Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 7 AL 114/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 87/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Rechtsmittelbelehrung ist auch ohne einen Hinweis auf die Möglichkeit, die Berufung mittels elektronischen Dokuments einzulegen, vollständig und richtig. Die Einlegung eines Rechtsmittels mittels elektronischen Dokuments unterliegt besonderen Voraussetzungen und Umständen auf die nicht gesondert hingewiesen werden muss.
2. Die notwendige Wegweiserfunktion der Rechtsmittelbelehrung ist auch erfüllt, wenn über die zusätzliche Möglichkeit, Dokumente auch elektronisch einreichen zu können, nicht gesondert belehrt worden ist.
3. Es liegt im Verschulden der Klägerin, während eines 5-wöchigen Urlaubs keine Vorsorge für den Erhalt fristauslösender Schriftstücke des Gerichts zu treffen, wenn sie wegen einer etwa 3 Monate vor der Abreise stattgefundenen, mündlichen Verhandlung mit dem Zugang eines Urteils rechnen musste.
2. Die notwendige Wegweiserfunktion der Rechtsmittelbelehrung ist auch erfüllt, wenn über die zusätzliche Möglichkeit, Dokumente auch elektronisch einreichen zu können, nicht gesondert belehrt worden ist.
3. Es liegt im Verschulden der Klägerin, während eines 5-wöchigen Urlaubs keine Vorsorge für den Erhalt fristauslösender Schriftstücke des Gerichts zu treffen, wenn sie wegen einer etwa 3 Monate vor der Abreise stattgefundenen, mündlichen Verhandlung mit dem Zugang eines Urteils rechnen musste.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Januar 2010 wird als unzulässig verworfen.
II. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rücknahme und Erstattung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 3. Mai 2006 bis 30. September 2006 in Höhe von 2.924,87 Euro.
Die 1950 geborene Klägerin bezog bis zum 2. Mai 2006 Krankengeld von der B. und ab dem 3. Mai 2006 Arbeitslosengeld (ALG) von der Beklagten in Höhe von 588,90 Euro monatlich (19,63 Euro täglich). Mit Bescheid vom 17. August 2006 gewährte die RV Bund der Klägerin rückwirkend ab dem 1. Juni 2005 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 752,66 Euro für Juni 2005 und ab Juli 2005 in Höhe von 748,93 Euro monatlich. Die hieraus folgende Nachzahlung für den Zeitraum von Juni 2005 bis September 2006 in Höhe von 11.986,61 Euro überwies die RV Bund Ende August zur Abrechnung an die B. (KK). Die KK behielt 8.290,28 Euro für das von ihr gezahlte Krankengeld ein und zahlte 3.696,33 Euro an die Klägerin aus. Dies teilte die Klägerin der Beklagten am 19. Oktober 2006 mit.
Mit Bescheid vom 9. November 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld gem. § 48 SGB X i.V.m. § 330 SGB III für den Zeitraum vom 3. Mai 2006 bis 30. September 2006 auf. Sie wies die Klägerin darauf hin, dass es zu einer Überzahlung in Höhe von 2.924,87 Euro gekommen sei. Eine Rückzahlung durch die Klägerin komme in Betracht, wenn ein Erstattungsanspruch nicht bestehe oder nicht erfüllt werde. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe die mit Bescheid vom 17. August 2006 gewährte Rente den Sozialleistungsträgern bis zum 19. Oktober 2006 mitgeteilt. Die B. habe von der Überzahlung 8.290,28 Euro einbehalten. Weitere Forderungen würden nun von der Beklagten und vom Job-Center geltend gemacht. Wenn sie diese entrichte, verbleibe nicht einmal der zugesicherte Rentenbetrag für die betreffenden Monate.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2007 forderte die Beklagte Erstattung des gezahlten Arbeitslosengeldes von der Klägerin. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2007 zurück. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld habe nach § 142 Abs. 1 Nr. 3 SGB III geruht. Die gezahlten Leistungen seien von der Klägerin zu erstatten, weil ein Erstattungsanspruch von der RV Bund und der B. nicht habe erfüllt werden können. Die RV Bund habe mit befreiender Wirkung an die KK gezahlt und die KK habe mit befreiender Wirkung an die Klägerin gezahlt.
Am 28. Februar 2007 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Frankfurt erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil v. 6. Januar 2010 abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Dem Urteil war folgende Rechtsmittelbelehrung beigefügt:
"Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Hessischen Landessozialgericht, Steubenplatz 14, 64293 Darmstadt schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main, Gutleutstraße 136, 60327 Frankfurt schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird."
Gegen das der Klägerin am 16. April 2010 zugestellte Urteil hat diese am 25. Mai 2010 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Sie sei mit ihrem Ehemann vom 13. April bis 16. Mai 2010 bei ihren Kindern in C. zur Erholung gewesen und habe das Urteil deshalb erst nach ihrer Rückkehr erhalten. Während der Urlaubszeit habe eine Nachbarin die Post gesammelt. Die Klägerin habe versäumt, diese auf mögliche Schreiben des Gerichts hinzuweisen und um Mitteilung zu bitten, weil die Abreise wegen einer Erkrankung ihres Ehemannes übereilt erfolgt sei. Mit dem Zugang des Urteils habe sie nicht rechnen können, da die mündliche Verhandlung bereits am 6. Januar 2010 stattgefunden habe und seitdem bereits ¼ Jahr vergangen gewesen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Januar 2010 und die Bescheide vom 9. November 2006 und 8. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin habe die Beklagte erst mit der Veränderungsmitteilung vom 17. Oktober 2006 über die Rentenbewilligung in Kenntnis gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Nachzahlung von der RV Bund bereits erfolgt und an die KK bzw. an die Klägerin ausgezahlt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist nicht zulässig, denn sie ist nicht fristgerecht erfolgt gem. § 151 Abs. 1 SGG.
