L 7 SO 2387/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SO 2184/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 2387/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die nach § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. In Ansehung des § 123 SGG geht der Senat hierbei mangels gegenteiliger Äußerungen des Antragstellers davon aus, dass er sein erstinstanzliches Begehren auch im Beschwerdeverfahren weiter verfolgt. Der Kläger hat vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) - soweit ersichtlich - im Wege der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme bzw. Erstattung verschiedener Kosten begehrt. Im Einzelnen hat er beantragt, Kosten für verschiedene Versicherungen, wie vor Jahren beantragt, zu übernehmen sowie ihm Ersatz für eingetretene Verluste bzw. Beschädigungen seiner Gegenstände beim Umzug zu leisten, wobei er hierfür zunächst einen Wert von 6.500,00 EUR bis 8.000,00 EUR, später dann einen Wert von 8.750,00 EUR angegeben hat. Weiterhin hat er begehrt, ihm eine vor Monaten beantragte einmalige Beihilfe sowie ein im November/Dezember 2009 beantragtes Darlehen "in spez. Notlage" über 700,00 EUR zu gewähren. Ferner hat er beim SG die Übernahme von Stromschulden gegenüber der EnBW und von Wohnsuchkosten in Höhe von ca. 850,00 EUR sowie die Erstattung von Kosten für "auswärts warmes Essen/Trinken" bzw. für "Essen auf Rädern" begehrt. Weiterhin hat er die Begleichung von ca. 1991 bis heute bestehenden Außenständen von ca. 5.900,00 EUR beim SG beantragt. Das vom Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren weiter verfolgte Begehren betrifft damit Geldleistungen, bei denen die für die Statthaftigkeit der Beschwerde erforderliche Beschwerdewertgrenze von 750,00 EUR überschritten wird.

Die Beschwerde hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Das SG hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit - wie hier - nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Beides sind gleichberechtigte Voraussetzungen, die ein bewegliches System darstellen: Je nach Wahrscheinlichkeit des Erfolges in der Hauptsache können die Anforderungen an den Anordnungsgrund geringer sein und umgekehrt. Völlig entfallen darf hingegen keine der beiden. Dementsprechend sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch im Hinblick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind dann in Ansehung des sich aus Art. 1 Abs. 1 des Grundgesetzes ergebenden Gebotes der Sicherstellung einer menschenwürdigen Existenz sowie des grundrechtlich geschützten Anspruches auf effektiven Rechtsschutz unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist im Eilverfahren eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich, so ist bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen eine Güter- und Folgenabwägung unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Belange des Antragstellers vorzunehmen (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - und vom 6. September 2007 - L 7 AS 4008/07 ER-B - beide (juris) unter Verweis auf die Rechtsprechung des BVerfG). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 4. April 2008 - L 7 AS 5626/07 - und vom 11. Juni 2008 - L 7 AS 2309/08 ER-B - beide (juris)).

Bei Beachtung dieser Maßstäbe fehlt es vorliegend bereits an dem für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsgrund. Hinsichtlich der von ihm begehrten Übernahme bzw. Erstattung von Kosten für Versicherungen, Verluste bzw. Beschädigungen seiner Gegenstände, einmalige Beihilfe und Darlehen, Wohnsuchkosten, Kosten für "auswärts warmes Essen/Trinken" bzw. für "Essen auf Rädern" sowie Außenstände in Höhe von ca. 5.900,00 EUR hat der Antragsteller trotz Nachfrage des SG keine Tatsachen mitgeteilt, aus denen sich eine Eilbedürftigkeit ergeben könnte. Auch im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller nichts dazu vorgetragen, dass ihm ein Abwarten einer Entscheidung in einem etwaigen Hauptsacheverfahren über die von ihm begehrte Übernahme bzw. Erstattung von Kosten nicht zumutbar wäre. Auch für den Senat sind keinerlei Anhaltspunkte hierfür ersichtlich, zumal sich diese vom Antragsteller geltend gemachten Forderungen auf bereits länger zurückliegende Zeiträume beziehen, die bereits vor Beantragung einstweiligen Rechtsschutzes beim SG abgeschlossen waren. Soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages abgelaufene Zeiträume erhoben werden, ist die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung regelmäßig zu verneinen (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 - und L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 259 [alle m.w.N.]). Eine Ausnahme ist bei einer begehrten Regelungsanordnung nur dann zu machen, wenn die Notlage noch bis in die Gegenwart fortwirkt und den Betroffenen in seiner menschenwürdigen Existenz bedroht (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B - (juris); ferner Krodel, NZS 2007, 20, 21 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Einen derartigen Nachholbedarf hat der Antragsteller indessen nicht glaubhaft gemacht.

