L 10 R 1280/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 15 R 5188/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 1280/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.11.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit streitig.

Die am geborene Klägerin absolvierte in der ehemaligen DDR eine Ausbildung zur Bibliothekarin und war in diesem Beruf bis 1986 tätig. Nach ihrer Übersiedlung in die Bundesrepublik war sie ab 1988 als Verkäuferin bei der Firma L. und S. beschäftigt und im K. O. eingesetzt, ihren Angaben zu Folge mit Verkaufstätigkeiten, Tätigkeiten zur Herstellung der Verkaufsbereitschaft, Einhaltung von Ordnung und Sauberkeit sowie der Beschilderung und Bearbeitung von Kundenreklamationen. Wegen Beschwerden in der rechten Schulter kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 30.09.2006. Seither ist sie arbeitslos.

Im Oktober 2006 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. und begründete ihren Antrag mit einem Supraspinatussyndrom in der rechten Schulter, das zu kaum erträglichen Nervenschmerzen führe. Die Beklagte veranlasste das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie/Sozialmedizin Dr. R. auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 13.12.2006, der von neurologischer und psychiatrischer Seite einen Normalbefund erhob. Bei seiner Untersuchung fand er eine endgradige Einschränkung der Schulterbeweglichkeit bei Retroversion und Rotation der rechten Schulter und beim Schürzengriff sowie einen Klopfschmerz am Epicondylus ulnaris. Diagnostisch ging er von einem Supraspinatussyndrom rechts sowie einer Epicondylitis humero ulnaris rechts aus. Tätigkeiten als Verkäuferin seien sechs Stunden und mehr möglich. Der sodann mit einer Begutachtung beauftragte Arzt für Orthopädie Dr. St. fand bei seiner Untersuchung am 05.12.2006 eine eingeschränkte Beweglichkeit der HWS und eine freie Beweglichkeit der Schulter- und Ellbogengelenke. Die geklagten Beschwerden im Bereich der HWS erachtete er angesichts der röntgenologisch objektivierbaren Osteochondrose C5/6 und die im Bereich der Schultergelenke angegebenen Beschwerden auf Grund des röntgenologischen Befundes für nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund hielt er eine Tätigkeit mit Zwangshaltung der HWS nur eingeschränkt für zumutbar und häufige Überkopfarbeiten, häufige Arbeiten mit über 70 Grad abgespreiztem Arm oder häufigem Heben und Tragen von Lasten über zehn kg nicht mehr für zumutbar. Bei Berücksichtigung dieser Einschränkungen könne die Klägerin leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 16.01.2007 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin mit der Begründung ab, mit den vorhandenen Leistungsvermögen könne sie in ihrem bisherigen Berufsbereich mindestens sechs Stunden erwerbstätig sein und sei daher weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Im Widerspruchsverfahren holte die Beklagte Befundberichte des Arztes für Innere Medizin Dr. Sc. und des Facharztes für Orthopädie R. ein, die im März 2007 über Vorstellungen der Klägerin wegen Schulterschmerzen bis Oktober bzw. August 2006 berichteten. Die Beklagte holte ferner eine Stellungnahme der berufskundlichen Beraterin Jung ein, die auf Grund der langjährigen Berufserfahrung der Klägerin, in der sie die Kenntnisse und Fähigkeiten einer gelernten Verkäuferin erworben habe, davon ausging, dass sie Berufsschutz als obere Angelernte genieße; jedoch könne die Klägerin zumutbar auf die Tätigkeit einer Mitarbeiterin in der Registratur verwiesen werden. Hierauf gestützt wurde der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2007 zurückgewiesen.

Am 04.10.2007 hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) mit dem Begehren Klage erhoben, ihr Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Sie hat geltend gemacht, die Tätigkeiten in einer Registratur entspreche nicht ihrem Leistungsvermögen. In einer Registratur könne es wiederholt und anhaltend vorkommen, dass schwere Akten und/oder Bücher in obere Regale transportiert werden müssen. Längere Überkopfarbeiten oder das Heben schwerer Lasten seien ihr jedoch nicht zumutbar. Zudem müssten bei dieser Tätigkeit regelmäßig Leitern bestiegen werden und ständig die Arme in Vorhalte benutzt werden. Ihre weiteren Beschwerden von psychiatrischer Seite seien im Übrigen unberücksichtigt geblieben.

