S 31 (11) KR 208/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 (11) KR 208/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der Kosten einer ambulanten Psychotherapie durch einen nicht zugelassenen Therapeuten in Höhe von 1.625,00 EUR gemäß § 13 Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung -.

Die am 06.05.1972 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin ist Hausfrau. Sie ist verheiratet und hat zwei kleine Kinder. Die Familie lebt in Dinslaken.

Am 31.03.2008 wurde die Klägerin notfallmäßig auf der Inneren Station des St. Vincenz-Hospitals in Dinslaken aufgenommen. Sie gab an, zuvor ein thorakales Druckgefühl und Herzrasen in Ruhe verspürt zu haben. Im Rahmen der stationären Behandlung wurde ein Herzinfarkt ausgeschlossen. Kurz vor Entlassung der Klägerin trat die Symptomatik erneut auf, weswegen ein psychiatrisches Konsil eingeholt wurde. Dabei wurde eine mittelschwere depressive Episode diagnostiziert und das Medikament Reboxetin verordnet. Am 10.04.2008 wurde die Klägerin entlassen.

Am 18.04.2008 nahm die Klägerin eine psychotherapeutische Behandlung bei dem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Diplom-Psychologen A. L. in Wesel auf. In Rücksprache mit Herrn L. ließ die Klägerin die im St. Vincenz-Hospital verordnete Medikation wegen als zu stark empfundener Nebenwirkungen "ausschleichen".

Am 07.05.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung der Kosten der ambulanten Therapie beim Dipl.-Psych. L ... Es habe keine Möglichkeit bestanden, kurzfristig bei einem Vertragsbehandler einen Termin zu bekommen. Die Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 30.05.2008 zurück. Dem Bescheid war eine Auflistung von insgesamt 21 zugelassenen Psychotherapeuten aus Dinslaken und Wesel beigefügt. Die Beklagte begründete ihre Ablehnung damit, dass eine Behandlung bei diesen zugelassenen Therapeuten begonnen werden könne. Alternativ könne eine stationäre Psychotherapie im St. Vincenz-Hospital durchgeführt werden. Hiergegen legte die Klägerin am 10.06.2008 Widerspruch ein. Die Wartezeiten bei den Vertragsbehandlern lägen bei einem halben Jahr und mehr. Eine stationäre Psychotherapie komme für sie nicht in Frage, weil eine längerfristige Trennung von der Familie dem Heilungsprozess nicht dienlich sei. Laut Dipl.-Psych. L. habe die Beklagte bereits die Kosten von Behandlungen in der dortigen Praxis in Einzelfällen übernommen. Sie – die Klägerin – habe bereits ein Vertrauensverhältnis zu ihrem Therapeuten entwickelt.

Mit Schreiben vom 04.08.2008 benannte die Beklagte der Klägerin zwei weitere Therapeuten in Duisburg mit Wartezeiten von zwei bzw. drei bis vier Monaten. Die Klägerin erwiderte hierauf erneut, dass sie einen Termin bei einem Vertragstherapeuten kurzfristig nicht habe erhalten können. So hätte bei Dr. K. in Dinslaken eine Wartezeit von vier Monaten, im St. Vincenz-Hospital eine Wartezeit von sechs Monaten und bei der Beratungsstelle des Bistums Münster in Dinslaken eine Wartezeit von zwei Monaten bestanden. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.10.2008 zurück. Die Erstattung von Kosten für die Inanspruchnahme von Nichtvertragsbehandlern sei grundsätzlich nicht möglich. Es habe auch kein Notfall vorgelegen. Im Übrigen würden Behandlungsmöglichkeiten von der Beklagten bereitgestellt. Aus der Rechtsprechung ergebe sich, dass ein bereits aufgebautes Vertrauen zum Nichtvertragsbehandler nicht von Bedeutung sei.

Hiergegen richtet sich die am 10.11.2008 erhobene Klage.

Die Klägerin hat die Behandlung am 29.01.2008 erfolgreich beendet. Die Gesamtkosten belaufen sich auf 1.625,00 EUR.

