L 5 KR 1522/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 3127/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1522/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31.3.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine auf § 51 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) gestützte Aufforderung der Beklagten zur Beantragung von (Teilhabe-)Leistungen des Rentenversicherungsträgers.

Der 1956 geborene, seit 1989 als Maurer versicherungspflichtig beschäftigte Kläger war seit dem 19.10.2009 wegen einer Psoriasis-Erkrankung arbeitsunfähig und bezog deswegen nach Ende der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall Krankengeld von der Beklagten. Vom 29.12.2009 bis 20.1.2010 absolvierte der Kläger eine vom Rentenversicherungsträger gewährte stationäre Rehabilitationsbehandlung in der Knappschaftsklinik, Borkum.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 29.3.2010. Der Arzt Etienne, dem neben Arztberichten auch eine Beschreibung des Arbeitsplatzes des Klägers vorlag, führte aus, der Kläger leide an Psoriasisarthropatie, degenerativen Wirbelsäulenveränderungen, Z. n. HWS- und LWS-Prolaps sowie an Psoriasis vulgaris. Aktuell stünden Polyarthralgien im Vordergrund, insbesondere liege ein rezidivierender Reizerguss im linken Knie vor. Darüber hinaus bestünden ein chronisches Zervikalsyndrom und ein rezidivierendes BWS-Syndrom. Die Erwerbsfähigkeit müsse als gemindert angesehen werden. Die medizinischen Voraussetzungen des § 51 SGB V seien erfüllt. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Maurer sei unbeschadet des Erfolgs weiterer Therapieanstrengungen sicherlich nicht mehr leidensgerecht. Es sei von Arbeitsunfähigkeit auf Dauer auszugehen. Dem Rentenversicherungsträger solle die Prüfung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit empfohlen werden.

Mit Schreiben vom 19.4.2010 teilte die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg der Beklagten mit, beim Kläger liege aus ihrer Sicht weder volle noch teilweise Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§§ 43, 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) vor, weswegen nicht zu prüfen sei, ob der Antrag auf Gewährung von Rehabilitationsleistungen (der der Maßnahme in der Knappschaftsklinik, Borkum, zugrunde lag) als Rentenantrag zu gelten habe.

Mit Bescheid vom 6.5.2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, bis spätestens 21.7.2010 beim zuständigen Rentenversicherungsträger die Gewährung von Leistungen zur beruflichen Rehabilitation zu beantragen. Sie wies darauf hin, dass der Anspruch auf Krankengeld entfällt, wenn die Rehabilitationsmaßnahme nicht innerhalb der gesetzten Frist beantragt wird und dass der Antrag nur mit Zustimmung der Krankenkasse zurückgenommen werden darf; das gelte auch für die Möglichkeit, die gewünschte Rentenart oder den gewünschten Rentenbeginn zu bestimmen oder für den Verzicht auf die Umdeutung des Rehabilitationsantrags in einen Rentenantrag. Zur Begründung führte die Beklagte aus, nach den vorliegenden Arztberichten sei krankheitsbedingt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit eingetreten bzw. die Erwerbsfähigkeit sei gefährdet. In solchen Fällen dürfe die Krankenkasse Versicherte gem. § 51 SGB V nach Ermessen auffordern, einen Antrag auf Rehabilitationsmaßnahmen zu stellen, damit die Arbeitsfähigkeit schnellstmöglich verbessert oder wieder hergestellt werden könne. Dabei seien die individuelle Entscheidungsfreiheit des Versicherten und das Interesse der Versichertengemeinschaft (und des Versicherten) an einer möglichst raschen Gesundung abzuwägen. Der MDK habe eine berufliche Rehabilitationsmaßnahme zur Wiederherstellung oder Verbesserung der Erwerbsfähigkeit für erforderlich und auch eine (in der Entscheidung des Rentenversicherungsträgers liegende) Berentung für denkbar erachtet. Die Entscheidung beruhe auf einer Abwägung der genannten Tatsachen.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Kläger vor, aus dem Bescheid vom 6.5.2010 gehe hervor, dass ihn die Beklagte eigentlich zur Beantragung von Rente und nicht von Rehabilitationsleistungen auffordern wolle, da sie auch eine Berentung für denkbar halte und insgesamt nicht von Rehabilitationsfähigkeit ausgegangen sei. Darin liege ein Ermessensfehlgebrauch, zumal die Beklagte ein Standardschreiben verwende.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.6.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, bei der Ermessensentscheidung nach § 51 Abs. 1 SGB V habe man die bekannten Informationen, wie das Lebensalter des Klägers, die individuellen Anforderungen an den Arbeitsplatz sowie die Lebens- und Einkommenssituation, berücksichtigt. Außerdem habe man die Stellungnahme des MDK gewürdigt. Zu bedenken seien nicht nur die Situation und Entscheidungsfreiheit des Klägers, sondern auch die Interessen der Versichertengemeinschaft. Nach Auffassung des MDK seien Leistungen zur beruflichen Rehabilitation indiziert; auch eine Berentung sei für möglich erachtet worden, wobei hierüber freilich der zuständige Rentenversicherungsträger zu entscheiden habe. Hätte eine Rehabilitationsmaßnahme Erfolg, wäre die Krankengeldzahlung zu beenden bzw. bei der vom MDK nur als Möglichkeit erwogenen Teilberentung zu vermindern. Das Ermessen sei unter Abwägung der Interessen des Klägers und der öffentlichen Interessen pflichtgemäß ausgeübt worden.