Das SG hat den Orthopäden R., Dr. Sc. und den Neurologen und Psychiater Prof. Dr. F. schriftlich als sachverständige Zeugen angehört. Der Orthopäde R. hat über Vorstellungen der Klägerin im Juli und August 2006 wegen Schmerzen im rechten Ellenbogen und in der rechten Schulter berichtet und die Klägerin auf Grund des damaligen Befundes in der Lage gesehen, einer körperlich leichten Berufstätigkeit von sechs Stunden täglich nachzugehen. Dr. Sc. hat über Vorstellungen wegen Schmerzen im Bereich des Nackens, der linken Schulter und des linken Armes sowie zwischenzeitlich auch der rechten Schulter berichtet, auf das Gutachten des Dr. St. verwiesen und leichte berufliche Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich ohne Arbeiten mit Zwangshaltungen der HWS und ohne häufige Überkopfarbeiten für möglich erachtet. Prof. Dr. F. hat über zwei Vorstellungen im Jahr 2008 berichtet, bei denen er von nervenärztlicher Seite keine pathologischen Befunde erhoben und lediglich die Rotation der HWS schmerzhaft gefunden hatte. Seines Erachtens werde eine leichte Tätigkeit hierdurch sicherlich nicht ausgeschlossen. Das SG hat ferner ein Gutachten bei Dr. S., Chefarzt der Orthopädischen Klinik im O.-klinikum, auf Grund Untersuchung der Klägerin vom 26.01.2009 eingeholt. Der Sachverständige hat ein Cerviko-Cephalgie-Syndrom sowie ein Impingement-Syndrom der rechten Schulter diagnostiziert und die Ausübung leichter körperlicher Tätigkeiten im Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen zumindest sechs Stunden täglich für möglich erachtet, wobei das Heben und Tragen von Lasten bis zehn kg durchführbar sei. Zu vermeiden seien Arbeiten mit Zwangshaltungen der HWS sowie Überkopfarbeiten, ferner Arbeiten in Nässe, Kälte, im Freien unter Wärmeeinfluss, unter Einwirkung von Staub, Gasen, Dämpfen, starke Beanspruchung des Gehörs und des Sehvermögens. Auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das SG ferner das Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie/Dipl. Psychologe Dr. Sch. auf Grund Untersuchung vom 12.08.2009 eingeholt. Dieser hat eine Anpassungsstörung und somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert und von neurologisch-psychiatrischer Seite Arbeiten in Kälte, Nässe, unter Einwirkung von Staub, Gasen und Dämpfen sowie mit besonderer geistiger Beanspruchung ausgeschlossen.

Auf den Einwand der Klägerin, sie könne das in einer Registratur anfallende Besteigen von Leitern sowie die dort anfallenden Überkopfarbeiten nicht mehr verrichten, hat das SG eine ergänzende Stellungnahme des Dr. S. zur Zumutbarkeit einer Tätigkeit in einer Registratur eingeholt. Dieser hat ausgeführt, eine entsprechende Tätigkeit sei möglich, sofern gelegentliche Überkopfarbeiten und Zwangshaltungen anfielen; länger dauernde Überkopfarbeiten, wie beispielsweise das ununterbrochene Einsortieren von vielen Akten in obere Regalreihen sei nicht mehr möglich. Gegen gelegentliches Bücken sei nichts einzuwenden. Auch Arbeiten auf Leitern seien grundsätzlich möglich, da weder koordinative noch Einschränkungen der unteren Extremitäten bestünden.

Mit Urteil vom 29.01.2010 hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerin könne zwar nicht mehr als Verkäuferin tätig sein, jedoch könne sie zumutbar auf die Tätigkeit einer Mitarbeiterin in einer Registratur verwiesen werden. Solche Tätigkeiten entsprächen insbesondere auch ihrem gesundheitlichen Leistungsvermögen. Zwar könne die Klägerin keine länger dauernden Überkopfarbeiten, wie das ununterbrochene Einsortieren von Akten in obere Regale ausführen, dies stehe einer Verweisung auf derartige Tätigkeiten jedoch nicht entgegen. Die in Rede stehenden Tätigkeiten bestünden nicht ausschließlich aus dem Einsortieren von Akten und auch Überkopfarbeiten machten beim Einsortieren von Akten nur einen Teil der Beschäftigung aus. In Registraturen werde auch nicht regelmäßig über einen längeren Zeitraum hinweg in ständiger Überkopfhaltung einsortiert. Ausgehend von der Beschreibung des Berufsbildes sei nicht davon auszugehen, dass länger währende Überkopfarbeiten regelmäßig anfallen. Soweit Arbeiten in Überkopfhaltung anfielen, könne diese Haltung durch die Verwendung von Tritten oder kleinen Leitern im Übrigen häufig ganz oder teilweise vermieden werden. Die verbleibenden gelegentlichen Überkopfarbeiten seien der Klägerin durchaus möglich.

