vorher sei sie nämlich gar nicht verreist, nur nach A-Stadt und zum Einkaufen für den Markt. Die Gespräche seien entweder nach der 1. oder der 2. Chemo gewesen.
Die Gemeinschaftspraxis S. hat auf weitere Anfragen des Gerichts noch die Karteikarten für die Versicherte für den Zeitraum vom 03.01.2002 bis 15.06.2004 übersandt.
Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass sich bereits im Januar 2003 die Heiratsabsichten der Eheleute A. konkretisiert hätten, nachdem sich beide wegen der konkreten formellen Erfordernisse für eine anstehende Eheschließung erkundigt hätten. Auch hätten sich der Kläger und die verstorbene Versicherte Anfang des Jahres 2003 entschieden, in das von ihnen gemeinsam bewohnte Anwesen, welches im Eigentum der Versicherten gestanden habe, ein behindertengerechtes Bad einzubauen um damit die Körperpflege der Versicherten für die nächsten Jahre zu erleichtern. Obwohl beide nur über einen Rentenbezug verfügten, hätten sie sich für eine solche kostenträchtige Investition entschlossen, in der Erwartung, dieses neu eingerichtete Bad die nächsten Jahre zweckgerichtet nutzen zu können. Diese Arbeiten seien etwa in der ersten Jahreshälfte 2003 fertig gestellt gewesen. Solche Investitionen hätten beide niemals getätigt, hätten sie einen zeitnahen Tod von der Versicherten infolge der Krebserkrankung erwartet.
In der mündlichen Verhandlung am 22.04.2008 hat das SG die die Versicherte behandelnde hausärztliche Internistin Dr.I. H. als Zeugin vernommen. Diese hat mitgeteilt, dass bei den Behandlungsterminen der Kläger größtenteils anwesend gewesen sei, vor allem am Ende der Behandlung. Sie erinnere sich nicht an das genaue Datum als die verstorbene Versicherte über die Heiratsabsichten gesprochen habe, aber an die Tatsache schon. Es sei sehr spät im Verlauf der Erkrankung gewesen. Es habe sie damals sehr beeindruckt. Sie sei ihr als kindliche Patientin in Erinnerung geblieben. Über den bevorstehenden Tod habe sie niemals mit ihr gesprochen. Sie gebe immer zurück, was die Patientin ihr anbiete. Sie habe ihr damals sinngemäß zum Ausdruck gebracht, dass die Versicherte heiraten solle, falls ihr dies für den Verlauf der Erkrankung helfen würde. Sie könne nicht sagen, ob bei den Gesprächen am 02.10.2003 und 16.09.2003 der Kläger persönlich mit anwesend gewesen sei. Den Vermerk "psychische Beratung" habe sie immer angebracht, wenn die Sache tiefer gegangen sei, als eine rein oberflächliche Symptomschilderung. Sie hat weiter erklärt, sie habe die Versicherte nicht in ihrem Optimismus bestärkt. Dazu sei die Krankheit zu sehr fortgeschritten gewesen. Sie habe aber zurückgegeben, was ihr angeboten worden sei. Man könne sagen, sie habe die verbliebene Hoffnung genährt. Über eine Besserung im Gesundheitszustand der Versicherten könne sie persönlich nichts sagen. Im Umfeld der Familie würden positive Zeichen stärker bewertet. Nach ihren Eintragungen in der Krankengeschichte finde sich keine Besserung. Allerdings würde sie einem Patienten, der Hoffnung habe, diese nicht nehmen. Auch der Patient selbst bewerte positive Zeichen über. Ob die verstorbene Versicherte vom bevorstehenden Tod gewusst habe, wisse sie nicht. Zu den Einträgen über die Niedergeschlagenheit sei zu sagen, dass sie nicht sagen könne, ob die schwere Angst der Versicherten sich auf den bevorstehenden Tod bezogen habe oder nicht auf den Verlust der Partnerschaft im Hinblick darauf, dass sie nun für ihn nicht mehr attraktiv sei oder sein könne. Zu der Frage was die Zeugin zu dem Eintrag vom 02.10.2003 (will noch etwas Endgültiges schaffen) sagen könne, hat die Zeugin erklärt, sie könne sich heute nicht mehr erinnern, ob sie damit die Worte der Versicherten übernommen habe oder in ihrer Aussage etwas hineininterpretiert habe.
Der Kläger hat weiter angegeben, die verstorbene Versicherte habe die Volksschule abgeschlossen und eine Lehre im Bereich Hauswirtschaft absolviert. Berufstätig sei sie mit ihm zusammen gewesen, sie hätten mit Obst und Gemüse gehandelt. Er beziehe eine Rente von der Beklagten in Höhe von 360,00 EUR monatlich, außerdem Leistungen aus den öffentlichen Kassen in Höhe von 50,00 EUR monatlich.
Mit Urteil vom 22.04.2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger Witwerrente ab 01.04.2004 zu gewähren. Nach Abwägung aller Umstände sei die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Es spreche für das Vorliegen einer Versorgungsehe auf den ersten Blick der Umstand, dass die Verstorbene und der Kläger bereits seit vielen Jahren zusammengelebt hätten und also Zeit genug gehabt hätten, eine Ehe einzugehen. Bei näherer Betrachtung sei jedoch festzustellen, dass beide bereits öfter eine Eheschließung geplant hätten. Bereits einmal seien Ringe gekauft worden. Jedoch habe der Kläger nach seinen eigenen Angaben keinen wirklichen Antrieb gehabt, eine formelle Ehe zu schließen. Für das Vorliegen einer Versorgungsehe spreche auch der Aspekt, dass die Krebserkrankung schwerwiegend gewesen sei und zum Zeitpunkt der Eheschließung objektiv bereits sehr weit fortgeschritten war und als infaust bezeichnet werden musste. Nach der Motivlage stehe jedoch fest, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht davon ausgegangen sei, dass ihr Tod aufgrund der Erkrankung bald bevorstünde. Dies ergebe sich auch aus den Gesprächen die die verstorbene Versicherte mit dem Sohn des Klägers geführt habe.
Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, die verstorbene Versicherte sei sich des Risikos eines nahen Endes bewusst gewesen. In diese Richtung wiesen die Karteikartenvermerke der Zeugin Dr. H. über ihre ehemalige Patientin. Darin heiße es u.a. unter dem 16.09.2003: "Patientin völlig fertig, da Tumormarker steigen. Psychische Beratung ...". Und weiter unter dem 19.09.2003: "Diagnose: Chemotherapie Sitzung wegen bösartiger Neubildung". Unter dem 02.10.2003 heiße es "Massiv am Boden zerstört, Chemo schlägt nicht an, Tumorprogression, nächste evtl. andere Chemo nächsten Montag. Heiratet nächste Woche nach 16 Jahren ihren Lebensgefährten Herrn A., will noch etwas Endgültiges schaffen ... Depressive Episode, nicht näher bezeichnet ...". Die Aussage der Standesbeamtin, dass sie bei der Eheschließung jedenfalls keine auffällige tödliche Krankheit bemerkt habe, sei nicht weiterführend. Auch der Sachverständige Dr.S. habe darauf hingewiesen, dass es für einen medizinischen Laien aufgrund des bei der Patientin vorhandenen Übergewichts gravierende äußere Anzeichen iS eines körperlichen Verfalls erst im Endstadium in den letzten Lebenswochen der Patientin augenfällig geworden sein dürften. Aus der Beweisaufnahme ergebe sich nicht mit hinreichender Sicherheit, dass sich die verstorbene Versicherte nicht über den lebensbedrohlichen Charakter ihrer Erkrankung im Klaren war. Darüber hinaus spreche die Tatsache, dass der Kläger mit seiner späteren Ehefrau bereits jahrzehntelang zusammengelebt hätte, eher für die Annahme einer Versorgungsehe. Auch die wirtschaftliche Situation des Klägers zum Zeitpunkt der Eheschließung spreche ebenfalls für eine Versorgungsehe. Mit Bescheid vom 13.06.2003 hatte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beginnend ab dem 01.05.2003 in Höhe von 184,00 EUR monatlich bewilligt, ab dem 01.11.2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 371,84 EUR. In Anbetracht der bescheidenen regelmäßigen Einkünfte des Klägers sei es trotz des gemeinsamen Hauses nicht völlig fernliegend gewesen, dass durch eine Eheschließung der Kläger zusätzlich wirtschaftlich in Form einer Witwerrente abgesichert würde.
Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen weder er noch seine Ehefrau hätten zum Zeitpunkt der Eheschließung von einem zeitnahen Todeseintritt ausgehen können. Die Versicherte habe in Gesprächen mit dem Sohn des Klägers zum Ausdruck gebracht, dass sie fest an eine 2. Chance glaube um nach der Eheschließung noch ein gutes Leben mit dem Kläger führen zu können. Sie habe zum Zeitpunkt der Eheschließung zukunftsorientiert noch mehrere Unternehmungen geplant. Darüber hinaus sei die Erkrankung bereits im Herbst 2001 festgestellt worden. Wäre es der verstorbenen Versicherten und dem Kläger darauf angekommen, die Versorgung des Klägers auf jeden Fall durch Eheschließung sicher zu stellen, hätte bereits zum damaligen Zeitpunkt die Eheschließung erfolgen müssen, nachdem eine Krebserkrankung immer die Gefahr in sich berge, dass der Betroffene versterben könne.
Auch im Frühjahr 2003 sei es zu einer zwischenzeitlichen Verschlechterung der Gesundheitssituation insoweit gekommen, als sich die verstorbene Versicherte nochmals einer Chemotherapie habe unterziehen müssen. Hätten sie und der Kläger nur Wert auf eine Versorgungsehe gelegt, wäre es angezeigt gewesen, vor Beginn dieser Therapie die Ehe zu schließen, um sicherzustellen, dass in einem nie auszuschließenden Todesfall der Kläger abgesichert wäre. Davon hätten sie aber keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr hätten sie zugewartet, bis es ihr besser zu gehen schien, um dann die Ehe zu schließen mit gemeinsamen Zukunftsplänen. Dass beide eine gemeinsame Lebensplanung bis ins Alter gehabt hätten, ließe sich auch daran nachvollziehen, dass beide noch im Jahr 2001 für Umbaumaßnahmen am Anwesen in Bad S. zusammen ein Darlehen bei der Bausparkasse S. aufgenommen hätten, um die von ihnen gewollten Umbaumaßnahmen finanzieren zu können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.04.2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 08.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2004 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.04.2008 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwenrente gemäß § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil der Anspruch gemäß § 46 Abs 2a SGBVI ausgeschlossen ist.
Gemäß § 46 Abs 2a SGB VI haben Witwer keinen Anspruch auf Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens 1 Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Als besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe für die Heirat schließen lassen (vgl. BSG Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R mwN, veröffentlicht in juris). Die Annahme des Anspruchs ausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens 1 Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Dabei sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles zu prüfen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (vgl. BSG Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, veröffentlicht in juris, BSG Urteil vom 05.05.2009 aaO). Diese Umstände sind nachzuweisen, die Beweislast trägt der Antragsteller.
Für den vorliegenden Fall heißt dies: Neben der vom Gesetzgeber vorgegebenen Fiktion einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von unter einem Jahr (hier 08.10.2003 bis 17.03.2004) spricht für das Vorliegen einer Versorgungsehe, dass die Beteiligten gerade im Wissen um die lebensgefährliche Krankheit der Versicherten geheiratet haben.
Zum einen sind vor September 2003 keinerlei tatsächlich konkreten Eheschließungsabsichten verwirklicht worden. Soweit der Sohn des Klägers vorträgt, es seien schon einmal Ringe gekauft worden, dann jedoch als Freundschaftsringe verwendet worden, spricht dies noch nicht für eine konkretisierte Eheschließungsabsicht. Dagegen steht vielmehr die Aussage des Klägers, die Versicherte habe schon länger heiraten wollen, er habe dies jedoch als "gebranntes Kind" in Scheidungsangelegenheiten nicht gewollt. Auch die Tatsache, dass die Versicherte Anfang 2003 beim Standesamt sich wegen der erforderlichen Unterlagen erkundigte, spricht noch nicht für einen zu diesem Zeitpunkt schon verwirklichten Eheschließungsentschluss. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch schon im Jahr 2003 keinerlei Aufgebot mehr erforderlich war. Nachdem über einen Termin auch nicht gesprochen wurde, war insoweit noch keine konkrete Eheschließungsabsicht gegeben. Diese ist dann am 29.09.2003 mit Anmeldung für die Eheschließung am 08.10.2003 erfolgt.
Die Versicherte hat auch um ihren Gesundheitszustand gewusst. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten von Dr.S. sowie den Karteikarten der die Versicherte konkret damals behandelnden Ärztin Dr.H ...
Rein objektiv stellt sich das Krankheitsgeschehen der Versicherten nach dem Gutachten von Dr.S. folgendermaßen dar: Bei der Versicherten wurde Ende 2001 ein bösartiges Ovarialkarzinom festgestellt. Nach erfolgter Operation und einer Chemotherapie zeigte sich in den Nachsorgeuntersuchungen ein unauffälliges Ergebnis sowohl hinsichtlich des Tumormarkers als auch in den bildgebenden Verfahren. Bei Beginn der Behandlung war nicht objektiv vorhersehbar, dass die Patientin an dieser Erkrankung versterben würde. Allerdings bestand bei entsprechender erfolgreicher Entfernung aller sichtbaren Tumoranteile und die Durchführung einer adäquaten Chemotherapie eine Heilungsaussicht.