Gegen das ihr am 16. April 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. Mai 2010 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Damit hat sie die nach § 151 Abs. 1 SGG geltende Berufungsfrist von einem Monat ab Zustellung des Urteils nicht eingehalten.
Die dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt beigefügte Rechtsmittelbelehrung war auch ohne einen Hinweis auf die Möglichkeit, die Berufung mittels elektronischen Dokuments einzulegen, vollständig und richtig. Es galt deshalb nicht etwa die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG. Nach § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Stelle bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, ist die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung möglich, § 66 Abs. 2 SGG. Nach dem Wortlaut des § 66 Abs. 1 SGG ist es nicht notwendig, auch über die notwendige Form des anzubringenden Rechtsbehelfs zu belehren. Das BSG geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass "zu den wesentlichen Einzelheiten, über die die Beteiligten belehrt werden müssen, auch die für den Rechtsbehelf vorgeschriebene Form gehöre, weil eine Rechtsbehelfsbelehrung nur dann richtig sei, wenn sie vollständig sei". Vollständig ist sie, wenn sie die Beteiligten über die für sie wesentlichen Einzelheiten des Rechtsbehelfs unterrichtet (BSG, 1, 194); hierzu gehört auch die vorgeschriebene Form (BSG 7, 16).
Der nach Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JkomG) v. 22. März 2005 in das Sozialgerichtsgesetz -SGG- eingefügte § 65a SGG eröffnet die Möglichkeit der Einreichung elektronischer Schriftsätze im gerichtlichen Verfahren. Seit dem 17. Dezember 2007 ist der elektronische Rechtsverkehr bei den Hessischen Sozialgerichten und dem Landessozialgericht zugelassen (Vo v. 26.10.07, GVBL 07, 699).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsmittelbelehrung keinen Hinweis auf die elektronische Form enthalten muss, weil sie als Unterfall der schriftlichen Form anzusehen ist. Gegen die Annahme des Unterfalls spricht die Verwendung der Begriffe im Gesetz. Nach § 158 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt ist. Danach wird die elektronische Form als gesonderte Form benannt, die nicht mit der schriftlichen gleichzusetzen ist. Auch in § 66 Abs. 1 SGG heißt es, dass die Rechtsbehelfsbelehrung ihrerseits "schriftlich oder elektronisch" erfolgen kann, was darauf hindeutet, dass die elektronische Form eine gegenüber der schriftlichen eigenständige Möglichkeit darstellt. Nach den §§ 126 Abs. 3 BGB und 36a SGB I kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, d.h. die elektronische Form wird gerade nicht als ein Unterfall der Schriftform angesehen. Kennzeichnend ist für die Schriftlichkeit -sei es durch Fernschreiben, Telebrief oder Telefax-, dass die Fixierung auf ein stoffliches Medium, in der Regel Papier erfolgt (VG Trier, 22.09.2009, 1 K 365/09.TR). Auf dieses Charakteristikum verweist auch die Begründung zum "Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsverkehr vom 13. Juli 2001 (BT-Drucks. 14/4987, S. 1). Die so verstandene Schriftlichkeit unterscheidet sich von der elektronischen Datenübermittlung.
Die Rechtsmittelbelehrung war vollständig, weil die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels mittels elektronischer Datenübermittlung besonderen Voraussetzungen und Umständen unterliegt, auf die nicht gesondert hingewiesen werden muss (a.A.: LSG Berlin-Brandenburg v. 25.11.2010, L 5 AS 1773/10 B; Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl. 2008, § 66 Rn. 10; VG Trier 22.09.2009, 1 K 365/09.TR; VG Potsdam v. 18.08.2010, 6 K 2929/09). Nicht auf jede Möglichkeit, fristwahrend ein Rechtsmittel einzulegen, ist in der Rechtsmittelbelehrung hinzuweisen. So wird es grundsätzlich als ausreichend erachtet, wenn die Beteiligten auf den "Regelweg" hingewiesen werden. Der Hinweis auf sog. "Auch-Möglichkeiten" ist dagegen entbehrlich und gehört nicht zu den zwingenden Formerfordernissen. Die Rechtsmittelbelehrung soll nur einen Hinweis geben, welche ersten Schritte ein Beteiligter unternehmen muss (BSGE 1, 227, 229; BSG SozR § 66 SGG Nr. 23). Dazu sollte sie so einfach und klar wie möglich gehalten werden. Die Rechtsmittelbelehrung soll auch für einen juristischen Laien verständlich bleiben und deshalb nicht mit komplizierten rechtlichen Hinweisen überfrachtet werden. Infolgedessen muss sie nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen, sondern den Beteiligten nur in die richtige Richtung lenken. Deshalb braucht z.B. nicht auf die Möglichkeiten des § 91 Abs. 1 SGG und des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGG (schriftlich bei einer anderen inländischen Behörde oder einem Versicherungsträger oder einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland) hingewiesen werden (BSG v. 11.08.1976, 10 RV 225/75) bzw. auf alternative Möglichkeiten zur Fristwahrung durch Einreichung des Rechtsbehelfs bei einer unzuständigen Behörde (BSG v. 7.7.1999, B 3 P 4/99 R; BSGE 42, 140). Für den Fall der Berufung wird auf den Hinweis nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG verzichtet, wonach die Berufung auch schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG möglich ist (BSG v. 14.01.1958, 11/8 RV 97/57).
