Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
40
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 40 (23) SB 238/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50.
Die 1952 geborene Klägerin beantragte am 15.06.2009 die Feststellung eines Grades der Behinderung mit der Begründung, bei ihr beständen Wirbelsäulenerkrankungen und eine seelische Erkrankung, die sich in einer Angststörung, Panikattacken, Depressionen, Weinkrämpfen, Gedächtnisstörungen und Vergesslichkeit äußere.
Die Berichte der die Klägerin behandelnden Ärzte wertete der Chirurg Dr. Schwarz für den Beklagten in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 19.05.2008 aus. Er kam zu dem Ergebnis, dass eine seelische Behinderung und Wirbelsäulenfunktionsstörungen beständen, die mit einem Einzel – GdB in Höhe von 20 bzw. 10 zu bewerten seien. Ein Gesamt-GdB in Höhe von 20 sei angemessen. Mit seinem Bescheid vom 03.06.2008 stellte der Beklagte unter Bezugnahme auf die genannten Beeinträchtigungen einen Gesamt-GdB in Höhe von 20 fest.
Zur Begründung ihres hiergegen binnen Monatsfrist erhobenen Widerspruches führte die Klägerin aus, wegen der seelischen Beschwerden sei sie seit Monaten arbeitsunfähig. Diese Beeinträchtigung sei mit einem Einzel – GdB von 20 zu gering bewertet.
Zur weiteren Begründung ihres Widerspruches legte die Klägerin einen Bericht des sie behandelnden Psychiaters Dr. L. vor. Dieser führte aus, die Klägerin leide an einer chronischen depressiven Episode sowie einer affektiven Psychose mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten.
Unter zusätzlicher Auswertung des Rehabilitationsberichtes der Klinik Schömberg vom 24.12.2008 über eine dort bis zum 22.10.2008 durchgeführte stationäre Maßnahme, in deren Rahmen die die Klägerin behandelnden Ärzte die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode stellten, kam Dr. W. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 19.01.2009 zu dem Ergebnis, die seelische Behinderung der Klägerin sei mit einem Einzel –GdB in Höhe von 40 zu bewerten, insgesamt ein GdB in Höhe von 40 festzustellen. Mit seinem Abhilfebescheid vom 21.01.2009 setzte der Beklagte den Gesamt – GdB daraufhin auf 40 fest.
Die Klägerin hielt den Widerspruch weiter aufrecht, da aus ihrer Sicht ihre seelische Behinderung weiterhin zu gering bewertet worden ist. Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster durch Widerspruchsbescheid vom 07.05.2009 zurück.
Mit ihrer am 19.05.2009 beim Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung eines höheren GdB weiter. Zusätzlich beantragte sie nun die Anerkennung der medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Diesen Antrag hielt sie jedoch nicht weiter aufrecht. Sie ist der Auffassung, dass die bestehenden Beeinträchtigungen bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 03.06.2008 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 21.01.2009 und des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2009 zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine Entscheidungen für zutreffend.
Das Gericht holte zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein. Der Internist und Hausarzt Dr. S. beschrieb eine Einschränkung des Gehvermögens auf längeren Strecken durch Veränderungen der Wirbelsäule und eine COPD. Dem Bericht fügte er umfangreiche weitere medizinische Unterlagen bei. Der Orthopäde Dr. N. beschrieb Funktionseinschränkungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie des rechten Ellenbogens und des rechten Knies. Eine wesentliche Gehbehinderung bestehe nicht. Zu diesem Ergebnis kamen auch die Orthopäden Dres. F. und N., die einen gestörten Abrollvorgang beider Füße beschrieben. Sehr ausführlich und sehr massiv stellte der behandelnde Psychiater Dr. L. dar, aus welchen Gründen er die bisherigen Feststellungen zu Art und Ausmaß der seelischen Erkrankung als völlig falsch und unzureichend betrachtet.
Das Gericht hat über das Ausmaß der bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen Beweis erhoben und nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- ein neurologisch – psychiatrisches Gutachten des Dr. Ehringhausen sowie ein internistisch-sozialmedizinisches Gutachten des Dr. Pauleck eingeholt. Die Sachverständigen kamen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Beeinträchtigungen bei der Klägerin mit einem Gesamt-GdB von 40 angemessen bewer-ten sind. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 82 bis 174 der Gerichtsakte Bezug genommen. Nachdem sich Dr. L. auch mit diesen Gutachten sehr kritisch auseinandersetze, veranlasste das Gericht eine ergänzende Stellungnahme des Dr. E. (Bl. 181 bis 183 der Gerichtsakte).
