L 2 U 436/10

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 188/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 436/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Klage auf Anerkennung einer Berufskrankheit ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig.
Da Schimmelpilze auch im Außenbereich ubiqitär vorkommen, ist die Prüfung des Kausalzusammenhangs zur Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4301 bzw. 4302 schwierig.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 9. August 2010 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Gründe:


I.
Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach den Nrn. 4301 bzw. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV).
Die 1963 geborene Klägerin war nach ihrer Ausbildung ab 1981 in verschiedenen Bereichen beschäftigt. Von August 1998 bis zur Kündigung im März 2008 war sie im Kassenbereich der K. in K. tätig. Ab Dezember 2007 war sie arbeitsunfähig.
Im Januar 2008 zeigte der Pneumologe Dr. S. gegenüber der Beklagten den Verdacht auf eine Berufskrankheit wegen erheblicher Schimmelpilzbelastung im Arbeitsbereich der Klägerin an. Diese leide unter gemischtförmigem Asthma bronchiale, jetzt schwerer bronchialer Hyperreagibilität und einer Schimmelpilzallergie.
Eine Untersuchung des Arbeitsplatzes der Klägerin im Mai 2008 erbrachte eine geringe Schimmelpilzbelastung in der Rückwand in Höhe von 50 cm und einen sehr starken Schimmelpilzbefall im bodennahen Wandbereich sowie im wandnahen Teppichboden. Die behandelnden Ärzte der Klägerin berichteten von einer allergiebedingten Verschlechterung der Atemwegsbeschwerden im Laufe des Jahres 2007.
Auf Veranlassung der Beklagten erstellte der Lungenfacharzt Dr. W. am 11.11.2008 ein Gutachten. Bei der Klägerin bestehe seit 15 Jahren ein Heuschnupfen mit Rhinitis und Konjunktivitis, Husten und Atemnot. Die Rhinitis und das Asthma hätten sich seit Ende der beruflichen Tätigkeit nicht wesentlich gebessert. Dr. W. bestätigte außerdem eine bekannte Pollenallergie und stellte eine höhergradige Sensibilisierung gegenüber Katzenallergenen fest. Er diagnostizierte ein allergisches Asthma bronchiale und eine allergische Rhinitis bei Sensibilisierung gegen Pollen, Katzenallergene und Schimmelpilze. Ursachen für die nun ganzjährig auftretenden Symptome seien die Schimmelpilzexposition und die Exposition gegenüber Katzenallergenen. Durch die Schimmelpilzexposition sei es zu einer vorübergehenden Verschlimmerung des vorbestehenden Asthmas gekommen. Die fehlende Besserung sei mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die fortbestehende Katzenexposition zurückzuführen. Eine Berufskrankheit liege nicht vor.
Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2009 die Anerkennung einer BK 4301 und 4302 ab.
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie legte ein Gutachten des Dipl.-Ing. S. vom 19.01.2009 in Verfahren 1 OH 1878/08 beim Landgericht A. vor. Dieser ging aufgrund einer Besichtigung des früheren Arbeitsplatzes der Klägerin und einer Probenentnahme Ende 2008 von eher geringen Expositionsmöglichkeiten aus. Allerdings sei es Ende Juli 2008 wegen der Renovierung der Therme zu einer Änderung der Verhältnisse gekommen.
Mit Bescheid vom 01.04.2009 bewilligte die Beklagte der Klägerin Übergangsleistungen nach § 3 der BKV ab dem 08.12.2007 für längstens fünf Jahre. Mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2009 wies sie den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.02.2009 zurück.
Hiergegen legte die Klägerin am 14.07.2009 Klage beim Sozialgericht Augsburg (SG) ein. Sie sei bei ihrer Tätigkeit im Kassenbereich der Therme einer erheblichen Schimmelpilzbelastung ausgesetzt gewesen. Sie habe zwar schon vor ihrer Tätigkeit in der Therme an allergischen Reaktionen und Asthma gelitten. Durch die Schimmelpilzbelastungen habe sich jedoch eine massive Allergie und Erkrankung der Lunge und Bronchien ausgebildet. Die Belastung mit Katzenhaaren sei gering und führe nicht zu der seit 2007 stark ausgeprägten Form des Asthmas.
Im Auftrag des SG erstellte der Facharzt für Arbeitsmedizin, Internist/Lungen- und Bronchialheilkunde Prof. Dr. N. am 19.02.2010 ein arbeitsmedizinisches Fachgutachten. Bei der Klägerin liege ein Asthma bronchiale als obstruktive Atemwegserkrankung vor. Eine richtunggebende Verschlechterung (bei vorbestehendem Asthma bronchiale) oder alternativ eine wesentliche Teilursache (bei Erstdiagnose des Asthma bronchiale während stattgehabter Exposition im Jahr 2003) könne jedoch nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit bestätigt werden. Der chronologische Krankheitsverlauf mit Fortbestehen einer unveränderten Symptomatik trotz Expositionsende weise auf eine überwiegende Verursachung durch außerberufliche Exposition, insbesondere durch Katzenhaltung, hin.
Hiergegen wandte die Klägerin ein, die Schimmelsporen seien in ihrem Immunsystem wirksam. Dieses solle untersucht werden, insbesondere die zellvermittelte Sensibilisierung gegenüber Penicillium. Sie legte einen Brief des Dermatologen Dr. M. vom 17.12.2008 vor.
In einer ergänzenden Stellungnahme vom 14.04.2010 blieb Prof. Dr. N. bei seiner Meinung. Ein positiver Lymphozytentransformationstest stelle lediglich den Nachweis einer Exposition dar. Da Schimmelpilze ubiquitär vorkämen, hätte ein solcher Test keine weitere Aussagekraft zu einer beruflichen Verursachung.
Mit Urteil vom 09.08.2010 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung bezog es sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Prof. Dr. N ...
Hiergegen hat die Klägerin am 28.09.2010 Berufung eingelegt. Insbesondere das fehlerhafte Gutachten des Dr. W. vom 11.11.2008 habe dazu beigetragen, dass das Gericht nicht zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt sei, insbesondere kein zweites Gutachten eingeholt habe. Auch sei unterlassen worden, das Immunsystem der Klägerin zu untersuchen, insbesondere die zellvermittelte Sensibilisierung gegenüber Penicillium festzustellen. Das SG habe nicht berücksichtigt, dass die Gutachten der Beklagten ganz erhebliche Schimmelbelastungen festgestellt hätten. Die K. habe, sobald bekannt wurde, dass die Beklagte Feststellungen erhoben hatte, den verschimmelten Boden austauschen und die Wand neu streichen lassen. Der Sachverständige der Beklagten sei als Zeuge anzuhören.
Mit Schreiben vom 10.11.2010 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen derzeit nicht durchgeführt würden.
Eine Reaktion hierauf ist nicht erfolgt.
Mit Schreiben vom 17.02.2011 hat der Senat Entscheidung durch Beschluss angekündigt. Mit Schreiben vom 02.03.2011 hat die Beklagte sich hiermit einverstanden erklärt.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 09.08.2010 und den Bescheid der Beklagten vom 17.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2009 aufzuheben, festzustellen, dass bei ihr eine Berufskrankheit nach Nrn. 4301 bzw. 4302 der Anlage zur BKV vorliegt, und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Verletztenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Der Senat hält die Berufung einstimmig für nicht begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Er wies die Beteiligten auf diese Auffassung hin. Der Senat konnte daher durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden. Ein Einverständnis der Beteiligten ist hierfür nicht erforderlich.

