Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 900/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4449/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. August 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird darüber geführt, ob der Klägerin seit 01. Januar 1998 Witwenrente zusteht.
Die am 1937 im Gebiet der früheren Wolgarepublik in Russland geborene Klägerin heiratete am 1963 den am 1938 geborenen J. P. (im Folgenden: Versicherter), der u.a. nach Besuch einer Fliegerschule als Co-Pilot berufstätig war. Die Eheleute lebten zuletzt in Kasachstan, wo der Versicherte am 1991 verstarb. Die Klägerin traf zusammen mit Angehörigen am 03. Januar 1997 im Bundesgebiet ein, wo sie als Spätaussiedlerin im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt wurde.
Die Klägerin beantragte am 15. Mai 1997 bei der Landesversicherungsanstalt Baden, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), Witwenrente und im Juni 1997 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund (im Folgenden einheitlich DRV Bund) Altersrente für Frauen. Die DRV Bund bewilligte der Klägerin ab 01. Januar 1998 Altersrente für Frauen (Bescheid vom 12. Januar 1998, anfänglicher monatlicher Bruttobetrag DM 1.197,95; 25,1017 anrechenbare Entgeltpunkte nach dem Fremdrentengesetz (FRG); begrenzt auf 25 Entgeltpunkte). Die Beklagte klärte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Dezember 1997 dahingehend auf, aufgrund Zuzugs ins Bundesgebiet erst nach dem 06. Mai 1996 seien gemäß § 22b Abs. 1 FRG die Entgeltpunkte aus beiden Renten zusammen auf insgesamt 25 Entgeltpunkte zu begrenzen. Die Aufteilung werde im Zuge des anstehenden Rentenreformgesetzes 1999 neu geregelt und führe zu einem günstigeren Gesamtzahlbetrag der beiden Renten; der Antrag auf Witwenrente werde deshalb bis zur Verkündung der gesetzlichen Neuregelung und deren Umsetzung zurückgestellt.
Durch Bescheid vom 07. April 1998 anerkannte die Beklagte den Anspruch auf Witwenrente ab 26. Dezember 1996 (Abreise im Herkunftsgebiet), lehnte jedoch - ohne Nennung eines Zeitraums - eine Rentenzahlung ab, weil keine Entgeltpunkte zugrundegelegt werden könnten. In der eigenen Altersrente seien bereits 25 auf FRG-Zeiten entfallende Entgeltpunkte enthalten. Mithin könnten bei einer Witwenrente keine weiteren FRG-Entgeltpunkte angerechnet werden. Da der Versicherte Beitragszeiten im Inland nicht zurückgelegt habe, könnten auch keine sonstige Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden. Durch weiteren Bescheid vom 05. Juni 1998 bewilligte die Beklagte große Witwenrente vom 03. Januar 1997 (Zuzug) bis 31. Dezember 1997 (monatlicher Bruttobetrag bis 30. Juni 1997 DM 700,05, vom 01. Juli bis 31. Dezember 1997 DM 711,60) und lehnte es ab, ab 01. Januar 1998 Witwenrente zu zahlen ("Zahlung ... nicht möglich"), weil keine Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden könnten. Die Klägerin griff diese beiden Bescheid nicht an.
Im Januar 2000 beantragte die Klägerin sinngemäß die Einleitung eines Zugunstenverfahrens. Die Beklagte unterrichtete die Klägerin unter dem 02. Februar 2000, eine Rentenzahlung ab 01. Januar 1998 komme nicht in Betracht. Nachdem seit 01. Januar 1998 eine Rente aus eigener Versicherung bezogen werde, in der bereits 25 Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten enthalten seien, verblieben bei der Witwenrente keine weiteren FRG-Entgeltpunkte. Bei einem Sprechtag am 02. Oktober 2003 bat die Klägerin erneut um Überprüfung, ob ein Anspruch auf Witwenrente bestehe. Sie verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R), das ihre Auffassung bestätige. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 10. November 2003 sinngemäß darauf hin, das zitierte Urteil werde von den Versicherungsträgern in Frage gestellt und es sei abzuwarten, ob dem Urteil über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme, weshalb sie den Überprüfungsantrag zunächst zurückstelle. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 06. Mai 2004 beantragte die Klägerin erneut förmlich unter Hinweis auf das weitere Urteil des BSG vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R), die Witwenrente neu festzustellen und auszuzahlen. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 10. August 2004 den Antrag vom 13. Mai 2004 auf Neufeststellung der Hinterbliebenenrente ab. Inzwischen sei mit "Art. 8" (richtig Art. 9) Nr. 2 des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes - RV-Nachhaltigkeitsgesetz - (vom 21. Juli 2004, BGBl. I, S. 1791) rückwirkend zum 07. Mai 1996 klargestellt worden, dass die Begrenzungsregelung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG anzuwenden sei. Entgegen der Auffassung des BSG könne auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eigene Versichertenrente und auf eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle Renten insgesamt auf 25 Entgeltpunkte begrenzt werden. Der Gesetzgeber habe auch zum Ausdruck gebracht, dass er die Auslegung der Begrenzungsregelung bereits von Anfang an so verstanden wissen wolle. Der zitierten BSG-Rechtsprechung komme demnach über die Einzelfälle hinaus keine Bedeutung mehr zu.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie habe die Rente bereits geltend gemacht, bevor das RV-Nachhaltigkeitsgesetz in Kraft getreten sei, so dass dieses gemäß § 300 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht anwendbar sei. Auch könne sie sich auf Vertrauensschutz und einen Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz und Eigentumsgarantie berufen. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 09. Februar 2005. Sie wiederholte die Begründung des Bescheids vom 10. August 2004.