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Zu Recht hat der Beklagte die Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 40 abgelehnt.
Nach § 69 Abs. 2 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft nach Zehner Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) festgestellten Maßstäbe entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Wegen ihrer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Den Entscheidungen gemäß § 69 SGB IX waren im Einzelnen bis zum 31.12.2008 die Anhaltspunkte für die gutachterliche Tätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht –AHP- und sind ab dem 01.01.2009 die Versorgungsmedizinische- grundsätze –VMG- (abge¬druckt als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung vom 10.12.2008, Bundesgesetz¬blatt I Nr ...57 vom 15.12.2008) zugrunde zu legen. Nach dem VGM (vergl. hierzu im einzelnen Teil a. Nr. 3 Seite 10) ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hier¬durch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeein-trächtigungen dem ersten GdB Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufü¬gen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden können diese auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander stehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sind bei der Klägerin Funktionsbeeinträchtigungen auszumachen, die einen Gesamt-GdB von 40 rechtfertigen.
Die Kammer stützt sich dabei auf das Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung der Sachverständigengutachten der Dres. P. und E ... Diese sind unter Berücksichtigung der Aktenlage und der von ihnen erhobenen Befunde zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin ein Gesamt-GdB von 40 festzustellen ist.
Maßgebend hierfür sind folgende Gesundheitsschädigungen:
1.Seelische Behinderung
Die bei der Klägerin bestehenden psychischen Störungen sind mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Maßgebend ist der in Teil B Nr. 3.7 der Anlage zur VersMedV definierte Bewertungsrahmen. Dieser sieht folgende Kriterien vor:
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen 0 – 20.
Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30 – 40,
Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpas-sungsschwierigkeiten 50 – 70, mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80 – 100
Die Kammer ist der Auffassung, dass bei der Klägerin stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne einer ausgeprägteren depressiven Störung vorliegen, die mit einem Wert von 40 zu berücksichtigen sind.
Für den begehrten Bewertungsrahmen von mindestens 50 ist entscheidend, ob "schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten" vorliegen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass soziale Anpassungsschwierigkeiten ausdrücklich nur bei schweren Störungen genannt sind. Nur bei diesen schweren Störungen kommt es darauf an, ob mittelgradige oder schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten vorliegen. Für geringergradige Störungen unter dem Abschnitt "Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen" sind andere Beurteilungskriterien aufgeführt.
Schwere seelische Störungen liegen nicht vor. Den Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. L. vermag die Kammer nicht zu folgen. Unter Würdigung aller Befunde lassen sich auch unter Berücksichtigung sämtlicher seelischer Störungen "schwere Störungen" nicht nachweisen. Vielmehr bedingen die feststellbaren seelischen Schäden in ihrer Gesamtheit lediglich "stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeit. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus den Beurteilungen des Dr. Ehringhausen. Aber auch nach dem Reha – Entlassungsbericht leidet die Klägerin an unterschiedlich stark ausgeprägten depressiven Episoden, nicht an einer schweren seelischen Störung. Verhaltensauffälligkeiten gab es bei der Klägerin bereits seit langer Zeit. Auch bei Familienangehörigen bestehen bzw. bestanden unterschiedliche seelische Behinderungen. Im Vordergrund stehen in den letzten Jahren wiederkehrende depressive Störungen, die immer wieder zu Einschränkungen und der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung führen. Der Alltag wird beeinträchtigt durch attackenartig auftretende und situationsbezogene Ängste, die zu einem Vermeidungs- und Rückzugsverhalten führen. Die Klägerin hält aber noch soziale Kontakte in einem engen Kreis so unter anderem zu dem im gleichen Haus lebenden Bruder. Sie kann sich selbst versorgen, bewegt sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sie ist in den letzten Jahren zu Verwandtenbesuchen in die Türkei gereist. Wie bei vielen an Depressionen Leidende ist ihr Antrieb gemindert und sie hat Schwierigkeiten, den Tag zu strukturieren. Die Klägerin beschreibt Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Funktionseinschränkungen, die einer Hirnschädigung mit im Alltag sich deutlich auswirkenden Einschränkungen gleichzusetzen sind, bestehen aber nicht. Aus keinem der Feststellungen kann darauf geschlossen werden, dass bei der Klägerin Symptome vorliegen, die mit einer mittelgradigen Demenz vergleichbar sind, wie dies von Dr. L. beschrieben wird. Auch der Umstand, dass die Klägerin nach Jahren der Arbeitslosigkeit nun eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, bedeutet nicht automatisch das Vorliegen einer schweren Störung. Damit wird allein dem Umstand der Einschränkung der Leistungsfähigkeit in der Berufswelt Rechnung getragen. Wegen der Ausprägung der Erkrankung ist allerdings vom Vorliegen einer stärker ausgeprägten Behinderung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ausgegangen worden und entsprechend ein GdB von 40 angesetzt worden.
