L 19 R 524/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 12 R 4351/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 524/07
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI nach der Übergangsvorschrift des § 231 Abs 5 SGB VI.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2007 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht.

Die 1963 geborene Klägerin beantragte mit Schreiben vom 30.09.2001 die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht, ohne zunächst die hierfür erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Nachdem trotz zweier Aufforderungen die notwendigen Antragsformulare nicht übersandt worden waren, lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 09.04.2002 den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht wegen mangelnder Mitwirkung ab. Nachdem die Klägerin hiergegen mit Schreiben vom 04.05.2002 Widerspruch eingelegt hatte und darauf hinwies, dass sie die Unterlagen bereits übersandt habe (Eingangsstempel 26. März 2002), prüfte die Beklagte den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht erneut. In dem Antragsformular, das mit dem Datum 20.02.2002 versehen war, gab die Klägerin zur Art der selbstständigen Tätigkeit an, dass es sich um eine freiberufliche Tätigkeit als sozialpädagogische Familienhilfe handle. Die Frage 3.4, ob sie nur für einen Auftraggeber tätig sei, wurde von der Klägerin bejaht und handschriftlich angefügt, dass sie seit Juli 1999 bis jetzt für das Landratsamt K. tätig sei. Zur Beschreibung des unternehmerischen Handelns, bezüglich eigenen Kapitaleinsatzes, eigener Kalkulation, Preisgestaltung, Werbung und Ablehnung von Aufträgen war angegeben, dass sie Familien ablehnen könne, eine Begründung hierfür sei nicht unbedingt notwendig. Als Anlagen beigefügt waren eine Bestätigung des Versicherungsunternehmens, bei dem eine anderweitige Altersvorsorge bestand sowie ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999. Angemerkt war, dass 1998 keine Einkommensteuererklärung gemacht worden sei, da sie Studentin gewesen sei. Die Beklagte gewährte sodann mit streitgegenständlichem Bescheid vom 02.07.2002 eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Selbstständige mit einem Auftraggeber nach § 2 Satz 1 Nr 9 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) auf der Grundlage des § 6 Abs 1a Satz 1 Nr 1 SGB VI für die Zeit vom 30.09.2001 bis 01.07.2002. Da der Antrag am 30.09.2001 gestellt worden sei, sei die Klägerin vom 01.07.1999 bis 29.09.2001 versicherungspflichtig. Hierüber erhalte sie einen gesonderten Bescheid. Gegen den Bescheid vom 02.07.2002 legte die Klägerin mit Schreiben vom 01.08.2002 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen. Nachdem seitens der Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung durch die Beklagte keine weitere Begründung erfolgte, wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.09.2003 als unbegründet zurückgewiesen.

Mit weiterem Bescheid vom 18.09.2003 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht als Selbstständige fest und setzte die Beiträge ab dem 01.07.1999 fest. Die Klägerin wäre demgemäß verpflichtet gewesen, Beiträge für die Zeit vom 01.07.1999 bis einschließlich 30.09.2003 in Höhe von 12.797,34 EUR nach zu entrichten. Ob und inwieweit hiergegen von der Klägerin Widerspruch eingelegt wurde, ist aus den beigezogenen Rentenakten der Beklagten nicht ersichtlich.

Zur Begründung der am 30.09.2003 zum Sozialgericht (SG) Würzburg erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 02.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.09.2003 wurde seitens des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgetragen, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht als Selbstständiger mit einem Auftraggeber ohne zeitliche Befristung vorzunehmen sei. Vorgelegt wurde ein Bescheid in einem vermeintlich vergleichbaren Fall. Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 15.02.2006 vor dem SG Würzburg wurden mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 12.06.2006 Einkommensteuerbescheide für die Jahre ab 1999 vorgelegt sowie eine Vereinbarung zwischen dem Landkreis K. -Kreisjugendamt- und der Klägerin vom 22.04.1997 über eine Familienbeistandschaft im Rahmen der ambulanten Erziehungshilfe für die Betreuung von "R.". Aus dieser Vereinbarung ergibt sich, dass die Erziehungsbeistandschaft für R. am 01.04.1997 begann und voraussichtlich am 31.03.1998 enden sollte. Auf gerichtliche Anforderung wurde sodann mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 21.07.2006 ein Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1997 übersandt und mitgeteilt, dass die Klägerin bei dieser Einkommensteuererklärung keine Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit angegeben habe, da die Einnahmen zu gering gewesen seien, um sich steuerlich auszuwirken. Eine Steuererklärung für das Jahr 1998 habe die Klägerin nicht abgegeben, sie sei auch vom Finanzamt nicht aufgefordert worden. Aus dem Einkommensteuerbescheid 1997 ergeben sich lediglich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit mit einem Brutto-Arbeitslohn in Höhe von 6.955,00 DM. Weitere Einkünfte waren nicht ausgewiesen.