Deswegen erhob die Klägerin am 10. März 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage. Sie trug vor, die Beklagte habe rechtsbeständig Witwenrente bewilligt. Daran sei die Beklagte gebunden. Bestandskräftig festgestellte Entgeltpunkte seien von der Eigentumsgarantie geschützt. § 22b FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes beziehe sich nur auf Fälle, in denen die Rente noch bewilligt werden müsse. Die Beklagte wolle die beständig bewilligte Witwenrente betragsmäßig gegen die eigene Altersrente verrechnen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Da die Klägerin ab 01. Januar 1998 eine Rente aus eigener Versicherung, in der 25 Entgeltpunkte nach dem FRG enthalten seien, bezogen habe, sei die Witwenrente ab 01. Januar 1998 nicht mehr zur Auszahlung gelangt.
Durch Gerichtsbescheid vom 03. August 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Beklagte sei nicht aufgrund des Bescheides vom 05. Juni 1998 verpflichtet, eine Hinterbliebenenrente zu zahlen. Denn dieser - auch insoweit bestandskräftig gewordene - Bewilligungsbescheid beschränke die Hinterbliebenenrente ausdrücklich auf die Zeit vom 03. Januar bis 31. Dezember 1997. § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes sei rückwirkend anzuwenden, so dass die bei der Rente der Klägerin aus eigener Versicherung zugrunde gelegten 25 Entgeltpunkte nach dem FRG vorrangig zu berücksichtigen seien, für die Hinterbliebenenrente keine Zeiten nach dem FRG mehr zu berücksichtigen seien und diese Rente daher mangels weiterer Entgeltpunkte nicht zu zahlen sei. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 21. Juni 2005 - B 8 KN 9/04 R) stehe der rückwirkenden Anwendung von § 22 b FRG n. F. auch § 300 SGB VI nicht entgegen. Die insoweit eingetretene echte Rückwirkung sei ausnahmsweise zulässig, da sich aufgrund der unklaren Rechtslage ein schutzwürdiges Vertrauen in die frühere Regelung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG a. F. in der Interpretation des BSG nicht habe bilden können.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 31. August 2006 beim SG Berufung eingelegt (zunächst geführt unter L 4 R 4630/06). Zur Begründung hat sie zunächst vorgetragen, die rückwirkende Anwendung der Neuregelung des § 22 b Abs. 1 FRG zum 07. Mai 1996 sei verfassungswidrig. Sie verbleibe dabei, dass durch die Bewilligung der Witwenrente dem Grunde nach diese in Bestandskraft erwachsen sei. Der Bewilligungsbescheid sei weder befristet noch aufgehoben worden. Dass die Zahlung der Rente ab 01. Januar 1998 nicht möglich sei, sei eine unverbindliche Meinungsäußerung der Beklagten ohne rechtsverbindliche Wirkung. Aus dem Tenor des Bescheides sei keine Beschränkung ersichtlich. Nach Bewilligung der Rente sei eine solche zudem unzulässig. Auch könnten durch die rückwirkende Änderung von § 22 b Abs. 1 FRG die früheren Bescheide nicht mehr betroffen sein, denn es handle sich um abgeschlossene Sachverhalte, die rückwirkend nicht mehr geregelt werden könnten. Das zitierte Urteil des BSG vom 21. Juni 2005 sei nicht anwendbar, da hier angesichts des Bewilligungsbescheids keine unklare Sach- oder Rechtslage mehr bestanden habe. Nachdem das Landessozialgericht aufgrund übereinstimmenden Antrags der Beteiligten im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des BSG zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 29. August 2006 - B 13 RJ 47/04 R u.a. - durch Beschluss vom 20. Dezember 2006 das Ruhen des Verfahrens angeordnet und die Beklagte unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11/06 u.a.) am 17. September 2010 das Verfahren wieder angerufen hatte, ist die Klägerin dabei verblieben, die Rente habe mangels gesetzlicher Grundlage nicht mit 31. Dezember 1997 wegfallen können. Rechtskräftig festgestellte Renten würden nicht von der Rückwirkung erfasst.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Februar 2005 zu verurteilen, nach teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 05. Juni 1998 Witwenrente ab 01. Januar 1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Beschluss des BVerfG vom 21. Juli 2010.
