L 7 KR 199/09 B

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 KR 217/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 KR 199/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Bis zur Beendigung eines Streits über den Versichertenstatus gehören auch diejenigen, die sich gegen den
eine Versicherungspflicht feststellenden Bescheid wenden, zum Personenkreis des § 183 SGG (Anschluss an
BSG, Urteil vom 05.10.2006 - B 10 LW 5/05 R).
Auf die Beschwerden wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 16.09.2009 aufgehoben.

Gründe:

I. Streitig ist, ob das dem Beschwerdeverfahren zugrunde liegende Hauptsacheverfahren gerichtskostenfrei ist.

Die Beklagte und Beschwerdeführerin zu 1. (im Folgenden: Beklagte) stellte mit Bescheid vom 15.03.2007 für den Zeitraum 01.09.1999 bis 30.09.2000 fest, dass der Kläger und Beschwerdegegner (im Folgenden: Kläger) vom 01.09.1999 bis 30.09.2000 in allen Sozialversicherungszweigen abhängig beschäftigt gewesen sei. Ab 01.10.2000 gelte diese Feststellung nur für die Renten- und Arbeitslosenversicherung, weil der Kläger wegen Überschreitens der Jahresentgeltgrenze in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung versicherungsfrei sei. Der gegen den Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2007 zurückgewiesen.

Auf die hiergegen vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhobene Klage ist mit Urteil vom 01.09.2009 der Bescheid vom 15.03.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2007 aufgehoben und festgestellt worden, dass der Kläger ab 01.09.1999 in allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungsfrei sei. Die Beklagte trage die Kosten des Verfahrens. Am 30.11.2009 haben die Beklagte und die Beigeladene zu 1. jeweils Berufung gegen das ihnen jeweils am 30.10.2009 zugestellte Urteil erhoben.

Mit Beschluss vom 16.09.2009 hat das SG den Streitwert auf 5.000,00 EUR festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen des § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor, weil eine Statusfeststellung des Beklagten streitgegenständlich gewesen sei und der Kläger im Verfahren obsiegt habe. Eine Kostenprivilegierung sei in einer solchen Fallkonstellation ausgeschlossen. Somit sei gemäß § 197a SGG eine Kostenerhebung nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) geboten. Da der Gegen-standswert summenmäßig nicht feststehe, sei der Bestimmung des Streitwertes und der Gebührenberechnung der Regelstreitwert zugrunde zu legen. Der Beschluss ist der Beklagten und der Beigeladenen zu 1. am 30.10.2009 und der Beigeladenen zu 2. am 02.11.2009 zugestellt worden.

Am 23.11.2009 hat die Beklagte Beschwerde gegen den Beschluss vom 16.09.2009 eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das Urteil sei noch nicht rechtskräftig und deshalb sei offen, ob der Kläger als Versicherter anzusehen sei oder nicht. Die Beschwerde werde gleichlautend auch für die Beigeladene zu 2. erhoben. Die Beigeladene zu 1. hat am 30.11.2009 Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt und dies damit begründet, dass Versicherter gemäß § 183 SGG unabhängig vom Ausgang des Verfahrens jeder Beteiligte sei, über dessen Status als Versicherter gestritten werde. Auch wenn der Beteiligte die vom Versicherungsträger behauptete Versicherteneigenschaft bestreite, gelte der insoweit allgemeine Rechtsgedanke des § 183 Satz 3 SGG.

Die Beklagte und die Beigeladene zu 1. und 2. beantragen, den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 16.09.2009 aufzuheben.

Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beigeladenen zu 3. - 5. haben keinen Antrag gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.

II. Die Beschwerden sind statthaft (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 63 Abs. 3 Satz 2 GKG) erhoben. Sie sind auch begründet.

Entgegen der Auffassung des SG sind in dem der Beschwerde zugrundeliegenden Hauptsacheverfahren Kosten nach dem GKG gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zu erheben. Versicherter i.S.v. § 183 SGG ist nämlich unabhängig vom Ausgang des Verfahrens jeder Beteiligte, über dessen Status als Versicherter gestritten wird. Zwar ist dem SG zuzugeben, dass sich dies dem Wortlaut des § 183 Satz 3 SGG nicht entnehmen lässt. Hiernach stehen nämlich (nur) die Personen, die im Falle des Obsiegens zu dem in Satz 1 der Vorschrift genannten Personenkreis - Versicherte, Leistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger - gehören würden, diesem Personenkreis gleich, so dass das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit auch für sie gerichtskostenfrei ist.

