S 21 AS 1604/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
21
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 21 AS 1604/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Auskunftsanspruch des Leistungsträgers aus § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II - fehlende Negativevidenz des Unterhaltsanspruchs - Geschiedenenunterhalt - jahrelange freiwillige Zahlung - keine Verpflichtung zur Vorlage von Belegen über die Vermögensverhältnisse
Bemerkung
1. Der Auskunftsanspruch des SGB II- Trägers aus § 60 Abs. 2 SGB II besteht auch bei einem vermeintlichen Anspruch des Leistungsempfängers auf Geschiedenenunterhalt nach den §§ 1569 ff BGB.

2. Die Auskunft ist nicht erforderlich iSd § 60 Abs. 2 Satz 1
I. Der Bescheid vom 16.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2010 wird aufgehoben, soweit Belege über die Vermögensverhältnisse gefordert werden.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens zu ¼.
IV. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Klägers zur Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie über die Vorlage entsprechender Belege.

Der Kläger steht nicht im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Er war mit der im streitgegenständlichen Zeitpunkt im Leistungsbezug beim Beklagten stehenden B. N. verheiratet. Die Ehe wurde im Jahr 1975 geschlossen und im Jahr 2001 geschieden. Der Kläger zahlte seiner Ex-Frau bis einschließlich Dezember 2009 Unterhalt in Höhe von 391,00 EUR pro Monat. Anschließend stellte der Kläger die Zahlungen ein. Ein Titel für diese Unterhaltszahlungen existierte nicht.

Mit Bescheid vom 16.02.2010 forderte der Beklagte den Kläger auf, Auskünfte über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu erteilen und hierüber Nachweise vorzulegen. Der vom Kläger mit Schreiben vom 02.03.2010 eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2010 als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen erhob der Kläger am 17.03.2010 Klage beim Sozialgericht Dresden.

Er ist der Ansicht, dass der Auskunftsanspruch schon deshalb nicht bestehen könne, weil § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II auf § 1605 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verweist, so dass nur ein Auskunftsanspruch gegenüber Verwandten in Betracht kommt. Die Ex- Ehefrau wäre demnach nicht umfasst. Der Gesetzgeber habe gerade nicht auf § 1580 BGB verwiesen. Zudem scheitere ein Auskunftsanspruch auch daran, dass offensichtlich kein Unterhaltsanspruch seiner Ex-Frau gegen ihn mehr bestünde. Es sei so evident, dass ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nicht mehr bestehen kann, dass sich dies auch schon auf den Auskunftsanspruch auswirkt. Diese Negativevidenz würde sich bereits daraus ergeben, dass das Stammrecht verjährt sei. Es käme auf den Einsatzzeitpunkt des Unterhalts an, welcher bereits mehr als drei Jahre zurückliegt. Nach der Konstruktion des neuen Unterhaltsrechts wäre jeder Ehegatte gehalten, sich intensiv um ein eigenes Auskommen zu sorgen. Daher sei gut neun Jahre nach der Scheidung kein Unterhaltsanspruch mehr denkbar. Die zeitliche Begrenzung des Unterhalts würde hier gem. § 1578 b Abs. 2 BGB allenfalls drei Jahre betragen. Der Beklagte habe auch nicht vorgetragen, dass Frau B. N. ihrer Verpflichtung zur Arbeitsplatzsuche im umfassenden familienrechtlichen Sinne nachgekommen wäre. Diese habe den Unterhaltsanspruch nach so langer Zeit zudem verwirkt.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 16.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2010 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist der Ansicht, dass die vorgebrachten Argumente des Klägers erst bei der Prüfung des eigentlichen Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen sind. Ohne die gewünschte Auskunft durch den Kläger könnte nicht ermittelt werden, was den Unterhaltsanspruch evident entfallen ließe. Der Auskunftsanspruch sei gerade nicht vom Bestand des Unterhaltsanspruches abhängig.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Leistungsakten des Beklagten über die Ex- Frau des Klägers Bezug genommen, die der Kammer vorgelegen haben und Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1, 1. Variante SGG ist zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

Der Beklagte hat den Kläger zu Recht auf Auskunft über dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie auf Vorlage von Belegen über seine Einkommensverhältnisse in Anspruch genommen. Rechtswidrig ist der Bescheid jedoch insoweit, als dieser auch die Vorlage von Belegen über die Vermögensverhältnisse des Klägers verfügt.

