L 2 SF 44/11 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 SF 35/11
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SF 44/11 B
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Qualitative Mängel eines Gutachtens begründen in der Regel nicht die Besorgnis der Befangenheit.
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 14.01.2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. H. besteht.
Der Kläger und Beschwerdeführer begehrte im Klageverfahren vor dem Sozialgericht München die Gewährung der Pflegestufe I. Dies hatte die Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2010 abgelehnt.
Das Sozialgericht hat mit Beweisanordnung vom 06.10.2010 Dr. H. H., M., mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Der Sachverständige ist in seinem Gutachten vom 08.12.2010 nach ambulanter Untersuchung zum Ergebnis gekommen, dass beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Pflegestufe nicht vorlägen. Dieses Gutachten wurde den Beteiligten mit Schreiben vom 16.12.2010 zur Kenntnis und dem Klägerbevollmächtigten zur Stellungnahme bis 21.01.2011 zugeleitet.
Am 15.12.2010 hat die Bevollmächtigte des Beschwerdeführers einen Befangenheitsantrag gegen den Gutachter Dr. H. gestellt. Der Gutachter habe die Pflegeeinrichtung nicht über sein Kommen informiert. Er habe es sehr eilig gehabt und das Zimmer des Beschwerdeführers nach 35 Minuten verlassen. Von der Betreuerin auf eine schriftliche Bestätigung im Hinblick auf die kurze Zeit der Begutachtung angesprochen habe er ein weiteres Gespräch verweigert.
Das Sozialgericht hat daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen angefordert. Dieser hat am 24.12.2010 mitgeteilt, dass keine Voreingenommenheit gegenüber dem Beschwerdeführer oder der Betreuerin vorgelegen habe.
Mit Beschluss vom 14.01.2011 hat das Sozialgericht München den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. H. zurückgewiesen. Die Besorgnis der Befangenheit könne nicht darauf gestützt werden, wie der Sachverständige sein Gutachten erstattet und die persönliche Untersuchung gestalte. Der Beschwerdeführer habe das Recht einen eigenen Sachverständigen zu benennen.
Mit Gerichtsbescheid vom 09.02.2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat sich im Wesentlichen auf das Gutachten des Dr. H. gestützt.
Gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 15.12.2010 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt. Der Gutachter habe eine Antipathie zur Betreuerin des Klägers in seiner Stellungnahme selbst beschrieben und diese auch direkt in das Gutachtensergebnis einfließen lassen.
Die Beklagte hat sich in der Sache nicht geäußert.
II.
Die statthafte und zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist unbegründet.
Nach § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) anzuwenden. Nach §§ 406 Abs. 2 Satz 1, 411 Abs. 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Gericht oder dem Richter, von dem der Sachverständige ernannt ist, zwei Wochen nach Verkündigung oder Zustellung des Beschlusses über die Ernennung zu stellen - zu einem späteren Zeitpunkt nach § 406 Abs. 2 Satz 2 ZPO nur dann, wenn der Antragsteller Gründe nennen kann, dass er die Befangenheit ohne sein Verschulden erst zu einem späteren Zeitpunkt geltend machen konnte. Da sich vorliegend die geltend gemachte Besorgnis der Befangenheit aus der Untersuchung vom 07.12.2010 ergibt, war das am 15.12.2010 eingegangene Ablehnungsgesuch fristgemäß.
Nach §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen. Der Grund, der das Misstrauen rechtfertigt, muss bei objektiver und vernünftiger Betrachtungsweise vom Standpunkt der Partei aus vorliegen. Rein subjektive Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden aus (Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl., § 42 Rdnr. 9).
Der Beschwerdeführer begründet die Beschwerde vor allem damit, dass sich der Gutachter gegenüber der Betreuerin aggressiv verhalten habe, nachdem diese von ihm eine Bestätigung über die Dauer der Untersuchung haben wollte. Eine Voreingenommenheit lässt sich jedoch daraus nicht entnehmen. Es ist vielmehr Recht und Pflicht des Sachverständigen, die Untersuchungen vorzunehmen, die für die Beantwortung der Beweisfragen erforderlich sind. Ob sich eine kürzere Untersuchung in qualitativen Mängeln eines Gutachtens niederschlägt, ist vom Gericht im Einzelfall zu beurteilen. Hieraus lässt sich jedoch nicht die Besorgnis der Befangenheit ableiten.
Auch aus dem Wortwechsel, der sich zwischen der Betreuerin und dem Gutachter nach der Untersuchung entwickelt hat, ist eine Befangenheit oder Antipathie nicht abzuleiten. Der Sachverständige kannte vor der Untersuchung weder den Beschwerdeführer noch die Betreuerin. Dass es nach der Untersuchung zu einer Auseinandersetzung mit der Betreuerin kam, weil er sich weigerte, eine Bestätigung auszustellen, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Auf eine solche Bestätigung hatte die Betreuerin keinen Anspruch. Diese ist, wie oben ausgeführt, für das Gericht auch unerheblich.
Abschließend sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die die Besorgnis der Befangenheit gegenüber dem Sachverständigen Dr. H. rechtfertigen könnten. Das Sozialgericht hat damit zutreffend den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen Dr. H. zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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