Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 P 24/11 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 P 31/11 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Routinemäßige Nachuntersuchungen, die allein von einem Zeitablauf bestimmt werden, sind nicht zulässig.
2. Zur Frage der Notwendigkeit einer Wiederholungsbegutachtung duch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung.
2. Zur Frage der Notwendigkeit einer Wiederholungsbegutachtung duch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom
18. März 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) wendet sich gegen die Einstellung der Pflegegeldleistung zum 31. Januar 2011.
Am 17. Februar 2009 ging der Antrag des Bf. auf Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bei der Antrags- und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Bg.) ein. Der im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Regensburg (Az.: S 2 P 55/09) beauftragte Arzt Dr. E. war in seinem Gutachten vom 21. Dezember 2009 nach Hausbesuch zu dem Ergebnis gelangt, dass als pflegerelevante Gesundheitsstörungen Verschleißerscheinungen an Wirbelsäule, Schulter-, Hand- und Fingergelenken mit chronischen Schmerzen und Funktionseinschränkungen bestehen. Der Grundpflegebedarf betrage 48 Minuten, für hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten. Der Hilfebedarf bestehe voraussichtlich mindestens sechs Monate. Eine Nachuntersuchung in regelmäßigen Abständen (einmal im Jahr) wurde empfohlen.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2010 gewährte die Bg. daraufhin unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 17. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 1. Februar 2009 in Höhe von 215,00 EUR. Die aufrecht erhaltene Klage verwarf das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 23. März 2010 als unzulässig. Ferner wies es mit Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2010 eine Klage gegen den Bescheid vom 29. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2010 ab (Az.: S 14 P 36/10), die auf Verzinsung des Pflegegeldes gerichtet war. Hiergegen ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bayer. Landessozialgericht anhängig (Az.: L 2 P 73/10 NZB).
Die Bg. veranlasste eine Wiederholungsbegutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Der Bf. stimmte einer Begutachtung nicht zu, zumal sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Er beantragte, von einer Nachuntersuchung abzusehen. Die Bg. hat auf die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung hingewiesen und die Einstellung der Leistung zum 31. Januar 2011 angedroht.
Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Az.: S 2 P 1/11 ER) nahm der Bf. am
16. Januar 2011 zurück.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 stellte die Bg. Leistungen der Pflegestufe I zum
31. Januar 2011 ein, da der Bf. den gesetzlichen Mitwirkungspflichten nach §§ 60, 62, 65, 66 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht nachgekommen sei. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2011 zurück. Nachdem der Widerspruch vom 16. Januar 2011 aufschiebende Wirkung gehabt habe, sei die Zahlung des Pflegegeldes noch für Februar 2011 veranlasst worden. Mit dem Tag der Zustellung des Widerspruchsbescheides erfolge die Einstellung der Zahlung. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bf. am 25. Februar 2011 zugestellt.
Am 1. März 2011 sind beim Sozialgericht Regensburg eine Klage (Az.: S 2 P 26/11) sowie ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eingegangen. Durch die Einstellung der Pflegegeldzahlung im März sei die Pflege nicht mehr sichergestellt. Die Bg. habe entgegen eines schriftlichen Verbots durch das Sozialgericht in dem Verfahren S 2 P 1/11 ER während des laufenden Widerspruchsverfahrens die Pflegeleistung eingestellt. Ferner hat der Bf. ausgeführt, dass eine Nachuntersuchung nicht erforderlich sei. Es werde von der Pflegefachkraft regelmäßig kontrolliert und festgestellt, dass die Pflege gesichert sei. Seine Behinderungen seien dauerhafter Natur, eine Besserung aussichtslos. Insgesamt habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Die Möglichkeit einer Besserung sei somit nicht gegeben. Eine Nachuntersuchung sei unwirtschaftlich und unverhältnismäßig.