Am 17.6.2010 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Freiburg (zuvor: vorläufiges Rechtsschutzverfahren S 11 KR 2623/10 ER). Zur Begründung wurde vorgetragen, aus dem als Standardschreiben abgefassten Bescheid vom 6.5.2010 sei ersichtlich, dass zur Beantragung von Rente aufgefordert werde, wozu die Beklagte aber nicht befugt sei. Der MDK habe einen Antrag auf Leistungen zur beruflichen Rehabilitation nicht angeregt und Zweifel am Erfolg einer weiteren Therapie geäußert. Insgesamt sei die Aufforderung, einen Rehabilitationsantrag zu stellen, ermessensfehlerhaft gewesen.

Mit Urteil vom 31.3.2011 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, insbesondere habe die Beklagte das in § 51 Abs. 1 SGB V eröffnete Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Nach den Feststellungen im MDK-Gutachten vom 29.3.2010 sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers in seinem Beruf gemindert. Die Aufforderung, einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zu stellen, wäre auch dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn der MDK den Erfolg solcher Leistungen angezweifelt hätte; hierauf komme es bei § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V (anders als bei § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI) nicht an. Der MDK habe im Übrigen ohnehin nur Zweifel am Erfolg weiterer Therapien geäußert. Gem. § 51 SGB V könne die Krankenkasse Einfluss auf Leistungsansprüche des Versicherten gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung nehmen, da Rentenzahlungen Vorrang vor Krankengeldleistungen hätten. Bei dauerhafter Erwerbsminderung sei die Rentenversicherung zuständig. Deswegen dürfe die Krankenkasse Versicherte selbst bei fehlender Erfolgsaussicht eines Antrags auf Leistungen zur Teilhabe zur Antragstellung auffordern, um über die Umdeutungsregelung des § 116 Abs. 2 SGB VI eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers hinsichtlich eines Anspruchs auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit herbeizuführen.

Auf das ihm am 6.4.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.4.2011 Berufung eingelegt. Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Die Bescheide der Beklagten nach § 51 SGB V seien wortlautidentisch und deswegen ermessensfehlerhaft und nicht ausreichend begründet. Die Äußerungen des MDK seien nicht maßgeblich. Die Beklagte habe Ermessen letztendlich nicht ausgeübt; das gehe aus der Begründung der angefochtenen Bescheide hervor.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31.3.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.6.2010 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, rechtmäßig.

I. Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach kann die Krankenkasse Versicherten, deren Erwerbsfähigkeit nach ärztlichem Gutachten erheblich gefährdet oder gemindert ist, eine Frist von zehn Wochen setzen, innerhalb der sie einen Antrag auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben (vgl. § 5 Nr. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch, SGB IX) zu stellen haben. Wird der Antrag nicht innerhalb der Frist gestellt, entfällt der Anspruch auf Krankengeld gem. § 51 Abs. 3 SGB V mit Ablauf der Frist; wird der Antrag später gestellt, lebt der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag der Antragstellung wieder auf.