Auf das gerichtliche Schreiben vom 28.07.2006 hin wurde mit Schriftsatz vom 24.08.2006 eine Aufstellung der Entgelte übersandt, die die Klägerin 1997 und 1998 für ihre Tätigkeit als Familienbeistand erhalten hatte. Hieraus ergaben sich Einkünfte von April bis Dezember 1997 sowie für Januar bis Juli 1998. Angegeben war, dass die Erziehungsbeistandschaft für R. im Juli 1998 geendet hatte. Die Familien würden von den Bezirkssozialarbeitern an die Freiberufler verteilt je nach Bedarf des Amtes. Bestehe von Seiten des Amtes kein Bedarf, erhalte man keine Aufträge. So habe die Auftragslage zwischen keinem und bis zu fünf betreuten Fällen geschwankt. Seit Juli 2005 habe sie Kapazitäten angemeldet, müsse aber von einer Betreuung ihren Lebensunterhalt bestreiten. Leider habe sie bisher keine weiteren Fälle erhalten und müsse jetzt aufgrund des erwirtschafteten Minus ihre Tätigkeit beenden. Beigefügt war des Weiteren der Abschlussbericht über die Erziehungsbeistandschaft für R. vom 15.08.1998. Aus diesem ergibt sich, dass die Erziehungsbeistandschaft auf Wunsch der Mutter des Betreuten zum 31.07.1998 geendet hat.

Mit Schreiben vom 05.10.2006 wies der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nochmals darauf hin, dass die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit am 01.04.1997 als Familienhelferin aufgenommen und bis Juli 2006 ununterbrochen ausgeführt habe. Von einer Unterbrechung der Tätigkeit zwischen Juli 1998 und Juni 1999, wie dies die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 21.09.2006 ausführe, könne nicht die Rede sein. Es sei richtig, dass die Erziehungsbeistandschaft für den Jugendlichen R. zum 31.07.1998 geendet habe. Dies sei jedoch auf Wunsch von dessen Mutter erfolgt. Die Klägerin habe sich die Erziehungsbeistandschaft nicht selbst beschaffen können, sondern sei auf die Zuteilung bzw. Vermittlung durch das Kreisjugendamt beim Landratsamt K. bzw. durch die Bezirkssozialarbeiter angewiesen gewesen. Vor diesem Hintergrund erkläre sich, dass die Tätigkeit zwischen Juli 1998 und Juni 1999 nicht von der Klägerin unterbrochen worden sei. Vielmehr hätten ihr vom Kreisjugendamt keine Erziehungsbeistandschaften zugewiesen werden können. Die Klägerin habe in dem gesamten hier streitgegenständlichen Zeitraum die gleiche Tätigkeit ausgeübt. Nach 1999 habe sich die Tätigkeit "Sozialpädagogische Familienhilfe " genannt, weil es - so die Klägerin - dafür mehr Geld gegeben habe. Die begriffliche Unterscheidung gebe es nach Auffassung der Klägerin nur im Gesetz, tatsächlich sei bei diesen Tätigkeiten immer die gesamte Familie einzubeziehen gewesen. Im Übrigen lasse die Klägerin darauf hinweisen, dass sie zu Beginn ihrer selbstständigen Tätigkeit nicht über die rechtlichen Belange einer Versicherungspflichtigkeit bzw. Befreiung von der Versicherungspflicht bei Selbstständigkeit aufgeklärt worden sei. In Unwissenheit der rechtlichen Folgen habe somit die Klägerin auch in ihrem Antrag vom 30.09.2001 bei der Frage des Beginns der Selbstständigkeit das Jahr 1999 angegeben. Tatsächlich habe sie jedoch bereits ab 1997 für das Jugendamt K. auf sog. freiberuflicher Basis gearbeitet. Die Klägerin lasse weiterhin vortragen, dass sie sich nie als Selbstständige bzw. Unternehmertyp gefühlt habe. Vielmehr habe sie durch die besagte Tätigkeit versucht, Geld zu verdienen, um das Studium zu finanzieren. Die vielen Nachteile dieser Tätigkeit seien ihr erst im Laufe der Jahre bewusst geworden und hätten sie in große finanzielle Schwierigkeiten gebracht. Die Klägerin habe sich nunmehr zum 01.09.2006 arbeitslos melden müssen, werde Arbeitslosengeld II beziehen.