Die Klägerin trägt vor, es liege eine sogenannte Systemstörung vor. Nach Entlassung aus dem Krankenhaus habe sie sich bei diversen Vertragsbehandlern in Dinslaken und Umgebung nach Terminen erkundigt. Die Wartezeiten hätten bei mindestens fünf Monaten gelegen. Sie habe ca. fünf bis zehn Therapeuten kontaktiert. Ihr Hausarzt habe ihr die bereits im Krankenhaus verordneten Tabletten einmalig verschrieben, da sie einen Termin bei einem Psychiater frühestens acht Wochen später hätte erhalten können. Sie habe die Medikation wegen erheblicher Nebenwirkungen dann aber in Absprache mit dem Dipl.-Psych. L. auslaufen lassen. Herr L. habe sie in einem Erstgespräch darauf hingewiesen, dass er kein Vertragsbehandler sei und die Kosten der Behandlung in der Regel selbst zu zahlen seien. Er habe allerdings auch erklärt, dass es nicht unüblich sei, dass bei der Beklagten Anträge auf Kostenerstattung bewilligt würden. Aus ihrer Sicht habe es selbstverständlich geklungen, dass die Kosten übernommen werden könnten. Bei ihrem Gespräch auf der psychiatrischen Station des St. Vincenz-Hospitals sei lediglich über eine stationäre Therapie gesprochen worden. Die Inanspruchnahme von Institutsambulanzen sei nicht Thema gewesen. Die Symptome ihrer Erkrankung hätten sich von Beginn der Behandlung beim Dip.-Psych. L. an Schritt für Schritt gebessert.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.10.2008 zu verurteilen, die Kosten der Therapie beim Dipl.-Psych. L. vom 18.04.2008 bis 29.01.2010 in Höhe von 1.625,00 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor, der Kostenerstattungsanspruch sei selbst bei Bejahung eines Notfalls im April 2008 nicht gegeben. Gegebenenfalls hätte der Nichtvertragsbehandler die Notfallbehandlung als Sachleistung erbringen können. Dass der Behandler die Kosten nicht gegenüber der Beklagten abgerechnet habe, sei Indiz dafür, dass eben kein Notfall vorgelegen habe. Im April 2008 sei alternativ eine stationäre Behandlung möglich gewesen. Aus dem Widerspruch der Klägerin ergebe sich, dass sie seinerzeit bereits auf eine Behandlung beim Dipl.-Psych. L. festgelegt gewesen sei. Eine Recherche im Januar 2011 habe ergeben, dass zwei Therapeuten in Duisburg und Wesel zumindest zeitnahe Erstgespräche hätten anbieten können.

In einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Nordrhein (MdK) für die Beklagte erklärte die Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Frau R., nach Datenlage sei eine Wartezeit von drei bis vier Monaten zumutbar gewesen. Die Wartezeit hätte durch eine ambulante fachärztliche Behandlung, ggf. auch im Rahmen einer Institutsambulanz überbrückt werden können.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Dipl.-Psych. L. und des Allgemeinmediziners K. sowie durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Neurologen und Psychiaters Privatdozent Dr. Z. (St. Elisabeth-Krankenhaus, Katholische Kliniken Ruhrhalbinsel Hattingen). Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf die vorgenannten Befundberichte sowie das Sachverständigengutachten Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Leistungsakte Bezug genommen, der jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG – beschwert, da diese rechtmäßig sind. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Therapie beim Dipl.-Psych. L ...

Gemäß §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1; 11 Abs. 1 Nr. 4; 27 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB V erbringt die Krankenkasse ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als Sach- bzw. Dienstleistung. Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V können die Versicherten (nur) unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten frei wählen, wobei zugelassene Psychotherapeuten wie Ärzte an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen (vgl. hierzu Höfler, in: KassKomm, Stand: September 2007, § 15 SGB V Rdnr. 5a). Gemäß § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V dürfen andere Ärzte in Notfällen in Anspruch genommen werden. Gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V können Versicherte anstelle der Sach- und Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Abgesehen davon können abweichend vom Sach- bzw. Dienstleistungsprinzip Kosten nur gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V erstattet werden, wenn die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat oder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht hat und dem Versicherten dadurch Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind.

Nach diesen Grundsätzen sind die Kosten der Behandlung durch den Dipl.-Psychologen L. nicht zu erstatten.

Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 SGB V scheidet aus, da die Klägerin nicht die sogenannte Kostenerstattung im Sinne von § 13 Abs. 2 SGB V gewählt hat. Im Übrigen fehlte es an der gemäß § 13 Abs. 2 Satz 6 SGB V erforderlichen vorherigen Zustimmung der Beklagten.

Eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V scheidet aus, da bereits fraglich ist, ob überhaupt eine wirksame Honorarforderung begründet worden ist und da jedenfalls auch im Rahmen der Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V (und zwar in beiden Alternativen) die übrigen Grenzen des Leistungssystems nicht erweitert werden können. Es muss entsprechend ein "Primäranspruch" bestehen. Die in Anspruch genommene Leistung muss also abgesehen von der Erbringung als Sach- bzw. Dienstleistung den gesetzlichen Anforderungen des SGB V genügen (vgl. Brandts, in: KassKomm, Stand: Januar 2010, § 13 SGB V Rdnr. 53). Das aber war nicht der Fall. Schließlich sind auch die weiteren Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht erfüllt.