Der Senat hat die Beteiligten auf die Urteile des BSG vom 25. Januar 2011 (B 5 R 47/10 R und B 5 R 46/10 R) hingewiesen. Hiernach stünden der Anwendbarkeit von § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG auch übergangsrechtliche Bestimmungen nicht entgegen, nachdem am 07. Mai 1996 weder eine Rente geleistet noch zu Unrecht nicht geleistet worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Da die Klägerin Rente für den Zeitraum von mehr als einem Jahr begehrt, ist die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfüllt. Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 03. August 2006 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat es im Bescheid vom 10. August 2004 (Widerspruchsbescheid vom 09. Februar 2005) zu Recht abgelehnt, den bindend gewordenen Ablehnungsbescheid vom 05. Juni 1998 teilweise zurückzunehmen und der Klägerin Witwenrente ab 01. Januar 1998 zu bewilligen.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs (des SGB) längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Satz 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Satz 3).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin unter Berücksichtigung des zuletzt zitierten Satzes Anspruch auf Witwenrente bereits seit 01. Januar 1998 geltend machen kann. Die Beklagte ist in den hier angefochtenen Bescheiden von der Antragstellung im Mai 2004 ausgegangen. Einen früheren Zugunstenantrag der Klägerin vom Januar 2000 hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 02. Februar 2002, dessen Bescheidqualität zweifelhaft sein kann, beantwortet. Die Klägerin hat sich hiergegen in der Folgezeit nicht gewandt. Der Klägerin steht jedenfalls in der Sache seit 01. Januar 1998 bis jetzt kein Anspruch auf Witwenrente zu. Denn der Klägerin sind nicht im Sinne von 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden, selbst wenn der Bescheid vom 05. Juni 1998 mit seiner Begrenzung des Witwenrentenanspruchs auf die Zeit bis 31. Dezember 1997 nach damaliger Rechtsauffassung fehlerhaft gewesen sein sollte. Die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz steht einem erfolgreichen Zugunstenverfahren entgegen (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 25. Januar 2011 - B 5 R 47/10 R - in Juris).
Die Klägerin, die als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG anerkannt ist und deren Rechtsstellung in der gesetzlichen Rentenversicherung sich nach dem FRG richtet (vgl. § 13 BVFG), kann gemäß § 1 Buchst. a FRG ihre Rechte in den gesetzlichen Rentenversicherungen nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften geltend machen (vgl. § 14 FRG), soweit sich aus den dieser Bestimmung nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin dem Grunde nach, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich nach § 64 Nr. 1 SGB VI u.a. aus den Entgeltpunkten. Da der Versicherte Beitragszeiten nur in den Vertreibungsgebieten zurückgelegt hat und die Anwartschaft allein aus in den Vertreibungsgebieten zurückgelegten Zeiten erworben worden ist, ist § 22b Abs. 1 FRG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift in der mit Wirkung vom 07. Mai 1996 (Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz) durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz, formal modifiziert durch das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 09. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3242), geltenden Fassung lautet: Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz (FRG) werden für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung zugrundegelegt (Satz 1). Hierbei sind zuvor die Entgeltpunkte der knappschaftlichen Rentenversicherung mit dem Wert 1,3333 zu multiplizieren (Satz 2). Entgeltpunkte aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor sind vorrangig zu berücksichtigen (Satz 3). Danach können für eine Witwenrente ab 01. Januar 1998 keine Entgeltpunkte berücksichtigt werden. Denn die Klägerin bezieht seit 01. Januar 1998 Altersrente für Frauen (Bescheid der DRV Bund vom 12. Januar 1998). Dieser ihr bewilligten Altersrente liegen bereits 25 Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG zugrunde. Der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte ist bei den Altersrenten mit 1,0 höher (vgl. § 67 Nr. 1 SGB VI) als die Rentenartfaktoren mit 0,6, seit 01. Januar 2002 mit 0,55 bei großen Witwenrenten nach Ablauf des so genannten Sterbevierteljahres für persönliche Entgeltpunkte in der allgemeinen Rentenversicherung (vgl. § 67 Nr. 6 SGB VI). Indem bei der Altersrente der Klägerin bereits 25 Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit die Höchstpunktzahl erreicht, die § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n. F. für eine Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes höchstens zulässt. Damit war für eine große Witwenrente kein Monatsbetrag der Rente (§ 64 SGB VI) festzustellen.
Artikel 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz ist mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar, soweit hierdurch die Höhe solcher Hinterbliebenenrenten beschränkt wird, die allein auf Zeiten nach dem FRG beruhen und die ohne die in § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vorgesehene Beschränkung noch nicht bestandskräftig gewährt worden sind. Dies hat das BVerfG mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 ff.; Entscheidungsformel veröffentlicht in BGBl, I 2010, S. 1358) entschieden. Diese Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) Gesetzeskraft. Eine abweichende Beurteilung ist damit für den Senat nicht möglich.