Gegen das ihren Bevollmächtigten am 15.02.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 15.03.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und sich gegen die Verweisung auf eine Tätigkeit im Registraturdienst gewandt. Da es beim Einsortieren von Akten durchaus auch längerfristig zu anhaltenden Überkopfarbeiten komme, entspreche ihr Leistungsvermögen nicht mehr diesem Berufsbild; denn dieses müsse umfassend abgedeckt werden können. Ebenso wenig wie ein KfZ-Mechaniker mit einer Ölallergie mit der Begründung, er könne noch Elektroarbeiten oder Reifenwechsel durchführen, auf seinen Beruf verwiesen werden könne, könne sie auf eine Tätigkeit im Registraturdienst verwiesen werden. Denn dort sei es unvermeidbar, dass gelegentlich auch längerfristige Überkopfarbeiten zu verrichten seien.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.01.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 16.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06.09.2007 zu verurteilen, ihr Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Die Behauptung der Klägerin, bei allen Tätigkeiten in einer Registratur komme es zu länger andauernden Überkopfarbeiten, sei nicht nachvollziehbar und als interessegebundenes Vorbringen zu werten. Zu den körperlichen Anforderungen in der in Rede stehenden Tätigkeit hat sie auszugsweise das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 04.08.2004 (L 4 RA 123/02) sowie die in jenem Verfahren eingeholte berufskundliche Stellungnahme der Mitarbeiterin der Agentur für Arbeit Neubrandenburg Ferchland vorgelegt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheidet ist zulässig; die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist der Bescheid vom 16.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2007 lediglich insoweit, als die Beklagte die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ablehnte. Denn soweit sie damit gleichzeitig auch die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung versagte, wurde der Bescheid bestandkräftig, weil die Klägerin diese Bescheide insoweit nicht angefochten hat.

Die auf die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit beschränkte Klage hat das SG zu Recht abgewiesen. Denn der Bescheid der Beklagten vom 16.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2007 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist im Sinne der maßgeblichen Vorschriften nicht teilweise erwerbsgemindert bei Berufsunfähigkeit. Eine entsprechende Erwerbsminderungsrente steht ihr daher nicht zu.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten Anspruchs (§ 240 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB VI) sowie die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze im Einzelnen dargelegt und mit zutreffender Begründung ausgeführt, dass die Klägerin trotz ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch zumindest sechs Stunden täglich Tätigkeiten einer Angestellten in einer Registratur auszuüben vermag, diese ihr insbesondere gesundheitlich, aber auch sozial zumutbar sind und sie daher ausgehend von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Verkäuferin auf die genannten Tätigkeiten verwiesen werden kann und somit im Sinne der genannten Regelung nicht berufsunfähig ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen in vollem Umfang an und verweist zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die ausführlichen und überzeugenden Darlegungen des SG in der angefochtenen Entscheidung.

Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend macht, sie könne auf Tätigkeiten einer Mitarbeiterin in einer Registratur nicht verwiesen werden, weil sie Überkopfarbeiten zu vermeiden habe und es beim Einsortieren von umfangreichen Akten in obere Regalreihen durchaus zu längerfristig anhaltenden Überkopfarbeiten kommen könne, so dass das in Rede stehende Berufsbild eines Mitarbeiters in der Registratur von ihr nicht umfassend abgedeckt werden könne, ist darauf hinzuweisen, dass Berufsunfähigkeit nicht bereits dann vorliegt, wenn das Leistungsvermögen eines Versicherten nicht sämtlichen in der Arbeitswelt vorkommenden Belastungssituationen einer Verweisungstätigkeit Rechnung trägt. Notwendig, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass das Leistungsvermögen des Versicherten den typischerweise in diesen Tätigkeiten vorkommenden Belastungssituationen entspricht. Denn es kann davon ausgegangen werden, dass es auf dem Arbeitsmarkt hinreichend viele Arbeitsplätze gibt, die diesem typisierten Anforderungsprofil entsprechen. Werden darüber hinaus im Einzelfall in Abhängigkeit von Besonderheiten des einzelnen Betriebes, der Registraturausstattung oder zusätzlich übertragenen Aufgaben weitere besondere Anforderungen an das Leistungsvermögen gestellt, denen der Versicherte nicht mehr gewachsen ist, so steht dies zwar der Ausübung dieser konkreten Tätigkeit entgegen, nicht aber der Ausübung eines entsprechenden typischen Arbeitsplatzes. Dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin den typischen Belastungssituationen einer Mitarbeiterin in einer Registratur Rechnung trägt, ist - wie das SG zutreffend dargelegt hat - aber zweifellos der Fall. Denn entsprechende Tätigkeiten sind leichter Art und werden in wechselnder Körperhaltung in geschlossenen Räumen ausgeführt. Dass dabei gelegentlich Arbeiten über Kopf vorkommen, lässt die Tätigkeit für die Klägerin nicht als unzumutbar erscheinen. Denn wie der Sachverständige Dr. S. in seiner dem SG erteilten ergänzenden Stellungnahme dargelegt hat, sind die Beeinträchtigungen der Klägerin im Bereich der rechten Schulter und der HWS nicht so schwerwiegend, dass jegliche Arbeiten, die Überkopfhaltungen erfordern, zu vermeiden sind. Keiner der am Verfahren beteiligten Ärzte hat die Klägerin auf Grund des diagnostizierten Impingementsyndroms derart weitreichend eingeschränkt gesehen. Einschränkungen in Bezug auf Überkopfhaltungen hat neben dem Sachverständige Dr. S. lediglich Dr. Sc. für erforderlich erachtet, allerdings auch nur insoweit als er "häufige" Überkopfarbeiten nicht mehr für zumutbar gehalten hat. Auch Dr. S. hat lediglich längerdauernde Überkopfarbeit nicht mehr für möglich gehalten. Damit schließt die Tatsache, dass in Registraturen unter Umständen Akten auch in Regale oder Schränke in Reihen eingeordnet oder aus ihnen entnommen werden müssen, die sich über Kopfhöhe befinden, eine solche Tätigkeit für die Klägerin nicht aus.

