Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 AS 789/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 739/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Februar 2011 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Abänderung bestandskräftiger Bewilligungsbescheide und höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am 11.03.1968 geborene Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Er wohnte zunächst im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Dieser erließ die Bewilligungsbescheide vom 10.12.2004, 23.06.2005, 19.08.2005, 15.11.2005, 05.05.2006, 22.11.2006, 09.05.2007, 15.11.2007, 27.05.2008, 27.01.2009 und 20.05.2009. Hierbei legte er durchgängig die jeweilige Regelleistung für alleinstehende erwerbsfähige Hilfebedürftige von monatlich EUR 345,00 von Januar 2005 bis Juni 2007, EUR 347,00 von Juli 2007 bis Juni 2008, EUR 351,00 von Juli 2008 bis Juni 2009 und EUR 359,00 ab Juni 2009 zu Grunde. Mit Bescheid vom 10.07.2009 hob der Beklagte den laufenden Bewilligungsbescheid ab dem 09.07.2009 auf, weil der Kläger in den Bezirk eines anderen JobCenters gezogen war.
Mit Schreiben vom 29.11.2009, bei dem Beklagten am 03.12.2009 eingegangen, beantragte der Kläger die Überprüfung aller bisherigen Bewilligungs- und Änderungsbescheide nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Er führte aus, sein Bedarf sei auf der Grundlage der Regelleistung ermittelt worden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in mehreren Verfahren am 20.10.2009 über die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung verhandelt. Unter Bezug auf die zu Grunde liegenden Vorlagebeschlüsse und Verfassungsbeschwerden sei auch er - der Kläger - der Ansicht, dass die bisherigen Bewilligungsbescheide aller Voraussicht nach rechtswidrig seien und höhere Leistungen festzusetzen seien. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 02.02.2010 ab. Die bestandskräftigen Entscheidungen seien rechtmäßig. Bis zu einer ggfs. anders lautenden Entscheidung des BVerfG habe er - der Beklagte - von der Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Regelung auszugehen. Nach § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) seien auch dann, wenn eine gesetzliche Regelung für verfassungswidrig erklärt werde, bestandskräftige Entscheidungen nur für die Zeit nach der Entscheidung des BVerfG zurückzunehmen. Sollte nach einer Entscheidung des BVerfG eine rückwirkende Erhöhung der allgemeinen Regelleistung notwendig sein, so habe der Gesetzgeber die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
Der Kläger legte Widerspruch ein und trug ergänzend vor, die von dem Beklagten genannte Regelung über die Rücknahme bestandskräftiger Entscheidungen nur für Zeiten nach einer Beanstandung durch das BVerfG impliziere eine Legitimation von Verfassungswidrigkeiten für den Verfahrenszeitraum einer Verfassungsbeschwerde. Hierdurch entstehe Schaden am Volk, alle Staatsgewalt gehe jedoch vom Volke aus. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2010 zurück. Er führte aus, das BVerfG habe am 09.02.2010 entschieden, dass die Vorschriften über die Regelleistung - zwar - nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllten, aber bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31.12.2010, anwendbar blieben. Der Widerspruchsbescheid konnte zunächst nicht zugestellt werden, weil der Kläger zum 01.03.2010 wieder in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten gezogen war. Er ging ihm jedoch später zu.
Der Kläger hat am 01.04.2010 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Die Begründung des Widerspruchsbescheids sei ohne Bezug zu seiner - des Klägers - Argumentation.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide lägen nicht vor. Der Beklagte habe das Recht richtig angewandt. Das BVerfG habe in dem Urteil vom 09.02.2010 bestimmt, dass die bisherigen Vorschriften bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31.12.2010, weiter anwendbar seien. Weitere Rechtsfehler, aus denen sich ein Anspruch auf höhere Leistungen für die Vergangenheit ergeben könne, habe der Kläger nicht geltend gemacht.