Rechtsgrundlage für die Aufforderung zur Auskunftserteilung sowie zur Vorlage von Einkommensbelegen ist § 60 Abs. 2 SGB II. Hiernach haben Personen, die einem Leistungsbezieher nach dem SGB II zu Leistungen verpflichtet sind, die geeignet sind, die Leistungen nach dem SGB II auszuschließen oder zu mindern, dem Leistungsträger auf Verlangen Auskunft über Einkommen und Vermögen zu erteilen, soweit dies zur Durchführung seiner Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist. Für die Feststellung der Unterhaltsverpflichtung gilt der Auskunftsanspruch nach § 1605 Abs. 1 BGB entsprechend (§ 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II).

Über den Wortlaut der Vorschrift hinaus, ist Auskunftsberechtigter nicht lediglich die Agentur für Arbeit, sondern auch die zugelassenen kommunalen Träger (hier ausdrücklich geregelt in § 6b Abs. 1 Satz 2 SGB II in der Fassung mit Gültigkeit vom 01.01.2007 bis 31.12.2010) und die Argen. Letztere nehmen die Aufgaben der BA (gem. § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II in der Fassung mit Gültigkeit vom 01.08.2006 bis 31.12.2010) war. Es ist nicht ersichtlich, warum die Pflicht zur Mitwirkung von der Ausgestaltung der Trägerschaft abhängen sollte (Blüggel in Eicher/ Spellbrink, Rdnr. 9 zu § 60 SGB II). Der Beklagte war zum hier entscheidungserheblichen Zeitpunkt der letzten Behördenetscheidung als Arge zu qualifizieren und somit Berechtigter iSd § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II.

Entgegen der Ansicht des Klägervertreters besteht der Auskunftsanspruch nicht nur gegen Verwandte in gerader Linie im Sinne der §§ 1605 Abs. 1 Satz 1 und 1589 BGB. Der Verweis in § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II auf § 1605 Abs. 1 des BGB führt nicht zu diesem Ergebnis. Die Kammer ist der Ansicht, dass der Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 SGB II auch bei einem denkbaren Anspruch eines Leistungsempfängers auf nachehelichen Unterhalt gegen den ehemaligen Ehepartner besteht. Der Kläger, als möglicherweise nach den §§ 1569 ff. BGB Verpflichteter, gehört daher grundsätzlich zum Personenkreis der Auskunftsverpflichteten nach § 60 Abs. 2 Satz 1 (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.01.2007, Aktenzeichen L 1 AS 12/06). Auch der Schuldner von Geschiedenenunterhalt nach den §§ 1569 ff. BGB ist "zu Leistungen verpflichtet", wie dies § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II verlangt. Hierbei handelt es sich unproblematisch um Einkommen iSd § 11 SGB II, welches auf den Leistungsanspruch anzurechnen ist und die Bedürftigkeit des Leistungsempfängers verringert oder entfallen lässt. Der Personenkreis der Auskunftsverpflichteten wird somit allein durch § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II festgelegt. Er betrifft alle möglicherweise familienrechtlich verpflichteten Unterhaltsschuldner (Meyerhoff in: juris, Praxiskommentar – SGB II, Rdnr. 37 zu § 60). Die Verweisung in § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II kann daher teleologisch nur noch zur Regelung des Umfangs der Mitwirkungshandlung geeignet sein. Eine Eingrenzung des vorher durch § 60 Abs. 2 Satz 1 weiter gezogenen Personenkreises, lässt sich auch aus der Gesetzesbegründung nicht erkennen. Wegen dieses systematischen Zusammenhangs mit § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II, kann es sich bei § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II nur um eine Rechtsfolgenverweisung handeln (so im Ergebnis auch Estelmann in: Estelmann Kommentar zum SGB II, Rdnr. 42 zu § 60 SGB II). Schon aus diesem Grund kommt es zur Bestimmung des auskunftsverpflichteten Personenkreises auf den Tatbestand des § 1605 Abs. 1 BGB nicht an. Gegen dieses Ergebnis spricht nicht, dass der Gesetzgeber auf eine Verweisung auf § 1580 BGB verzichtete. Vielmehr ist dies die logische Folge daraus, das es sich bei § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung handelt. Es bedarf eben gerade keiner Erweiterung des personellen Anwendungsbereiches auf Geschiedene, wenn diese bereits durch § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II erfasst sind. Um den Umfang der Mitwirkungshandlung zu bestimmen, wie es Sinn und Zweck des Verweises ist (s.o.), wird § 1580 BGB nicht benötigt. Vielmehr ist für diese Frage im Rahmen jener Norm ebenfalls § 1605 BGB anzuwenden (§ 1580 Satz 2 BGB).