Mit dem Auftreten eines rasch progredienten multilokulären Rezidivs ab Anfang 2003 war eine Heilungschance allerdings nicht mehr gegeben. Wegen einer Einengung von Dünn- und Dickdarm durch den Tumor wurde nochmals eine jetzt palliativ intentierte Operation mit Rissresektion der eingeengten Darmabschnitte durchgeführt. Die daraufhin gewählte Chemotherapie mit Topotecan wurde in 4 Zyklen bis Juni 2003 appliziert. Unter dieser Therapie kam es zu einer weiteren Progression, wie an den kontinuierlich steigenden Tumormarkern abzulesen war. Daraufhin wurde eine Drittlinientherapie mit Treosolfan begonnen, auch hierunter waren die Tumormarker weiter steigend. Ab August 2003 (stationärer Aufenthalt in der Frauenklinik des Klinikums A-Stadt zur Abklärung des Verdachtes auf einen Subileus) traten offenbar lokale Symptome des Tumorwachstums auf. Angesichts des stationären Aufenthaltes im September 2003 wurde die Patientin wegen eines manifesten beginnenden Darmverschlusses behandelt. Es wurde beschlossen, die Chemotherapie mit Treosulfan zunächst zu beenden. Die durchgeführten Untersuchungen dokumentieren eine deutliche Progredienz des Tumorleidens. In der Folge bestand die Behandlung lediglich in symptomatischer Therapie durch Analgetikamedikation und abführenden Maßnahmen bis zum Tod der Patientin. Vom Moment des Tumorrezidivs im Januar/Februar 2003 und anschließenden palliativen Operation im März 2003 bestand keine Aussicht auf Heilung mehr. Eine Abschätzung des voraussichtlichen Todeszeitpunkts sei allerdings noch nicht möglich gewesen, da ein Ansprechen auf die nach der 2. Operation begonnenen palliativen Chemotherapie noch nicht ausgeschlossen werden konnte. In diesem Falle hätte die Versicherte noch weitaus länger als ein weiteres Jahr überleben können. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 08.10.2003 musste davon ausgegangen werden, dass die Patientin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 1 Jahr nicht überleben werde.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Versicherte um ihren Gesundheitszustand wusste. Zum einen hat der sie behandelnde Frauenarzt Dr.K. mitgeteilt, dass über die Schwere der Erkrankung gesprochen worden sei, auch wenn eine Überlebenswahrscheinlichkeit nicht mitgeteilt worden sei. Aus der Karteikarte der sie behandelnden Internistin ist am 04.07.2003 Folgendes zu entnehmen: "Soll Versuchschemotherapie ab Freitag in einer Woche in A-Stadt machen, sehr traurig, Tumormarker wieder gestiegen, ... Patientin "will noch nicht sterben", langes Gespräch". Am 16.09. findet sich die Eintragung "Patientin völlig fertig, da Tumormarker steigen. Psychische Beratung. Chemo läuft noch einmal, dann Entscheidung Abbruch ...". Am 02.10.2003 findet sich folgende Eintragung: "Massiv am Boden zerstört, Chemo schlägt nicht an, Tumorprogression, nächste evtl. andere Chemo nächsten Montag. Heiratet nächste Woche nach 16 Jahren ihren Lebensgefährten Herrn A., will noch etwas Endgültiges schaffen". Diese Einträge zeigen, dass die Versicherte um die Krebserkrankung wusste und auch durchaus mit einem baldigen Versterben rechnete. Dass möglicherweise noch eine Resthoffnung bestand, schließt das Wissen um die Bösartigkeit der Erkrankung und die Möglichkeit des baldigen Versterbens nicht aus.
Auch die äußeren Umstände sprechen dafür. Nach den oben genannten maßgeblichen Einträgen hat die Versicherte dann tatsächlich am 29.09.2003 ihre Eheschließung angemeldet. Soweit der Kläger vorträgt, eine frühere Eheschließung sei verhindert worden, weil Krankenhausaufenthalte folgten, ist zwar richtig, dass sich die Versicherte mehrfach im Krankenhaus befand. Dies gilt jedoch in ähnlicher Weise auch für den Zeitpunkt, als sie sich dann endlich entschlossen hatte, das Aufgebot zu bestellen, jedenfalls war ein stationärer Wiedervorstellungstermin geplant. Vorausgegangen war ein stationärer Aufenthalt vom 19. bis 24.09.2003. Dabei ist im Entlassungsbericht zum Verlauf Folgendes angemerkt: "Bei deutlich reduziertem Allgemeinzustand und klinisch Subileus zunächst Besserung nach abführenden Maßnahmen. Bei Entlassung (auf Wunsch) wieder zunehmend Übelkeit/Brechreiz. Dabei wurde ein stationärer Wiedervorstellungstermin für den 06.10.2003 vereinbart, ebenso wurde beschlossen, die Chemotherapie mit Treosulfan abzusetzen und ggf. auf ein alternatives Chemotherapeutikum umzusetzen".
Dies kann auch nicht durch die Aussagen des Sohnes des Klägers entkräftet werden, die Versicherte habe von einer zweiten Chance geredet, und habe wieder besser ausgesehen. Dr.S. hat dargetan, dass für einen Laien ein tumorbedingter körperlicher Verfall wahrscheinlich erst spät im Krankheitsverlauf (nach der Eheschließung) sichtbar geworden sei, da es sich bei ihr um eine deutlich übergewichtige Person gehandelt habe. Zum anderen mag die Eheschließung durchaus noch einmal Hoffnungen geweckt haben, die - wie oben dargelegt - jedoch das Wissen um die Schwere der Erkrankung nicht ausschließen.
Der Senat ist ebenfalls davon überzeugt, dass auch der Kläger um die Schwere der Erkrankung wusste. Zum einen hat er selbst mitgeteilt, er habe von der Krebserkrankung gewusst. Zum anderen hat der die Versicherte behandelnde Frauenarzt Dr.K. ebenfalls mitgeteilt, dass der Kläger bei dem Gespräch über die Schwere der Erkrankung dabei gewesen sei. Ebenso ist die Aussage des Klägers zu werten, als er im Termin mitgeteilt hat, die Versicherte habe nach dem Anbau des Hauses gesagt, man solle heiraten, weil sonst alles flöten ginge. Auch die Tatsache, dass die Versicherte und der Kläger Anfang des Jahres 2003 erhebliche Investitionen für den Bau eines behindertengerechten Bades getätigt haben, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn für die Motive kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Eheschließung an, und nicht auf vorhergehende Zeitpunkte. Nach dem Gutachten von Dr. S. bestand Anfang des Jahres 2003 auch objektiv durchaus die Möglichkeit eines mehrjährigen Überlebens, abhängig von dem Erfolg der Chemotherapie.
