Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 55 AS 481/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 293/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Anfechtung oder Widerruf der Rücknahme einer Beschwerde im Interess der Rechtssicherheit ist grundsätzlich nicht mögilch.
I. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit L 7 AS 223/11 B ER durch Rücknahme der Beschwerde erledigt ist.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit ist streitig, ob das Verfahren der Beschwerdeführerin (Bf) L 7 AS 223/11 B ER durch Rücknahme der Beschwerde am 21.3.2011 wirksam beendet wurde. In diesem Verfahren war im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Barauszahlung der nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligten Leistungen streitig. Die 1954 geborene Bf bezieht laufend Leistungen von dem Beschwerdegegner (Bg) die in bar am Schalter eines Sozialbürgerhauses ausgezahlt werden. Nachdem ihr im Februar 2011 telefonisch mitgeteilt wurde, dass eine Barauszahlung künftig nicht mehr möglich sei, beantragte die Bf am 21.2.2011 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht München den Bg zu verpflichten, die ihr zustehenden Leistungen in bar auszuzahlen. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen: S 55 AS 481/11 ER geführt. Am 9.3.2011 eröffnete sie ein Konto bei der H-Bank A-Stadt. Der Bg erklärte sich daraufhin bereit, einen Teil der Regelleistung in bar auszuzahlen, die restlichen Leistungen sollten auf das neue Konto überwiesen werden. Das Sozialgericht München wies den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 14.3.2011 ab. Der Antrag sei unzulässig, da durch die Auszahlung und Eröffnung des Kontos ein Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr vorliege. Am 18.3.2011 erschien die Bf bei der Rechtsantragsstelle des Bayerischen Landessozialgerichts und legte Beschwerde (Az.: L 7 AS 223/11 B ER) gegen diesen Beschluss ein. Sie beantragte die Barauszahlung am Schalter, sie sei gezwungen worden ein kostenpflichtiges Konto zu eröffnen. Am 21.3.2011 nahm die Bf die Beschwerde bei der Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts München zurück. Hierüber hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Aktennotiz angefertigt, in der es heißt: "Die Klägerin hat am 17.3.2011 bei der Rechtsantragsstelle Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung eingelegt. Die Beschwerde im Verfahren S 55 AS 481/11 wird hiermit zurückgenommen." Der Aktenvermerk trägt das Aktenzeichen S 55 AS 481/11 ER. Diese Notiz wurde von der Bf persönlich unterschrieben. Daraufhin wurde das Verfahren L 7 AS 223/11 B ER am bayerischen Landessozialgerichts erledigt ausgetragen. Am 11.4.2011 hat die Bf beantragt die Beschwerde weiterzuführen. Die Rücknahme der Beschwerde sei nicht wirksam, da dieses Schreiben nur an das Landgericht gerichtet war. Neben dem Verfahren beim bayerischen Landessozialgericht sei auch ein Verfahren beim Landgericht A-Stadt anhängig gewesen. Nur dieses Verfahren habe sie zurückgenommen. Das Rücknahmeschreiben habe sich nur auf das dortige Verfahren bezogen. So sei ihr dies auch von dem Bearbeiter am Landgericht A-Stadt mitgeteilt worden. Das Verfahren vor dem bayerischen Landessozialgerichts sollte auf keinen Fall zurückgenommen werden. Sie beantrage die Fortführung des Verfahrens. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens L 7 AS 223/10 B ER ist zulässig, aber nicht begründet, denn dieses Verfahren ist durch die Rückname der Beschwerde vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts München am 21.3.2011wirksam beendet worden. Die Rücknahme der Beschwerde ist eine einseitige Prozesserklärung, die analog § 156 SGG auszulegen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Vor § 60 RdNr. 11a). Maßgebend ist dabei der objektive Erklärungswert, der sich danach bestimmt, wie der Empfänger nach allen Umständen die Erklärung verstehen muss, wobei § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend herzuziehen ist. Die Rücknahme der Beschwerde durch die Bf vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts München ist nach dem Empfängerhorizont eindeutig als Rücknahme der Beschwerde im Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht L 7 AS 223/10 B ER auszulegen. Etwas anderes ergibt sich aus der Aktennotiz nicht. Auch der Vortrag der Bf, sie habe lediglich eine Beschwerde am Landgericht nicht am Bayerischen Landessozialgericht zurücknehmen wollen, ist nicht beachtlich, da sich aus der Aktennotiz und dem aufgeführten Aktenzeichen die Rücknahmeerklärung einem eindeutigen Rechtsstreit am Bayerischen Landessozialgericht zuordnen lässt. Ob die Bf weitere Rechtsstreitigkeiten am Landgericht führt ist unbeachtlich. Somit hat die Bf eindeutig die Rücknahme erklärt. Die wirksam erklärte Zurücknahme der Beschwerde kann nicht durch Anfechtung oder Widerruf beseitigt werden. Die Beschwerderücknahme ist eine Prozesshandlung, die auch im Falle eines Irrtums über den Inhalt oder die Reichweite der abgegebenen Erklärung im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich nicht anfechtbar oder widerrufbar ist (vgl. Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 1.Aufl. 2008, § 102 RdNr. 6). Ein Widerruf der Rücknahmeerklärung ist nur ausnahmsweise gemäß §§ 179 Abs 1, 180 SGG i.V.m. §§ 578 ff Zivilprozessordnung (ZPO) möglich. Es liegen die dort genannten Nichtigkeits- oder Restitutionsgründe offensichtlich nicht vor. Es ist daher festzustellen, dass das Verfahren L 7 AS 223/10 B ER durch die wirksame Rücknahme der Beschwerde beendet worden ist. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im vorliegenden Rechtsstreit ist streitig, ob das Verfahren der Beschwerdeführerin (Bf) L 7 AS 223/11 B ER durch Rücknahme der Beschwerde am 21.3.2011 wirksam beendet wurde. In diesem Verfahren war im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Barauszahlung der nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligten Leistungen streitig. Die 1954 geborene Bf bezieht laufend Leistungen von dem Beschwerdegegner (Bg) die in bar am Schalter eines Sozialbürgerhauses ausgezahlt werden. Nachdem ihr im Februar 2011 telefonisch mitgeteilt wurde, dass eine Barauszahlung künftig nicht mehr möglich sei, beantragte die Bf am 21.2.2011 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht München den Bg zu verpflichten, die ihr zustehenden Leistungen in bar auszuzahlen. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen: S 55 AS 481/11 ER geführt. Am 9.3.2011 eröffnete sie ein Konto bei der H-Bank A-Stadt. Der Bg erklärte sich daraufhin bereit, einen Teil der Regelleistung in bar auszuzahlen, die restlichen Leistungen sollten auf das neue Konto überwiesen werden. Das Sozialgericht München wies den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 14.3.2011 ab. Der Antrag sei unzulässig, da durch die Auszahlung und Eröffnung des Kontos ein Rechtsschutzbedürfnis nicht mehr vorliege. Am 18.3.2011 erschien die Bf bei der Rechtsantragsstelle des Bayerischen Landessozialgerichts und legte Beschwerde (Az.: L 7 AS 223/11 B ER) gegen diesen Beschluss ein. Sie beantragte die Barauszahlung am Schalter, sie sei gezwungen worden ein kostenpflichtiges Konto zu eröffnen. Am 21.3.2011 nahm die Bf die Beschwerde bei der Rechtsantragsstelle des Sozialgerichts München zurück. Hierüber hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle eine Aktennotiz angefertigt, in der es heißt: "Die Klägerin hat am 17.3.2011 bei der Rechtsantragsstelle Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung eingelegt. Die Beschwerde im Verfahren S 55 AS 481/11 wird hiermit zurückgenommen." Der Aktenvermerk trägt das Aktenzeichen S 55 AS 481/11 ER. Diese Notiz wurde von der Bf persönlich unterschrieben. Daraufhin wurde das Verfahren L 7 AS 223/11 B ER am bayerischen Landessozialgerichts erledigt ausgetragen. Am 11.4.2011 hat die Bf beantragt die Beschwerde weiterzuführen. Die Rücknahme der Beschwerde sei nicht wirksam, da dieses Schreiben nur an das Landgericht gerichtet war. Neben dem Verfahren beim bayerischen Landessozialgericht sei auch ein Verfahren beim Landgericht A-Stadt anhängig gewesen. Nur dieses Verfahren habe sie zurückgenommen. Das Rücknahmeschreiben habe sich nur auf das dortige Verfahren bezogen. So sei ihr dies auch von dem Bearbeiter am Landgericht A-Stadt mitgeteilt worden. Das Verfahren vor dem bayerischen Landessozialgerichts sollte auf keinen Fall zurückgenommen werden. Sie beantrage die Fortführung des Verfahrens. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens L 7 AS 223/10 B ER ist zulässig, aber nicht begründet, denn dieses Verfahren ist durch die Rückname der Beschwerde vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts München am 21.3.2011wirksam beendet worden. Die Rücknahme der Beschwerde ist eine einseitige Prozesserklärung, die analog § 156 SGG auszulegen ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, Vor § 60 RdNr. 11a). Maßgebend ist dabei der objektive Erklärungswert, der sich danach bestimmt, wie der Empfänger nach allen Umständen die Erklärung verstehen muss, wobei § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entsprechend herzuziehen ist. Die Rücknahme der Beschwerde durch die Bf vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts München ist nach dem Empfängerhorizont eindeutig als Rücknahme der Beschwerde im Verfahren vor dem Bayerischen Landessozialgericht L 7 AS 223/10 B ER auszulegen. Etwas anderes ergibt sich aus der Aktennotiz nicht. Auch der Vortrag der Bf, sie habe lediglich eine Beschwerde am Landgericht nicht am Bayerischen Landessozialgericht zurücknehmen wollen, ist nicht beachtlich, da sich aus der Aktennotiz und dem aufgeführten Aktenzeichen die Rücknahmeerklärung einem eindeutigen Rechtsstreit am Bayerischen Landessozialgericht zuordnen lässt. Ob die Bf weitere Rechtsstreitigkeiten am Landgericht führt ist unbeachtlich. Somit hat die Bf eindeutig die Rücknahme erklärt. Die wirksam erklärte Zurücknahme der Beschwerde kann nicht durch Anfechtung oder Widerruf beseitigt werden. Die Beschwerderücknahme ist eine Prozesshandlung, die auch im Falle eines Irrtums über den Inhalt oder die Reichweite der abgegebenen Erklärung im Interesse der Rechtssicherheit grundsätzlich nicht anfechtbar oder widerrufbar ist (vgl. Breitkreuz in Breitkreuz/Fichte, SGG, 1.Aufl. 2008, § 102 RdNr. 6). Ein Widerruf der Rücknahmeerklärung ist nur ausnahmsweise gemäß §§ 179 Abs 1, 180 SGG i.V.m. §§ 578 ff Zivilprozessordnung (ZPO) möglich. Es liegen die dort genannten Nichtigkeits- oder Restitutionsgründe offensichtlich nicht vor. Es ist daher festzustellen, dass das Verfahren L 7 AS 223/10 B ER durch die wirksame Rücknahme der Beschwerde beendet worden ist. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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