L 7 AS 507/11 B PKH

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 6 AS 2265/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 507/11 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Prozesskostenhilfe, Beschwerdeausschluss

Auch nach Änderung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist im Falle der Versagung von Prozesskostenhilfe für
Hauptsacheverfahren die Beschwerde weiterhin gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG zulässig, wenn ausschließlich
die hinreichende Erfolgaussicht des dem Beschwerdeverfahren zurgunde liegenden Hauptsacheverfahrens
verneint wurde.
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Mai 2011, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Kläger) begehren Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren beim Sozialgericht Chemnitz, in dem sie für Oktober 2010 höhere als die bisher vom Jobcenter Vogtland (im Folgenden: Beklagter) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bewilligten Leistungen begehren.

Die Kläger beziehen laufend Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Mit Änderungsbescheid vom 21.09.2010 zum Bewilligungsbescheid vom 08.07.2010 wurden ihnen Leistungen für die Zeit von 01.10.2010 bis 17.10.2010 in Höhe von 233,12 EUR und für die Zeit von 18.10.2010 bis 31.10.2010 in Höhe von 181,73 EUR gewährt. Der Kläger zu 3 wurde am 18.10.2010 volljährig. Bei der Berechnung wurde zugunsten der Klägerin zu 2 ein Mehrbedarf wegen Schwerbehinderung mit dem Merkzeichen G in Höhe von 17 % der maßgeblichen Regelleistung berücksichtigt. Die Klägerin zu 2 bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung in Höhe von monatlich 786,37 EUR, für den Kläger zu 3 wurden Kindergeld und dessen Erwerbseinkommen abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 EUR berücksichtigt. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2011 zurück. Die Klägerin zu 2 werde zu Unrecht begünstigt, weil es sich nach dem Bescheid der Deutschen Rentenversicherung um eine arbeitsmarktbedingte Erwerbsunfähigkeitsrente handele, so dass weiter Erwerbsfähigkeit bestehe und damit Anspruch auf Arbeitslosengeld II, nicht auf Sozialgeld. Für diese Fälle sei kein Mehrbedarf vorgesehen. Zu berücksichtigen seien Kosten der Unterkunft im Oktober 2010 in Höhe von insgesamt 333,29 EUR. Da die Warmwasserbereitung über Durchlauferhitzer erfolge, bleibe ein Warmwasserabzug von den Heizkosten außer Betracht. Somit ergebe sich ein Gesamtbedarf in Höhe von 1.266,29 EUR (1.321,29 EUR abzüglich 55,00 EUR Mehrbedarf). Darauf sei das Einkommen anzurechnen. Bei der Anrechung des Kindergeldes sei der Kläger zu 3 zu Unrecht begünstigt worden. Anspruch bestehe nur in Höhe von 353,92 EUR; erhalten hätten die Kläger 414,85 EUR.

Dagegen haben die Kläger am 18.05.2011 beim Sozialgericht Chemnitz Klage erhoben sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt und hierzu am 20.05.2011 eine Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen zu den Akten gereicht. Sie haben geltend gemacht, die Kosten der Warmwasserbereitung seien zu übernehmen; es handele sich ausschließlich um Richterrecht und die Auffassung, dass die Kosten hierfür aus der Regelleistung zu bestreiten seien, sei fehlerhaft. Beim Kläger zu 3 seien das Erwerbseinkommen und das Einkommen aus Kindergeld zusammenzurechnen und dann entsprechend zu bereinigen.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 23.05.2011 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Den Klägern stünden keine höheren Leistungen zu, weil der Bedarf zutreffend berechnet worden und die Bereinigung des vom Kläger zu 3 erzielten Einkommens nicht zu beanstanden seien. Ferner dürfte die Klage verfristet sein. Der Beschluss sei für die Beteiligten unanfechtbar, wie die Beschwer der Kläger für den strittigen Zeitraum unbeschadet des unbezifferten Antrages nach dem klägerischen Vortrag keine 750,00 EUR erreiche. Dem Beschluss war dennoch eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, wonach die Beschwerde zulässig sei.

Gegen den ihm am 30.05.2011 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 31.05.2011 beim Sozialgericht Chemnitz Beschwerde eingelegt, ohne diese zu begründen. Die Aufforderung, eine Beschwerdebegründung vorzulegen und sich zur Statt¬haftigkeit der Beschwerde zu äußern, ist ohne Antwort geblieben.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 23.05.2011 aufzuheben und ihnen für das beim Sozialgericht Chemnitz unter dem Aktenzeichen S 6 AS 2265/11 geführte Verfahren ab Antragstellung Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihren Rechtsanwalt beizuordnen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Er trägt vor, die falsche Rechtsmittelbelehrung sei insoweit unbeachtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig.