Die vom Beklagten begehrte Auskunft ist auch zur Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Dieses Merkmal ist Ausfluss des verfassungsrechtlichen Übermaßverbotes (Schoch in: LPK – SGB II Rdnr. 13 zu § 60). Daher ist eine Abwägung zwischen dem Auskunftsinteresse des Beklagten und den schutzwürdigen Persönlichkeitsinteressen des Klägers vorzunehmen. Der Auskunftsanspruch besteht nicht, wenn der Leistungsträger über die gewünschten Information bereits verfügt oder sie auf einfachere Weise zu beschaffen vermag, wenn feststeht, dass die Auskunft den Leistungsanspruch nicht mehr beeinflussen kann oder der Unterhaltsanspruch der Ex-Frau des Klägers unabhängig von dessen Einkommens- oder Vermögensverhältnissen offensichtlich nicht mehr bestehen kann (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29.01.2007, Aktenzeichen L 1 AS 12/06 Rdnr. 18 bei Juris). Auch nach Prüfung dieser Kriterien hält die Kammer das Auskunftsbegehren des Beklagten für verhältnismäßig und damit erforderlich im Sinne des § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II. Der Beklagte hatte weder Kenntnis von den Einkunfts- und Vermögensverhältnissen des Klägers, noch hatte er die Möglichkeit sich diese Kenntnis anderweitig zu verschaffen. Zudem erhielt Frau B. N., was sich aus der Leistungsakte des Beklagten ergibt, unmittelbar vor dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 16.02.2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II vom Beklagten. Warum dafür kein Anspruch bestanden haben soll, so dass die Auskunft hierauf keinen Einfluss haben kann, ist nicht ersichtlich. Es wurde auch nichts vorgetragen, was die Kammer, über die Einsichtnahme in die Leistungsakten der Ex- Frau des Klägers hinaus, zu weiteren Ermittlungen hätte veranlassen können.

Entgegen der Ansicht des Klägers steht auch nicht mit Sicherheit fest, dass der Unterhaltsanspruch der Frau B. N. gegen den Kläger im Februar 2010 nicht mehr bestand. Um den Auskunftsanspruch entfallen zu lassen, wäre es insbesondere nicht ausreichend, dass der Unterhaltsanspruch tatsächlich nicht mehr bestand. Eben dies kann der Beklagte erst dann prüfen, wenn er Auskunft über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Klägers erhalten hat. Einzelheiten wären dann im Anschluss an die Auskunft im Rahmen der Unterhaltsklage vor dem Familiengericht zu klären. Das Interesse des Klägers an der Geheimhaltung seiner Daten würde dem Auskunftsinteresse des Beklagten jedoch dann überwiegen, wenn der Unterhaltsanspruch unabhängig von seinen Einkommens- oder Vermögensverhältnissen ganz offensichtlich (evident) nicht bestünde. Hier wäre ein Festhalten an dem Auskunftsbegehren unverhältnismäßig und nicht mehr erforderlich. Auf diese so genannte "Negativevidenz" wurde bereits in der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum alten Bundessozialhilfegesetz abgestellt (so Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21.08.1993, Aktenzeichen 5 C 22/90). Die Kammer sieht keine Veranlassung, von dieser zum alten § 116 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz ergangenen Rechtsprechung abzuweichen. § 116 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz als auch § 60 Abs. 2 SGB II wurden vom Gesetzgeber geschaffen, um den jeweiligen Trägern die Ermittlung und Prüfung etwaiger Ansprüche gegenüber Dritten zu ermöglichen. Neben der Erleichterung des eigenen Regresses sollte auch erreicht werden, dass der Leistungsempfänger Selbsthilfemöglichkeiten aufgezeigt bekommt und so dessen "tatsächliche Bedürftigkeit" festgestellt werden kann. Ausgehend von diesen Grundsätzen vermag die Kammer eine Negativevidenz bezüglich des denkbaren Unterhaltsanspruches der Frau B. N. gegen den Kläger nicht zu erkennen. Als Anspruchgrundlage für den Unterhalt der Ex- Frau des Klägers gegen diesen kommt hier § 1573 Abs. 1 BGB in Betracht. Zum Zeitpunkt des Erlass des Bescheides vom 16.02.2010 ging Frau B. N. keiner Erwerbstätigkeit nach. Anhaltspunkte dafür, dass die Ex-Frau des Klägers sich selbst unterhalten konnte, sind nicht gegeben. Dies ergibt sich aus den Darstellungen der Frau B. N. im Folgeantrag auf Leistungen nach dem SGB II für den hier relevanten Zeitraum. Diese befinden sich in der Leistungsakte des Beklagten über die Ex-Frau des Klägers. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Erwerbslosigkeit der Frau B. N. auf fehlenden Eigenbemühungen beruht. Entgegen der Ansicht des Klägervertreters obliegt es hier nicht dem Beklagten, die Eigenbemühungen der Ex-Frau des Klägers darzulegen. Da der Kläger die Negativevidenz des Unterhaltsanspruchs gegen den Auskunftsanspruch einwendet, trifft ihn die objektive Darlegungs- und Beweislast der diese begründenden Tatsachen. Hier wurde bereits nichts dargelegt oder vorgetragen, was den Schluss auf einen Verstoß gegen die Erwerbsobliegenheit zuließe.