2. Weitere Beeinträchtigungen
Neben den genannten Beeinträchtigungen bestehen bei der Klägerin Refluxbeschwerden der Speiseröhre, eine Akneerkrankung, ein Wirbelsäulenverschleiß, ein Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenksverschleiß sowie ein Knie- und Sprunggelenksverschleiß und eine Fußgewölbestörung.
Nennenswerte Einschränkungen resultieren aus diesen Erkrankungen nicht, so dass diese jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind.
Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist vom höchsten Einzelwert auszugehen und im Hinblick auf die weiteren Behinderungen zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderungen dadurch größer wird. Dabei ist insgesamt zu beachten, inwieweit die Auswirkung der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind oder in wieweit sie sich überschneiden oder verstärken. Bei einem Einzel-GdB von 40 und fünf Zehnerwerten kann maximal ein Gesamt-GdB von 40 gebildet werden. Ein Gesamt-GdB von 50 oder mehr lässt sich auf der Basis der festgestellten Störungen nicht rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung eines Grades der Behinderung von mindestens 50.
Die 1952 geborene Klägerin beantragte am 15.06.2009 die Feststellung eines Grades der Behinderung mit der Begründung, bei ihr beständen Wirbelsäulenerkrankungen und eine seelische Erkrankung, die sich in einer Angststörung, Panikattacken, Depressionen, Weinkrämpfen, Gedächtnisstörungen und Vergesslichkeit äußere.
Die Berichte der die Klägerin behandelnden Ärzte wertete der Chirurg Dr. Schwarz für den Beklagten in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 19.05.2008 aus. Er kam zu dem Ergebnis, dass eine seelische Behinderung und Wirbelsäulenfunktionsstörungen beständen, die mit einem Einzel – GdB in Höhe von 20 bzw. 10 zu bewerten seien. Ein Gesamt-GdB in Höhe von 20 sei angemessen. Mit seinem Bescheid vom 03.06.2008 stellte der Beklagte unter Bezugnahme auf die genannten Beeinträchtigungen einen Gesamt-GdB in Höhe von 20 fest.
Zur Begründung ihres hiergegen binnen Monatsfrist erhobenen Widerspruches führte die Klägerin aus, wegen der seelischen Beschwerden sei sie seit Monaten arbeitsunfähig. Diese Beeinträchtigung sei mit einem Einzel – GdB von 20 zu gering bewertet.
Zur weiteren Begründung ihres Widerspruches legte die Klägerin einen Bericht des sie behandelnden Psychiaters Dr. L. vor. Dieser führte aus, die Klägerin leide an einer chronischen depressiven Episode sowie einer affektiven Psychose mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten.
Unter zusätzlicher Auswertung des Rehabilitationsberichtes der Klinik Schömberg vom 24.12.2008 über eine dort bis zum 22.10.2008 durchgeführte stationäre Maßnahme, in deren Rahmen die die Klägerin behandelnden Ärzte die Diagnose einer mittelgradigen depressiven Episode stellten, kam Dr. W. in seiner gutachtlichen Stellungnahme vom 19.01.2009 zu dem Ergebnis, die seelische Behinderung der Klägerin sei mit einem Einzel –GdB in Höhe von 40 zu bewerten, insgesamt ein GdB in Höhe von 40 festzustellen. Mit seinem Abhilfebescheid vom 21.01.2009 setzte der Beklagte den Gesamt – GdB daraufhin auf 40 fest.
Die Klägerin hielt den Widerspruch weiter aufrecht, da aus ihrer Sicht ihre seelische Behinderung weiterhin zu gering bewertet worden ist. Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster durch Widerspruchsbescheid vom 07.05.2009 zurück.