Dabei ist nicht entscheidungserheblich, ob in der Hauptsache die Berufung statthaft wäre, da nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats seit dem Beschluss vom 18.03.2009 (L 7 B 446/08 AS-PKH) die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der seit dem 01.04.2008 geltenden Fassung nur dann ausgeschlossen ist, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen verneint hat. Daran hat der Senat auch nach den später ergangenen abweichenden Entscheidungen hierzu - insbesondere anderer Senate des Sächsischen Landessozialgerichts (vgl. Beschlüsse vom 25.02.2011 – L 1 KR 214/10 B PKH – und 18.08.2009 - L 2 AS 321/09 B PKH und L 2 AS 352/09 B PKH) - festgehalten. Denn nach Auffassung des Senats bestehen insbesondere weder eine planwidrige Regelungslücke noch ein Wertungswiderspruch und § 127 Abs. 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) ist nicht entsprechend anzuwenden (vgl. ausführlich Beschluss vom 01.10.2009 - L 7 AS 294/09 B PKH - Juris - und Beschluss vom 25.01.2010 - L 7 AS 487/09 B PKH). Hieran hat der Gesetzgeber in Bezug auf den Beschwerdeausschluss in § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nichts geändert, sondern mit Wirkung vom 11.08.2010 lediglich die Beschwerdemöglichkeit gegen Prozesskostenhilfeentscheidungen in Eilverfahren weiter beschränkt (vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 1 2. HS SGG in der Fassung des Art. 6 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 05.08.2010, BGBl. I S. 1131-1132). Somit ist weiterhin nicht entscheidend, ob ein Ausschluss der Beschwerde mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar wäre (vgl. hierzu z.B. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 25.11.2009 - 1 BvR 2515/09, RdNr. 4). Das Sozialgericht hat die Ablehnung der Prozesskostenhilfe ausschließlich auf die fehlende Aussicht auf Erfolg der Rechtsverfolgung gestützt.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, soweit der Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig ist. Das Gericht kann sich mit einer vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussichten begnügen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 07.05.1997 - 1 BvR 296/94, NJW 1997, 2745-2746; Hartmann in Baumbach/Lauter¬bach/¬Albers/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., § 114 RdNr. 80). Der Erfolg braucht also nicht gewiss zu sein, er muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Prozesskostenhilfe kann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 17.02.1998, SozR 3-1500 § 62 Nr. 19, SächsLSG, Beschluss vom 30.04.1998 – L 3 AL 47/98). Wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag weitere Ermittlungen von Amts wegen erforderlich sind, ist die Erfolgsaussicht häufig, aber nicht immer, gegeben. Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren durchzuführenden summarischen Prüfung ist eine hinreichende Erfolgsaussicht zu verneinen, wenn sich aus den Verfahrensunterlagen unter Berücksichtigung des Vorbringens der Beteiligten keine konkreten Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der angegriffenen Entscheidung ergeben.

Gemessen hieran waren die Erfolgsaussichten der Klage zum maßgeblichen Zeitpunkt dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife des Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe, hier: am 20.05.2011 - nicht hinreichend. Der Senat schließt sich aus eigener Überzeugung den ausführlichen und zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts an, soweit dieses den geltend gemachten Anspruch in der Sache verneint hat und sieht insoweit in entsprechender Anwendung des § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Gründe ab.

Dagegen haben die Kläger auch nichts vorgebracht. Allein der Umstand, dass sie eine andere Rechtsansicht vertreten als beispielsweise das Bundessozialgericht, führt nicht dazu, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht der Klage zu bejahen wäre. Zutreffend hat das Sozialgericht darauf hingewiesen, dass auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 keine Rechtsgrundlage für die Gewährung höherer Leistungen für die Zeit vor 01.01.2011 gegeben ist. Dies gilt auch im Fall der Kläger.

Daher hat die Beschwerde keinen Erfolg. Auf die Frage der Bedürftigkeit der Kläger kommt es somit nicht weiter an.

Die außergerichtlichen Kosten sind nicht erstattungsfähig (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

Klotzbücher Schuler Wagner
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