Das SG Würzburg hat sodann mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 14.03.2007 die Klage gegen den Bescheid vom 02.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2003 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass eine Befreiung lediglich auf der Grundlage des § 6 Abs 1a Satz 1 Nr 1, Abs 4 SGB VI in Betracht komme. Für eine Befreiung könne § 231 Abs 5 SGB VI nicht zur Anwendung kommen, weil die Klägerin am 31.12.1998 eine selbstständige Tätigkeit nicht ausgeübt habe. Die von der Klägerin eingereichten Unterlagen würden belegen, dass die zum 01.04.1997 begonnene Tätigkeit als Erziehungsbeistand für R. bereits zum 31.07.1998 beendet worden sei. Eine Tätigkeit als sozialpädagogische Familienhelferin habe die Klägerin erst nach dem 31.12.1998, nämlich zum 01.07.1999, aufgenommen. Ferner könne eine Befreiung auf § 231 Abs 5 Satz 1 SGB VI nicht gestützt werden, weil der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nicht innerhalb der in § 231 Abs 5 Satz 3 SGB VI genannten Frist gestellt worden sei. Die im streitgegenständlichen Bescheid gewährte Befreiung von der Versicherungspflicht ab dem 01.09.2001 bis zum 01.07.2002 sei rechtmäßig, ebenso der Beitragsbescheid vom 19.07.2006, der gemäß § 96 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens geworden sei.

Zur Begründung der am 02.07.2007 beim SG Würzburg eingelegten Berufung weist die Klägerin nochmals darauf hin, dass sie ihre Tätigkeit als Familienhelferin bzw. als Erziehungsbeistand in der Zeit zwischen Juli 1998 und Juni1999 nicht unterbrochen habe, sondern vielmehr vom Kreisjugendamt ihr keine Erziehungsbeistandschaften hätten zugewiesen werden können. Bei der freiberuflichen Tätigkeit der Klägerin handle es sich um die Betreuung von Familien mit minderjährigen Kindern im Rahmen der ambulanten Erziehungshilfe im Sinne der §§ 27, 30 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Die Klägerin übe somit seit dem 01.04.1997 eine erzieherische Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VI aus. Sie verfüge über eine fondsgebundene Rentenversicherung, beginnend ab dem 01.03.1996. Die Antragstellung sei am 30.09.2001 rechtzeitig erfolgt. Gemäß § 231 Abs 6 SGB VI sei die Klägerin somit von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 02.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2003 abzuändern sowie sämtliche in der Folgezeit die Klägerin bezüglich der Versicherungspflicht belastenden Beitrags- und Säumniszuschlagsbescheide aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin vom 01.07.1999 bis 29.09.2001 sowie ab 02.07.2002 ohne zeitliche Befristung von der Rentenversicherungspflicht zu befreien.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2007 zurückzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Klägerin ihre selbstständige Tätigkeit am 01.07.1999 neu aufgenommen habe und somit am 31.12.1998 keine selbstständige Tätigkeit im Sinne des § 231 Abs 6 SGB VI vorgelegen habe, eine Befreiung sei daher nicht möglich. Selbst wenn die Klägerin bereits zum 01.04.1997 die Tätigkeit aufgenommen und seither ununterbrochen ausgeübt habe, könne sie nicht nach § 231 Abs 6 SGB VI befreit werden, da sie dann zum fraglichen Zeitpunkt 31.12.1998 nur geringfügig und damit versicherungsfrei im Sinne des § 5 Abs 2 SGB VI iVm § 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ausgeübt worden sei. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs 6 SGB VI sei aber ausgeschlossen, wenn der Antragsteller im Monat Dezember 1998 keine versicherungspflichtige selbstständige Tätigkeit ausgeübt habe.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG Würzburg hat zu Recht mit Urteil vom 14.03.2007 die Klage gegen den Bescheid vom 02.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2003 als unbegründet abgewiesen, da die Klägerin keinen weitergehenden Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht als Selbstständige gegen die Beklagte hat.