Das Entstehen einer wirksamen Honorarforderung als Voraussetzung für einen späteren Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Beklagten ist deshalb fraglich, weil ein Therapeut vor Beginn der Behandlung des Versicherten Klarheit darüber schaffen muss, auf welcher Grundlage die Behandlung stattfinden soll. Ist der Therapeut nicht zur Behandlung von Versicherten zugelassen und kann er daher außerhalb von Notfällen regelmäßig keine Naturalleistungen innerhalb des Systems der GKV erbringen, hat er den Versicherten darauf und auf den weiteren Punkt hinzuweisen, dass der Versicherte risikolos ohne eigene Zahlung die erforderliche Leistung bei zugelassenen Therapeuten erhalten kann. Die Hinweispflicht bezieht sich auch darauf, dass die Krankenkasse die Kosten einer dennoch in Anspruch genommenen privaten Behandlung regelmäßig nicht zu erstatten hat, so dass der Versicherte davon ausgehen muss, die Kosten letztlich selbst tragen zu müssen (vgl. Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 18.07.2006, B 1 KR 9/05 R, Rdnr. 13 f.). Es ist sehr fraglich, ob der Dipl.-Psych. L. dieser Aufklärungspflicht genügt hat. Denn die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es für sie damals so geklungen habe, als bestehe "selbstverständlich" die Möglichkeit einer Kostenübernahme durch die Beklagte. Die Kammer hat keinen Anlass, an den detaillierten und nachvollziehbaren Schilderungen der Klägerin zu zweifeln. Wenn die Belehrungen des Dipl.-Psych. L. damals tatsächlich geeignet waren den Eindruck zu vermitteln, dass eine Kostenübernahme durch die Beklagte "selbstverständlich" oder zumindest nicht unwahrscheinlich sei, so hätte er damit seine Aufklärungspflicht verletzt.

Unabhängig davon bestand kein "Primäranspruch", weil die Klägerin entgegen § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V eine Behandlung bei einem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Behandler in Anspruch genommen hat.

Es kann dahinstehen, ob hier ein Notfall im Sinne von § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorlag. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so führte dies nicht zu der hier geforderten Kostenerstattung. Denn die Notfallbehandlung durch den nicht zugelassenen Behandler nach § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist als Sachleistung zu erbringen. "In einem solchen Fall ist ein Kostenerstattungsanspruch des Versicherten ausgeschlossen, da der Leistungserbringer seine Vergütung nicht vom Versicherten, sondern nur von der Krankenkasse verlangen kann. Die von nicht zugelassenen Ärzten erbrachten Leistungen werden in Notfällen aus der Gesamtvergütung bezahlt" (Brandts, a.a.O., Rdnr. 78 m.w.N.; BSG, a.a.O., Rdnr. 18).

Die Kosten für die Inanspruchnahme des Dipl.-Psych. L. können auch nicht mit dem Argument einer "Systemstörung" bzw. "Versorgungslücke" erlangt werden (vgl. hierzu Hess, in: KassKomm, Stand: Juli 2010, § 76 SGB V Rdnr. 16). Denn eine Versorgungslücke, deren Feststellung im Übrigen der Krankenkasse obliegt (vgl. Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.02.2008, L 5 KR 113/07), ist nicht glaubhaft gemacht. Dabei verkennt die Kammer weder, dass im April 2008 durchaus ein Behandlungsbedarf bestand noch dass die kurzfristige Aufnahme von Psychotherapien schwierig sein dürfte.

Für eine ausreichende Versorgung mit zugelassenen Behandlern in Wohnortnähe der Klägerin sprechen die zahlreichen von der Beklagten im Verwaltungs- wie im Klageverfahren benannten Vertragsbehandler. Das BSG hat in einem kassenärztlichen Rechtsstreit für die Erteilung von Sonderbedarfszulassungen auf ein Versorgungsgebiet mit einem Radius von 25 km abgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.2010, B 6 KA 22/09 R). Eine solche Entfernung ist aus Sicht der Kammer bei der Prüfung einer hinreichenden Versorgung im hier relevanten Sinne ohne Weiteres zumutbar. Damit ist die Klägerin nicht nur auf Therapeuten in Dinslaken selbst, sondern etwa auch auf solche im 15 km entfernten Wesel und im 18 km entfernten Duisburg zu verweisen, wie es die Beklagte auch getan hat. Wenngleich die von der Beklagten benannten Behandler überwiegend Wartezeiten von mehreren Monaten hatten, so konnte die Beklagte doch bereits am 04.08.2008 einen Behandler benennen, bei dem eine Wartezeit von lediglich zwei Monaten bestand. Im gerichtlichen Verfahren konnte die Beklagte zwei weitere Behandler in Wesel und Duisburg benennen, die zumindest zeitnah Erstgespräche anbieten konnten. Dies ist aus Sicht der Kammer als ausreichend anzusehen.