Am 14.02.2011 hat der Kläger beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er führt aus, auch der Gerichtsbescheid habe seine Argumentation zur (unzulässigen) Legitimierung einer Verfassungswidrigkeit für die Vergangenheit vollständig übergangen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. März 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 10. Dezember 2004, 23. Juni 2005, 19. August 2005, 15. November 2005, 05. Mai 2006, 22. November 2006, 09. Mai 2007, 15. November 2007, 27. Mai 2008, 27. Januar 2009 und 20. Mai 2009 abzuändern, und zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 08. Juli 2009 höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat den Antrag des Klägers so verstanden, dass er den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 08.07.2009 umfasst. Nur in diesem Zeitraum war der Beklagte für ihn zuständig (§ 36 Sätze 1 und 2 SGB II). Danach war in den Bezirk eines anderen JobCenters umgezogen. Für die Zeit ab dem 09.07.2009 könnte der Kläger Überprüfungsbegehren oder Nachzahlungsansprüche daher allenfalls gegen jenes JobCenter erheben.
Nach dieser Auslegung ist die Berufung des Klägers zulässig. Insbesondere war sie nicht nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulassungsbedürftig. Die notwendige Beschwer ist erreicht, auch wenn der Kläger nicht konkret vorgetragen hat, um wieviel höher die Leistungen sein sollen, die er zusätzlich begehrt. Jedenfalls sind höhere Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis 08.07.2009 im Streit (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, die bestandskräftigen Bewilligungsbescheide seit dem 01.01.2005 teilweise zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 SGB X) und nach §§ 19 ff. SGB II höhere Leistungen für diesen Zeitraum zu bewilligen.
Zur Begründung verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid.
Ergänzend ist auszuführen, dass der angegriffene Bescheid vom 02.02.2010 auch nicht wegen örtlicher Unzuständigkeit des Beklagten rechtswidrig war. Zwar entscheidet nach § 44 Abs. 3 SGB X auch über die Rücknahme bestandskräftiger Entscheidungen die - nunmehr - zuständige Behörde, dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist. Für den Kläger war ab dem 09.07.2010 und auch zur Zeit der Entscheidung über den Überprüfungsantrag nicht der Beklagte, sondern ein anderes JobCenter zuständig. Jedoch erfasst § 44 Abs. 3 SGB X nur Fälle, in denen nunmehr eine andere Behörde für den Erlass "des ursprünglichen Bescheids" zuständig geworden ist (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 44 Rn. 37). Für die Bewilligung von Leistungen im Streitzeitraum 01.01.2005 bis 08.07.2009 war jedoch das neue JobCenter nicht zuständig geworden.
Ebenso weist der Senat nur ergänzend darauf hin, dass die Argumentation des Klägers nicht zutrifft, es sei eine unzulässige "Legitimierung" verfassungswidriger Zustände, wenn die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Regelungen nicht auch für die Vergangenheit, also für die Zeit vor der Entscheidung des BVerfG, angenommen werde. Vielmehr ist die Regelung in § 330 Abs. 1 SGB III, die der Beklagte genannt hat, verfassungsmäßig. Sie entspricht § 79 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG). Nach dieser Vorschrift bleiben vorbehaltlich anderer Regelungen nicht mehr anfechtbare Entscheidungen - dazu zählen auch Verwaltungsakte - unberührt, und zwar sogar dann, wenn das BVerfG die zu Grunde liegende Norm für nichtig erklärt hat. Dies gilt gerade auch für Entscheidungen des BVerfG über Verfassungsbeschwerden (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). In seinem Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG die Vorschriften über die (Ermittlung der) Regelleistung nach dem SGB II jedoch nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Hierdurch war verfassungsrechtlich klargestellt, dass die angegriffenen Vorschriften bis zum 31.12.2010 galten und anzuwenden waren. Diese Entscheidung des BVerfG hat nach § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung für alle Behörde, also auch den Beklagten. Darüber hinaus kam ihr, da sie in Verfahren der konkreten Normenkontrolle und der Verfassungsbeschwerde erging, nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zu.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich, nachdem die Rechtslage durch die Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 bindend geklärt ist.