Die Kammer ist auch nicht der Ansicht, dass ein Anspruch auf Geschiedenenunterhalt nach § 1573 BGB im Februar 2010 bereits verjährt war. Maßgeblich ist hier die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB. Diese beginnt jedoch erst mit Ende des Jahres, in dem die Unterhaltsansprüche (ggf. neu) entstehen (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Unterhaltsansprüche aus dem Jahr 2010 würden mithin frühestens mit Ablauf des 31.12.2013 verjähren.

Entgegen der Ansicht des Klägers führt das rechtskräftige Scheidungsurteil aus dem Jahr 2001 ebenfalls nicht zur Negativevidenz des Unterhaltsanspruchs, auch wenn es zum Zeitpunkt des Auskunftsbegehrens bereits ca. neun Jahre zurücklag. Wegen der Formulierung des § 1573 Abs. 1 ("nach der Scheidung") soll ein zeitlicher Zusammenhang mit der Scheidung bestehen, allerdings eine strikte Bindung an diese nicht zu fordern sein (so bereits Der Bundesgerichtshof im Urteil vom 25.03.1987, Aktenzeichen IVb ZR 32/86). Das Gesetz stellt somit auf eine unterhaltsrechtliche Bedürfnislage ab, die unmittelbar mit der Ehe zusammenhängt oder sich zumindest über gesetzlich fixierte Einsatzzeitpunkte aus dem Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils zurückführen lässt. Voraussetzung für das Bestehen eines Unterhaltsanspruches der Frau B. N. gegen den Kläger im Februar 2010 ist somit, dass die unterhaltsrechtliche Bedürfnislage zum Zeitpunkt der Rechtskraft des Scheidungsurteils oder zu anderen gesetzlich vorgesehenen Einsatzzeitpunkten gegeben war und sich anschließend eine ununterbrochene Kette von Unterhaltsansprüchen nahtlos seit dem Zeitpunkt der Ehescheidung aneinanderreiht. Dabei ist jedoch zu beachten, dass insbesondere wegen § 1573 Abs. 4 BGB auch eine Verschiebung des Einsatzzeitpunktes stattfinden kann. Der Kläger hat nichts vorgetragen, was auf einen zumindest kurzzeitigen offensichtlichen Ausschluss des Unterhaltsanspruchs seiner Ex-Frau im Gesamtzeitraum ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis zum Februar 2010 schließen ließe. Die Kammer hielt weitere Ermittlungen diesbezüglich nicht für erforderlich, da keinerlei Anhaltspunkte dafür ersichtlich waren. Der Kläger kann dies letztlich immer noch im Verfahren vor dem Familiengericht zur Durchsetzung des Unterhalts klären lassen. In der Auskunftsstufe kommt es nur auf die Evidenz des Unterhaltsauschlusses an. Hierfür hätte der Kläger zumindest darlegen müssen, aus welchen Sachverhalten heraus sich eine Unterbrechung der Unterhaltsanspruchskette hätte ergeben können.