Als Regelweg bestimmt das SGG in § 90 für die Klageerhebung, dass die Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben ist. In § 151 Abs. 1 SGG ist als Regelweg die Berufung bei dem LSG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (BSG v. 22.03.1963, 11 RV 628/62). Beide Alternativen stehen selbständig nebeneinander, weshalb die Belehrung über die Möglichkeit der Klage bzw. Berufungseinlegung zur Niederschrift beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als notwendig erachtet wird (BSG 7,1 und v. 22.03.1963, 11 RV 628/62). Auf die in § 151 Abs. 2 SGG vorgesehene Möglichkeit, die Klage auch bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen, muss dagegen nicht hingewiesen werden. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 14.01.1958, 11/8 RV 97/57) enthält § 151 Abs. 2 SGG lediglich eine Ausnahme von der Regel des § 151 Abs. 1 SGG. § 151 Abs. 2 SGG bestimme nur, dass die Frist für die beim LSG anzubringende Berufung "auch" gewahrt sei, wenn die Berufung zur Niederschrift des Urkundsbeamten des SG, also in einer von § 151 Abs. 1 SGG abweichenden Form erklärt werde.
Ob die vorstehenden Grundsätze auf die elektronische Form zu übertragen sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Dafür könnte sprechen, dass diese weder in den §§ 90 und 151 Abs. 1 SGG als Regelweg für die Einlegung der Klage und Berufung genannt, noch in den §§ 84 Abs. 1 Satz 1, 164 Abs. 1 Satz 1 oder 173 Satz 1 SGG gesondert erwähnt wird. In § 65 a SGG ist allgemein geregelt, dass die Beteiligten dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln können. Die Vorschrift bezieht sich auf alle Arten von Dokumenten und schreibt für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, eine qualifizierte, elektronische Signatur vor, § 65 a Satz 3 SGG. Darüber hinaus ist die elektronische Form lediglich in § 158 Satz 1 SGG erwähnt, der bestimmt, dass die mittels elektronischer Form eingelegte Berufung nicht unzulässig ist. Dagegen könnte eingewandt werden, dass die Regelungen zur elektronischen Form nur gesetzestechnisch - quasi vor die Klammer gezogen - in § 65a Satz 3 SGG zusammengefasst sind, ohne damit den Status einer gleichwertigen Form neben der schriftlich oder zur Niederschrift erfolgenden Rechtsmitteleinlegung zu verlieren, wie auch § 158 Abs. 1 SGG zum Ausdruck bringt.
Unabhängig davon bringen die vorbenannten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Ausdruck, dass besondere sachliche Gründe einen gesonderten Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung entbehrlich machen können. Die notwendige Wegweiserfunktion der Rechtsmittelbelehrung ist auch erfüllt, wenn über die zusätzliche Möglichkeit, Dokumente auch elektronisch einreichen zu können, nicht gesondert belehrt worden ist. Auch ein rechtsunkundiger Bürger wird nicht davon abgehalten, die notwendigen Schritte zur Einlegung eines Rechtsbehelfs vorzunehmen. Dies folgt aus der derzeit nur geringen Verbreitung des Verfahrens und insbesondere aus dem vorgeschriebenen Verfahren selbst. Denn es kann nicht ohne Weiteres auf elektronischem Weg Berufung eingelegt werden. Die elektronische Datei genügt den Anforderungen nur, wenn sie qualifiziert signiert ist und nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften vom 26. Oktober 2007 (GVBl I 2007, 699) in der jeweils geltenden Fassung (GVBl 20-31) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten übermittelt wird. Hierfür ist eine gesonderte Software erforderlich, die - ebenso wie weitere Informationen über das Verfahren - über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs lizenzfrei heruntergeladen werden können. Die mangelnde Belehrung darüber, dass die Berufung auch beim Sozialgericht - als in der Regel örtlich näherem Gericht - eingelegt werden kann bzw. dass Klage und Berufung auch als fristwahrend gelten, wenn sie bei einer anderen inländischen Behörde oder einem Versicherungsträger eingelegt werden, ist deutlich erheblicher, weil diese Möglichkeiten der Rechtsmitteleinlegung derzeit als für den Rechtsuchenden deutlich näher liegend anzusehen sind, als die elektronische Datenübermittlung.