Auch die finanziellen Verhältnisse sprechen für eine Versorgungsehe. Mit Bescheid vom 14.08.2003 wurde dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, beginnend ab 01.11.2003 in Höhe von 371,84 EUR gewährt, ferner erhielt der Kläger auch Wohngeld lt. dem Antrag auf Witwerrente. Demgegenüber erhielt die Versicherte am 01.12.2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 524,83 EUR. Soweit der Kläger vorträgt, sie hätten nach 16 Jahren des Zusammenlebens dieses auch legalisieren wollen, mag dies auch ein Motiv gewesen sein. Allerdings kann es in Zusammenschau mit den anderen Umständen nicht dazu führen, dass es wenigstens gleich mit dem Grund einer Versorgungsehe zu gewichten wäre. Vielmehr hat der zeitliche Ablauf gezeigt, dass ein Zusammenhang der Eheschließung mit dem Verlauf der Erkrankung der Versicherten besteht. Insofern ist der dem Grunde nach bestehende Anspruch des Klägers auf Witwerrente gemäß § 46 Abs 2a SGB VI ausgeschlossen und das Urteil des SG Bayreuth vom 22.04.2008 ist aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Nrn 1 und 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Hinterbliebenenrente hat.
Der 1945 geborene Kläger beantragte am 10.05.2004 Hinterbliebenenrente nach der Versicherten A. A., geboren 1948, verstorben am 17.03.2004 nach Eheschließung am 08.10.2003. Bei der Antragstellung gab der Kläger an, er habe vor der Eheschließung 17 Jahre mit der Verstorbenen in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft gelebt. Bei der Verehelichung habe er nicht wissen können, dass seine Frau an Krebs erkranken und sterben werde.
Mit Bescheid vom 08.07.2007 lehnte die Beklagte den Antrag auf Hinterbliebenenrente ab. Die tödlichen Folgen der Krebserkrankung seien zum Zeitpunkt der Eheschließung am 08.10.2003 absehbar gewesen, besondere Umstände die eine Versorgungsrente widerlegen würden, lägen nicht vor. Dagegen hat der Kläger Widerspruch erhoben. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, die Eheleute hätten bereits seit August 1988 zusammengelebt und eine Eheschließung deshalb hinausgeschoben, da der Kläger betreffend Scheidungsangelegenheiten ein "gebranntes Kind" gewesen sei. Nachdem aber beide letztlich 15 Jahre gut zusammengelebt hätten, wären sie sich einig gewesen, ihre fest bestehende Verbindung durch die Eheschließung zu legalisieren. Sie hätten die ganzen Jahre hinweg wie ein Ehepaar zusammengelebt, aus einem Topf gewirtschaftet und gemeinsam in das im Alleineigentum von der verstorbenen Versicherten stehende Anwesen zur Erhaltung und Modernisierung investiert. Es sei für beide zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht absehbar gewesen, dass die Ehe nur von so kurzer Dauer sein würde. Es sei beiden bekannt gewesen, dass die Ehefrau an Krebs erkrankt gewesen sei, jedoch sei zum Zeitpunkt der Eheschließung das Behandlungsstadium so positiv gewesen, dass der Frau noch mehrere Lebensjahre in Aussicht gestellt worden seien. Der unvorhersehbare Rückfall Anfang des Jahres 2004 sei für beide überraschend gekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.11.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Tatsache, dass der Kläger mit seiner verstorbenen Ehefrau bereits seit August 1988 zusammengelebt habe, und erst am 08.10.2003 geheiratet habe, stütze sogar die Vermutung, dass angesichts der Krebserkrankung der überwiegende Zweck der Heirat der Versorgungsgedanke gewesen sei.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Bayreuth erhoben. Im Wesentlichen hat er vorgetragen, dass die verstorbene Versicherte bereits Ende Januar/Anfang Februar 2003 bei der Standesbeamtin in Bad S. vorgesprochen habe, weil sie das Aufgebot habe bestellen wollen. Das Aufgebot und die Eheschließung hätten sich dadurch verzögert, dass sie erkrankt sei und sich stationärer Behandlung im Klinikum A-Stadt habe unterziehen müssen. Das Aufgebot habe sich bis Oktober 2003 hinausgeschoben, als es der Versicherten gesundheitlich wieder besser gegangen sei. Die Versicherte sei in zeitlicher Nähe mit der Eheschließung richtiggehend aufgeblüht, sodass für keinen Familienangehörigen ein Anhalt gewesen sei, dass sie an einer schweren Krebserkrankung leiden würde. Die Eheschließung sei also bereits ein Jahr vor dem Todesfall geplant gewesen. Die über das Jahr 2003 durchgeführte Chemotherapie habe so gut angeschlagen, dass der Versicherten berechtigte Hoffnung gemacht worden sei, die Krankheit besiegt zu haben. Deshalb sei der Todesfall für die Eheleute A. überraschend gekommen.
Das SG hat im Rahmen weiterer Ermittlungen eine Auskunft über Mitgliedschaftszeiten und Arbeitsunfähigkeiten bei der AOK Bayern eingeholt, sowie einen Befundbericht des die verstorbene Versicherte behandelnden Frauenarztes Dr.K. eingeholt. Dieser hat am 25.08.2005 mitgeteilt, seit 01.04.2003 sei eine zunehmende Verschlechterung des bekannten Peritonealkarzinoms erfolgt. Es sei über die Schwere der Erkrankung gesprochen worden, eine Überlebenswahrscheinlichkeit sei nicht mitgeteilt worden.
Das SG hat weiter die Berichte der Frauenklinik A-Stadt eingeholt und den Internisten Dr.S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 07.08.2006 im Wesentlichen festgestellt, dass aufgrund der dokumentierten Krankengeschichte der verstorbenen Versicherten am 08.10.2003 objektiv absehbar gewesen sei, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung die Patientin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Jahr nicht überleben würde. Zu Beginn der Behandlung (Anmerkung des Gerichts: Ende 2001) sei nicht objektiv vorhersehbar gewesen, dass die Patientin an der Erkrankung versterben würde. Ab dem Rezidiv der Erkrankung im Februar 2003 sei wahrscheinlich gewesen, dass die verstorbene Versicherte an dieser Erkrankung versterben würde, eine Abschätzung des voraussichtlichen Todeszeitpunkts sei allerdings noch nicht möglich gewesen. Der Kläger als medizinischer Laie hätte aufgrund der deutlichen Verschlechterung des Allgemeinzustandes im September 2003 erkennen können, dass es sich um eine gravierende Erkrankung gehandelt habe. Nach Aktenlage sei der Ehemann bei Arztgesprächen offensichtlich anwesend gewesen. Sofern die behandelnden Ärzte die Informationen über den Krankheitsverlauf mitgeteilt hätten, die zur Erklärung der jeweils vorgenommenen Therapieänderungen notwendig gewesen seien, habe zum Zeitpunkt der Eheschließung für die Patientin und ihren Ehemann ersichtlich sein müssen, dass es sich um eine unheilbare und letztlich tödlich verlaufende Erkrankung gehandelt habe. Allein durch Beobachtung habe für den Ehemann wohl erst in den letzten Wochen vor dem Ableben der Versicherten auf einen baldigen Tod geschlossen werden können.