Die Bg. hat demgegenüber auf die Ausführungen des Dr. E. zur Notwendigkeit der Nachuntersuchung verwiesen.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 18. März 2011 abgelehnt. Die Klage habe gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keine aufschiebende Wirkung. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG könne nicht erfolgen, weil dem öffentlichen Vollzugsinteresse gegenüber dem privaten Aufschubinteresse des Bf. der Vorzug zu geben sei, da die Kammer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht für wahrscheinlich halte. Zutreffend habe die Bg. in den streitgegenständlichen Bescheiden die Leistung wegen fehlender Mitwirkung des Bf. entzogen. Der Bf. sei seinen Mitwirkungspflichten nach § 18 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) nicht nachgekommen. Er hätte eine Nachuntersuchung durch den MDK in seinem Wohnbereich zulassen müssen. Anhaltspunkte für einen wichtigen Grund des Bf. seien nicht ersichtlich. Insbesondere ergebe sich auch nicht bereits auf Grund einer eindeutigen Aktenlage das Ergebnis der medizinischen Untersuchung (§ 18 Abs. 2 S. 4 SGB XI).
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Bf. ausgeführt, dass seine Pflege nicht mehr gesichert sei. Die aufschiebende Wirkung, wie sie für den Widerspruch gegolten habe, gelte auch für das Klageverfahren. Hilfsweise werde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt, da es sich um eine für ihn gesundheitlich existenzielle Angelegenheit handle. Er könne den finanziellen Ausfall nicht kompensieren. Schließlich sei der Bewilligungsbescheid nicht wirksam aufgehoben worden (§ 48 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB X). Im Übrigen seien die vom MDK benannten Termine unpassend gewesen. Mit Schriftsatz vom 27. März 2011 habe er beim Sozialgericht einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Ferner hat die Tochter des Bf. auf die bestehende Pflegebedürftigkeit und die Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung hingewiesen.
Der Senat hat die Akte der Bg, die Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie die des Landessozialgerichts beigezogen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß §§ 172 ff SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.
Nach § 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung wie hier Pflegegeldleistungen herabsetzen oder entziehen. Das Gericht kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG. Dies gilt unabhängig davon, ob auch die Bg. bislang zu einer Anwendung dieser Normen gelangt ist.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Pflegegeldleistung ist nicht § 48 SGB X, wie der Bf. annimmt, sondern § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I. Diese Vorschrift steht neben § 48 SGB X. Kommt danach derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Auf diese Norm stützt sich der streitbefangene Bescheid der Bg. vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2011 und begründet dies mit der Weigerung des Bf., an einer Nachuntersuchung im Wohnbereich mitzuwirken. Es ist dabei nicht maßgeblich, ob die materiellen Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit tatsächlich bestehen oder weggefallen sind, sondern nur die fehlende Mitwirkung des Bf., d.h. die Weigerung, eine Nachuntersuchung durch den MDK zuzulassen.
Gemäß § 62 SGB I soll sich der Versicherte auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind. Ferner muss die Anordnung der Untersuchung verhältnismäßig und zumutbar sein (§ 65 Abs. 1 SGB I). Allerdings enthält § 18 SGB XI Sonderregelungen für Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Nach § 18 Abs. 1 S. 1 SGB XI haben die Pflegekassen durch den MDK prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Dabei hat der MDK den Versicherten in seinem Wohnbereich zu untersuchen. Erteilt der Versicherte dazu nicht sein Einverständnis, kann die Pflegekasse die beantragte Leistung verweigern (§ 18 Abs. 2 S. 2 SGB XI), der jedoch nach seinem Wortlaut nicht für das Verfahren der Entziehung von Leistungen gilt (so auch BSG NZS 2001, 538, 541). Auch insoweit gelten aber §§ 65, 66 SGB I gemäß § 18 Abs. 2 S. 3 SGB XI. Die Untersuchung im Wohnbereich kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn auf Grund einer eindeutigen Aktenlage das Ergebnis der medizinischen Untersuchung bereits feststeht (§ 18 Abs. 2 S. 4 SGB XI).