Für die Vollständigkeit einer Rechtsmittelbelehrung ohne Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Datenübermittlung spricht schließlich die Gefahr der Unübersichtlichkeit der Belehrungen, die gerade dem Zweck, den Rechtsunkundigen über die notwendigen Schritte zur Einlegung eines Rechtsbehelfs zu informieren, widerspricht (so auch Wolff-Dellen in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 66 Rdnr. 24). Wird in den Rechtsmittelbelehrungen über den Regelweg hinaus auf alle weiteren Möglichkeiten der Einlegung von Rechtsmitteln belehrt, werden diese mit einer Vielzahl von Informationen überfrachtet und bergen die Gefahr, dass der Belehrungsadressat die notwendigen und für ihn naheliegenden Schritte für die Einlegung eines Rechtsmittels nicht mehr erkennen kann (zu irreführenden Zusätzen BSG v. 18.10.2007, B 3 P 24/07 B). Diese Gefahr besteht aber gerade bei einem Hinweis auf die elektronische Datenübermittlung, denn allein die Angabe, dass Rechtsbehelfe auch mittels elektronischen Dokuments eingelegt werden können, könnte den Eindruck erwecken, Rechtsmitteleinlegung sei auch durch einfache E-Mail möglich. Weitere Hinweise auf die Notwendigkeit der qualifizierten elektronischen Signatur und der Anmeldung zum Verfahren sind deshalb unabdingbar.
Der Klägerin ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG zu gewähren, denn sie hat die Einhaltung der Berufungsfrist schuldhaft versäumt. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Die Ausführungen der Klägerin, wonach sie wegen einer Urlaubsreise verhindert war, fristgerecht Berufung einzulegen, ist als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzusehen.
Die Anforderungen daran, was ein Betroffener zur Erlangung der Wiedereinsetzung und damit zur Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zu tun habe, dürfen nicht überspannt werden. Für die Zeit von Urlaubsreisen oder sonstiger vorübergehender Abwesenheit von einer ständigen Wohnung sind im Regelfall keine besonderen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass eingehende Sendungen den Betroffenen erreichen. Denn der Bürger darf grundsätzlich damit rechnen, dass ihm bei Frist- oder Terminsversäumnissen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder eine nachträgliche Möglichkeit zu rechtlichem Gehör gewährt wird (BVerfG v. 11.2.1976, 2 BvR 849/75 und v. 6.10.1992, 2 BvR 805/91). Etwas anderes gilt aber, wenn der Betroffene den Eingang an ihn gerichteter Schriftstücke in der Zeit seiner Abwesenheit erwarten musste (BVerfG v. 7.8.07, BvR 685/07 und v. 9.7.1969, 2 BvR 753/68; v. 11.2.1976, 2 BvR 849/75; großzügiger: BSG v. 24.08.1976, 8 RU 130/75 unter Berufung auf BVerfG v. 16.11.1972, 2 BvR 21/72). Ist der Betroffene an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt oder hat er konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein solches gegen ihn beginnen und während seiner Abwesenheit Fristen in Lauf gesetzt oder Termine bestimmt werden, so obliegt es ihm, seinen Posteingang zu kontrollieren und für eine rechtzeitige Erledigung fristwahrender Handlungen zu sorgen (BGH v. 24.07.2000, II ZB 22/99; BGH v. 19.12.1994, II ZR 174/94, BGH v. 27.11.1991, IV ZR 237/91; BVerwG v. 30.03.1995, 11 B 29/95). Trifft er eine entsprechende Vorsorge nicht, so kann er sich nach einer hierauf beruhenden Frist- oder Terminsversäumung nicht darauf berufen, ihm sei das rechtliche Gehör nicht hinreichend gewährt worden (BSG v. 9.7.04, B 9 V 10/04 B; BVerwG vom 26.4.1973, VI B 41.72).
Die Klägerin musste wegen der am 16. Januar 2006 stattgefundenen mündlichen Verhandlung damit rechnen, dass ihr während der von ihr angetretenen Urlaubsreise vom 13. April 2010 bis 16. Mai 2010 das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main zugestellt wird. Um hiergegen Berufung einlegen zu können, hätte sie entweder die Kontrolle ihrer Post durch Dritte veranlassen oder einen Nachsendeauftrag bei der Post stellen müssen. Seit der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2006 war noch nicht so viel Zeit vergangen, dass die Klägerin mit einer Zustellung des Urteils nicht mehr rechnen musste. Vielmehr hätte es nahe gelegen, die mit der Entnahme der Post beauftragte Nachbarin auf den möglichen Eingang von Gerichtspost hinzuweisen, das Sozialgericht von der bevorstehenden Urlaubsreise zu unterrichten, die Post zu ihrer Urlaubsanschrift (bei der Tochter) senden zu lassen oder einen sonstigen Empfangsbevollmächtigten zu bestimmen.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Berufung auch im Falle ihrer Zulässigkeit nicht begründet wäre. Die Klägerin ist zur Rückerstattung des für den Zeitraum vom 3. Mai 2006 bis 30. September 2006 erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.924,87 Euro verpflichtet, denn sie hat für denselben Zeitraum eine Erwerbsminderungsrente erhalten. Nach § 125 SGB III hat der Empfänger von Arbeitslosengeld, der für denselben Zeitraum Rente wegen Erwerbsminderung erhalten hat, die erhaltenen Leistungen an die Bundesagentur zu erstatten. Die Regelung des § 125 Abs. 3 S. 2 SGB III soll verhindern, dass der Arbeitslose durch eine Zahlung beider Leistungsträger begünstigt wird (Amtliche Begründung, Bundestag-Drucksache 13/4941, Seite 177).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, denn über die Frage, ob die Rechtsmittelbelehrung einen Hinweis auf die Möglichkeit, die Berufung mittels elektronischen Dokuments einzulegen, enthalten muss, hat das BSG bislang nicht entschieden.
II. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rücknahme und Erstattung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 3. Mai 2006 bis 30. September 2006 in Höhe von 2.924,87 Euro.
Die 1950 geborene Klägerin bezog bis zum 2. Mai 2006 Krankengeld von der B. und ab dem 3. Mai 2006 Arbeitslosengeld (ALG) von der Beklagten in Höhe von 588,90 Euro monatlich (19,63 Euro täglich). Mit Bescheid vom 17. August 2006 gewährte die RV Bund der Klägerin rückwirkend ab dem 1. Juni 2005 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 752,66 Euro für Juni 2005 und ab Juli 2005 in Höhe von 748,93 Euro monatlich. Die hieraus folgende Nachzahlung für den Zeitraum von Juni 2005 bis September 2006 in Höhe von 11.986,61 Euro überwies die RV Bund Ende August zur Abrechnung an die B. (KK). Die KK behielt 8.290,28 Euro für das von ihr gezahlte Krankengeld ein und zahlte 3.696,33 Euro an die Klägerin aus. Dies teilte die Klägerin der Beklagten am 19. Oktober 2006 mit.
Mit Bescheid vom 9. November 2006 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld gem. § 48 SGB X i.V.m. § 330 SGB III für den Zeitraum vom 3. Mai 2006 bis 30. September 2006 auf. Sie wies die Klägerin darauf hin, dass es zu einer Überzahlung in Höhe von 2.924,87 Euro gekommen sei. Eine Rückzahlung durch die Klägerin komme in Betracht, wenn ein Erstattungsanspruch nicht bestehe oder nicht erfüllt werde. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Sie habe die mit Bescheid vom 17. August 2006 gewährte Rente den Sozialleistungsträgern bis zum 19. Oktober 2006 mitgeteilt. Die B. habe von der Überzahlung 8.290,28 Euro einbehalten. Weitere Forderungen würden nun von der Beklagten und vom Job-Center geltend gemacht. Wenn sie diese entrichte, verbleibe nicht einmal der zugesicherte Rentenbetrag für die betreffenden Monate.
Mit Bescheid vom 8. Februar 2007 forderte die Beklagte Erstattung des gezahlten Arbeitslosengeldes von der Klägerin. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2007 zurück. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld habe nach § 142 Abs. 1 Nr. 3 SGB III geruht. Die gezahlten Leistungen seien von der Klägerin zu erstatten, weil ein Erstattungsanspruch von der RV Bund und der B. nicht habe erfüllt werden können. Die RV Bund habe mit befreiender Wirkung an die KK gezahlt und die KK habe mit befreiender Wirkung an die Klägerin gezahlt.
Am 28. Februar 2007 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Frankfurt erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil v. 6. Januar 2010 abgewiesen und zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen. Dem Urteil war folgende Rechtsmittelbelehrung beigefügt:
"Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Hessischen Landessozialgericht, Steubenplatz 14, 64293 Darmstadt schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main, Gutleutstraße 136, 60327 Frankfurt schriftlich oder zur Niederschrift der Urkundsbeamtin/des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird."
Gegen das der Klägerin am 16. April 2010 zugestellte Urteil hat diese am 25. Mai 2010 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Sie sei mit ihrem Ehemann vom 13. April bis 16. Mai 2010 bei ihren Kindern in C. zur Erholung gewesen und habe das Urteil deshalb erst nach ihrer Rückkehr erhalten. Während der Urlaubszeit habe eine Nachbarin die Post gesammelt. Die Klägerin habe versäumt, diese auf mögliche Schreiben des Gerichts hinzuweisen und um Mitteilung zu bitten, weil die Abreise wegen einer Erkrankung ihres Ehemannes übereilt erfolgt sei. Mit dem Zugang des Urteils habe sie nicht rechnen können, da die mündliche Verhandlung bereits am 6. Januar 2010 stattgefunden habe und seitdem bereits ¼ Jahr vergangen gewesen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Januar 2010 und die Bescheide vom 9. November 2006 und 8. Februar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Februar 2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin habe die Beklagte erst mit der Veränderungsmitteilung vom 17. Oktober 2006 über die Rentenbewilligung in Kenntnis gesetzt. Zu diesem Zeitpunkt sei die Nachzahlung von der RV Bund bereits erfolgt und an die KK bzw. an die Klägerin ausgezahlt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist nicht zulässig, denn sie ist nicht fristgerecht erfolgt gem. § 151 Abs. 1 SGG.
Gegen das ihr am 16. April 2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 25. Mai 2010 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Damit hat sie die nach § 151 Abs. 1 SGG geltende Berufungsfrist von einem Monat ab Zustellung des Urteils nicht eingehalten.