Auch übergangsrechtliche Vorschriften vermag die Klägerin für sich nicht in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzes von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Anspruch oder einen Sachverhalt auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme hiervon schreibt § 300 Abs. 2 SGB VI vor, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzes und durch dieses Gesetz ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. § 300 Abs. 2 SGB VI vermag nicht durchzugreifen, da die Klägerin am 07. Mai 1996 noch keinen durchsetzbaren Anspruch auf Witwenrente hatte (BSG a.a.O. mit Nachweisen). Dass das RV-Nachhaltigkeitsgesetz erst im Juli 2004 verkündet worden ist, ändert hieran nichts, da der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs. 2 SGB VI nicht die bloße Existenz des Änderungsgesetzes aufgrund seiner Verkündung bezeichnet, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, der sich aus den entsprechenden Anordnungen des in Kraft getretenen Änderungsgesetzes ergibt (BSG a.a.O. m. N.). Ebenso wenig ist § 300 Abs. 3 SGB VI einschlägig, dass wenn eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln seien, die Vorschriften maßgebend seien, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden gewesen seien. Auch insoweit hatte die Klägerin am 07. Mai 1996 bereits dem Grunde nach kein Recht auf eine große Witwenrente ohne die hier streitige Begrenzung.
Die Klägerin kann auch aus dem von ihr in den Vordergrund gerückten Gesichtspunkt, durch den bestandskräftigen Bescheid vom 05. Juni 1998 sei dem Grunde nach Witwenrente bewilligt worden, für die Zeit ab 01. Januar 1998 keinen Zahlungsanspruch herleiten. Die Bindungswirkung eines Bescheids beschränkt sich auf den Verfügungssatz - die Entscheidung über Art, Dauer, Beginn, Ende und Höhe einer Leistung. Sie erstreckt sich nicht auf die Begründung, auch nicht auf deren tragende Elemente. Die Bindungswirkung eines Bescheids reicht so weit, wie über den Anspruch entschieden ist. Demgemäß ist zwischen der materiellen Anspruchsberechtigung (dem Stammrecht) und dem Leistungsanspruch im engeren Sinne, also dem Anspruch auf Zahlung der Leistung (Zahlungsanspruch) zu unterscheiden. Während das Stammrecht entsteht, sobald die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wird durch den Bewilligungsbescheid (Verwaltungsakt) der Anspruch auf die Leistung für den Einzelfall konkretisiert (Zahlbarmachung). Der Bewilligungsbescheid begründet keinesfalls das Stammrecht; der Erwerb des Stammrechts ist vielmehr nur Grund oder Begründungselement der jeweiligen Bewilligung, die ein Stammrecht - außer dies wäre ausdrücklich tenoriert - nicht zuerkennt. Demgemäß haben vorrangig die für das Recht der Arbeitslosenversicherung zuständigen Senate des BSG stets betont, dass etwa nach Aufhebung der Bewilligungsentscheidung (nach § 45 oder § 48 SGB X) über eine ursprünglich rechtswidrige Bewilligung bei einer späteren Neubeantragung der Leistung der Betroffene sich nicht auf ein früher zu Recht oder zu Unrecht bewilligtes Stammrecht berufen kann (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1994 - 11 RAr 41/94 - BSGE 75, 235 = SozR 3-4100 § 100 Nr. 5 mit zahlreichen Nachweisen). Im Fall der Klägerin kommt hinzu, dass die Beklagte gerade wegen der damals bereits geltenden, wenn auch umstrittenen Begrenzung der Entgeltpunkte im Ergebnis korrekt entschieden und die Zahlung der Witwenrente auf den Zeitraum vor dem Beginn der eigenen Altersrente der Klägerin beschränkt hat. Wie hieraus ein Anspruch auf eine Dauerleistung hergeleitet werden soll, ist nicht zu erschließen. In der Formulierung der Beklagten ("Zahlung der Witwenrente ab 1.1.1998 ist nicht möglich") kommt eindeutig zum Ausdruck, dass die Beklagte es ablehnte, eine Witwenrente ab 01. Januar 1998 zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Anders als im Fall des Urteils des BSG vom 25. Januar 2011 ist auch eine Kostenerstattung für die erste Instanz nicht zu erwägen, da der angefochtene Gerichtsbescheid vom 03. August 2006 nach Inkrafttreten des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes im Jahr 2004 ergangen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen aufgrund der dargelegten, jetzt gefestigten Rechtsprechung nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Rechtsstreit wird darüber geführt, ob der Klägerin seit 01. Januar 1998 Witwenrente zusteht.
Die am 1937 im Gebiet der früheren Wolgarepublik in Russland geborene Klägerin heiratete am 1963 den am 1938 geborenen J. P. (im Folgenden: Versicherter), der u.a. nach Besuch einer Fliegerschule als Co-Pilot berufstätig war. Die Eheleute lebten zuletzt in Kasachstan, wo der Versicherte am 1991 verstarb. Die Klägerin traf zusammen mit Angehörigen am 03. Januar 1997 im Bundesgebiet ein, wo sie als Spätaussiedlerin im Sinne des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) anerkannt wurde.