Die Tätigkeit als Familienbeistand bzw. als sozialpädagogische Familienhelferin, die die Klägerin aufgrund von vertraglichen Vereinbarungen mit dem Landkreis K. in der Zeit vom 01.04.1997 bis 31.07.1998 und dann wieder ab dem 01.07.1999 ausführte, stellte eine selbstständige Tätigkeit dar (vgl. Urteil des BayLSG vom 21.05.2010 - L 4 KR 68/08 -, veröffentl. in juris). Die Klägerin konnte die Gestaltung ihrer Tätigkeit im Wesentlichen frei planen und ausführen, ohne an zeitliche Vorgaben oder inhaltliche Weisungen des Landkreises K. gebunden zu sein. Es bestanden lediglich Berichtspflichten sowie die Besonderheit der Zuweisung einzelner Familien zur Betreuungspflicht der Klägerin. Da die Klägerin im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit keinen Arbeitnehmer beschäftigt hat, besteht dem Grunde nach aufgrund der am 01.01.1999 in Kraft getretenen Vorschrift des § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI Versicherungspflicht als sog. Kleinselbstständige. Die Klägerin hat ihre Tätigkeit als Erziehungsbeistand auch im Wesentlichen für einen Auftraggeber ausgeübt, da sie mit dem Landkreis K. zunächst eine Einzelvereinbarung über die Familienbeistandschaft für den Jugendlichen R. ab dem 01.04.1997 und dann mit Wirkung zum 01.07.1999 eine entsprechende Honorarvereinbarung abgeschlossen hat, in deren Rahmen sich dann die konkreten Einzelaufträge abgewickelt haben. Die einzelnen Familien sind hingegen nicht als Auftraggeber anzusehen.

Eine Befreiung von dieser Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI kommt entweder auf der Grundlage der Übergangsvorschrift des § 231 Abs 5 SGB VI oder, wenn dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind, nur auf der Grundlage des § 6 Abs 1a SGB VI in Betracht.

Das SG hat in seinem Urteil zu Recht ausgeführt, dass eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf der Grundlage des § 231 Abs 5 SGB VI nicht in Betracht kommt. Gemäß § 231 Abs 5 SGB VI werden Personen auf Antrag von der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI befreit, wenn sie am 31.12.1998 eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt haben, in der sie nicht versicherungspflichtig waren und danach gemäß § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI versicherungspflichtig werden. Die Klägerin hat mit Wirkung vom 01.04.1997 eine Vereinbarung über die Tätigkeit als Erziehungsbeistandschaft in einer konkreten Familie mit dem Landkreis K. abgeschlossen, die voraussichtlich am 31.03.1998 enden sollte und die tatsächlich am 31.07.1998 geendet hat. Die nächste Vereinbarung wurde dann erst wieder im Jahr 1999 abgeschlossen. Die Klägerin hatte somit zum maßgebenden Stichtag 31.12.1998 keine selbstständige Tätigkeit inne, mit der sie ab dem 01.01.1999 versicherungspflichtig geworden wäre. Sie hatte auch in der fraglichen Zeit keine weiteren Erziehungsbeistandschaften laufen.