Die dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt beigefügte Rechtsmittelbelehrung war auch ohne einen Hinweis auf die Möglichkeit, die Berufung mittels elektronischen Dokuments einzulegen, vollständig und richtig. Es galt deshalb nicht etwa die Jahresfrist des § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG. Nach § 66 Abs. 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Stelle bei der der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, ist die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres seit Zustellung möglich, § 66 Abs. 2 SGG. Nach dem Wortlaut des § 66 Abs. 1 SGG ist es nicht notwendig, auch über die notwendige Form des anzubringenden Rechtsbehelfs zu belehren. Das BSG geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass "zu den wesentlichen Einzelheiten, über die die Beteiligten belehrt werden müssen, auch die für den Rechtsbehelf vorgeschriebene Form gehöre, weil eine Rechtsbehelfsbelehrung nur dann richtig sei, wenn sie vollständig sei". Vollständig ist sie, wenn sie die Beteiligten über die für sie wesentlichen Einzelheiten des Rechtsbehelfs unterrichtet (BSG, 1, 194); hierzu gehört auch die vorgeschriebene Form (BSG 7, 16).
Der nach Art. 4 Nr. 3 des Gesetzes über die Verwendung elektronischer Kommunikationsformen in der Justiz (Justizkommunikationsgesetz – JkomG) v. 22. März 2005 in das Sozialgerichtsgesetz -SGG- eingefügte § 65a SGG eröffnet die Möglichkeit der Einreichung elektronischer Schriftsätze im gerichtlichen Verfahren. Seit dem 17. Dezember 2007 ist der elektronische Rechtsverkehr bei den Hessischen Sozialgerichten und dem Landessozialgericht zugelassen (Vo v. 26.10.07, GVBL 07, 699).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Rechtsmittelbelehrung keinen Hinweis auf die elektronische Form enthalten muss, weil sie als Unterfall der schriftlichen Form anzusehen ist. Gegen die Annahme des Unterfalls spricht die Verwendung der Begriffe im Gesetz. Nach § 158 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt ist. Danach wird die elektronische Form als gesonderte Form benannt, die nicht mit der schriftlichen gleichzusetzen ist. Auch in § 66 Abs. 1 SGG heißt es, dass die Rechtsbehelfsbelehrung ihrerseits "schriftlich oder elektronisch" erfolgen kann, was darauf hindeutet, dass die elektronische Form eine gegenüber der schriftlichen eigenständige Möglichkeit darstellt. Nach den §§ 126 Abs. 3 BGB und 36a SGB I kann die schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, d.h. die elektronische Form wird gerade nicht als ein Unterfall der Schriftform angesehen. Kennzeichnend ist für die Schriftlichkeit -sei es durch Fernschreiben, Telebrief oder Telefax-, dass die Fixierung auf ein stoffliches Medium, in der Regel Papier erfolgt (VG Trier, 22.09.2009, 1 K 365/09.TR). Auf dieses Charakteristikum verweist auch die Begründung zum "Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsverkehr vom 13. Juli 2001 (BT-Drucks. 14/4987, S. 1). Die so verstandene Schriftlichkeit unterscheidet sich von der elektronischen Datenübermittlung.
Die Rechtsmittelbelehrung war vollständig, weil die Möglichkeit der Einlegung eines Rechtsmittels mittels elektronischer Datenübermittlung besonderen Voraussetzungen und Umständen unterliegt, auf die nicht gesondert hingewiesen werden muss (a.A.: LSG Berlin-Brandenburg v. 25.11.2010, L 5 AS 1773/10 B; Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG 9. Aufl. 2008, § 66 Rn. 10; VG Trier 22.09.2009, 1 K 365/09.TR; VG Potsdam v. 18.08.2010, 6 K 2929/09). Nicht auf jede Möglichkeit, fristwahrend ein Rechtsmittel einzulegen, ist in der Rechtsmittelbelehrung hinzuweisen. So wird es grundsätzlich als ausreichend erachtet, wenn die Beteiligten auf den "Regelweg" hingewiesen werden. Der Hinweis auf sog. "Auch-Möglichkeiten" ist dagegen entbehrlich und gehört nicht zu den zwingenden Formerfordernissen. Die Rechtsmittelbelehrung soll nur einen Hinweis geben, welche ersten Schritte ein Beteiligter unternehmen muss (BSGE 1, 227, 229; BSG SozR § 66 SGG Nr. 23). Dazu sollte sie so einfach und klar wie möglich gehalten werden. Die Rechtsmittelbelehrung soll auch für einen juristischen Laien verständlich bleiben und deshalb nicht mit komplizierten rechtlichen Hinweisen überfrachtet werden. Infolgedessen muss sie nicht allen tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten Rechnung tragen, sondern den Beteiligten nur in die richtige Richtung lenken. Deshalb braucht z.B. nicht auf die Möglichkeiten des § 91 Abs. 1 SGG und des § 84 Abs. 2 Satz 1 SGG (schriftlich bei einer anderen inländischen Behörde oder einem Versicherungsträger oder einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland) hingewiesen werden (BSG v. 11.08.1976, 10 RV 225/75) bzw. auf alternative Möglichkeiten zur Fristwahrung durch Einreichung des Rechtsbehelfs bei einer unzuständigen Behörde (BSG v. 7.7.1999, B 3 P 4/99 R; BSGE 42, 140). Für den Fall der Berufung wird auf den Hinweis nach § 151 Abs. 2 Satz 1 SGG verzichtet, wonach die Berufung auch schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des SG möglich ist (BSG v. 14.01.1958, 11/8 RV 97/57).