Mit ihrer am 19.05.2009 beim Sozialgericht Duisburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Feststellung eines höheren GdB weiter. Zusätzlich beantragte sie nun die Anerkennung der medizinischen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G". Diesen Antrag hielt sie jedoch nicht weiter aufrecht. Sie ist der Auffassung, dass die bestehenden Beeinträchtigungen bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 03.06.2008 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 21.01.2009 und des Widerspruchsbescheides vom 07.05.2009 zu verurteilen, bei ihr einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält seine Entscheidungen für zutreffend.
Das Gericht holte zunächst Befundberichte der die Klägerin behandelnden Ärzte ein. Der Internist und Hausarzt Dr. S. beschrieb eine Einschränkung des Gehvermögens auf längeren Strecken durch Veränderungen der Wirbelsäule und eine COPD. Dem Bericht fügte er umfangreiche weitere medizinische Unterlagen bei. Der Orthopäde Dr. N. beschrieb Funktionseinschränkungen im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie des rechten Ellenbogens und des rechten Knies. Eine wesentliche Gehbehinderung bestehe nicht. Zu diesem Ergebnis kamen auch die Orthopäden Dres. F. und N., die einen gestörten Abrollvorgang beider Füße beschrieben. Sehr ausführlich und sehr massiv stellte der behandelnde Psychiater Dr. L. dar, aus welchen Gründen er die bisherigen Feststellungen zu Art und Ausmaß der seelischen Erkrankung als völlig falsch und unzureichend betrachtet.
Das Gericht hat über das Ausmaß der bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen Beweis erhoben und nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG- ein neurologisch – psychiatrisches Gutachten des Dr. Ehringhausen sowie ein internistisch-sozialmedizinisches Gutachten des Dr. Pauleck eingeholt. Die Sachverständigen kamen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass die Beeinträchtigungen bei der Klägerin mit einem Gesamt-GdB von 40 angemessen bewer-ten sind. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 82 bis 174 der Gerichtsakte Bezug genommen. Nachdem sich Dr. L. auch mit diesen Gutachten sehr kritisch auseinandersetze, veranlasste das Gericht eine ergänzende Stellungnahme des Dr. E. (Bl. 181 bis 183 der Gerichtsakte).
Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Die streitgegenständlichen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG. Zu Recht hat der Beklagte die Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 40 abgelehnt.
Nach § 69 Abs. 2 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben der Gesellschaft nach Zehner Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten die im Rahmen des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) festgestellten Maßstäbe entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX). Wegen ihrer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehung festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX). Den Entscheidungen gemäß § 69 SGB IX waren im Einzelnen bis zum 31.12.2008 die Anhaltspunkte für die gutachterliche Tätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht –AHP- und sind ab dem 01.01.2009 die Versorgungsmedizinische- grundsätze –VMG- (abge¬druckt als Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung vom 10.12.2008, Bundesgesetz¬blatt I Nr ...57 vom 15.12.2008) zugrunde zu legen. Nach dem VGM (vergl. hierzu im einzelnen Teil a. Nr. 3 Seite 10) ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hier¬durch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeein-trächtigungen dem ersten GdB Grad 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufü¬gen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen Einzel-GdB von 10 bedingen, führen in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden können diese auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander stehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sind bei der Klägerin Funktionsbeeinträchtigungen auszumachen, die einen Gesamt-GdB von 40 rechtfertigen.
Die Kammer stützt sich dabei auf das Ergebnis der Beweisaufnahme durch Einholung der Sachverständigengutachten der Dres. P. und E ... Diese sind unter Berücksichtigung der Aktenlage und der von ihnen erhobenen Befunde zu dem Ergebnis gelangt, dass bei der Klägerin ein Gesamt-GdB von 40 festzustellen ist.
Maßgebend hierfür sind folgende Gesundheitsschädigungen:
1.Seelische Behinderung
Die bei der Klägerin bestehenden psychischen Störungen sind mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Maßgebend ist der in Teil B Nr. 3.7 der Anlage zur VersMedV definierte Bewertungsrahmen. Dieser sieht folgende Kriterien vor:
Leichtere psychovegetative oder psychische Störungen 0 – 20.
Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z. B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) 30 – 40,
Schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpas-sungsschwierigkeiten 50 – 70, mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten 80 – 100
Die Kammer ist der Auffassung, dass bei der Klägerin stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne einer ausgeprägteren depressiven Störung vorliegen, die mit einem Wert von 40 zu berücksichtigen sind.