Die Klägerin beantragte am 15. Mai 1997 bei der Landesversicherungsanstalt Baden, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich Beklagte), Witwenrente und im Juni 1997 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund (im Folgenden einheitlich DRV Bund) Altersrente für Frauen. Die DRV Bund bewilligte der Klägerin ab 01. Januar 1998 Altersrente für Frauen (Bescheid vom 12. Januar 1998, anfänglicher monatlicher Bruttobetrag DM 1.197,95; 25,1017 anrechenbare Entgeltpunkte nach dem Fremdrentengesetz (FRG); begrenzt auf 25 Entgeltpunkte). Die Beklagte klärte die Klägerin mit Schreiben vom 17. Dezember 1997 dahingehend auf, aufgrund Zuzugs ins Bundesgebiet erst nach dem 06. Mai 1996 seien gemäß § 22b Abs. 1 FRG die Entgeltpunkte aus beiden Renten zusammen auf insgesamt 25 Entgeltpunkte zu begrenzen. Die Aufteilung werde im Zuge des anstehenden Rentenreformgesetzes 1999 neu geregelt und führe zu einem günstigeren Gesamtzahlbetrag der beiden Renten; der Antrag auf Witwenrente werde deshalb bis zur Verkündung der gesetzlichen Neuregelung und deren Umsetzung zurückgestellt.
Durch Bescheid vom 07. April 1998 anerkannte die Beklagte den Anspruch auf Witwenrente ab 26. Dezember 1996 (Abreise im Herkunftsgebiet), lehnte jedoch - ohne Nennung eines Zeitraums - eine Rentenzahlung ab, weil keine Entgeltpunkte zugrundegelegt werden könnten. In der eigenen Altersrente seien bereits 25 auf FRG-Zeiten entfallende Entgeltpunkte enthalten. Mithin könnten bei einer Witwenrente keine weiteren FRG-Entgeltpunkte angerechnet werden. Da der Versicherte Beitragszeiten im Inland nicht zurückgelegt habe, könnten auch keine sonstige Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden. Durch weiteren Bescheid vom 05. Juni 1998 bewilligte die Beklagte große Witwenrente vom 03. Januar 1997 (Zuzug) bis 31. Dezember 1997 (monatlicher Bruttobetrag bis 30. Juni 1997 DM 700,05, vom 01. Juli bis 31. Dezember 1997 DM 711,60) und lehnte es ab, ab 01. Januar 1998 Witwenrente zu zahlen ("Zahlung ... nicht möglich"), weil keine Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden könnten. Die Klägerin griff diese beiden Bescheid nicht an.
Im Januar 2000 beantragte die Klägerin sinngemäß die Einleitung eines Zugunstenverfahrens. Die Beklagte unterrichtete die Klägerin unter dem 02. Februar 2000, eine Rentenzahlung ab 01. Januar 1998 komme nicht in Betracht. Nachdem seit 01. Januar 1998 eine Rente aus eigener Versicherung bezogen werde, in der bereits 25 Entgeltpunkte aus FRG-Zeiten enthalten seien, verblieben bei der Witwenrente keine weiteren FRG-Entgeltpunkte. Bei einem Sprechtag am 02. Oktober 2003 bat die Klägerin erneut um Überprüfung, ob ein Anspruch auf Witwenrente bestehe. Sie verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R), das ihre Auffassung bestätige. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 10. November 2003 sinngemäß darauf hin, das zitierte Urteil werde von den Versicherungsträgern in Frage gestellt und es sei abzuwarten, ob dem Urteil über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme, weshalb sie den Überprüfungsantrag zunächst zurückstelle. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 06. Mai 2004 beantragte die Klägerin erneut förmlich unter Hinweis auf das weitere Urteil des BSG vom 11. März 2004 (B 13 RJ 44/03 R), die Witwenrente neu festzustellen und auszuzahlen. Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 10. August 2004 den Antrag vom 13. Mai 2004 auf Neufeststellung der Hinterbliebenenrente ab. Inzwischen sei mit "Art. 8" (richtig Art. 9) Nr. 2 des Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetzes - RV-Nachhaltigkeitsgesetz - (vom 21. Juli 2004, BGBl. I, S. 1791) rückwirkend zum 07. Mai 1996 klargestellt worden, dass die Begrenzungsregelung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG anzuwenden sei. Entgegen der Auffassung des BSG könne auch für einen einzelnen Berechtigten mit Anspruch auf eigene Versichertenrente und auf eine Hinterbliebenenrente der Höchstwert für alle Renten insgesamt auf 25 Entgeltpunkte begrenzt werden. Der Gesetzgeber habe auch zum Ausdruck gebracht, dass er die Auslegung der Begrenzungsregelung bereits von Anfang an so verstanden wissen wolle. Der zitierten BSG-Rechtsprechung komme demnach über die Einzelfälle hinaus keine Bedeutung mehr zu.
Die Klägerin erhob Widerspruch. Sie habe die Rente bereits geltend gemacht, bevor das RV-Nachhaltigkeitsgesetz in Kraft getreten sei, so dass dieses gemäß § 300 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht anwendbar sei. Auch könne sie sich auf Vertrauensschutz und einen Verstoß gegen Gleichheitsgrundsatz und Eigentumsgarantie berufen. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 09. Februar 2005. Sie wiederholte die Begründung des Bescheids vom 10. August 2004.