Entgegen dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 S. 5 SGB XI sind routinemäßige Nachuntersuchungen, die allein von einem Zeitablauf bestimmt werden, nicht zulässig (BSG, a.a.O., unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 18 SGB XI, BR-Drucks. 505/93, 99 f).
Eine Wiederholungsbegutachtung muss deshalb gemäß dem "ermittelten Befund und der über die weitere Entwicklung der Pflegebedürftigkeit abgegebenen Prognose" (BR-Drucks. 505/93, 100) notwendig sein, um das Fortdauern des Vorliegens der Voraussetzungen der Pflegestufe I gemäß §§ 14, 15 SGB XI festzustellen. Rechtlich erfolgt dabei eine Überprüfung, ob der Bewilligungsbescheid vom 29. Januar 2010 gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X aufzuheben ist. Dies würde eine Änderung des Pflegebedarfs, z.B. bedingt durch eine Änderung des Gesundheitszustandes, voraussetzen. Dies vermag der Senat im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären. Zwar ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. E. vom 21. Dezember 2009, dass eine Verringerung des Pflegebedarfs möglich ist; er empfahl deshalb Nachuntersuchungen in regelmäßigen, einjährigen Abständen. Allerdings steht dies unter der Prämisse der Inanspruchnahme ärztlicher Therapiemaßnahmen - insbesondere einer Operation. Ohne diese erscheint eine Verbesserung bezüglich der festgestellten Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule, den Schulter-, Hand- und Fingergelenken mit chronischen Schmerzen und Funktionseinschränkungen nicht wahrscheinlich. Ein operativer Eingriff ist offensichtlich nicht erfolgt. Auch ergibt sich aus den Angaben der Tochter, dass eine Pflegebedürftigkeit besteht. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Grundpflegebedarf geringfügig von den festgestellten 48 Minuten auf unter 46 Minuten gesunken ist.
Aktuelle Befunde liegen hierzu jedoch nicht vor. Da es dem Bf. auch erkennbar um eine beschleunigte Entscheidung geht, sind auch Ermittlungen des Senats nicht angezeigt, die nicht zeitnah abgeschlossen werden könnten.
Sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens aber mit berücksichtigt werden können (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b, Rdnr. 12 c). Es ist nicht zu beanstanden, dass das Sozialgericht die Interessenabwägung im Ergebnis zu Lasten des Bf. vornahm. Zum einen ist nämlich dem Gesetz mit der Regelung des § 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG ein Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten des Vollziehungsinteresses zu entnehmen (so z.B. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnr. 12 a m.w.N.). Der Gesetzgeber würdigt damit das Interesse der Solidargemeinschaft an einem wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit den Pflegeversicherungsbeiträgen. Um ausnahmsweise die aufschiebende Wirkung anzuordnen, bedarf es daher eines überwiegenden Interesses des durch den Verwaltungsakt Betroffenen (zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnr. 12 c). Zum anderen hat der Bf. nicht substantiiert Gründe vorgebracht, die einer erneuten Begutachtung durch den MDK entgegenstehen. Demgegenüber tritt das finanzielle Bedürfnis des Bf., die laufenden Pflegeleistungen durch die (vorläufige) Fortgewährung des Pflegegeldes sicherzustellen, im Ergebnis zurück.
Schließlich weist der Senat darauf hin, dass die Versagung bzw. Entziehung zurückzunehmen ist, wenn die Mitwirkung durch den Bf. nachgeholt wird und sich dabei herausstellt, dass weiterhin Pflegebedürftigkeit bestand (Kass-Komm-Seewald, § 66 SGB I, Rdnr. 31).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
18. März 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.) wendet sich gegen die Einstellung der Pflegegeldleistung zum 31. Januar 2011.