Selbst wenn man - wie der Prozessbevollmächtigte der Klägerin - die Ansicht vertritt, dass zwischen der Klägerin und dem Landkreis K. eine Rahmenvereinbarung über eine fortgesetzte Erziehungsbeistandschaft je nach Zuweisung von einzelnen Aufträgen abgeschlossen worden sei und deshalb eine Unterbrechung der selbstständigen Tätigkeit nicht vorliege, kann keine Befreiung von der Versicherungspflicht auf der Grundlage des § 231 Abs 5 SGB VI erfolgen. Aus den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen ergibt sich, dass die Klägerin im Jahr 1997 nur die Erziehungsbeistandschaft für R. inne hatte, die bis zum 31.07.1998 ging. Nachdem die Klägerin von spätestens August 1998 bis zum 31.12.1998 überhaupt keine Einkünfte aus dieser Rahmenvereinbarung bzw. selbstständigen Tätigkeit bezogen hat, wäre sie in dieser Tätigkeit auch nach der Maßgabe des § 5 Abs 2 Nr 2 SGB VI versicherungsfrei kraft Gesetzes gewesen. Wenn eine Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes besteht, kann denknotwendig eine Befreiung von der Versicherungspflicht nicht in Betracht kommen. Aus den vorgelegten Steuerbescheiden der Klägerin ergibt sich, dass sie erst ab 1999 überhaupt zu versteuernde Einkünfte aus selbstständiger Arbeit hatte, die von einer Einkunftshöhe von 6.493,00 DM im Jahr 1999 über 28.076,00 DM im Jahr 2000, 36.043,00 DM im Jahr 2001, 20.349,00 EUR im Jahr 2002 und schließlich 15.121,00 EUR im Jahr 2003 ausgebaut werden konnten. Darüber hinaus hat die Klägerin selbst in ihrem Antrag vom 20.02.2002 erklärt, dass sie die selbstständige Tätigkeit seit Juli 1999 bis durchgehend ausgeübt hat und hierbei nur für einen Auftraggeber tätig gewesen ist. Ausdrücklich hat sie darauf hingewiesen, dass sie für 1998 keine Einkommensteuerklärung gemacht habe, da sie zu dieser Zeit nur Studentin gewesen sei. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren hat die Klägerin vorgetragen, dass sie sich mit dieser Tätigkeit als Erziehungsbeistandschaft Geld zur Finanzierung ihres Studiums hinzuverdient habe. Mit Schriftsatz vom 21.07.2006 hat die Klägerin auch vortragen lassen, dass sie im Jahr 1997 nur geringe Einkünfte gehabt habe, die sich steuerlich nicht hätten auswirken können. Deshalb ist, selbst wenn man von einer Tätigkeitsaufnahme am 01.04.1997 ausginge und einen ununterbrochenen Fortbestand dieser Tätigkeit annehmen würde, davon auszugehen, dass in der Zeit vom 01.04.1997 bis zum 01.07.1999 die selbstständige Tätigkeit nur in geringfügigem Umfang ausgeübt wurde und deshalb Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes nach § 5 Abs 2 Nr 2 SGB VI bestanden hat. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht kommt deshalb nur nach Maßgabe des § 6 Abs 1a SGB VI in Betracht für die Dauer von maximal drei Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in mehr als nur geringfügigem Umfang. Die Beklagte hat unter Berücksichtigung der eigenen Angaben der Klägerin, die durch die vorgelegten Unterlagen der Klägerin bestätigt werden, zutreffend in dem Bescheid vom 02.07.2002 den Beginn der Selbstständigkeit mit dem 01.07.1999 festgestellt und hiervon ausgehend den Befreiungszeitraum von drei Jahren berechnet, so dass die Befreiung von der Versicherungspflicht spätestens am 01.07.2002 endete. Als Beginn der Befreiung war der Zeitpunkt der Antragstellung 30.09.2001 anzusetzen. Eine rückwirkende Befreiung von der Versicherungspflicht wäre nach § 6 Abs 4 SGB VI nur möglich, wenn die Klägerin innerhalb von drei Monaten nach Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen diesen Antrag gestellt hätte. Dies war jedoch nicht der Fall.

Im Übrigen wäre eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf der Grundlage des § 231 Abs 5 SGB VI innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Versicherungspflicht zu beantragen, wobei die Frist allerdings nicht vor dem 30.06.2000 abgelaufen wäre (§ 231 Abs 5 Satz 3 SGB VI). Die Klägerin hat jedoch erst am 30.09.2001 den Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt, so dass dieser Antrag auch verfristet gewesen wäre.