Die Kammer wertet es dabei auch als wesentliches Kriterium gegen einen evidenten Unterhaltsausschluss, dass der Kläger bis zum 31.12.2009 freiwillig und ohne Titel Unterhalt an seine Ex-Ehefrau gezahlt hatte. Es ist zwar nicht auszuschließen, dass es sich dabei um eine Zahlung ohne Rechtsgrund handelt (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB). Es ist jedoch ebenso wenig abwegig, dass darin ein konkludentes Anerkenntnis bezüglich der Unterhaltsschuld gesehen werden kann. Zudem kann wegen § 242 BGB auch schutzwürdiges Vertrauen des Unterhaltsgläubigers dadurch entstehen, dass jahrelang freiwillig Unterhalt gezahlt wurde (so zum Beispiel Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht im Urteil vom 12.08.2003, Aktenzeichen: 8 US 283/02). Dabei mag es sich sicherlich um Ausnahmekonstellationen handeln, dies wäre jedoch nicht mehr im Rahmen der Auskunftsstufe zu entscheiden. All die hier aufgeworfenen denkbaren zivilrechtlichen Fragestellungen wären vielmehr im Verfahren zur Geltendmachung des Unterhalts vor dem Familiengericht zu klären.

Auch aus der Norm des § 1578 b Abs. 2 BGB ergibt sich nach Ansicht der Kammer kein evidenter Ausschluss des Unterhaltsanspruchs im Februar 2010. Der Kläger hat nichts behauptet, was darauf schließen ließe, dass ein unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig im Sinne dieser Norm wäre. Daher sah sich die Kammer auch nicht veranlasst, weitergehende Ermittlungen anzustellen. Eine Befristung des Unterhaltsanspruches nach § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB hängt ebenso wie die Herabsetzung nach § 1578b Abs. 1 BGB insbesondere davon ab, inwiefern der Unterhaltsgläubiger ehebedingte Nachteile dahingehend erlitten hat, für den eigenen Unterhalt selbständig zu sorgen (§ 1578 b Abs. 1 Satz 2 iVm Abs. 2 Satz 2 BGB). Solche Nachteile können vor allem aus der Dauer, der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe herrühren (§ 1578 b Abs. 1 Satz 3 iVm Abs. 2 Satz 2 BGB). Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach der gesetzgeberischen Intension bei § 1578 b die Befristung des Unterhalts nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellen soll. Es wäre mithin allein zu prüfen, ob eine unbefristete Unterhaltszahlung unbillig wäre (Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.05.2010, Aktenzeichen XII ZR 143/08, Rdnr. 33 bei juris). Zusätzlich zu dem wichtigen Kriterium der ehebedingten Nachteile erlaubt § 1578 b Abs. 1 Satz 2 vom Wortlaut her ("insbesondere") neben dem wesentlichen Kriterium ehebedingter Nachteile auch weitere Gesichtspunkte in die Billigkeitsabwägung einzubeziehen. Hierzu zählen unter anderem die Dauer der Ehe, das Vertrauen des Unterhaltsgläubigers am Fortbestand des Unterhalts, dem Alter des Unterhaltsgläubigers bei Scheidung und die Möglichkeiten des Unterhaltsgläubigers zur Verbesserung seiner Einkommenssituation (so Urteil des Bundesgerichtshofes vom 26.05.2010, Aktenzeichen XII ZR 143/08, Rdnr. 37, 38 bei juris). Auch hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen, was die Kammer zu weitergehenden Ermittlungen hätte veranlassen müssen. Das vom Kläger vorgebrachte Argument, allein die Tatsache, dass die Ehescheidung zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens bereits gut neun Jahre her war, führe zur Unbilligkeit, ist nicht zutreffend. Der Zeitraum zwischen Rechtskraft der Ehescheidung und Geltendmachung des Unterhalts bzw. des Auskunftsanspruches spielt erst dann eine Rolle, wenn darüber zu entscheiden ist, auf welchen Zeitraum der Unterhaltsanspruch zeitlich zu begrenzen ist. Um darüber zu entscheiden, muss jedoch zunächst feststehen, dass überhaupt eine zeitliche Begrenzung vorzunehmen ist. Dogmatisch ist dies daher im Rahmen des § 1578 b Abs. 2 nicht bereits bei der Frage, "ob" eine zeitliche Begrenzung stattfindet, sondern erst bei der Frage, "wie" diese zeitliche Begrenzung aussehen muss, zu prüfen. Daher kommt dies gegebenenfalls erst bei der zur Bestimmung der Rechtsfolgen notwendigen Ermessensentscheidung zum Tragen. Die Kammer hat keinerlei Anhaltspunkte dafür, was im Rahmen der Billigkeitsabwägung evident für eine zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruches der Ex-Frau des Klägers auf unter neun Jahre sprechen könnte. Vielmehr erscheint eine Zahlungsverpflichtung bei einer mehr als fünfundzwanzigjährigen Ehe auch gut neun Jahre nach der Scheidung nicht abwegig und erst recht nicht evident ausgeschlossen.