Als Regelweg bestimmt das SGG in § 90 für die Klageerhebung, dass die Klage bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben ist. In § 151 Abs. 1 SGG ist als Regelweg die Berufung bei dem LSG schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (BSG v. 22.03.1963, 11 RV 628/62). Beide Alternativen stehen selbständig nebeneinander, weshalb die Belehrung über die Möglichkeit der Klage bzw. Berufungseinlegung zur Niederschrift beim Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als notwendig erachtet wird (BSG 7,1 und v. 22.03.1963, 11 RV 628/62). Auf die in § 151 Abs. 2 SGG vorgesehene Möglichkeit, die Klage auch bei dem Sozialgericht schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen, muss dagegen nicht hingewiesen werden. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 14.01.1958, 11/8 RV 97/57) enthält § 151 Abs. 2 SGG lediglich eine Ausnahme von der Regel des § 151 Abs. 1 SGG. § 151 Abs. 2 SGG bestimme nur, dass die Frist für die beim LSG anzubringende Berufung "auch" gewahrt sei, wenn die Berufung zur Niederschrift des Urkundsbeamten des SG, also in einer von § 151 Abs. 1 SGG abweichenden Form erklärt werde.
Ob die vorstehenden Grundsätze auf die elektronische Form zu übertragen sind, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Dafür könnte sprechen, dass diese weder in den §§ 90 und 151 Abs. 1 SGG als Regelweg für die Einlegung der Klage und Berufung genannt, noch in den §§ 84 Abs. 1 Satz 1, 164 Abs. 1 Satz 1 oder 173 Satz 1 SGG gesondert erwähnt wird. In § 65 a SGG ist allgemein geregelt, dass die Beteiligten dem Gericht elektronische Dokumente übermitteln können. Die Vorschrift bezieht sich auf alle Arten von Dokumenten und schreibt für Dokumente, die einem schriftlich zu unterzeichnenden Schriftstück gleichstehen, eine qualifizierte, elektronische Signatur vor, § 65 a Satz 3 SGG. Darüber hinaus ist die elektronische Form lediglich in § 158 Satz 1 SGG erwähnt, der bestimmt, dass die mittels elektronischer Form eingelegte Berufung nicht unzulässig ist. Dagegen könnte eingewandt werden, dass die Regelungen zur elektronischen Form nur gesetzestechnisch - quasi vor die Klammer gezogen - in § 65a Satz 3 SGG zusammengefasst sind, ohne damit den Status einer gleichwertigen Form neben der schriftlich oder zur Niederschrift erfolgenden Rechtsmitteleinlegung zu verlieren, wie auch § 158 Abs. 1 SGG zum Ausdruck bringt.
Unabhängig davon bringen die vorbenannten Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Ausdruck, dass besondere sachliche Gründe einen gesonderten Hinweis in der Rechtsmittelbelehrung entbehrlich machen können. Die notwendige Wegweiserfunktion der Rechtsmittelbelehrung ist auch erfüllt, wenn über die zusätzliche Möglichkeit, Dokumente auch elektronisch einreichen zu können, nicht gesondert belehrt worden ist. Auch ein rechtsunkundiger Bürger wird nicht davon abgehalten, die notwendigen Schritte zur Einlegung eines Rechtsbehelfs vorzunehmen. Dies folgt aus der derzeit nur geringen Verbreitung des Verfahrens und insbesondere aus dem vorgeschriebenen Verfahren selbst. Denn es kann nicht ohne Weiteres auf elektronischem Weg Berufung eingelegt werden. Die elektronische Datei genügt den Anforderungen nur, wenn sie qualifiziert signiert ist und nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften vom 26. Oktober 2007 (GVBl I 2007, 699) in der jeweils geltenden Fassung (GVBl 20-31) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten übermittelt wird. Hierfür ist eine gesonderte Software erforderlich, die - ebenso wie weitere Informationen über das Verfahren - über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs lizenzfrei heruntergeladen werden können. Die mangelnde Belehrung darüber, dass die Berufung auch beim Sozialgericht - als in der Regel örtlich näherem Gericht - eingelegt werden kann bzw. dass Klage und Berufung auch als fristwahrend gelten, wenn sie bei einer anderen inländischen Behörde oder einem Versicherungsträger eingelegt werden, ist deutlich erheblicher, weil diese Möglichkeiten der Rechtsmitteleinlegung derzeit als für den Rechtsuchenden deutlich näher liegend anzusehen sind, als die elektronische Datenübermittlung.
Für die Vollständigkeit einer Rechtsmittelbelehrung ohne Hinweis auf die Möglichkeit der elektronischen Datenübermittlung spricht schließlich die Gefahr der Unübersichtlichkeit der Belehrungen, die gerade dem Zweck, den Rechtsunkundigen über die notwendigen Schritte zur Einlegung eines Rechtsbehelfs zu informieren, widerspricht (so auch Wolff-Dellen in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2009, § 66 Rdnr. 24). Wird in den Rechtsmittelbelehrungen über den Regelweg hinaus auf alle weiteren Möglichkeiten der Einlegung von Rechtsmitteln belehrt, werden diese mit einer Vielzahl von Informationen überfrachtet und bergen die Gefahr, dass der Belehrungsadressat die notwendigen und für ihn naheliegenden Schritte für die Einlegung eines Rechtsmittels nicht mehr erkennen kann (zu irreführenden Zusätzen BSG v. 18.10.2007, B 3 P 24/07 B). Diese Gefahr besteht aber gerade bei einem Hinweis auf die elektronische Datenübermittlung, denn allein die Angabe, dass Rechtsbehelfe auch mittels elektronischen Dokuments eingelegt werden können, könnte den Eindruck erwecken, Rechtsmitteleinlegung sei auch durch einfache E-Mail möglich. Weitere Hinweise auf die Notwendigkeit der qualifizierten elektronischen Signatur und der Anmeldung zum Verfahren sind deshalb unabdingbar.