2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Abänderung bestandskräftiger Bewilligungsbescheide und höhere Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der am 11.03.1968 geborene Kläger bezieht seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem SGB II. Er wohnte zunächst im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Dieser erließ die Bewilligungsbescheide vom 10.12.2004, 23.06.2005, 19.08.2005, 15.11.2005, 05.05.2006, 22.11.2006, 09.05.2007, 15.11.2007, 27.05.2008, 27.01.2009 und 20.05.2009. Hierbei legte er durchgängig die jeweilige Regelleistung für alleinstehende erwerbsfähige Hilfebedürftige von monatlich EUR 345,00 von Januar 2005 bis Juni 2007, EUR 347,00 von Juli 2007 bis Juni 2008, EUR 351,00 von Juli 2008 bis Juni 2009 und EUR 359,00 ab Juni 2009 zu Grunde. Mit Bescheid vom 10.07.2009 hob der Beklagte den laufenden Bewilligungsbescheid ab dem 09.07.2009 auf, weil der Kläger in den Bezirk eines anderen JobCenters gezogen war.
Mit Schreiben vom 29.11.2009, bei dem Beklagten am 03.12.2009 eingegangen, beantragte der Kläger die Überprüfung aller bisherigen Bewilligungs- und Änderungsbescheide nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Er führte aus, sein Bedarf sei auf der Grundlage der Regelleistung ermittelt worden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in mehreren Verfahren am 20.10.2009 über die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung verhandelt. Unter Bezug auf die zu Grunde liegenden Vorlagebeschlüsse und Verfassungsbeschwerden sei auch er - der Kläger - der Ansicht, dass die bisherigen Bewilligungsbescheide aller Voraussicht nach rechtswidrig seien und höhere Leistungen festzusetzen seien. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 02.02.2010 ab. Die bestandskräftigen Entscheidungen seien rechtmäßig. Bis zu einer ggfs. anders lautenden Entscheidung des BVerfG habe er - der Beklagte - von der Verfassungsmäßigkeit der aktuellen Regelung auszugehen. Nach § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) seien auch dann, wenn eine gesetzliche Regelung für verfassungswidrig erklärt werde, bestandskräftige Entscheidungen nur für die Zeit nach der Entscheidung des BVerfG zurückzunehmen. Sollte nach einer Entscheidung des BVerfG eine rückwirkende Erhöhung der allgemeinen Regelleistung notwendig sein, so habe der Gesetzgeber die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
Der Kläger legte Widerspruch ein und trug ergänzend vor, die von dem Beklagten genannte Regelung über die Rücknahme bestandskräftiger Entscheidungen nur für Zeiten nach einer Beanstandung durch das BVerfG impliziere eine Legitimation von Verfassungswidrigkeiten für den Verfahrenszeitraum einer Verfassungsbeschwerde. Hierdurch entstehe Schaden am Volk, alle Staatsgewalt gehe jedoch vom Volke aus. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 02.03.2010 zurück. Er führte aus, das BVerfG habe am 09.02.2010 entschieden, dass die Vorschriften über die Regelleistung - zwar - nicht den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erfüllten, aber bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31.12.2010, anwendbar blieben. Der Widerspruchsbescheid konnte zunächst nicht zugestellt werden, weil der Kläger zum 01.03.2010 wieder in den Zuständigkeitsbereich des Beklagten gezogen war. Er ging ihm jedoch später zu.
Der Kläger hat am 01.04.2010 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Die Begründung des Widerspruchsbescheids sei ohne Bezug zu seiner - des Klägers - Argumentation.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.01.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide lägen nicht vor. Der Beklagte habe das Recht richtig angewandt. Das BVerfG habe in dem Urteil vom 09.02.2010 bestimmt, dass die bisherigen Vorschriften bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber, längstens bis zum 31.12.2010, weiter anwendbar seien. Weitere Rechtsfehler, aus denen sich ein Anspruch auf höhere Leistungen für die Vergangenheit ergeben könne, habe der Kläger nicht geltend gemacht.