Am 17. Februar 2009 ging der Antrag des Bf. auf Gewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bei der Antrags- und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Bg.) ein. Der im Rahmen des Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Regensburg (Az.: S 2 P 55/09) beauftragte Arzt Dr. E. war in seinem Gutachten vom 21. Dezember 2009 nach Hausbesuch zu dem Ergebnis gelangt, dass als pflegerelevante Gesundheitsstörungen Verschleißerscheinungen an Wirbelsäule, Schulter-, Hand- und Fingergelenken mit chronischen Schmerzen und Funktionseinschränkungen bestehen. Der Grundpflegebedarf betrage 48 Minuten, für hauswirtschaftliche Versorgung 45 Minuten. Der Hilfebedarf bestehe voraussichtlich mindestens sechs Monate. Eine Nachuntersuchung in regelmäßigen Abständen (einmal im Jahr) wurde empfohlen.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2010 gewährte die Bg. daraufhin unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 17. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juli 2009 Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 1. Februar 2009 in Höhe von 215,00 EUR. Die aufrecht erhaltene Klage verwarf das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 23. März 2010 als unzulässig. Ferner wies es mit Gerichtsbescheid vom 8. Juli 2010 eine Klage gegen den Bescheid vom 29. Januar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2010 ab (Az.: S 14 P 36/10), die auf Verzinsung des Pflegegeldes gerichtet war. Hiergegen ist eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bayer. Landessozialgericht anhängig (Az.: L 2 P 73/10 NZB).
Die Bg. veranlasste eine Wiederholungsbegutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Der Bf. stimmte einer Begutachtung nicht zu, zumal sich sein Gesundheitszustand verschlechtert habe. Er beantragte, von einer Nachuntersuchung abzusehen. Die Bg. hat auf die Notwendigkeit einer Nachuntersuchung hingewiesen und die Einstellung der Leistung zum 31. Januar 2011 angedroht.
Einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Az.: S 2 P 1/11 ER) nahm der Bf. am
16. Januar 2011 zurück.
Mit Bescheid vom 18. Januar 2011 stellte die Bg. Leistungen der Pflegestufe I zum
31. Januar 2011 ein, da der Bf. den gesetzlichen Mitwirkungspflichten nach §§ 60, 62, 65, 66 des Ersten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht nachgekommen sei. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2011 zurück. Nachdem der Widerspruch vom 16. Januar 2011 aufschiebende Wirkung gehabt habe, sei die Zahlung des Pflegegeldes noch für Februar 2011 veranlasst worden. Mit dem Tag der Zustellung des Widerspruchsbescheides erfolge die Einstellung der Zahlung. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bf. am 25. Februar 2011 zugestellt.
Am 1. März 2011 sind beim Sozialgericht Regensburg eine Klage (Az.: S 2 P 26/11) sowie ein Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eingegangen. Durch die Einstellung der Pflegegeldzahlung im März sei die Pflege nicht mehr sichergestellt. Die Bg. habe entgegen eines schriftlichen Verbots durch das Sozialgericht in dem Verfahren S 2 P 1/11 ER während des laufenden Widerspruchsverfahrens die Pflegeleistung eingestellt. Ferner hat der Bf. ausgeführt, dass eine Nachuntersuchung nicht erforderlich sei. Es werde von der Pflegefachkraft regelmäßig kontrolliert und festgestellt, dass die Pflege gesichert sei. Seine Behinderungen seien dauerhafter Natur, eine Besserung aussichtslos. Insgesamt habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Die Möglichkeit einer Besserung sei somit nicht gegeben. Eine Nachuntersuchung sei unwirtschaftlich und unverhältnismäßig.
Die Bg. hat demgegenüber auf die Ausführungen des Dr. E. zur Notwendigkeit der Nachuntersuchung verwiesen.