Der Klägerin ist auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG zu gewähren, denn sie hat die Einhaltung der Berufungsfrist schuldhaft versäumt. Gemäß § 67 Abs. 1 SGG ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Die Ausführungen der Klägerin, wonach sie wegen einer Urlaubsreise verhindert war, fristgerecht Berufung einzulegen, ist als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand anzusehen.
Die Anforderungen daran, was ein Betroffener zur Erlangung der Wiedereinsetzung und damit zur Wahrung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) zu tun habe, dürfen nicht überspannt werden. Für die Zeit von Urlaubsreisen oder sonstiger vorübergehender Abwesenheit von einer ständigen Wohnung sind im Regelfall keine besonderen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass eingehende Sendungen den Betroffenen erreichen. Denn der Bürger darf grundsätzlich damit rechnen, dass ihm bei Frist- oder Terminsversäumnissen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder eine nachträgliche Möglichkeit zu rechtlichem Gehör gewährt wird (BVerfG v. 11.2.1976, 2 BvR 849/75 und v. 6.10.1992, 2 BvR 805/91). Etwas anderes gilt aber, wenn der Betroffene den Eingang an ihn gerichteter Schriftstücke in der Zeit seiner Abwesenheit erwarten musste (BVerfG v. 7.8.07, BvR 685/07 und v. 9.7.1969, 2 BvR 753/68; v. 11.2.1976, 2 BvR 849/75; großzügiger: BSG v. 24.08.1976, 8 RU 130/75 unter Berufung auf BVerfG v. 16.11.1972, 2 BvR 21/72). Ist der Betroffene an einem gerichtlichen Verfahren beteiligt oder hat er konkrete Anhaltspunkte dafür, dass ein solches gegen ihn beginnen und während seiner Abwesenheit Fristen in Lauf gesetzt oder Termine bestimmt werden, so obliegt es ihm, seinen Posteingang zu kontrollieren und für eine rechtzeitige Erledigung fristwahrender Handlungen zu sorgen (BGH v. 24.07.2000, II ZB 22/99; BGH v. 19.12.1994, II ZR 174/94, BGH v. 27.11.1991, IV ZR 237/91; BVerwG v. 30.03.1995, 11 B 29/95). Trifft er eine entsprechende Vorsorge nicht, so kann er sich nach einer hierauf beruhenden Frist- oder Terminsversäumung nicht darauf berufen, ihm sei das rechtliche Gehör nicht hinreichend gewährt worden (BSG v. 9.7.04, B 9 V 10/04 B; BVerwG vom 26.4.1973, VI B 41.72).
Die Klägerin musste wegen der am 16. Januar 2006 stattgefundenen mündlichen Verhandlung damit rechnen, dass ihr während der von ihr angetretenen Urlaubsreise vom 13. April 2010 bis 16. Mai 2010 das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main zugestellt wird. Um hiergegen Berufung einlegen zu können, hätte sie entweder die Kontrolle ihrer Post durch Dritte veranlassen oder einen Nachsendeauftrag bei der Post stellen müssen. Seit der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2006 war noch nicht so viel Zeit vergangen, dass die Klägerin mit einer Zustellung des Urteils nicht mehr rechnen musste. Vielmehr hätte es nahe gelegen, die mit der Entnahme der Post beauftragte Nachbarin auf den möglichen Eingang von Gerichtspost hinzuweisen, das Sozialgericht von der bevorstehenden Urlaubsreise zu unterrichten, die Post zu ihrer Urlaubsanschrift (bei der Tochter) senden zu lassen oder einen sonstigen Empfangsbevollmächtigten zu bestimmen.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Berufung auch im Falle ihrer Zulässigkeit nicht begründet wäre. Die Klägerin ist zur Rückerstattung des für den Zeitraum vom 3. Mai 2006 bis 30. September 2006 erhaltenen Arbeitslosengeldes in Höhe von 2.924,87 Euro verpflichtet, denn sie hat für denselben Zeitraum eine Erwerbsminderungsrente erhalten. Nach § 125 SGB III hat der Empfänger von Arbeitslosengeld, der für denselben Zeitraum Rente wegen Erwerbsminderung erhalten hat, die erhaltenen Leistungen an die Bundesagentur zu erstatten. Die Regelung des § 125 Abs. 3 S. 2 SGB III soll verhindern, dass der Arbeitslose durch eine Zahlung beider Leistungsträger begünstigt wird (Amtliche Begründung, Bundestag-Drucksache 13/4941, Seite 177).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, denn über die Frage, ob die Rechtsmittelbelehrung einen Hinweis auf die Möglichkeit, die Berufung mittels elektronischen Dokuments einzulegen, enthalten muss, hat das BSG bislang nicht entschieden.
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