Der Umstand, dass der Klägerin entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen Dr. S. keine längerdauernden Überkopfarbeiten, wie beispielsweise das ununterbrochene Einsortieren von vielen Akten in obere Regalreihen, mehr möglich sind, schließt die Verweisung auf die Tätigkeit einer Mitarbeiterin in einer Registratur nicht gänzlich aus. So ist zwar denkbar, dass auf bestimmten Arbeitsplätzen auch einmal das ununterbrochene Einsortieren von vielen Akten in obere Regalreihen vorkommt, doch entspricht dies gerade nicht der typischen Belastungssituation einer Angestellten in einer Registratur. Ungeachtet dessen erscheint es dem Senat auch zweifelhaft, ob bei derartigen Arbeiten zwingend die in Rede stehenden Überkopfhaltungen einzunehmen sind. Denn im Regelfall stehen, soweit über Kopf liegende Regelreihen vorhanden sind, Hilfsmittel für das Einsortieren von Akten zur Verfügung, wie beispielsweise Leitern, Hocker oder Tritte, so dass Überkopfhaltungen bei der Nutzung entsprechender Hilfsmittel minimiert oder sogar gänzlich vermieden werden können.

Soweit die Klägerin meint, ebenso wie ein KfZ-Mechaniker mit einer Ölallergie behandelt werden zu müssen, der nur noch Elektroarbeiten oder Reifenwechsel durchführen kann, verkennt sie, dass KfZ-Mechaniker in ihrem Beruf typischerweise mit Ölen in Kontakt kommen und beim Vorliegen einer entsprechenden Allergie von umfangreichen Arbeiten in ihrem Tätigkeitsgebiet ausgeschlossen sind. Demgegenüber sind Tätigkeiten in einer Registratur gerade nicht geprägt von dem ununterbrochenen Einsortieren von vielen Akten in obere Regalreihen. Vielmehr kommen solche Arbeiten allenfalls auf einzelnen Arbeitsplätzen vor und geben der in Rede stehenden Tätigkeit - wie bereits ausgeführt - gerade nicht ihr Gepräge.

Soweit die Klägerin der Sache nach geltend macht, dass es zum Berufsbild der Mitarbeiterin in einer Registratur gehöre, dass länger andauernde Überkopfarbeiten geleistet werden müssten, handelt es sich um eine schlichte Behauptung ohne jegliche Begründung, die für den Senat in keiner Weise nachvollzogen werden kann. So kann bereits nicht einmal davon ausgegangen werden, dass Registraturen regelmäßig mit Regalen oder Schränken mit Ablageflächen über Kopfhöhe ausgestattet sind und dabei jeweils auch keine Hilfsmittel wie Leitern oder Tritthocker zur besseren Erreichbarkeit zur Verfügung stehen. Vor diesem Hintergrund ist die Einholung eines berufskundlichen Gutachtens zu der von der Klägerin aufgeworfenen Frage von Amts wegen nicht erforderlich. Darüber hinaus ist der Antrag der Klägerin, gemäß § 109 SGG ein berufskundliches Gutachten bei dem Sachverständigen Neugebauer einzuholen, schon deshalb abzulehnen, weil das Antragsrecht nach dieser Regelung beschränkt ist auf die gutachtliche Anhörung eines Arztes zu medizinischen Fragen, berufskundliche Fragestellungen jedoch nicht umfasst.

Die Berufung der Klägerin kann nach alledem keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision besteht keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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