Jedoch gilt diese Regelung nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG - Urteil vom 05.10.2006 - B 10 LW 5/05 R, RdNr. 16) auch für die - umgekehrte - Fallgestaltung, in welcher die vom Versicherungsträger behauptete Versicherteneigenschaft (erfolgreich) bestritten wird. Insoweit hat das BSG in dem genannten Verfahren, in welchem die Höhe der Aufwendungen für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren streitig war, ausgeführt: "Es trifft zwar zu, dass die Klägerin nach dem Ergebnis des Vorverfahrens rückschauend betrachtet im hier maßgeblichen Zeitraum nicht in der Alterssicherung der Landwirte versichert war. Damit war sie aber kosten- und gebührenrechtlich nicht von vornherein durchgehend aus dem Kreis der Versicherten ausgeschlossen. Denn dazu gehören neben denjenigen, deren Versicherteneigenschaft durch bestandskräftigen Bescheid festgestellt ist, bis zur Beendigung eines Streits über diesen Status auch solche Personen, die gegen den eine Versicherungspflicht feststellenden Bescheid (überdies ohne aufschiebende Wirkung, § 86a Abs 2 Nr 1 SGG) Widerspruch einlegen und ggf Klage erheben (vgl dazu Meyer-Ladewig/Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Komm, 8. Aufl, § 183 RdNr 5). Eine solche Zugehörigkeit ordnet § 183 Satz 3 SGG ausdrücklich für Personen an, denen ein Versicherungsträger ihre Versicherteneigenschaft bestreitet: Den in Satz 1 genannten "Versicherten" werden solche Personen gleichgestellt, die es im Falle des Obsiegens wären. Das Gesetz behandelt damit auch diejenigen als Versicherte, die es nach dem - künftigen - Ergebnis des Rechtsstreits niemals gewesen sind. Für den - hier vorliegenden - umgekehrten Fall einer Klägerin, die ihre vom Versicherungsträger behauptete Versicherteneigenschaft (im Ergebnis erfolgreich) bestritten hat, gilt nichts anderes. Die Regelung des § 183 Satz 3 SGG geht sinngemäß davon aus, dass Versicherter jedermann ist, dessen Versicherteneigenschaft ein Versicherungsträger (wenn auch noch nicht bestandskräftig) festgestellt hat. Mit diesem Inhalt ist § 183 SGG Ausdruck des allgemeinen Gedankens, dass über die Zugehörigkeit zu einem der in Satz 3 genannten Personenkreise nicht erst das Ergebnis des Streits über den Status als Versicherter entscheidet, sondern für die Zwecke des Kosten- und Gebührenrechts die konkret umstrittene Eigenschaft als "Versicherter", unabhängig davon, ob der jeweilige Kläger diesen Status erstrebt oder sich gegen eine entsprechende Feststellung wendet."

Dieser Rechtsprechung schließt sich der Senat nach eigener Prüfung an. Er hält die zitierte Rechtsprechung des BSG auch deshalb für richtig, weil der Rechtsstreit seine Grundlage in der Behandlung des Klägers als Versicherter hatte und der Kläger sich gerade gegen seine Heranziehung als Versicherter wendet (vgl. hierzu SächsLSG, Beschluss vom 22.1.2005 - L 2 B 207/05 U-LW, RdNr. 19).

Soweit im auch in der Entscheidung des SG zitierten Urteil des BSG vom 05.10.2006 (a.a.O.) eine Kostenentscheidung nach § 197a SGG getroffen wurde, beruhte dies lediglich darauf, dass in dem dort entschiedenen Verfahren zum Zeitpunkt der Klagerhebung bereits feststand, dass die Klägerin nicht gemäß § 183 SGG kostenprivilegiert war und im gerichtlichen Verfahren lediglich die Kosten des Vorverfahrens streitig waren.

Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).

Wagner Schuler Klotzbücher
Rechtskraft
Aus
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