Die Allgemeinarztpraxis Dr.S. und G. hat auf Anfrage des SG mitgeteilt, dass die damals die Versicherte behandelnde Ärztin Dr.H. nicht mehr in der Praxis tätig sei. Aus den ihnen vorliegenden Dokumentationen gingen keine weiteren Angaben hervor.
Im Erörterungstermin am 03.05.2007 hat der Kläger erklärt, dass die verstorbene Versicherte in der Vergangenheit häufig an ihn herangetreten sei wegen der Eheschließung. Er habe jedoch gesagt, dass man auch so gut zusammenlebe. Vor allem nach dem Anbau des Hauses habe Frau A. gesagt, man solle heiraten, weil sonst alles flöten ginge. Das Aufgebot habe die verstorbene Versicherte allein bestellt, er schätze ca. 4 Wochen vor der Trauung.
In der mündlichen Verhandlung am 25.07.2007 hat die Verwaltungsangestellte B. G. von Stadt Bad S. als Zeugin mitgeteilt, die Anmeldung für die Eheschließung am 08.10.2003 sei am 29.09.2003 erfolgt. Heute und auch zur damaligen Zeit habe es kein Aufgebotsverfahren mit Aushang mehr gegeben, theoretisch genüge es, wenn die Anmeldung einen Tag vor der Eheschließung erfolge, sofern der Terminplan dies zulasse. Bereits im Januar 2003 hätten sich die späteren Eheleute erkundigt, was man für eine Eheschließung benötige. Dies sei normal so, weil die meisten Leute ja nicht wüssten, welche Unterlagen für die Anmeldung und Eheschließung benötigt würden. Nach diesem Zeitpunkt habe sie nichts mehr von den späteren Eheleuten gehört, erst wieder im September 2003. Aus den Unterlagen sei ersichtlich, dass die Dokumente für die Eheschließung teilweise vom 13.01.2003 datierten. Im Januar 2003 sei über einen Heiratstermin noch nicht geredet worden.
Der Kläger hat erklärt, dass die Eheschließung nicht bereits z.B. im Februar erfolgt sei, weil die verstorbene Versicherte zu dieser Zeit von Krankenhaus zu Krankenhaus gemusst habe und daher keine Zeit geblieben sei.
Der Sohn des Klägers A. A. hat erklärt, die Absicht zur Eheschließung habe schon länger bestanden, seit 6 bis 8 Jahren. Einmal seien sogar Ringe gekauft worden, die dann als Freundschaftsringe gedient hätten. Die Eheschließung sei deshalb nicht erfolgt, weil keine Zeit gewesen sei, wegen des Obst- und Gemüsestandes. Die Absichten seien konkret geworden, als es mit der Krankheit bergauf gegangen sei. Er erinnere sich an die Begriffe "Tumormarker" und die verstorbene Versicherte sei davon ausgegangen, dass die Chemotherapie gewirkt hätte. Er könne sich daran erinnern, dass die ausgefallenen Haare nachgewachsen seien und sie an Gewicht zugenommen habe. Die verstorbene Versicherte habe gemeint, dass man sich jetzt eine schönere Zeit machen könne und habe heiraten wollen und eine Hochzeitsreise unternehmen. An die Hochzeit könne er sich deshalb zeitlich noch ungefähr erinnern, weil er kurz darauf Geburtstag habe. Er erinnere sich auch an einen Krankenhausaufenthalt kurz vorher, seiner Meinung nach sei es ein Kontrollcheck gewesen, jedenfalls habe die verstorbene Versicherte darüber nicht weiter erzählt. Die Versicherte habe auch einmal davon gesprochen, dass man sehe, wie schnell alles schlecht werden könne. Sie sei davon ausgegangen, dass sie noch eine 2. Chance habe, man müsse nicht immer nur arbeiten. Sie wolle verreisen und jetzt wäre auch der Zeitpunkt zum Heiraten. Sie habe immer in die Berge gewollt. Vorher sei sie nämlich gar nicht verreist, nur nach A-Stadt und zum Einkaufen für den Markt. Die Gespräche seien entweder nach der 1. oder der 2. Chemo gewesen.
Die Gemeinschaftspraxis S. hat auf weitere Anfragen des Gerichts noch die Karteikarten für die Versicherte für den Zeitraum vom 03.01.2002 bis 15.06.2004 übersandt.
Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass sich bereits im Januar 2003 die Heiratsabsichten der Eheleute A. konkretisiert hätten, nachdem sich beide wegen der konkreten formellen Erfordernisse für eine anstehende Eheschließung erkundigt hätten. Auch hätten sich der Kläger und die verstorbene Versicherte Anfang des Jahres 2003 entschieden, in das von ihnen gemeinsam bewohnte Anwesen, welches im Eigentum der Versicherten gestanden habe, ein behindertengerechtes Bad einzubauen um damit die Körperpflege der Versicherten für die nächsten Jahre zu erleichtern. Obwohl beide nur über einen Rentenbezug verfügten, hätten sie sich für eine solche kostenträchtige Investition entschlossen, in der Erwartung, dieses neu eingerichtete Bad die nächsten Jahre zweckgerichtet nutzen zu können. Diese Arbeiten seien etwa in der ersten Jahreshälfte 2003 fertig gestellt gewesen. Solche Investitionen hätten beide niemals getätigt, hätten sie einen zeitnahen Tod von der Versicherten infolge der Krebserkrankung erwartet.