Die Klage ist vorrangig auf die Anerkennung der geltend gemachten Berufskrankheiten nach den Nrn. 4301 bzw. 4302 der Anlage zur BKV gerichtet. Sie ist insoweit als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG) zulässig (siehe z.B. BSG, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 5101 Nr. 2 Rdnr. 18; BSG, Az.: B 2 U 29/07 R). Die Frage des Vorliegens einer Berufskrankheit stellt die Grundlage für einen dann in Frage kommenden Anspruch auf Leistung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wie der Verletztenrente dar.
Auf eine weitere Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verzichtet, da der Senat die Entscheidung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist.
Die Berufungsbegründung kann zu keiner anderen Beurteilung der Sach- und Rechtslage führen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin hat das SG ein weiteres Gutachten bei dem Internisten Prof. Dr. N. eingeholt. Dieser hat die Klägerin untersucht und ist zum Ergebnis gekommen, dass bei ihr ein exogen-allergisches Asthma bronchiale bei Typ 1 Sensibilisierung gegenüber Gräsern, Getreide und Katzenallergenen vorliegt sowie eine allergische Rhinitis, geringgradig. Das SG hat seine Entscheidung somit nicht allein auf das Gutachten des Dr. W. im Verwaltungsverfahren gestützt, sondern ein weiteres Gutachten eingeholt, um die Entscheidung auf eine breitere Grundlage zu stellen. Prof. Dr. N. hat in seinem Gutachten die Einschätzung des Dr. W. bestätigt. Es wird nicht bestritten, dass die Klägerin einer Schimmelpilzbelastung im Kassenbereich ausgesetzt gewesen ist. Dies hat Prof. Dr. N. in seinem Gutachten auch berücksichtigt. Er hat die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK der Nr. 4301 der BKV bejaht. Hierbei hat er sich auf die Untersuchungen der Beklagten und des Dipl.-Ing. S. im zivilgerichtlichen Verfahren gestützt.
Prof. Dr. N. weist dann in seinem Gutachten darauf hin, dass eine Sensibilisierung gegenüber Schimmelpilzen nachgewiesen wurde neben einer Sensibilisierung gegenüber Gräsern, Getreide und Katzenallergenen. Die Prüfung des Kausalzusammenhangs ist laut den Sachverständigen deshalb schwierig, da Schimmelpilze auch im Außenbereich ubiqitär vorkommen. Zudem hat Prof. Dr. N. darauf hingewiesen, dass die Verschlechterung der Beschwerden zeitlich mit dem Beginn der Katzenhaltung zusammengefallen ist. Schließlich besteht die Beschwerdesymptomatik, vor allem die bronchiale Hyperreagibilität, unverändert ausgeprägt fort, obwohl die Tätigkeit in der K. bereits seit Dezember 2007 nicht mehr ausgeübt wird.
Auch die Ausführungen des Dermatologen Dr. M. können zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage führen. Dr. M. hat nicht zum Krankheitsbild der Klägerin Stellung genommen; vielmehr hat er sich mit der Exposition in einer Schulturnhalle auseinandergesetzt. Prof. Dr. N. hat ferner überzeugend erklärt, dass der von der Klägerin gewünschte positive Lymphozytentransformationstest nicht weiterführend ist. Dieser stellt lediglich den Nachweis einer Exposition dar. Eine solche ist jedoch bereits bewiesen. Da Schimmelpilze jedoch ubiquitär vorkommen, hätte ein solcher Test keine weitere Aussagekraft zur beruflichen Verursachung und würde keine neuen Erkenntnisse zur Fragestellung nach dem Vorliegen einer BK Nr. 4301 bzw. 4302 beitragen.
Eine weitere Aufklärung von Amts wegen war deshalb nicht angezeigt.
Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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