Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 AS 1592/09
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 392/10
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wenn eine Behörde eine zuvor erfolgte Bewilligung einer Leistung übersieht und den ursprünglichen Leistungsantrag ablehnt, kann diese Ablehnung nicht in eine Aufhebung oder Rücknahme einer zuvor erfolgten Bewilligung umgedeutet werden.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 14. April 2010 wird zurückgewiesen. Auf die Klage wird der Bescheid vom 26.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2010 für die Zeit von 01.07.2009 bis 31.12.2009 aufgehoben.
II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld II für die Zeit von Juli bis einschließlich Dezember 2009, das ihr bewilligt, entzogen und nach Aufhebung des Entziehungsbescheids durch das Sozialgericht vom Beklagten nochmals abgelehnt wurde.
Die im Jahr 1956 geborene Klägerin bezog bis 30.06.2009 laufend Arbeitslosengeld II. Sie bewohnt eine Eigentumswohnung.
Im Januar 2009 teilte die Klägerin mit, dass ein Herr O. aus A. sich als Gast in ihrer Wohnung aufhalte, den sie krankenpflegerisch betreue. Eine Ummeldung oder ein Umzug von Herrn O. komme nicht in Frage, "wegen völlig ungeklärter und nicht fester Situation". In einem weiteren Schreiben führte die Klägerin aus, dass Herr O. ihr "Dauergast" sei.
Auf den Fortzahlungsantrag vom 26.05.2009 wurden mit Bescheid vom 03.06.2009 Leistungen für die Zeit von 01.07.2009 bis 31.12.2009 bewilligt und wegen höherer Regelleistung mit Änderungsbescheid vom 06.06.2009 auf zuletzt monatlich 736,89 Euro erhöht. Diese beiden Bescheide befinden sich nicht in der Verwaltungsakte.
Anschließend forderte der Beklagte mit zwei Schreiben Auskünfte zu den Kosten der Unterkunft, die Vorlage von Kontoauszügen und Informationen zum Einkommen aus einer Tätigkeit der Klägerin als Krankenschwester. Am 22.06.2009 kam es zu einem unangemeldeten Hausbesuch bei der Klägerin, um das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft der Klägerin mit Herrn O. zu überprüfen. Herr O. (geboren 1936) wurde dort angetroffen, der Zutritt zur Wohnung wurde aber nicht gestattet.
Mit Bescheid vom 23.06.2009 verfügte der Beklagte, dass die Gewährung von Leistungen ab 01.07.2009 ganz versagt werde wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Am 29.06.2009 erhob die Klägerin Widerspruch - sie sei wegen ihrer Arbeit verhindert gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Darin wurde die vorherige Bewilligung nicht erwähnt.
Ab 01.01.2010 erhält die Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem Zahlbetrag von 747,79 Euro.
Mit Schreiben vom 12.02.2010 wurde Herr O. aufgefordert, Unterlagen zu seinem Einkommen und Vermögen vorzulegen. Herr O. bestritt das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft und erteilte keine Auskünfte.
Bereits am 14.12.2009 wurde Klage auf Aufhebung des Versagungsbescheids erhoben sowie auf Erbringung von Leistungen ab 01.07.2009. Das Sozialgericht hob mit Urteil vom 14.04.2010 den Bescheid vom 23.06.2009 auf. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Klage auf Leistung sei unzulässig. Es liege nur ein Versagungsbescheid vor, keine Sachentscheidung zum Leistungsanspruch. Der Beklagte habe die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Mit Bescheid vom 26.04.2010 wurde der ursprüngliche Antrag vom 26.05.2009 in der Sache abgelehnt. Es bestehe eine eheähnliche Gemeinschaft. Die Hilfebedürftigkeit sei nicht nachgewiesen. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2010 zurückgewiesen. Dagegen ist nach Auskunft des Beklagten am Sozialgericht die Klage S 15 AS 374/11 anhängig.
Am 18.05.2010 hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Die Klägerin teilte mit, dass sie von Herrn O. für ihre Versorgungsleistungen keine finanziellen Leistungen erhalten habe. Die Klägerin forderte in zahlreichen - zeitweise fast täglichen - eigenen Schreiben die Gewährung der Leistungen. Sie erklärte in Hinblick auf ihre Rente, dass es ihr nur um die Leistungen in der Zeit von 01.07.2009 bis 31.12.2009 gehe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Ablehnungsbescheid vom 26.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2010 aufzuheben, soweit er Leistungen für die Zeit von 01.07.2009 bis 31.12.2009 entgegensteht.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Entziehungsbescheid wurde bereits vom Sozialgericht aufgehoben. Die danach erfolgte Ablehnung in der Sache wurde jedoch gemäß § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens. Diese Ablehnung ist aufzuheben, weil sie rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
Die Klägerin begehrt - wie schon im Klageverfahren - Leistungen für die Zeit von 01.07.2009 bis 31.12.2009.