Deswegen erhob die Klägerin am 10. März 2005 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage. Sie trug vor, die Beklagte habe rechtsbeständig Witwenrente bewilligt. Daran sei die Beklagte gebunden. Bestandskräftig festgestellte Entgeltpunkte seien von der Eigentumsgarantie geschützt. § 22b FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes beziehe sich nur auf Fälle, in denen die Rente noch bewilligt werden müsse. Die Beklagte wolle die beständig bewilligte Witwenrente betragsmäßig gegen die eigene Altersrente verrechnen.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Da die Klägerin ab 01. Januar 1998 eine Rente aus eigener Versicherung, in der 25 Entgeltpunkte nach dem FRG enthalten seien, bezogen habe, sei die Witwenrente ab 01. Januar 1998 nicht mehr zur Auszahlung gelangt.
Durch Gerichtsbescheid vom 03. August 2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, die Beklagte sei nicht aufgrund des Bescheides vom 05. Juni 1998 verpflichtet, eine Hinterbliebenenrente zu zahlen. Denn dieser - auch insoweit bestandskräftig gewordene - Bewilligungsbescheid beschränke die Hinterbliebenenrente ausdrücklich auf die Zeit vom 03. Januar bis 31. Dezember 1997. § 22b Abs. 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes sei rückwirkend anzuwenden, so dass die bei der Rente der Klägerin aus eigener Versicherung zugrunde gelegten 25 Entgeltpunkte nach dem FRG vorrangig zu berücksichtigen seien, für die Hinterbliebenenrente keine Zeiten nach dem FRG mehr zu berücksichtigen seien und diese Rente daher mangels weiterer Entgeltpunkte nicht zu zahlen sei. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 21. Juni 2005 - B 8 KN 9/04 R) stehe der rückwirkenden Anwendung von § 22 b FRG n. F. auch § 300 SGB VI nicht entgegen. Die insoweit eingetretene echte Rückwirkung sei ausnahmsweise zulässig, da sich aufgrund der unklaren Rechtslage ein schutzwürdiges Vertrauen in die frühere Regelung des § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG a. F. in der Interpretation des BSG nicht habe bilden können.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 31. August 2006 beim SG Berufung eingelegt (zunächst geführt unter L 4 R 4630/06). Zur Begründung hat sie zunächst vorgetragen, die rückwirkende Anwendung der Neuregelung des § 22 b Abs. 1 FRG zum 07. Mai 1996 sei verfassungswidrig. Sie verbleibe dabei, dass durch die Bewilligung der Witwenrente dem Grunde nach diese in Bestandskraft erwachsen sei. Der Bewilligungsbescheid sei weder befristet noch aufgehoben worden. Dass die Zahlung der Rente ab 01. Januar 1998 nicht möglich sei, sei eine unverbindliche Meinungsäußerung der Beklagten ohne rechtsverbindliche Wirkung. Aus dem Tenor des Bescheides sei keine Beschränkung ersichtlich. Nach Bewilligung der Rente sei eine solche zudem unzulässig. Auch könnten durch die rückwirkende Änderung von § 22 b Abs. 1 FRG die früheren Bescheide nicht mehr betroffen sein, denn es handle sich um abgeschlossene Sachverhalte, die rückwirkend nicht mehr geregelt werden könnten. Das zitierte Urteil des BSG vom 21. Juni 2005 sei nicht anwendbar, da hier angesichts des Bewilligungsbescheids keine unklare Sach- oder Rechtslage mehr bestanden habe. Nachdem das Landessozialgericht aufgrund übereinstimmenden Antrags der Beteiligten im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des BSG zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 29. August 2006 - B 13 RJ 47/04 R u.a. - durch Beschluss vom 20. Dezember 2006 das Ruhen des Verfahrens angeordnet und die Beklagte unter Hinweis auf den Beschluss des BVerfG vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11/06 u.a.) am 17. September 2010 das Verfahren wieder angerufen hatte, ist die Klägerin dabei verblieben, die Rente habe mangels gesetzlicher Grundlage nicht mit 31. Dezember 1997 wegfallen können. Rechtskräftig festgestellte Renten würden nicht von der Rückwirkung erfasst.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 03. August 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09. Februar 2005 zu verurteilen, nach teilweiser Rücknahme des Bescheids vom 05. Juni 1998 Witwenrente ab 01. Januar 1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Beschluss des BVerfG vom 21. Juli 2010.