Demgegenüber wäre eine Befreiung von der Versicherungspflicht mit einem Antragsdatum 30.09.2001 gerade noch für den Tatbestand des § 231 Abs 6 SGB VI möglich. Diese würde auch vom Eintritt der Versicherungspflicht an wirken. Eine Befreiung auf der Grundlage des § 231 Abs 6 SGB VI setzt jedoch voraus, dass es sich bei der die Versicherungspflicht begründenden Tätigkeit um eine Tätigkeit im Sinne des § 2 Satz 1 Nrn 1 - 3 SGB VI handelt. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang die Annahme einer Tätigkeit als Erzieher und Lehrer im Sinne des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI. Hierbei handelt es sich jedoch in erster Linie um Personen, die einen der geistigen Entwicklung auf dem Gebiet der Wissenschaft dienenden Unterricht erteilen (z.B. Lehrtätigkeit an Schulen, Universitäten oder sonstigen Bildungseinrichtungen) oder die ihre Tätigkeit auf die Bildung des Charakters und des Gemüts richten bzw. Unterweisungen in praktischen Tätigkeiten vornehmen (vgl. Gürtner, in: KassKomm, § 2 SGB VI, Rdnr 8 ff. m.w.N.). Die Tätigkeit als Familienhelferin oder als Erziehungsbeistand ist jedoch nicht nur, nicht überwiegend und auch nicht in erster Linie auf die Vermittlung von Wissen ausgerichtet. Nach dem Wortlaut des § 30 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) sollen der Erziehungsbeistand und der Betreuungshelfer das Kind oder den Jugendlichen bei der Bewältigung von Entwicklungsproblemen möglichst unter Einbeziehung des sozialen Umfelds unterstützen und unter Erhaltung des Lebensbezuges zur Familie seine Verselbständigung fördern. Aufgabe der sozialpädagogischen Familienhilfe ist nach dem Wortlaut des § 31 SGB VIII, durch intensive Betreuung und Begleitung Familien in ihren Erziehungsaufgaben, bei der Bewältigung von Alltagsproblemen, der Lösung von Konflikten und Krisen sowie im Kontakt mit Ämtern und Institutionen unterstützen und Hilfe zur Selbsthilfe geben. Sie ist in der Regel auf längere Dauer angelegt und erfordert die Mitarbeit der Familie. Aus diesen Regelungen, die der Tätigkeit der Klägerin beim Landkreis K. zugrunde liegen, wird ersichtlich, dass es sich nicht um eine lehrende und unterrichtende Tätigkeit im Sinne des § 2 S 1 Nr 1 SGB VI handelt, sondern dass es darum geht, unter Beachtung der besonderen Bedarfssituation in der betroffenen Familie bei der Erziehung eines Kindes Beistand zu leisten und ggf. der Familie als solche entsprechende Hilfen bereitzustellen, in erster Linie in Form von Gesprächen, Konfliktlösungen insbesondere in pubertären Problemsituationen etc., aber auch im Bedarfsfall Hilfestellung bei alltäglichen Verrichtungen zu geben wie etwa im Umgang mit Behörden, bei Antragstellung zur Erlangung von Sozialleistungen u. a. Ferner besteht ein erheblicher Arbeitsanteil in der Erstellung entsprechender Dokumentationen und Berichte an die Jugendbehörde, die die Erziehungsbeistandschaften bzw. die sozialpädagogische Familienhilfe letztlich verantworten müssen. Dieses Tätigkeitsbild entspricht nicht den gesetzlichen Vorstellungen, die dem Tatbestand des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI zugrunde liegen. Mangels entsprechender Tätigkeit kommt eine Befreiung von der Versicherungspflicht auf der Grundlage des § 231 Abs 6 SGB VI nicht in Betracht.

Nachdem eine Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 9 SGB VI nur auf der Grundlage des § 6 Abs 1a SGB VI überhaupt möglich war und diese aufgrund der verspäteten Antragstellung auch nicht rückwirkend gewährt werden konnte, bestand für die Kläger dem Grunde nach ab dem 01.07.1999 Versicherungspflicht mit der Verpflichtung der Klägerin zur Beitragszahlung. Die von der Beklagten aufgrund der bisher angenommenen Versicherungspflicht erlassenen Beitragsbescheide, beginnend ab dem 18.09.2003, sind nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Sie ersetzen oder ergänzen den hier angefochtenen streitgegenständlichen Bescheid vom 02.07.2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.09.2003 nicht, da dieser nur die Grundsatzfrage der Befreiung von der Versicherungspflicht betraf.

Nach alledem ist der Bescheid vom 02.07.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2003 im Hinblick auf die gewährte Befreiung von der Versicherungspflicht vom 30.09.2001 bis 01.07.2002 rechtlich nicht zu beanstanden. Somit war die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 14.03.2007 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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