1.) Das Regelungskonzept des § 51 Abs. 1 und 3 SGB V folgt dem Vorbild der Vorschriften in den §§ 66, 67 SGB I. Diese enthalten allgemeine Bestimmungen über Handlungs- bzw. Mitwirkungspflichten der Versicherten und die Folgen von Pflichtverletzungen. § 51 SGB V geht diesen allgemeinen Regelungen vor (§ 37 SGB I) vor und soll zum einen eine sachgerechte Abgrenzung der Leistungen der gesetzlichen Kranken- und der gesetzlichen Rentenversicherung sicherstellen und zum andern Manipulationen der Versicherten zu Lasten der Krankenkasse verhindern. Ist die Leistungsfähigkeit des Versicherten nicht nur vorübergehend durch zeitlich begrenzte Arbeitsunfähigkeit (§ 44 SGB V), sondern auf Dauer durch zeitlich nicht begrenzte Erwerbsminderung (§ 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) eingeschränkt, ist nicht mehr die Krankenkasse, sondern die Rentenversicherung für die Gewährung von Entgeltersatzleistungen, nämlich von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (§ 43 SGB VI), zuständig (vgl. zur Abgrenzung der Leistungszuständigkeit von Kranken- und Lebensversicherung auch Senatsurteil vom 25.7.2007, - L 5 KR 2611/05 -). Da das Krankengeld meist höher ausfällt als die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, besteht die Gefahr, dass dauerhaft erwerbsgeminderte Versicherte den Krankengeldanspruch vor dem Rentenbezug noch bis zur Höchstdauer von 78 Wochen (§ 48 SGB V) ausschöpfen wollen und Anträge auf Rehabilitationsleistungen, die gem. § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenanträge gelten, wenn eine erfolgreiche Rehabilitation nicht zu erwarten ist oder die erbrachten Rehabilitationsleistungen nicht erfolgreich waren, entsprechend verspätet stellen (vgl. auch BSG, Urt. v. 7.12.2004, - B 1 KR 6/03 R -). Deswegen schränkt § 51 Abs. 1 SGB V die Dispositionsbefugnis der Versicherten hinsichtlich der Beantragung antragsabhängiger Leistungen des Rentenversicherungsträgers ein. Mit der in § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V vorgesehenen Aufforderung zur Antragstellung beim Rentenversicherungsträger kann die Krankenkasse Einfluss auf den Beginn dieser Leistung nehmen, den Leistungsvorrang des Rentenversicherungsträges bei dauerhafter Erwerbsminderung sichern und Leistungsmanipulationen zu ihren Lasten verhindern. Deswegen kann der Versicherte einen nach Aufforderung durch die Krankenkasse gem. § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V beim Rentenversicherungsträger gestellten Leistungsantrag wirksam auch nur mit Zustimmung der Krankenkasse zurücknehmen oder beschränken. Im Hinblick auf die dargelegten Zielsetzungen des § 51 SGB V darf die Krankenkasse den Versicherten auch dann dazu auffordern, beim Rentenversicherungsträger Leistungen zur (medizinischen) Rehabilitation zu beantragen, wenn keine Aussicht auf eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit besteht, da sie in solchen Fällen über die Umdeutung des Reha-Antrags als Rentenantrag nach § 116 Abs. 2 SGB VI eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit herbeiführen kann.