In der mündlichen Verhandlung am 22.04.2008 hat das SG die die Versicherte behandelnde hausärztliche Internistin Dr.I. H. als Zeugin vernommen. Diese hat mitgeteilt, dass bei den Behandlungsterminen der Kläger größtenteils anwesend gewesen sei, vor allem am Ende der Behandlung. Sie erinnere sich nicht an das genaue Datum als die verstorbene Versicherte über die Heiratsabsichten gesprochen habe, aber an die Tatsache schon. Es sei sehr spät im Verlauf der Erkrankung gewesen. Es habe sie damals sehr beeindruckt. Sie sei ihr als kindliche Patientin in Erinnerung geblieben. Über den bevorstehenden Tod habe sie niemals mit ihr gesprochen. Sie gebe immer zurück, was die Patientin ihr anbiete. Sie habe ihr damals sinngemäß zum Ausdruck gebracht, dass die Versicherte heiraten solle, falls ihr dies für den Verlauf der Erkrankung helfen würde. Sie könne nicht sagen, ob bei den Gesprächen am 02.10.2003 und 16.09.2003 der Kläger persönlich mit anwesend gewesen sei. Den Vermerk "psychische Beratung" habe sie immer angebracht, wenn die Sache tiefer gegangen sei, als eine rein oberflächliche Symptomschilderung. Sie hat weiter erklärt, sie habe die Versicherte nicht in ihrem Optimismus bestärkt. Dazu sei die Krankheit zu sehr fortgeschritten gewesen. Sie habe aber zurückgegeben, was ihr angeboten worden sei. Man könne sagen, sie habe die verbliebene Hoffnung genährt. Über eine Besserung im Gesundheitszustand der Versicherten könne sie persönlich nichts sagen. Im Umfeld der Familie würden positive Zeichen stärker bewertet. Nach ihren Eintragungen in der Krankengeschichte finde sich keine Besserung. Allerdings würde sie einem Patienten, der Hoffnung habe, diese nicht nehmen. Auch der Patient selbst bewerte positive Zeichen über. Ob die verstorbene Versicherte vom bevorstehenden Tod gewusst habe, wisse sie nicht. Zu den Einträgen über die Niedergeschlagenheit sei zu sagen, dass sie nicht sagen könne, ob die schwere Angst der Versicherten sich auf den bevorstehenden Tod bezogen habe oder nicht auf den Verlust der Partnerschaft im Hinblick darauf, dass sie nun für ihn nicht mehr attraktiv sei oder sein könne. Zu der Frage was die Zeugin zu dem Eintrag vom 02.10.2003 (will noch etwas Endgültiges schaffen) sagen könne, hat die Zeugin erklärt, sie könne sich heute nicht mehr erinnern, ob sie damit die Worte der Versicherten übernommen habe oder in ihrer Aussage etwas hineininterpretiert habe.
Der Kläger hat weiter angegeben, die verstorbene Versicherte habe die Volksschule abgeschlossen und eine Lehre im Bereich Hauswirtschaft absolviert. Berufstätig sei sie mit ihm zusammen gewesen, sie hätten mit Obst und Gemüse gehandelt. Er beziehe eine Rente von der Beklagten in Höhe von 360,00 EUR monatlich, außerdem Leistungen aus den öffentlichen Kassen in Höhe von 50,00 EUR monatlich.
Mit Urteil vom 22.04.2008 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger Witwerrente ab 01.04.2004 zu gewähren. Nach Abwägung aller Umstände sei die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Es spreche für das Vorliegen einer Versorgungsehe auf den ersten Blick der Umstand, dass die Verstorbene und der Kläger bereits seit vielen Jahren zusammengelebt hätten und also Zeit genug gehabt hätten, eine Ehe einzugehen. Bei näherer Betrachtung sei jedoch festzustellen, dass beide bereits öfter eine Eheschließung geplant hätten. Bereits einmal seien Ringe gekauft worden. Jedoch habe der Kläger nach seinen eigenen Angaben keinen wirklichen Antrieb gehabt, eine formelle Ehe zu schließen. Für das Vorliegen einer Versorgungsehe spreche auch der Aspekt, dass die Krebserkrankung schwerwiegend gewesen sei und zum Zeitpunkt der Eheschließung objektiv bereits sehr weit fortgeschritten war und als infaust bezeichnet werden musste. Nach der Motivlage stehe jedoch fest, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht davon ausgegangen sei, dass ihr Tod aufgrund der Erkrankung bald bevorstünde. Dies ergebe sich auch aus den Gesprächen die die verstorbene Versicherte mit dem Sohn des Klägers geführt habe.
Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, die verstorbene Versicherte sei sich des Risikos eines nahen Endes bewusst gewesen. In diese Richtung wiesen die Karteikartenvermerke der Zeugin Dr. H. über ihre ehemalige Patientin. Darin heiße es u.a. unter dem 16.09.2003: "Patientin völlig fertig, da Tumormarker steigen. Psychische Beratung ...". Und weiter unter dem 19.09.2003: "Diagnose: Chemotherapie Sitzung wegen bösartiger Neubildung". Unter dem 02.10.2003 heiße es "Massiv am Boden zerstört, Chemo schlägt nicht an, Tumorprogression, nächste evtl. andere Chemo nächsten Montag. Heiratet nächste Woche nach 16 Jahren ihren Lebensgefährten Herrn A., will noch etwas Endgültiges schaffen ... Depressive Episode, nicht näher bezeichnet ...". Die Aussage der Standesbeamtin, dass sie bei der Eheschließung jedenfalls keine auffällige tödliche Krankheit bemerkt habe, sei nicht weiterführend. Auch der Sachverständige Dr.S. habe darauf hingewiesen, dass es für einen medizinischen Laien aufgrund des bei der Patientin vorhandenen Übergewichts gravierende äußere Anzeichen iS eines körperlichen Verfalls erst im Endstadium in den letzten Lebenswochen der Patientin augenfällig geworden sein dürften. Aus der Beweisaufnahme ergebe sich nicht mit hinreichender Sicherheit, dass sich die verstorbene Versicherte nicht über den lebensbedrohlichen Charakter ihrer Erkrankung im Klaren war. Darüber hinaus spreche die Tatsache, dass der Kläger mit seiner späteren Ehefrau bereits jahrzehntelang zusammengelebt hätte, eher für die Annahme einer Versorgungsehe. Auch die wirtschaftliche Situation des Klägers zum Zeitpunkt der Eheschließung spreche ebenfalls für eine Versorgungsehe. Mit Bescheid vom 13.06.2003 hatte die Beklagte dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung beginnend ab dem 01.05.2003 in Höhe von 184,00 EUR monatlich bewilligt, ab dem 01.11.2003 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 371,84 EUR. In Anbetracht der bescheidenen regelmäßigen Einkünfte des Klägers sei es trotz des gemeinsamen Hauses nicht völlig fernliegend gewesen, dass durch eine Eheschließung der Kläger zusätzlich wirtschaftlich in Form einer Witwerrente abgesichert würde.
Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen weder er noch seine Ehefrau hätten zum Zeitpunkt der Eheschließung von einem zeitnahen Todeseintritt ausgehen können. Die Versicherte habe in Gesprächen mit dem Sohn des Klägers zum Ausdruck gebracht, dass sie fest an eine 2. Chance glaube um nach der Eheschließung noch ein gutes Leben mit dem Kläger führen zu können. Sie habe zum Zeitpunkt der Eheschließung zukunftsorientiert noch mehrere Unternehmungen geplant. Darüber hinaus sei die Erkrankung bereits im Herbst 2001 festgestellt worden. Wäre es der verstorbenen Versicherten und dem Kläger darauf angekommen, die Versorgung des Klägers auf jeden Fall durch Eheschließung sicher zu stellen, hätte bereits zum damaligen Zeitpunkt die Eheschließung erfolgen müssen, nachdem eine Krebserkrankung immer die Gefahr in sich berge, dass der Betroffene versterben könne.
Auch im Frühjahr 2003 sei es zu einer zwischenzeitlichen Verschlechterung der Gesundheitssituation insoweit gekommen, als sich die verstorbene Versicherte nochmals einer Chemotherapie habe unterziehen müssen. Hätten sie und der Kläger nur Wert auf eine Versorgungsehe gelegt, wäre es angezeigt gewesen, vor Beginn dieser Therapie die Ehe zu schließen, um sicherzustellen, dass in einem nie auszuschließenden Todesfall der Kläger abgesichert wäre. Davon hätten sie aber keinen Gebrauch gemacht. Vielmehr hätten sie zugewartet, bis es ihr besser zu gehen schien, um dann die Ehe zu schließen mit gemeinsamen Zukunftsplänen. Dass beide eine gemeinsame Lebensplanung bis ins Alter gehabt hätten, ließe sich auch daran nachvollziehen, dass beide noch im Jahr 2001 für Umbaumaßnahmen am Anwesen in Bad S. zusammen ein Darlehen bei der Bausparkasse S. aufgenommen hätten, um die von ihnen gewollten Umbaumaßnahmen finanzieren zu können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.04.2008 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 08.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.11.2004 abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.04.2008 zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Witwenrente gemäß § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), weil der Anspruch gemäß § 46 Abs 2a SGBVI ausgeschlossen ist.
Gemäß § 46 Abs 2a SGB VI haben Witwer keinen Anspruch auf Witwerrente, wenn die Ehe nicht mindestens 1 Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Als besondere Umstände iS des § 46 Abs 2a SGB VI sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles anzusehen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe für die Heirat schließen lassen (vgl. BSG Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R mwN, veröffentlicht in juris). Die Annahme des Anspruchs ausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens 1 Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder zumindest gleichwertig sind. Dabei sind alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalles zu prüfen, die auf von der Versorgungsabsicht verschiedene Beweggründe für die Heirat schließen lassen. Die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat sind nicht nur für sich isoliert zu betrachten sondern vor dem Hintergrund der zum Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in eine Gesamtwürdigung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles zu bewerten (vgl. BSG Urteil vom 06.05.2010, B 13 R 134/08 R, veröffentlicht in juris, BSG Urteil vom 05.05.2009 aaO). Diese Umstände sind nachzuweisen, die Beweislast trägt der Antragsteller.
Für den vorliegenden Fall heißt dies: Neben der vom Gesetzgeber vorgegebenen Fiktion einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von unter einem Jahr (hier 08.10.2003 bis 17.03.2004) spricht für das Vorliegen einer Versorgungsehe, dass die Beteiligten gerade im Wissen um die lebensgefährliche Krankheit der Versicherten geheiratet haben.
Zum einen sind vor September 2003 keinerlei tatsächlich konkreten Eheschließungsabsichten verwirklicht worden. Soweit der Sohn des Klägers vorträgt, es seien schon einmal Ringe gekauft worden, dann jedoch als Freundschaftsringe verwendet worden, spricht dies noch nicht für eine konkretisierte Eheschließungsabsicht. Dagegen steht vielmehr die Aussage des Klägers, die Versicherte habe schon länger heiraten wollen, er habe dies jedoch als "gebranntes Kind" in Scheidungsangelegenheiten nicht gewollt. Auch die Tatsache, dass die Versicherte Anfang 2003 beim Standesamt sich wegen der erforderlichen Unterlagen erkundigte, spricht noch nicht für einen zu diesem Zeitpunkt schon verwirklichten Eheschließungsentschluss. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass auch schon im Jahr 2003 keinerlei Aufgebot mehr erforderlich war. Nachdem über einen Termin auch nicht gesprochen wurde, war insoweit noch keine konkrete Eheschließungsabsicht gegeben. Diese ist dann am 29.09.2003 mit Anmeldung für die Eheschließung am 08.10.2003 erfolgt.
Die Versicherte hat auch um ihren Gesundheitszustand gewusst. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten von Dr.S. sowie den Karteikarten der die Versicherte konkret damals behandelnden Ärztin Dr.H ...
Rein objektiv stellt sich das Krankheitsgeschehen der Versicherten nach dem Gutachten von Dr.S. folgendermaßen dar: Bei der Versicherten wurde Ende 2001 ein bösartiges Ovarialkarzinom festgestellt. Nach erfolgter Operation und einer Chemotherapie zeigte sich in den Nachsorgeuntersuchungen ein unauffälliges Ergebnis sowohl hinsichtlich des Tumormarkers als auch in den bildgebenden Verfahren. Bei Beginn der Behandlung war nicht objektiv vorhersehbar, dass die Patientin an dieser Erkrankung versterben würde. Allerdings bestand bei entsprechender erfolgreicher Entfernung aller sichtbaren Tumoranteile und die Durchführung einer adäquaten Chemotherapie eine Heilungsaussicht.
Mit dem Auftreten eines rasch progredienten multilokulären Rezidivs ab Anfang 2003 war eine Heilungschance allerdings nicht mehr gegeben. Wegen einer Einengung von Dünn- und Dickdarm durch den Tumor wurde nochmals eine jetzt palliativ intentierte Operation mit Rissresektion der eingeengten Darmabschnitte durchgeführt. Die daraufhin gewählte Chemotherapie mit Topotecan wurde in 4 Zyklen bis Juni 2003 appliziert. Unter dieser Therapie kam es zu einer weiteren Progression, wie an den kontinuierlich steigenden Tumormarkern abzulesen war. Daraufhin wurde eine Drittlinientherapie mit Treosolfan begonnen, auch hierunter waren die Tumormarker weiter steigend. Ab August 2003 (stationärer Aufenthalt in der Frauenklinik des Klinikums A-Stadt zur Abklärung des Verdachtes auf einen Subileus) traten offenbar lokale Symptome des Tumorwachstums auf. Angesichts des stationären Aufenthaltes im September 2003 wurde die Patientin wegen eines manifesten beginnenden Darmverschlusses behandelt. Es wurde beschlossen, die Chemotherapie mit Treosulfan zunächst zu beenden. Die durchgeführten Untersuchungen dokumentieren eine deutliche Progredienz des Tumorleidens. In der Folge bestand die Behandlung lediglich in symptomatischer Therapie durch Analgetikamedikation und abführenden Maßnahmen bis zum Tod der Patientin. Vom Moment des Tumorrezidivs im Januar/Februar 2003 und anschließenden palliativen Operation im März 2003 bestand keine Aussicht auf Heilung mehr. Eine Abschätzung des voraussichtlichen Todeszeitpunkts sei allerdings noch nicht möglich gewesen, da ein Ansprechen auf die nach der 2. Operation begonnenen palliativen Chemotherapie noch nicht ausgeschlossen werden konnte. In diesem Falle hätte die Versicherte noch weitaus länger als ein weiteres Jahr überleben können. Zum Zeitpunkt der Eheschließung am 08.10.2003 musste davon ausgegangen werden, dass die Patientin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 1 Jahr nicht überleben werde.