Der Senat hat die Beteiligten auf die Urteile des BSG vom 25. Januar 2011 (B 5 R 47/10 R und B 5 R 46/10 R) hingewiesen. Hiernach stünden der Anwendbarkeit von § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG auch übergangsrechtliche Bestimmungen nicht entgegen, nachdem am 07. Mai 1996 weder eine Rente geleistet noch zu Unrecht nicht geleistet worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin, über welche der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Da die Klägerin Rente für den Zeitraum von mehr als einem Jahr begehrt, ist die Zulässigkeitsvoraussetzung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erfüllt. Die Berufung ist jedoch in der Sache nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 03. August 2006 ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat es im Bescheid vom 10. August 2004 (Widerspruchsbescheid vom 09. Februar 2005) zu Recht abgelehnt, den bindend gewordenen Ablehnungsbescheid vom 05. Juni 1998 teilweise zurückzunehmen und der Klägerin Witwenrente ab 01. Januar 1998 zu bewilligen.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs (des SGB) längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (Satz 2). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraums, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (Satz 3).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin unter Berücksichtigung des zuletzt zitierten Satzes Anspruch auf Witwenrente bereits seit 01. Januar 1998 geltend machen kann. Die Beklagte ist in den hier angefochtenen Bescheiden von der Antragstellung im Mai 2004 ausgegangen. Einen früheren Zugunstenantrag der Klägerin vom Januar 2000 hat die Beklagte mit dem Schreiben vom 02. Februar 2002, dessen Bescheidqualität zweifelhaft sein kann, beantwortet. Die Klägerin hat sich hiergegen in der Folgezeit nicht gewandt. Der Klägerin steht jedenfalls in der Sache seit 01. Januar 1998 bis jetzt kein Anspruch auf Witwenrente zu. Denn der Klägerin sind nicht im Sinne von 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X Sozialleistungen zu Unrecht vorenthalten worden, selbst wenn der Bescheid vom 05. Juni 1998 mit seiner Begrenzung des Witwenrentenanspruchs auf die Zeit bis 31. Dezember 1997 nach damaliger Rechtsauffassung fehlerhaft gewesen sein sollte. Die Neufassung des § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz steht einem erfolgreichen Zugunstenverfahren entgegen (vgl. hierzu und zum Folgenden: BSG, Urteil vom 25. Januar 2011 - B 5 R 47/10 R - in Juris).
Die Klägerin, die als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG anerkannt ist und deren Rechtsstellung in der gesetzlichen Rentenversicherung sich nach dem FRG richtet (vgl. § 13 BVFG), kann gemäß § 1 Buchst. a FRG ihre Rechte in den gesetzlichen Rentenversicherungen nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden allgemeinen Vorschriften geltend machen (vgl. § 14 FRG), soweit sich aus den dieser Bestimmung nachfolgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Nach § 46 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 47. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin dem Grunde nach, was zwischen den Beteiligten auch nicht streitig ist. Der Monatsbetrag der Rente ergibt sich nach § 64 Nr. 1 SGB VI u.a. aus den Entgeltpunkten. Da der Versicherte Beitragszeiten nur in den Vertreibungsgebieten zurückgelegt hat und die Anwartschaft allein aus in den Vertreibungsgebieten zurückgelegten Zeiten erworben worden ist, ist § 22b Abs. 1 FRG zu berücksichtigen. Diese Vorschrift in der mit Wirkung vom 07. Mai 1996 (Art. 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz) durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz, formal modifiziert durch das Gesetz zur Organisationsreform in der gesetzlichen Rentenversicherung (RVOrgG) vom 09. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3242), geltenden Fassung lautet: Für anrechenbare Zeiten nach diesem Gesetz (FRG) werden für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung zugrundegelegt (Satz 1). Hierbei sind zuvor die Entgeltpunkte der knappschaftlichen Rentenversicherung mit dem Wert 1,3333 zu multiplizieren (Satz 2). Entgeltpunkte aus der Rente mit einem höheren Rentenartfaktor sind vorrangig zu berücksichtigen (Satz 3). Danach können für eine Witwenrente ab 01. Januar 1998 keine Entgeltpunkte berücksichtigt werden. Denn die Klägerin bezieht seit 01. Januar 1998 Altersrente für Frauen (Bescheid der DRV Bund vom 12. Januar 1998). Dieser ihr bewilligten Altersrente liegen bereits 25 Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG zugrunde. Der Rentenartfaktor für persönliche Entgeltpunkte ist bei den Altersrenten mit 1,0 höher (vgl. § 67 Nr. 1 SGB VI) als die Rentenartfaktoren mit 0,6, seit 01. Januar 2002 mit 0,55 bei großen Witwenrenten nach Ablauf des so genannten Sterbevierteljahres für persönliche Entgeltpunkte in der allgemeinen Rentenversicherung (vgl. § 67 Nr. 6 SGB VI). Indem bei der Altersrente der Klägerin bereits 25 Entgeltpunkte für Zeiten nach dem FRG zu berücksichtigen waren, war damit die Höchstpunktzahl erreicht, die § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG n. F. für eine Zusammentreffen von Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes höchstens zulässt. Damit war für eine große Witwenrente kein Monatsbetrag der Rente (§ 64 SGB VI) festzustellen.
Artikel 15 Abs. 3 RV-Nachhaltigkeitsgesetz ist mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar, soweit hierdurch die Höhe solcher Hinterbliebenenrenten beschränkt wird, die allein auf Zeiten nach dem FRG beruhen und die ohne die in § 22b Abs. 1 Satz 1 FRG in der Fassung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes vorgesehene Beschränkung noch nicht bestandskräftig gewährt worden sind. Dies hat das BVerfG mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BvL 11/06 u.a. - BVerfGE 126, 369 ff.; Entscheidungsformel veröffentlicht in BGBl, I 2010, S. 1358) entschieden. Diese Entscheidungsformel hat gemäß § 31 Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) Gesetzeskraft. Eine abweichende Beurteilung ist damit für den Senat nicht möglich.