Das Sozialgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage mit Beschluss vom 18. März 2011 abgelehnt. Die Klage habe gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) keine aufschiebende Wirkung. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG könne nicht erfolgen, weil dem öffentlichen Vollzugsinteresse gegenüber dem privaten Aufschubinteresse des Bf. der Vorzug zu geben sei, da die Kammer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht für wahrscheinlich halte. Zutreffend habe die Bg. in den streitgegenständlichen Bescheiden die Leistung wegen fehlender Mitwirkung des Bf. entzogen. Der Bf. sei seinen Mitwirkungspflichten nach § 18 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XI) nicht nachgekommen. Er hätte eine Nachuntersuchung durch den MDK in seinem Wohnbereich zulassen müssen. Anhaltspunkte für einen wichtigen Grund des Bf. seien nicht ersichtlich. Insbesondere ergebe sich auch nicht bereits auf Grund einer eindeutigen Aktenlage das Ergebnis der medizinischen Untersuchung (§ 18 Abs. 2 S. 4 SGB XI).
Zur Begründung der hiergegen gerichteten Beschwerde hat der Bf. ausgeführt, dass seine Pflege nicht mehr gesichert sei. Die aufschiebende Wirkung, wie sie für den Widerspruch gegolten habe, gelte auch für das Klageverfahren. Hilfsweise werde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt, da es sich um eine für ihn gesundheitlich existenzielle Angelegenheit handle. Er könne den finanziellen Ausfall nicht kompensieren. Schließlich sei der Bewilligungsbescheid nicht wirksam aufgehoben worden (§ 48 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - SGB X). Im Übrigen seien die vom MDK benannten Termine unpassend gewesen. Mit Schriftsatz vom 27. März 2011 habe er beim Sozialgericht einen weiteren Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Ferner hat die Tochter des Bf. auf die bestehende Pflegebedürftigkeit und die Notwendigkeit einer schnellen Entscheidung hingewiesen.
Der Senat hat die Akte der Bg, die Gerichtsakten des Sozialgerichts sowie die des Landessozialgerichts beigezogen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß §§ 172 ff SGG zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ab.
Nach § 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung wie hier Pflegegeldleistungen herabsetzen oder entziehen. Das Gericht kann auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG. Dies gilt unabhängig davon, ob auch die Bg. bislang zu einer Anwendung dieser Normen gelangt ist.
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Pflegegeldleistung ist nicht § 48 SGB X, wie der Bf. annimmt, sondern § 66 Abs. 1 S. 1 SGB I. Diese Vorschrift steht neben § 48 SGB X. Kommt danach derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Auf diese Norm stützt sich der streitbefangene Bescheid der Bg. vom 18. Januar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2011 und begründet dies mit der Weigerung des Bf., an einer Nachuntersuchung im Wohnbereich mitzuwirken. Es ist dabei nicht maßgeblich, ob die materiellen Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit tatsächlich bestehen oder weggefallen sind, sondern nur die fehlende Mitwirkung des Bf., d.h. die Weigerung, eine Nachuntersuchung durch den MDK zuzulassen.
Gemäß § 62 SGB I soll sich der Versicherte auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind. Ferner muss die Anordnung der Untersuchung verhältnismäßig und zumutbar sein (§ 65 Abs. 1 SGB I). Allerdings enthält § 18 SGB XI Sonderregelungen für Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Nach § 18 Abs. 1 S. 1 SGB XI haben die Pflegekassen durch den MDK prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen der Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welche Stufe der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Dabei hat der MDK den Versicherten in seinem Wohnbereich zu untersuchen. Erteilt der Versicherte dazu nicht sein Einverständnis, kann die Pflegekasse die beantragte Leistung verweigern (§ 18 Abs. 2 S. 2 SGB XI), der jedoch nach seinem Wortlaut nicht für das Verfahren der Entziehung von Leistungen gilt (so auch BSG NZS 2001, 538, 541). Auch insoweit gelten aber §§ 65, 66 SGB I gemäß § 18 Abs. 2 S. 3 SGB XI. Die Untersuchung im Wohnbereich kann ausnahmsweise unterbleiben, wenn auf Grund einer eindeutigen Aktenlage das Ergebnis der medizinischen Untersuchung bereits feststeht (§ 18 Abs. 2 S. 4 SGB XI).