Für den begehrten Bewertungsrahmen von mindestens 50 ist entscheidend, ob "schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten" vorliegen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass soziale Anpassungsschwierigkeiten ausdrücklich nur bei schweren Störungen genannt sind. Nur bei diesen schweren Störungen kommt es darauf an, ob mittelgradige oder schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten vorliegen. Für geringergradige Störungen unter dem Abschnitt "Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen" sind andere Beurteilungskriterien aufgeführt.
Schwere seelische Störungen liegen nicht vor. Den Ausführungen des behandelnden Arztes Dr. L. vermag die Kammer nicht zu folgen. Unter Würdigung aller Befunde lassen sich auch unter Berücksichtigung sämtlicher seelischer Störungen "schwere Störungen" nicht nachweisen. Vielmehr bedingen die feststellbaren seelischen Schäden in ihrer Gesamtheit lediglich "stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsmöglichkeit. Dies folgt zur Überzeugung des Senats aus den Beurteilungen des Dr. Ehringhausen. Aber auch nach dem Reha – Entlassungsbericht leidet die Klägerin an unterschiedlich stark ausgeprägten depressiven Episoden, nicht an einer schweren seelischen Störung. Verhaltensauffälligkeiten gab es bei der Klägerin bereits seit langer Zeit. Auch bei Familienangehörigen bestehen bzw. bestanden unterschiedliche seelische Behinderungen. Im Vordergrund stehen in den letzten Jahren wiederkehrende depressive Störungen, die immer wieder zu Einschränkungen und der Notwendigkeit ärztlicher Behandlung führen. Der Alltag wird beeinträchtigt durch attackenartig auftretende und situationsbezogene Ängste, die zu einem Vermeidungs- und Rückzugsverhalten führen. Die Klägerin hält aber noch soziale Kontakte in einem engen Kreis so unter anderem zu dem im gleichen Haus lebenden Bruder. Sie kann sich selbst versorgen, bewegt sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln, sie ist in den letzten Jahren zu Verwandtenbesuchen in die Türkei gereist. Wie bei vielen an Depressionen Leidende ist ihr Antrieb gemindert und sie hat Schwierigkeiten, den Tag zu strukturieren. Die Klägerin beschreibt Konzentrations- und Gedächtnisstörungen. Funktionseinschränkungen, die einer Hirnschädigung mit im Alltag sich deutlich auswirkenden Einschränkungen gleichzusetzen sind, bestehen aber nicht. Aus keinem der Feststellungen kann darauf geschlossen werden, dass bei der Klägerin Symptome vorliegen, die mit einer mittelgradigen Demenz vergleichbar sind, wie dies von Dr. L. beschrieben wird. Auch der Umstand, dass die Klägerin nach Jahren der Arbeitslosigkeit nun eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezieht, bedeutet nicht automatisch das Vorliegen einer schweren Störung. Damit wird allein dem Umstand der Einschränkung der Leistungsfähigkeit in der Berufswelt Rechnung getragen. Wegen der Ausprägung der Erkrankung ist allerdings vom Vorliegen einer stärker ausgeprägten Behinderung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit ausgegangen worden und entsprechend ein GdB von 40 angesetzt worden.
2. Weitere Beeinträchtigungen
Neben den genannten Beeinträchtigungen bestehen bei der Klägerin Refluxbeschwerden der Speiseröhre, eine Akneerkrankung, ein Wirbelsäulenverschleiß, ein Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenksverschleiß sowie ein Knie- und Sprunggelenksverschleiß und eine Fußgewölbestörung.
Nennenswerte Einschränkungen resultieren aus diesen Erkrankungen nicht, so dass diese jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind.
Bei der Bildung des Gesamt-GdB ist vom höchsten Einzelwert auszugehen und im Hinblick auf die weiteren Behinderungen zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderungen dadurch größer wird. Dabei ist insgesamt zu beachten, inwieweit die Auswirkung der einzelnen Behinderungen voneinander unabhängig sind oder in wieweit sie sich überschneiden oder verstärken. Bei einem Einzel-GdB von 40 und fünf Zehnerwerten kann maximal ein Gesamt-GdB von 40 gebildet werden. Ein Gesamt-GdB von 50 oder mehr lässt sich auf der Basis der festgestellten Störungen nicht rechtfertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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