Soweit die Klägerin vorträgt, nach ihren eigenen Recherchen hätten Behandler frühestens nach fünf Monaten zur Verfügung gestanden, so ist dies nicht geeignet, den Vortrag der Beklagten zu erschüttern. Denn die Angaben der Klägerin zum genauen Umfang ihrer Bemühungen sind vage geblieben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung gab sie an, "5 bis 10" Behandler kontaktiert zu haben. Lediglich in ihrem Schreiben vom 18.08.2008 benennt die Klägerin selbst ausdrücklich Behandler, die sie kontaktiert habe. Dabei nennt sie die ambulante Station im St. Vincenz-Hospital sowie Dr. K. in Dinslaken. Bei der im dortigen Schreiben des Weiteren genannten Beratungsstelle des Bistums Münster handelt es sich nicht um einen Behandler. Dass die Bemühungen der Klägerin um einen Vertragsbehandler nur einen begrenzten Umfang hatten, ergibt sich auch daraus, dass sie bereits am 18.04.2008 und damit am achten Tag nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus ein Erstgespräch bei dem Dipl.-Psych. L. wahrnahm. Sie hat schließlich selber eingeräumt, weder die Beklagte noch beispielsweise Institutsambulanzen kontaktiert zu haben.

Im Hinblick auf die bei der Klägerin diagnostizierte mittelschwere depressive Episode ist die von der Beklagten nachgewiesene Versorgung mit Behandlern, die entweder kurzfristig Erstgespräche oder einen Therapiebeginn nach zwei Monaten Wartezeit anbieten konnten, als ausreichend anzusehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es hier nicht um eine schwere depressive Episode geht, depressive Erkrankungen grundsätzlich auch einer medikamentösen Behandlung zugänglich sind, wie sie auch im St. Vincenz-Hospital bereits begonnen wurde, dann allerdings ohne fachärztliche Beteiligung von der Klägerin abgesetzt wurde und dass auch im Fall des vorliegenden Krankheitsbildes die Überbrückung von Wartzeiten bis zum Beginn einer Therapie durch fachärztliche Interventionen, ggf. auch in Institutsambulanzen möglich ist. Letzteres wird vom Sachverständigen PD Dr. Z. ausdrücklich bestätigt. In einer Notfallsituation hätte der Klägerin überdies – wie bereits dargestellt – auch eine Behandlung durch einen nicht zugelassenen Behandler zur Verfügung gestanden. Eine solche aus objektiver Sicht ausreichende Versorgung steht der Annahme eines Systemversagens grundsätzlich entgegen. "Denn es genügt im Regelfall, dass für die in Frage kommende Behandlung zugelassene Therapeuten für den Versicherten verfügbar und leistungsbereit sind. Sie auszuwählen, ist Sache des Versicherten" (BSG, Urteil vom 18.07.2006, B 1 KR 9/05 R, Rdnr. 16).