2.) Die Aufforderung zur Antragstellung nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V stellt einen belastenden Verwaltungsakt gem. § 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dar. Ein entsprechender Bescheid kann auch "nachgeschoben" werden, wenn der Versicherte von sich aus einen Antrag auf Leistungen zur Teilhabe beim Rentenversicherungsträger gestellt hat; seine Dispositionsbefugnis über die Rücknahme des bereits gestellten Antrags ist dann entsprechend eingeschränkt (BSG, Urt. v. 26.6.2008, - B 13 R 141/07 R -). Voraussetzung für den Erlass einer Aufforderung nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist im Hinblick auf die Zielsetzung der Vorschrift, dass dem Versicherten ein Anspruch auf Krankengeld zusteht. Sodann muss seine Erwerbsfähigkeit - nach der aktuellen körperlichen sowie geistigen Konstitution und den daraus resultierenden gesundheitlichen Einschränkungen seiner beruflichen Leistungsfähigkeit - erheblich gefährdet oder gemindert sein, wobei diese Beurteilung auf Grund eines ärztlichen Gutachtens, in der Praxis meist des MDK, zu erfolgen hat. Bei diesem Gutachten muss es sich um mehr als ein Attest oder eine ärztliche Bescheinigung handeln, vielmehr ist notwendig, dass die erhobenen Befunde – zumindest summarisch – wiedergegeben werden und sich der Arzt – soweit es sich um ein sozialmedizinisches Gutachten handelt – zu den nach seiner Auffassung durch die festgestellten Gesundheitsstörungen bedingten Leistungseinschränkungen und ihrer voraussichtlichen Dauer äußert. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist schließlich eine Belehrung des Versicherten über den möglichen Wegfall des Krankengeldanspruchs (§ 51 Abs. 3 SGB V) und über die Einschränkung seiner Dispositionsbefugnis hinsichtlich der Stellung von Leistungsanträgen beim Rentenversicherungsträger und deren Rücknahme.

Sind die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V erfüllt, hat die Krankenkasse über die Aufforderung zur Antragstellung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Hierfür gelten die allgemeinen Anforderungen. Das Ermessen ist gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und es sind die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die Krankenkasse muss - ausgehend von einem zutreffenden und vollständigen Sachverhalt - alle wesentlichen Umstände des Einzelfalls abwägen und namentlich die Folgen der Entscheidung für den Versicherten bedenken, etwa hinsichtlich des Wegfalls des Krankengeldanspruchs (§ 51 Abs. 3 SGB V), einer ggf. eintretenden Beendigung der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V) oder des Ausscheidens aus dem Berufsleben im Zuge einer Berentung. Nach dem Zweck des § 51 SGB V kommt dem Interesse der Krankenkasse an der Begrenzung ihrer Leistungspflicht und am Übergang der Leistungszuständigkeit auf den Rentenversicherungsträger aber grundsätzlich Vorrang vor den Interessen des Versicherten am Aufschub des Rentenbeginns bzw. am Weiterbezug von Krankengeld zu. Die Interessen des Versicherten haben indessen Vorrang, wenn mit dem Aufschub des Rentenbeginns eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruchs erreicht werden kann (vgl. näher BSG, Urt. v. 7.12.2004, - B 1 KR 6/03 R -), z.B. durch eine eventuell noch mögliche Erfüllung der Voraussetzungen für eine Erhöhung der Rentenbemessungsgrundlage; demgegenüber wird ein zu erwartender Rentenabschlag (§ 77 Abs. 2 SGB VI) für sich allein nicht genügen (zu alledem etwa Brinkhoff, in jurisPK-SGB V § 51 Rdnr. 10 ff., m. Nachw. zur Rspr.).

In verfahrensrechtlicher Hinsicht muss die Krankenkasse den Versicherten gem. § 24 Abs. 1 SGB X anhören und in der Begründung ihrer Ermessensentscheidung gem. § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X die Gesichtspunkte darlegen, von denen sie bei der Ermessensausübung ausgegangen ist (zu alledem: Senatsurteil vom 24.11.2010, - L 5 KR 2049/10 -).

II. Hiervon ausgehend erweist sich der Bescheid der Beklagten vom 6.5.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.6.2010 als rechtmäßig.

Die Voraussetzungen für das Ergehen einer Aufforderung zur Antragstellung beim Rentenversicherungsträger nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V - die sich nach dem Inhalt der angefochtenen Bescheide nicht auf die Beantragung von Rente richtet - sind erfüllt. Insbesondere war die Erwerbsfähigkeit des Klägers nach dem den Anforderungen des § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V genügenden ärztlichen Gutachten des MDK vom 29.3.2010 erheblich gefährdet bzw. gemindert. Der Arzt Etienne hat im genannten MDK-Gutachten auf der Grundlage der vorliegenden Arztberichte, der erhobenen Diagnosen und einer Beschreibung des Arbeitsplatzes des Klägers schlüssig dargelegt, dass die zuletzt verrichtete Tätigkeit als Maurer unbeschadet des Verlaufs oder Erfolgs weiterer Therapieanstrengungen nicht mehr leidensgerecht ist und deswegen insoweit Arbeitsunfähigkeit auf Dauer und eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorliegt. Unerheblich für das vom MDK folgerichtig angeratene Verfahren nach § 51 SGB V ist, zu welchem Ausgang die beim Rentenversicherungsträger zu beantragenden Rehabilitationsleistungen voraussichtlich führen werden, insbesondere, ob es gelingen wird, die erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit abzuwenden und den Kläger wieder in das Erwerbsleben einzugliedern, oder ob ihm letztendlich Erwerbsminderungsrente gewährt werden muss. Auf die Erfolgsaussichten der Leistungen zur Teilhabe (vgl. hierzu § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB IV) kommt es für die Anwendung des § 51 Abs. 1 SGB V nicht an.