Streitgegenstand des Klageverfahrens war der Entziehungsbescheid vom 23.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009, der die zuvor bewilligte Leistung wieder entzog. Mit Aufhebung des Entziehungsbescheids durch das Sozialgericht war die ursprüngliche Bewilligung wieder in Kraft. Das Sozialgericht hatte jedoch nicht erkannt, dass es sich nicht um einen Versagungsbescheid, sondern um einen Entziehungsbescheid handelte, weil die dahinter stehenden Bewilligungsbescheide vom 03.06.2009/06.06.2009 nicht in der Verwaltungsakte enthalten waren. Das Sozialgericht hat deshalb die auch auf Leistungen gerichtete Klage insoweit abgewiesen, obwohl der Leistungsanspruch der Klägerin bereits durch die Aufhebung des Entziehungsbescheids hergestellt war. Insoweit war die Klägerin zumindest formell beschwert (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, Rn. 6 vor § 143).
Nach dem Urteil des Sozialgerichts verfügte der Beklagte einen Ablehnungsbescheid vom 26.04.2010 zum Antrag vom 26.05.2009, weil selbst der Beklagte die bereits erfolgte Bewilligung übersah. Bei Einlegung der Berufung am 18.05.2010 war der Ablehnungsbescheid vom 26.04.2010 bereits erlassen. Die Berufungseinlegung mit dem unveränderten Leistungsbegehren ist daher gemäß § 123 SGG als Klage gegen den neuen Ablehnungsbescheid auszulegen.
Der neue Ablehnungsbescheid ersetzte schon deswegen nicht nach § 96 SGG den Entziehungsbescheid, weil dieser schon durch das Urteil des SG beseitigt war. Es handelt sich um eine Klageänderung nach § 99 SGG, die über § 153 Abs. 1 SGG grundsätzlich auch im Berufungsverfahren möglich ist. Der Kläger muss sein ursprüngliches Klageziel wenigstens teilweise weiterverfolgen, wobei der Lebenssachverhalt maßgeblich ist, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge ableitet (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 99 Rn. 12 und Rn. 3 vor § 143).
Die Klageänderung ist hier zulässig: Die Klägerin verfolgt ihr ursprüngliches Klageziel, den Leistungsanspruch für die Zeit ab Juli 2009, unverändert weiter. Es liegt auch eine Beschwer vor, weil die Klage auf Leistungen abgewiesen wurde. Die Klageänderung ist auch sachdienlich. Die Rechtmäßigkeit der neuen Ablehnung ist anhand des bisherigen Streitstoffes zu beurteilen. Das Klageverfahren am Sozialgericht zur erneuten Ablehnung erledigt sich durch diese Berufungsentscheidung.
Der neue Ablehnungsbescheid vom 26.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2010 ist rechtswidrig und aufzuheben. Dieser Bescheid enthält nur eine Ablehnung des ursprünglichen Leistungsantrags vom 26.05.2009. Dieser Leistungsantrag war aber schon verbeschieden mit Bescheid vom 03.06.2009 und Änderungsbescheid vom 06.06.2009.
Durch die Aufhebung der Entziehung war die ursprüngliche Bewilligung wieder in Kraft. Um diese zu beseitigen, hätte der Beklagte eine Aufhebung oder Rücknahme der ursprünglichen Bewilligung verfügen müssen. Dies ist aber nicht erfolgt. Eine Umdeutung der Ablehnung in der Sache in eine Aufhebung oder Rücknahme der ursprünglichen Bewilligung nach § 43 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist nicht möglich. Durch eine Umdeutung würde der aufrecht erhaltenen Ablehnung der Leistung im Ergebnis ein weiterer Verwaltungsakt, die Aufhebung/ Rücknahme, hinzugefügt werden. Das wird von § 43 SGB X nicht erfasst (BSG, Urteil vom 22.10.2008, B 8 SO 33/07 R, Rn. 16 ff). Außerdem würde die für eine Umdeutung nach § 43 Abs. 4 SGB X erforderliche Anhörung durch die Behörde fehlen.
Zur Klarstellung: Der Beklagte hat der Klägerin die Leistungen zu gewähren, die er mit Bescheid vom Bescheid vom 03.06.2009 bzw. Änderungsbescheid vom 06.06.2009 bewilligt hat.
Der Beklagte hat gemäß § 193 SGG auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu übernehmen.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind.
II. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Arbeitslosengeld II für die Zeit von Juli bis einschließlich Dezember 2009, das ihr bewilligt, entzogen und nach Aufhebung des Entziehungsbescheids durch das Sozialgericht vom Beklagten nochmals abgelehnt wurde.
Die im Jahr 1956 geborene Klägerin bezog bis 30.06.2009 laufend Arbeitslosengeld II. Sie bewohnt eine Eigentumswohnung.
Im Januar 2009 teilte die Klägerin mit, dass ein Herr O. aus A. sich als Gast in ihrer Wohnung aufhalte, den sie krankenpflegerisch betreue. Eine Ummeldung oder ein Umzug von Herrn O. komme nicht in Frage, "wegen völlig ungeklärter und nicht fester Situation". In einem weiteren Schreiben führte die Klägerin aus, dass Herr O. ihr "Dauergast" sei.
Auf den Fortzahlungsantrag vom 26.05.2009 wurden mit Bescheid vom 03.06.2009 Leistungen für die Zeit von 01.07.2009 bis 31.12.2009 bewilligt und wegen höherer Regelleistung mit Änderungsbescheid vom 06.06.2009 auf zuletzt monatlich 736,89 Euro erhöht. Diese beiden Bescheide befinden sich nicht in der Verwaltungsakte.
Anschließend forderte der Beklagte mit zwei Schreiben Auskünfte zu den Kosten der Unterkunft, die Vorlage von Kontoauszügen und Informationen zum Einkommen aus einer Tätigkeit der Klägerin als Krankenschwester. Am 22.06.2009 kam es zu einem unangemeldeten Hausbesuch bei der Klägerin, um das Vorliegen einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft der Klägerin mit Herrn O. zu überprüfen. Herr O. (geboren 1936) wurde dort angetroffen, der Zutritt zur Wohnung wurde aber nicht gestattet.
Mit Bescheid vom 23.06.2009 verfügte der Beklagte, dass die Gewährung von Leistungen ab 01.07.2009 ganz versagt werde wegen fehlender Mitwirkung gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I).
Am 29.06.2009 erhob die Klägerin Widerspruch - sie sei wegen ihrer Arbeit verhindert gewesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 25.11.2009 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Darin wurde die vorherige Bewilligung nicht erwähnt.
Ab 01.01.2010 erhält die Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem Zahlbetrag von 747,79 Euro.
Mit Schreiben vom 12.02.2010 wurde Herr O. aufgefordert, Unterlagen zu seinem Einkommen und Vermögen vorzulegen. Herr O. bestritt das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft und erteilte keine Auskünfte.
Bereits am 14.12.2009 wurde Klage auf Aufhebung des Versagungsbescheids erhoben sowie auf Erbringung von Leistungen ab 01.07.2009. Das Sozialgericht hob mit Urteil vom 14.04.2010 den Bescheid vom 23.06.2009 auf. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Die Klage auf Leistung sei unzulässig. Es liege nur ein Versagungsbescheid vor, keine Sachentscheidung zum Leistungsanspruch. Der Beklagte habe die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.
Mit Bescheid vom 26.04.2010 wurde der ursprüngliche Antrag vom 26.05.2009 in der Sache abgelehnt. Es bestehe eine eheähnliche Gemeinschaft. Die Hilfebedürftigkeit sei nicht nachgewiesen. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 29.06.2010 zurückgewiesen. Dagegen ist nach Auskunft des Beklagten am Sozialgericht die Klage S 15 AS 374/11 anhängig.
Am 18.05.2010 hat die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts eingelegt. Die Klägerin teilte mit, dass sie von Herrn O. für ihre Versorgungsleistungen keine finanziellen Leistungen erhalten habe. Die Klägerin forderte in zahlreichen - zeitweise fast täglichen - eigenen Schreiben die Gewährung der Leistungen. Sie erklärte in Hinblick auf ihre Rente, dass es ihr nur um die Leistungen in der Zeit von 01.07.2009 bis 31.12.2009 gehe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Ablehnungsbescheid vom 26.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2010 aufzuheben, soweit er Leistungen für die Zeit von 01.07.2009 bis 31.12.2009 entgegensteht.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
:
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Der Entziehungsbescheid wurde bereits vom Sozialgericht aufgehoben. Die danach erfolgte Ablehnung in der Sache wurde jedoch gemäß § 99 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens. Diese Ablehnung ist aufzuheben, weil sie rechtswidrig ist und die Klägerin in ihren Rechten verletzt.
Die Klägerin begehrt - wie schon im Klageverfahren - Leistungen für die Zeit von 01.07.2009 bis 31.12.2009.