Die Kammer kommt auch nicht zu dem Ergebnis, dass der Unterhaltsanspruch der Ex-Frau des Klägers gegen diesen evident verwirkt wäre. Die Verwirkung eines Rechts tritt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. z.B. BGHZ 25, 47ff.; BGHZ 43, 289ff.; BGHZ 105, 290ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 16. Mai 1991, Aktenzeichen 4 C 4.89) ein, wenn es vom Berechtigten über längere Zeit nicht geltend gemacht worden ist (sog. Zeitmoment) und der andere Teil sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einstellen durfte und sich auch tatsächlich darauf eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (sog. Umstandsmoment). Die verspätete Geltendmachung muss sich daher als Verstoß gegen Treu und Glauben, namentlich gegen das Verbot des widersprüchlichen Verhaltens, erscheinen lassen. Die Bestimmung absoluter Zeitspannen ist dabei nicht möglich. Vielmehr richtet sich die erforderliche Dauer des Zeitablaufs nach den Umständen des Einzelfalles. Zu berücksichtigen sind vor allem die Art und Bedeutung des Anspruchs, die Intensität des vom Berechtigten geschaffenen Vertrauenstatbestandes und das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des Verpflichteten (Bundesgerichtshof, Urteil vom 16.03.1979, Aktenzeichen V ZR 38/75). Nach all diesen Kriterien kann die Kammer keine Verwirkung des Unterhaltsanspruches erkennen. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass sich die Ex- Frau des Klägers ihm gegenüber so verhalten hätte, dass dieser hinreichend schutzwürdiges Vertrauen dahingehend haben könnte, sie werde ihn nicht mehr wegen Unterhalt in Anspruch nehmen. Insbesondere reicht es nicht aus, dass Frau B. N. in den Jahren von 2001 bis 2009 keinen Unterhaltstitel gegen den Kläger erwirkte. So lange der Kläger den Unterhalt auf Basis einer außergerichtlichen Einigung freiwillig zahlte, bestand dafür keine Notwendigkeit. Dem Kläger musste auch klar sein, dass seine Ex- Frau eine gerichtliche Geltendmachung des Anspruches wegen seiner Zahlungen nicht in Betracht zog. Regelmäßig ist es Sinn und Zweck einer außergerichtlichen Einigung, Kosten und Aufwand eines Verfahrens zu sparen. Daran hatte auch der Kläger ein Interesse, sonst hätte er dieser nicht zugestimmt. Es musste ihm mithin klar sein, aus welchen Beweggründen heraus Frau B. N. keinen Titel erwirkte. Schutzwürdiges Vertrauen für den Zeitpunkt nach Einstellung der Zahlungen ist daraus nicht zu gewinnen. Auch das zeitliche Moment ist ca. zwei Monate nach der letzten (wenn auch freiwilligen) Zahlung noch nicht anzunehmen. Hierfür ist grundsätzlich ein längerer Zeitraum notwendig. Zumindest für eine evidente Verwirkung ist der Ablauf von lediglich zwei Monaten nicht ausreichend. Nach Ansicht der Kammer kommt es für das zeitliche Moment insbesondere nicht auf die neunjährige Zeitspanne zwischen der Rechtskraft des Scheidungsurteils und dem Auskunftsersuchen an. Aus den Ausführungen zum Umstandsmoment (s.o.) ergibt sich, dass Vertrauen bis zur Einstellung der Zahlungen nicht bestanden haben kann.