Die Beklagte hat den Kläger auch über den möglichen Wegfall des Krankengeldanspruchs (§ 51 Abs. 3 SGB V) und die Einschränkung seiner Dispositionsbefugnis über die Stellung von Leistungsanträgen beim Rentenversicherungsträger und deren Rücknahme unterrichtet.

Entgegen der Auffassung des Klägers genügen die genannten Bescheide den Anforderungen an eine rechtmäßige Ermessensentscheidung. Die Beklagte hat die wesentlichen Umstände des Sachverhalts ermittelt und das ihr in § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V eröffnete Ermessen auch ausgeübt; das Vorbringen des Klägers zum angeblichen Unterlassen einer Ermessensbetätigung liegt neben der Sache. Die Beklagte hat die ihr erkennbaren Umstände in die Abwägung der widerstreitenden Interessen eingestellt. Sie hat sich von dem regelmäßigen gesetzlichen Vorrang des Interesses der Krankenkasse an der Begrenzung ihrer Leistungspflicht und am Übergang der Leistungszuständigkeit auf den Rentenversicherungsträger leiten lassen und dies auch in der Begründung des Bescheids vom 6.5.2010 bzw. des Widerspruchsbescheids vom 11.6.2010 zum Ausdruck gebracht. Belange des Klägers, die die Aufforderung zur Antragstellung beim Rentenversicherungsträger als unverhältnismäßig erscheinen lassen könnten, sind im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht worden. Allerdings hätte der Kläger vor Ergehen des Bescheids vom 6.5.2010 gem. § 24 Abs. 1 SGB X angehört werden müssen, was offensichtlich nicht geschehen ist. Dieser verfahrensrechtliche Mangel ist jedoch dadurch unbeachtlich geworden, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme hatte und die Anhörung damit gem. § 41 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 SGB X nachgeholt worden ist. Auch zur Begründung seines Widerspruchs hat der Kläger konkrete Interessen, die aus seiner Sicht gegen den Erlass einer Aufforderung nach § 51 Abs. 1 Satz 1 SGB V sprechen könnten, nicht geltend gemacht. Er hat lediglich allgemein moniert, dass der Bescheid vom 18.9.2007 nach Art eines Standardschreibens verfasst sei. Damit ist ein rechtlich beachtlicher Ermessensfehler freilich nicht dargetan, zumal die vom Kläger beanstandete Gleichheit im Wortlaut vieler Bescheide letztendlich darauf beruht, dass in Fallgestaltungen der vorliegenden Art nach dem Gesagten regelmäßig die Interessen der Krankenkasse den Ausschlag geben. Es hätte dem Kläger oblegen, die aus seiner Sicht gegen den Erlass einer Aufforderung gem. § 51 Abs. 1 SGB V sprechenden Interessen darzutun und wenigstens in groben Zügen anzusprechen, um sie so der Beklagten zur Kenntnis zu geben. Diese hätte dem ggf. nachgehen und etwaige Interessen des Klägers sodann in ihre Ermessenserwägungen einstellen können bzw. müssen. Aufgrund des unsubstantiierten und pauschalen Vorbringens des Klägers im Verwaltungsverfahren bestand für sie dazu kein Anlass. Sie brauchte mangels entsprechend konkreten Sachvortrags im Widerspruchsverfahren von Amts wegen auch keine weiteren Ermittlungen (§ 20 SGB X) anzustellen.

III. Das Sozialgericht hat die Klage danach zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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