Streitgegenstand des Klageverfahrens war der Entziehungsbescheid vom 23.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.11.2009, der die zuvor bewilligte Leistung wieder entzog. Mit Aufhebung des Entziehungsbescheids durch das Sozialgericht war die ursprüngliche Bewilligung wieder in Kraft. Das Sozialgericht hatte jedoch nicht erkannt, dass es sich nicht um einen Versagungsbescheid, sondern um einen Entziehungsbescheid handelte, weil die dahinter stehenden Bewilligungsbescheide vom 03.06.2009/06.06.2009 nicht in der Verwaltungsakte enthalten waren. Das Sozialgericht hat deshalb die auch auf Leistungen gerichtete Klage insoweit abgewiesen, obwohl der Leistungsanspruch der Klägerin bereits durch die Aufhebung des Entziehungsbescheids hergestellt war. Insoweit war die Klägerin zumindest formell beschwert (vgl. Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, Rn. 6 vor § 143).
Nach dem Urteil des Sozialgerichts verfügte der Beklagte einen Ablehnungsbescheid vom 26.04.2010 zum Antrag vom 26.05.2009, weil selbst der Beklagte die bereits erfolgte Bewilligung übersah. Bei Einlegung der Berufung am 18.05.2010 war der Ablehnungsbescheid vom 26.04.2010 bereits erlassen. Die Berufungseinlegung mit dem unveränderten Leistungsbegehren ist daher gemäß § 123 SGG als Klage gegen den neuen Ablehnungsbescheid auszulegen.
Der neue Ablehnungsbescheid ersetzte schon deswegen nicht nach § 96 SGG den Entziehungsbescheid, weil dieser schon durch das Urteil des SG beseitigt war. Es handelt sich um eine Klageänderung nach § 99 SGG, die über § 153 Abs. 1 SGG grundsätzlich auch im Berufungsverfahren möglich ist. Der Kläger muss sein ursprüngliches Klageziel wenigstens teilweise weiterverfolgen, wobei der Lebenssachverhalt maßgeblich ist, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge ableitet (Meyer-Ladewig, a.a.O., § 99 Rn. 12 und Rn. 3 vor § 143).
Die Klageänderung ist hier zulässig: Die Klägerin verfolgt ihr ursprüngliches Klageziel, den Leistungsanspruch für die Zeit ab Juli 2009, unverändert weiter. Es liegt auch eine Beschwer vor, weil die Klage auf Leistungen abgewiesen wurde. Die Klageänderung ist auch sachdienlich. Die Rechtmäßigkeit der neuen Ablehnung ist anhand des bisherigen Streitstoffes zu beurteilen. Das Klageverfahren am Sozialgericht zur erneuten Ablehnung erledigt sich durch diese Berufungsentscheidung.
Der neue Ablehnungsbescheid vom 26.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.06.2010 ist rechtswidrig und aufzuheben. Dieser Bescheid enthält nur eine Ablehnung des ursprünglichen Leistungsantrags vom 26.05.2009. Dieser Leistungsantrag war aber schon verbeschieden mit Bescheid vom 03.06.2009 und Änderungsbescheid vom 06.06.2009.
Durch die Aufhebung der Entziehung war die ursprüngliche Bewilligung wieder in Kraft. Um diese zu beseitigen, hätte der Beklagte eine Aufhebung oder Rücknahme der ursprünglichen Bewilligung verfügen müssen. Dies ist aber nicht erfolgt. Eine Umdeutung der Ablehnung in der Sache in eine Aufhebung oder Rücknahme der ursprünglichen Bewilligung nach § 43 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist nicht möglich. Durch eine Umdeutung würde der aufrecht erhaltenen Ablehnung der Leistung im Ergebnis ein weiterer Verwaltungsakt, die Aufhebung/ Rücknahme, hinzugefügt werden. Das wird von § 43 SGB X nicht erfasst (BSG, Urteil vom 22.10.2008, B 8 SO 33/07 R, Rn. 16 ff). Außerdem würde die für eine Umdeutung nach § 43 Abs. 4 SGB X erforderliche Anhörung durch die Behörde fehlen.
Zur Klarstellung: Der Beklagte hat der Klägerin die Leistungen zu gewähren, die er mit Bescheid vom Bescheid vom 03.06.2009 bzw. Änderungsbescheid vom 06.06.2009 bewilligt hat.
Der Beklagte hat gemäß § 193 SGG auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Berufungsverfahren zu übernehmen.
Die Revision wurde nicht zugelassen, weil keine Gründe nach § 160 Abs. 2 SGG ersichtlich sind.
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