Auch übergangsrechtliche Vorschriften vermag die Klägerin für sich nicht in Anspruch zu nehmen. Gemäß § 300 Abs. 1 SGB VI sind die Vorschriften dieses Gesetzes von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Anspruch oder einen Sachverhalt auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Als Ausnahme hiervon schreibt § 300 Abs. 2 SGB VI vor, dass aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzes und durch dieses Gesetz ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden sind, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. § 300 Abs. 2 SGB VI vermag nicht durchzugreifen, da die Klägerin am 07. Mai 1996 noch keinen durchsetzbaren Anspruch auf Witwenrente hatte (BSG a.a.O. mit Nachweisen). Dass das RV-Nachhaltigkeitsgesetz erst im Juli 2004 verkündet worden ist, ändert hieran nichts, da der Begriff "Aufhebung" in § 300 Abs. 2 SGB VI nicht die bloße Existenz des Änderungsgesetzes aufgrund seiner Verkündung bezeichnet, sondern den Zeitpunkt für das Außerkrafttreten des alten Rechts, der sich aus den entsprechenden Anordnungen des in Kraft getretenen Änderungsgesetzes ergibt (BSG a.a.O. m. N.). Ebenso wenig ist § 300 Abs. 3 SGB VI einschlägig, dass wenn eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen und dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln seien, die Vorschriften maßgebend seien, die bei erstmaliger Feststellung der Rente anzuwenden gewesen seien. Auch insoweit hatte die Klägerin am 07. Mai 1996 bereits dem Grunde nach kein Recht auf eine große Witwenrente ohne die hier streitige Begrenzung.
Die Klägerin kann auch aus dem von ihr in den Vordergrund gerückten Gesichtspunkt, durch den bestandskräftigen Bescheid vom 05. Juni 1998 sei dem Grunde nach Witwenrente bewilligt worden, für die Zeit ab 01. Januar 1998 keinen Zahlungsanspruch herleiten. Die Bindungswirkung eines Bescheids beschränkt sich auf den Verfügungssatz - die Entscheidung über Art, Dauer, Beginn, Ende und Höhe einer Leistung. Sie erstreckt sich nicht auf die Begründung, auch nicht auf deren tragende Elemente. Die Bindungswirkung eines Bescheids reicht so weit, wie über den Anspruch entschieden ist. Demgemäß ist zwischen der materiellen Anspruchsberechtigung (dem Stammrecht) und dem Leistungsanspruch im engeren Sinne, also dem Anspruch auf Zahlung der Leistung (Zahlungsanspruch) zu unterscheiden. Während das Stammrecht entsteht, sobald die materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wird durch den Bewilligungsbescheid (Verwaltungsakt) der Anspruch auf die Leistung für den Einzelfall konkretisiert (Zahlbarmachung). Der Bewilligungsbescheid begründet keinesfalls das Stammrecht; der Erwerb des Stammrechts ist vielmehr nur Grund oder Begründungselement der jeweiligen Bewilligung, die ein Stammrecht - außer dies wäre ausdrücklich tenoriert - nicht zuerkennt. Demgemäß haben vorrangig die für das Recht der Arbeitslosenversicherung zuständigen Senate des BSG stets betont, dass etwa nach Aufhebung der Bewilligungsentscheidung (nach § 45 oder § 48 SGB X) über eine ursprünglich rechtswidrige Bewilligung bei einer späteren Neubeantragung der Leistung der Betroffene sich nicht auf ein früher zu Recht oder zu Unrecht bewilligtes Stammrecht berufen kann (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1994 - 11 RAr 41/94 - BSGE 75, 235 = SozR 3-4100 § 100 Nr. 5 mit zahlreichen Nachweisen). Im Fall der Klägerin kommt hinzu, dass die Beklagte gerade wegen der damals bereits geltenden, wenn auch umstrittenen Begrenzung der Entgeltpunkte im Ergebnis korrekt entschieden und die Zahlung der Witwenrente auf den Zeitraum vor dem Beginn der eigenen Altersrente der Klägerin beschränkt hat. Wie hieraus ein Anspruch auf eine Dauerleistung hergeleitet werden soll, ist nicht zu erschließen. In der Formulierung der Beklagten ("Zahlung der Witwenrente ab 1.1.1998 ist nicht möglich") kommt eindeutig zum Ausdruck, dass die Beklagte es ablehnte, eine Witwenrente ab 01. Januar 1998 zu zahlen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Anders als im Fall des Urteils des BSG vom 25. Januar 2011 ist auch eine Kostenerstattung für die erste Instanz nicht zu erwägen, da der angefochtene Gerichtsbescheid vom 03. August 2006 nach Inkrafttreten des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes im Jahr 2004 ergangen ist.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen aufgrund der dargelegten, jetzt gefestigten Rechtsprechung nicht vor.
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