Nachdem der Auskunftsanspruch nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II besteht, kann der Beklagte sowohl Auskunft über die Einkommens- als auch über die Vermögensverhältnisse des Klägers verlangen. Der Verweis in § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II umfasst auch Satz 2 des § 1605 Abs. 1 BGB. Damit hat der Beklagte auch das Recht, Belege über die Einkünfte des Klägers zu fordern.

Die Kammer schließt sich insofern dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen im Urteil vom 29.01.2007 (Aktenzeichen L 1 AS 12/06) an, soweit dieses keine weitergehende Konkretisierung der jeweils vorzulegenden Belege im die Auskunft verfügenden Bescheid fordert. Ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ist darin nicht zu sehen. Die Bestimmtheit bezieht sich dabei auf den Entscheidungsausspruch, also den Verfügungssatz bzw. die Verfügungssätze des Verwaltungsaktes. Dies bedeutet, dass der Adressat in der Lage sein muss, das von ihm Geforderte zu erkennen. Zudem muss der Verwaltungsakt eine geeignete Grundlage für seine zwangsweise Durchsetzung bilden (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 15.02.1990, Aktenzeichen 4 C 41/87, Rdnr. 29 bei juris). Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts. (so Bundessozialgericht im Urteil vom 23.03.2010, Aktenzeichen B 8 SO 2/09 R, Rdnr. 11 bei Juris) Hier ist es für den Kläger ohne Weiteres ersichtlich, dass er zum Beispiel Gehaltsnachweise vorlegen muss. Es steht ihm jedoch grundsätzlich frei, die Art der Belege selbst zu bestimmen. Diese müssen als Nachweis für die jeweiligen Einnahmen jedoch auch geeignet sein. Zweifel an der Auslegung des Bescheides hätte sich dann der Beklagte zuzurechnen, wenn er kein weitere Konkretisierung vornimmt. Wobei es diesem unbenommen bleibt, den Verwaltungsakt im Nachhinein weitergehend zu konkretisieren.

Der angefochtene Bescheid ist jedoch insoweit rechtswidrig, als dieser auch Belege über die Vermögensverhältnisse des Klägers anfordert. Eine gesetzliche Grundlage für diesen Eingriff gibt es nicht. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen "Auskunft" und "Belegen", wie § 1605 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB zeigen. Eine Auskunft ist dabei die bloße Angabe von Tatsachen, wohingegen das Belegen die Vorlage von Beweismitteln erfordert (Verwaltungsgerichtshof Baden- Württemberg, Urteil vom 30.11.1988, Aktenzeichen 6 S 2347/88, Rdnr. 21 bei juris). Während für die Auskunftspflicht eine Rechtsgrundlage sowohl für Einkünfte, als auch Vermögen geschaffen wurde, bezieht sich die Pflicht Belege vorzulegen nur auf die Einkünfte. Der Wortlaut des § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB ist insofern eindeutig. Eine exzessive Auslegung über den Wortlaut hinaus ist hier nicht gerechtfertigt. Für einen solchen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG), bedarf es einer klaren gesetzlichen Grundlage. Sollte der Beklagte Zweifel an der Auskunft des Klägers über dessen Vermögensverhältnisse haben, so besteht immer noch die Möglichkeit im Wege des § 21 Abs. 4 SGB X Erkundigungen bei den Finanzbehörden einzuholen.

Da weder Kläger noch Beklagter zu den in § 183 SGG genannten Personen zählen, ist für die Kostenentscheidung § 197a Abs. 1 SGG iVm § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO anwendbar. Der Beklagte verpflichtete den Kläger zu vier Handlungen (Auskunft über Einnahmen, Auskunft über Vermögen, Vorlage von Belegen über Einnahmen und Vorlage von Belegen über Vermögen). Der Kläger hat nur einen der vom Beklagten geltend gemachten Ansprüche abwenden können. Das Unterliegen des Beklagten bemisst die Kammer deshalb mit ¼, woraus sich auch die Kostenentscheidung ableitet.

Die Kammer orientiert sich an § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) und setzt den Streitwert deshalb auf 5000EUR fest.
Rechtskraft
Aus
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