Entgegen dem Wortlaut des § 18 Abs. 2 S. 5 SGB XI sind routinemäßige Nachuntersuchungen, die allein von einem Zeitablauf bestimmt werden, nicht zulässig (BSG, a.a.O., unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien zu § 18 SGB XI, BR-Drucks. 505/93, 99 f).
Eine Wiederholungsbegutachtung muss deshalb gemäß dem "ermittelten Befund und der über die weitere Entwicklung der Pflegebedürftigkeit abgegebenen Prognose" (BR-Drucks. 505/93, 100) notwendig sein, um das Fortdauern des Vorliegens der Voraussetzungen der Pflegestufe I gemäß §§ 14, 15 SGB XI festzustellen. Rechtlich erfolgt dabei eine Überprüfung, ob der Bewilligungsbescheid vom 29. Januar 2010 gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X aufzuheben ist. Dies würde eine Änderung des Pflegebedarfs, z.B. bedingt durch eine Änderung des Gesundheitszustandes, voraussetzen. Dies vermag der Senat im Rahmen des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes nicht abschließend zu klären. Zwar ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. E. vom 21. Dezember 2009, dass eine Verringerung des Pflegebedarfs möglich ist; er empfahl deshalb Nachuntersuchungen in regelmäßigen, einjährigen Abständen. Allerdings steht dies unter der Prämisse der Inanspruchnahme ärztlicher Therapiemaßnahmen - insbesondere einer Operation. Ohne diese erscheint eine Verbesserung bezüglich der festgestellten Verschleißerscheinungen an der Wirbelsäule, den Schulter-, Hand- und Fingergelenken mit chronischen Schmerzen und Funktionseinschränkungen nicht wahrscheinlich. Ein operativer Eingriff ist offensichtlich nicht erfolgt. Auch ergibt sich aus den Angaben der Tochter, dass eine Pflegebedürftigkeit besteht. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Grundpflegebedarf geringfügig von den festgestellten 48 Minuten auf unter 46 Minuten gesunken ist.
Aktuelle Befunde liegen hierzu jedoch nicht vor. Da es dem Bf. auch erkennbar um eine beschleunigte Entscheidung geht, sind auch Ermittlungen des Senats nicht angezeigt, die nicht zeitnah abgeschlossen werden könnten.
Sind die Erfolgsaussichten nicht abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Aussichten des Hauptsacheverfahrens aber mit berücksichtigt werden können (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl., § 86 b, Rdnr. 12 c). Es ist nicht zu beanstanden, dass das Sozialgericht die Interessenabwägung im Ergebnis zu Lasten des Bf. vornahm. Zum einen ist nämlich dem Gesetz mit der Regelung des § 86 a Abs. 2 Nr. 3 SGG ein Regel-Ausnahmeverhältnis zugunsten des Vollziehungsinteresses zu entnehmen (so z.B. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnr. 12 a m.w.N.). Der Gesetzgeber würdigt damit das Interesse der Solidargemeinschaft an einem wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit den Pflegeversicherungsbeiträgen. Um ausnahmsweise die aufschiebende Wirkung anzuordnen, bedarf es daher eines überwiegenden Interesses des durch den Verwaltungsakt Betroffenen (zum Ganzen: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., Rdnr. 12 c). Zum anderen hat der Bf. nicht substantiiert Gründe vorgebracht, die einer erneuten Begutachtung durch den MDK entgegenstehen. Demgegenüber tritt das finanzielle Bedürfnis des Bf., die laufenden Pflegeleistungen durch die (vorläufige) Fortgewährung des Pflegegeldes sicherzustellen, im Ergebnis zurück.
Schließlich weist der Senat darauf hin, dass die Versagung bzw. Entziehung zurückzunehmen ist, wenn die Mitwirkung durch den Bf. nachgeholt wird und sich dabei herausstellt, dass weiterhin Pflegebedürftigkeit bestand (Kass-Komm-Seewald, § 66 SGB I, Rdnr. 31).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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