Am 14.02.2011 hat der Kläger beim SG Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Er führt aus, auch der Gerichtsbescheid habe seine Argumentation zur (unzulässigen) Legitimierung einer Verfassungswidrigkeit für die Vergangenheit vollständig übergangen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 14. Januar 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02. Februar 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02. März 2010 zu verpflichten, die Bescheide vom 10. Dezember 2004, 23. Juni 2005, 19. August 2005, 15. November 2005, 05. Mai 2006, 22. November 2006, 09. Mai 2007, 15. November 2007, 27. Mai 2008, 27. Januar 2009 und 20. Mai 2009 abzuändern, und zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis zum 08. Juli 2009 höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat hat den Antrag des Klägers so verstanden, dass er den Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 08.07.2009 umfasst. Nur in diesem Zeitraum war der Beklagte für ihn zuständig (§ 36 Sätze 1 und 2 SGB II). Danach war in den Bezirk eines anderen JobCenters umgezogen. Für die Zeit ab dem 09.07.2009 könnte der Kläger Überprüfungsbegehren oder Nachzahlungsansprüche daher allenfalls gegen jenes JobCenter erheben.
Nach dieser Auslegung ist die Berufung des Klägers zulässig. Insbesondere war sie nicht nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulassungsbedürftig. Die notwendige Beschwer ist erreicht, auch wenn der Kläger nicht konkret vorgetragen hat, um wieviel höher die Leistungen sein sollen, die er zusätzlich begehrt. Jedenfalls sind höhere Leistungen für die Zeit vom 01.01.2005 bis 08.07.2009 im Streit (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage des Klägers zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen den Beklagten, die bestandskräftigen Bewilligungsbescheide seit dem 01.01.2005 teilweise zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 SGB X) und nach §§ 19 ff. SGB II höhere Leistungen für diesen Zeitraum zu bewilligen.
Zur Begründung verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Ausführungen des SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid.
Ergänzend ist auszuführen, dass der angegriffene Bescheid vom 02.02.2010 auch nicht wegen örtlicher Unzuständigkeit des Beklagten rechtswidrig war. Zwar entscheidet nach § 44 Abs. 3 SGB X auch über die Rücknahme bestandskräftiger Entscheidungen die - nunmehr - zuständige Behörde, dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist. Für den Kläger war ab dem 09.07.2010 und auch zur Zeit der Entscheidung über den Überprüfungsantrag nicht der Beklagte, sondern ein anderes JobCenter zuständig. Jedoch erfasst § 44 Abs. 3 SGB X nur Fälle, in denen nunmehr eine andere Behörde für den Erlass "des ursprünglichen Bescheids" zuständig geworden ist (vgl. Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 44 Rn. 37). Für die Bewilligung von Leistungen im Streitzeitraum 01.01.2005 bis 08.07.2009 war jedoch das neue JobCenter nicht zuständig geworden.
Ebenso weist der Senat nur ergänzend darauf hin, dass die Argumentation des Klägers nicht zutrifft, es sei eine unzulässige "Legitimierung" verfassungswidriger Zustände, wenn die Verfassungswidrigkeit gesetzlicher Regelungen nicht auch für die Vergangenheit, also für die Zeit vor der Entscheidung des BVerfG, angenommen werde. Vielmehr ist die Regelung in § 330 Abs. 1 SGB III, die der Beklagte genannt hat, verfassungsmäßig. Sie entspricht § 79 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG). Nach dieser Vorschrift bleiben vorbehaltlich anderer Regelungen nicht mehr anfechtbare Entscheidungen - dazu zählen auch Verwaltungsakte - unberührt, und zwar sogar dann, wenn das BVerfG die zu Grunde liegende Norm für nichtig erklärt hat. Dies gilt gerade auch für Entscheidungen des BVerfG über Verfassungsbeschwerden (§ 95 Abs. 3 Satz 2 BVerfGG). In seinem Urteil vom 09.02.2010 hat das BVerfG die Vorschriften über die (Ermittlung der) Regelleistung nach dem SGB II jedoch nicht für nichtig, sondern nur für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt. Hierdurch war verfassungsrechtlich klargestellt, dass die angegriffenen Vorschriften bis zum 31.12.2010 galten und anzuwenden waren. Diese Entscheidung des BVerfG hat nach § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung für alle Behörde, also auch den Beklagten. Darüber hinaus kam ihr, da sie in Verfahren der konkreten Normenkontrolle und der Verfassungsbeschwerde erging, nach § 31 Abs. 2 BVerfGG Gesetzeskraft zu.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich, nachdem die Rechtslage durch die Entscheidung des BVerfG vom 09.02.2010 bindend geklärt ist.
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