Der Senat ist auch davon überzeugt, dass die Versicherte um ihren Gesundheitszustand wusste. Zum einen hat der sie behandelnde Frauenarzt Dr.K. mitgeteilt, dass über die Schwere der Erkrankung gesprochen worden sei, auch wenn eine Überlebenswahrscheinlichkeit nicht mitgeteilt worden sei. Aus der Karteikarte der sie behandelnden Internistin ist am 04.07.2003 Folgendes zu entnehmen: "Soll Versuchschemotherapie ab Freitag in einer Woche in A-Stadt machen, sehr traurig, Tumormarker wieder gestiegen, ... Patientin "will noch nicht sterben", langes Gespräch". Am 16.09. findet sich die Eintragung "Patientin völlig fertig, da Tumormarker steigen. Psychische Beratung. Chemo läuft noch einmal, dann Entscheidung Abbruch ...". Am 02.10.2003 findet sich folgende Eintragung: "Massiv am Boden zerstört, Chemo schlägt nicht an, Tumorprogression, nächste evtl. andere Chemo nächsten Montag. Heiratet nächste Woche nach 16 Jahren ihren Lebensgefährten Herrn A., will noch etwas Endgültiges schaffen". Diese Einträge zeigen, dass die Versicherte um die Krebserkrankung wusste und auch durchaus mit einem baldigen Versterben rechnete. Dass möglicherweise noch eine Resthoffnung bestand, schließt das Wissen um die Bösartigkeit der Erkrankung und die Möglichkeit des baldigen Versterbens nicht aus.
Auch die äußeren Umstände sprechen dafür. Nach den oben genannten maßgeblichen Einträgen hat die Versicherte dann tatsächlich am 29.09.2003 ihre Eheschließung angemeldet. Soweit der Kläger vorträgt, eine frühere Eheschließung sei verhindert worden, weil Krankenhausaufenthalte folgten, ist zwar richtig, dass sich die Versicherte mehrfach im Krankenhaus befand. Dies gilt jedoch in ähnlicher Weise auch für den Zeitpunkt, als sie sich dann endlich entschlossen hatte, das Aufgebot zu bestellen, jedenfalls war ein stationärer Wiedervorstellungstermin geplant. Vorausgegangen war ein stationärer Aufenthalt vom 19. bis 24.09.2003. Dabei ist im Entlassungsbericht zum Verlauf Folgendes angemerkt: "Bei deutlich reduziertem Allgemeinzustand und klinisch Subileus zunächst Besserung nach abführenden Maßnahmen. Bei Entlassung (auf Wunsch) wieder zunehmend Übelkeit/Brechreiz. Dabei wurde ein stationärer Wiedervorstellungstermin für den 06.10.2003 vereinbart, ebenso wurde beschlossen, die Chemotherapie mit Treosulfan abzusetzen und ggf. auf ein alternatives Chemotherapeutikum umzusetzen".
Dies kann auch nicht durch die Aussagen des Sohnes des Klägers entkräftet werden, die Versicherte habe von einer zweiten Chance geredet, und habe wieder besser ausgesehen. Dr.S. hat dargetan, dass für einen Laien ein tumorbedingter körperlicher Verfall wahrscheinlich erst spät im Krankheitsverlauf (nach der Eheschließung) sichtbar geworden sei, da es sich bei ihr um eine deutlich übergewichtige Person gehandelt habe. Zum anderen mag die Eheschließung durchaus noch einmal Hoffnungen geweckt haben, die - wie oben dargelegt - jedoch das Wissen um die Schwere der Erkrankung nicht ausschließen.
Der Senat ist ebenfalls davon überzeugt, dass auch der Kläger um die Schwere der Erkrankung wusste. Zum einen hat er selbst mitgeteilt, er habe von der Krebserkrankung gewusst. Zum anderen hat der die Versicherte behandelnde Frauenarzt Dr.K. ebenfalls mitgeteilt, dass der Kläger bei dem Gespräch über die Schwere der Erkrankung dabei gewesen sei. Ebenso ist die Aussage des Klägers zu werten, als er im Termin mitgeteilt hat, die Versicherte habe nach dem Anbau des Hauses gesagt, man solle heiraten, weil sonst alles flöten ginge. Auch die Tatsache, dass die Versicherte und der Kläger Anfang des Jahres 2003 erhebliche Investitionen für den Bau eines behindertengerechten Bades getätigt haben, führt zu keiner anderen Bewertung. Denn für die Motive kommt es maßgeblich auf den Zeitpunkt der Eheschließung an, und nicht auf vorhergehende Zeitpunkte. Nach dem Gutachten von Dr. S. bestand Anfang des Jahres 2003 auch objektiv durchaus die Möglichkeit eines mehrjährigen Überlebens, abhängig von dem Erfolg der Chemotherapie.
Auch die finanziellen Verhältnisse sprechen für eine Versorgungsehe. Mit Bescheid vom 14.08.2003 wurde dem Kläger eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, beginnend ab 01.11.2003 in Höhe von 371,84 EUR gewährt, ferner erhielt der Kläger auch Wohngeld lt. dem Antrag auf Witwerrente. Demgegenüber erhielt die Versicherte am 01.12.2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung in Höhe von 524,83 EUR. Soweit der Kläger vorträgt, sie hätten nach 16 Jahren des Zusammenlebens dieses auch legalisieren wollen, mag dies auch ein Motiv gewesen sein. Allerdings kann es in Zusammenschau mit den anderen Umständen nicht dazu führen, dass es wenigstens gleich mit dem Grund einer Versorgungsehe zu gewichten wäre. Vielmehr hat der zeitliche Ablauf gezeigt, dass ein Zusammenhang der Eheschließung mit dem Verlauf der Erkrankung der Versicherten besteht. Insofern ist der dem Grunde nach bestehende Anspruch des Klägers auf Witwerrente gemäß § 46 Abs 2a SGB VI ausgeschlossen und das Urteil des SG Bayreuth vom 22.04.2008 ist aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision gemäß § 160 Nrn 1 und 2 zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
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