Auch aus subjektiver Sicht der Klägerin ergibt sich nichts anderes. Allerdings hat der Sachverständige PD Dr. Z. in seinem Gutachten ausgeführt, es habe damals ein hoher Leidensdruck bestanden. Über die Inanspruchnahme von Institutsambulanzen sei mit der Klägerin nicht gesprochen worden. Das intensive Bemühen der Klägerin um eine Psychotherapie sei auch vor dem Hintergrund einer gedanklichen Einengung im Rahmen des depressiven Geschehens zu verstehen. Auch die von der Klägerin angegebene Grübelneigung sowie eine Verminderung des Antriebs hätten sich negativ auf eine weitere Suche nach Therapiemöglichkeiten ausgewirkt. Es sei aus medizinischer Sicht nachvollziehbar, dass die Klägerin eine stationäre Therapie wegen der durch die Trennung von ihrer Familie bedingten Belastungen abgelehnt habe. Die Kammer hat bei der Annahme einer hinreichenden Versorgung aber bereits die Alternative einer stationären Behandlung außer Betracht gelassen. Soweit der Sachverständige auf eine mit dem Krankheitsbild grundsätzlich verbundene Antriebsschwäche und gedankliche Einengung hinweist, ist damit aus Sicht der Kammer noch nicht bewiesen, dass der Klägerin im konkreten Fall aus medizinischer Sicht ein weiteres Bemühen um eine Behandlung durch Vertragsbehandler nicht zumutbar gewesen wäre. Die Klägerin selbst hat im Übrigen ausgeführt, dass sie sowohl die Beklagte als auch Institutsambulanzen schlicht deshalb nicht kontaktiert habe, weil ihr die Möglichkeit einer Behandlung durch eine Institutsambulanz und die Möglichkeit einer Beratung durch die Beklagte bei der Suche nach einem Vertragsbehandler nicht bekannt gewesen seien. Dies ist jedoch kein medizinischer Aspekt. Die schlichte Unkenntnis alternativer Behandlungsmöglichkeiten bzw. der Möglichkeit einer Beratung durch die Beklagte ist nicht geeignet, eine Versorgungslücke zu begründen.

Zu beachten ist schließlich, dass die Klägerin nach ihrem Erstgespräch beim Dipl.-Psych. L. diesen erst wieder am 16.05. und danach erst wieder am 30.05. konsultierte. Der Dipl.-Psych. L. erklärte, dass das Erstgespräch am 18.04. eine Krisenintervention dargestellt habe und sich die Symptomatik von Beginn an gebessert habe. Die Einschätzung, dass sich von Beginn der Behandlung an eine Besserung gezeigt habe, wird von der Klägerin geteilt. Angesichts dieser Entwicklung des Genesungsprozesses sowie des konkreten zeitlichen Ablaufs der Behandlung wird deutlich, dass die Klägerin mit fachärztlichen Interventionen bzw. kurzfristigen Erstgesprächen sowie einer Therapie nach einer Wartezeit von zwei Monaten hinreichend versorgt gewesen wäre.

Auf das laut Klägerin schnell aufgebaute Vertrauensverhältnis zu ihrem Therapeuten kommt es nicht an (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.08.2009, L 16 KR 132/09).

Auch die sonstigen Voraussetzungen von § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind nicht gegeben.

So sind der Klägerin nicht etwa im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative SGB V Kosten dadurch entstanden, dass die Beklagte eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Denn eine Kostenerstattung nach dieser Alternative setzt einen Kausalzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung voraus. Die Leistung muss zeitlich nach der Erteilung des Bescheids erbracht werden (vgl. Brandts, a.a.O., Rdnr. 90 f.). Das war hier aber nicht Fall. Denn die Klägerin hat mit der Therapie beim Dipl.-Psych. L. bereits am 18.04.2008 und damit vor dem ablehnenden Bescheid der Beklagten vom 30.05.2008 begonnen. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits drei Behandlungen in Anspruch genommen worden. Aus dem kurz danach von der Klägerin erhobenen Widerspruch geht auch mit hinreichender Deutlichkeit hervor, dass sie sich bereits auf eine Behandlung beim Dipl.-Psych. L. festgelegt hatte. Der Versicherte darf sich aber "nicht – unabhängig davon, wie eine Entscheidung der Krankenkasse ausfällt – von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung bei einem nicht zugelassenen Leistungserbringer festgelegt haben" (vgl. Brandts, a.a.O., Rdnr. 91 m.w.N.; vgl. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 20.08.2009, L 16 KR 132/09). Selbst der Antrag auf Kostenerstattung datiert auf den 07.05.2008 und damit auf einen Zeitpunkt nach Beginn der Behandlung.

Schließlich ging es nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne von § 13 Abs. 3 Satz 1 erste Alternative SGB V, die nicht rechtzeitig von der Beklagten erbracht wurde. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn die Behandlung so dringlich ist, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit besteht, die Entscheidung der Krankenkasse einzuholen (vgl. Brandts, a.a.O., Rdnr. 75). Gegen das Vorliegen eines solchen Falls spricht hier, dass die Klägerin den Antrag bei der Beklagten erst am 07.05.2008 und damit fast einen Monat nach Ende der Krankenhausbehandlung gestellt hat. Die Beklagte entschied dann immerhin nach gut drei Wochen. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zur fehlenden Versorgungslücke verwiesen, die hier entsprechend gelten.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG, die Zulässigkeit der Berufung ergibt sich aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die Kosten für die Inanspruchnahme der Behandlung einen Betrag von 750,00 EUR übersteigen.
Rechtskraft
Aus
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