Auch hinsichtlich der begehrten Übernahme von Stromschulden gegenüber der EnBW fehlt es an der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Eilbedürftigkeit. Nach den vom Senat bei der EnBW und dem Sozialamt der Antragsgegnerin am 18. und 19. Juli 2011 eingeholten telefonischen Auskünften sowie ausweislich der vom Sozialamt der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen wurden bis einschließlich Mai 2011 sämtliche Rückstände des Antragstellers bei der EnBW von der Antragsgegnerin ausgeglichen. Grund hierfür war die Unterzeichnung eines Abtretungsvertrages mit der Antragsgegnerin durch den Antragsteller am 19. Mai 2011, mit dem er seinen Anspruch gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV Bund) aus seiner Altersrente hinsichtlich des Stromanteils abgetreten hat. Aufgrund dieser Abtretungserklärung wird ab August 2011 die abgetretene Rente von der DRV Bund in Höhe von 24,00 EUR monatlich (Stromabschlag) direkt an die EnBW überwiesen werden. Nach telefonischer Auskunft der EnBW bestanden am 18. Juli 2007 (nur) noch Rückstände des Antragstellers in Höhe von insgesamt 48,00 EUR (Abschlagszahlungen für Juni und Juli 2011 à 24,00 EUR), zu denen Kosten für die Mahnung vom 13. Juli 2011 in Höhe von 4,00 EUR hinzukommen. Trotz dieser Rückstände droht dem Antragsteller nach telefonischer Auskunft der EnBW derzeit keine Stromsperre, die allerdings bei Nichtbezahlung der Abschlagszahlungen durchaus in Betracht komme. Im maßgebenden Zeitpunkt der Senatsentscheidung besteht somit noch keine konkrete, unmittelbar bevorstehende Gefahr für den Antragsteller, dass seine Versorgung mit Strom unterbrochen wird. Selbst wenn auch in Zukunft eine Bezahlung der Rückstände durch ihn nicht erfolgen sollte, besteht ausweislich der Auskunft der EnBW zwar die Möglichkeit der Unterbrechung der Stromversorgung. Ob es hierzu tatsächlich jedoch kommt, steht jedoch noch nicht fest. Auch hinsichtlich der vom Antragsteller begehrten Übernahme von Stromschulden gegenüber der EnBW fehlt es damit an der für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erforderlichen Eilbedürftigkeit. Ob daneben ein Anordnungsanspruch für die vom Antragsteller begehrten Leistungen besteht, bedarf somit keiner Erörterung.

Der Senat weist den Antragsteller ausdrücklich darauf hin, dass er die Kosten für Strom vollständig aus dem Regelbedarf decken muss. Dies gilt auch für aufgelaufene Stromschulden, zu deren Begleichung der Antragsteller grundsätzlich verpflichtet ist. Hierfür hat der Antragsteller nach gesetzgeberischer Vorstellung innerhalb des Regelbedarfes umzuschichten, also bei anderen Bedarfen einzusparen. Um ein Auflaufen von weiteren Schulden, beispielsweise durch Kosten für Mahnungen oder für eine erneute Stromsperre, zu vermeiden, ist dem Antragsteller dringend anzuraten, die derzeit bestehenden Schulden bei der EnBW zu begleichen. Gegebenenfalls sollte der Antragsteller Kontakt zur EnBW zwecks Abschlusses einer Ratenzahlungsvereinbarung oder zur Antragsgegnerin zwecks ausnahmsweiser Übernahme der Stromschulden aufnehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG (vgl. BSG SozR 3-1500 § 193 Nr. 6).

Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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