L 12 AS 2273/11 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 AS 1963/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2273/11 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 10. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Auszahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit von Dezember 2010 bis April 2011.

Der 1969 geborene Antragsteller ist selbstständig als privater Arbeitsvermittler tätig. Daneben vertreibt er als Zwischenhändler Duschköpfe. Der Antragsgegner hatte ihm zunächst mit Bescheid vom 7. Juni 2010 vorläufig Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2010 gewährt. Nachdem der Antragsgegner dem Antragsteller vorläufig lediglich einen Zuschuss zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit vom 13. Dezember 2010 bis zum 30. April 2011 gewährt hatte (vgl. Bescheid vom 28. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Januar 2011), kam es vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) zu dem Rechtsstreit S 13 AS 363/11, in dem der Antragsgegner mit Urteil vom 15. April 2011 verurteilt wurde, dem Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Anrechnung von Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit bis 30. April 2011 zu gewähren. Dem Antragsteller wurde am 29. April 2011 eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils übergeben. Der Antragsgegner legte gegen dieses Urteil am 29. April 2011 Berufung ein (L 12 AS 1745/11). Die Leistungen zahlte er nicht aus.

Der Antragsgegner gewährte dem Antragsteller für die Zeit vom 1. Mai bis zum 31. Oktober 2011 vorläufig Alg II in Höhe von monatlich 983,44 EUR (Bescheid vom 19. Mai 2011).

Am 4. Mai 2011 hat der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt und die Auszahlung der Leistungen ab Dezember 2010 begehrt. Er benötige das Geld dringend, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und seine Miete zu bezahlen. Er - der Antragsteller - wolle keine abschließenden Angaben über sein Einkommen machen, bevor nicht das Berufungsverfahren erledigt sei.

Das SG hat durch Beschluss vom 10. Mai 2011 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne einer Regelungsanordnung sei unzulässig. Es gelte der allgemeine Grundsatz, dass niemand die Gerichte grundlos in Anspruch nehmen dürfe. Jede Rechtsverfolgung setze ein Rechtsschutzbedürfnis voraus. Unzulässig sei ein Antrag auf gerichtlichen Rechtsschutz insbesondere dann, wenn dem Antragsteller ein einfacherer Weg zur Verfügung stehe, um sein Ziel zu erreichen. Vorliegend sei der Antragsteller mit gerichtlicher Verfügung vom 5. Mai 2011 darauf hingewiesen worden, dass der Zeitraum, für den der Antragsgegner mit Urteil vom 15. April 2011 zur vorläufigen Leistungsgewährung verurteilt worden war, bereits abgelaufen sei. Das SG habe angeregt, nunmehr abschließende Angaben zum Einkommen im abgelaufenen Bewilligungszeitraum zu machen, um eine zeitnahe abschließende Leistungsfestsetzung zu ermöglichen. Darüber hinaus fehle es an einem Anordnungsgrund, da der Antragsteller Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2010 bis April 2011 erstrebe. Denn die Eilbedürftigkeit einer erstrebten Regelung sei regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrages abgelaufene Zeiträume erhoben würden. Der vorliegende Sachverhalt biete keinen Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen.

Gegen den ihm am 13. Mai 2011 zugestellten Beschluss richtet sich die am 27. Mai 2011 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Er habe inzwischen am 16. Mai 2011 die verlangten Einkommensnachweise für die Zeit ab 13. Dezember 2010 bis 30. April 2011 vorgelegt.

Diesem Vortrag trat der Antragsgegner entgegen. Der Antragsteller habe Nachweise über seine Geldbewegungen auf seinem Girokonto lediglich unvollständig erbracht. Er habe die Kontoauszüge Nr. 1, Nr. 2 Bl. 2 und Nr. 3 nicht vorgelegt. Wenn die fehlenden Kontoauszüge vorgelegt werden, sei der Antragsgegner in der Lage, eine abschließende Entscheidung zu treffen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten des Antragsgegners sowie die Akten des SG Karlsruhe, S 13 AS 363/11 und LSG Baden-Württemberg, L 12 AS 1745/11 Bezug genommen.

II.

Die gemäß §§ 172, 173 SGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, jedoch unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).

Vorliegend kommt eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht, nachdem der Antragsteller die Auszahlung des Alg II für die Zeit von Dezember 2010 bis April 2011, begehrt. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedoch unbegründet. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen um so niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9.Aufl. 2008, § 86b Rdnr. 42). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 - FEVS 57, 72 und 164). Dies beruht auf dem auch für das Recht des SGB II geltenden Grundsatz, dass Hilfe zum Lebensunterhalt im Wege einer einstweiligen Anordnung nur zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage zu erfolgen hat und nicht rückwirkend zu bewilligen ist, wenn nicht ein Nachholbedarf plausibel und glaubhaft gemacht ist.

Zwar kann der Antragsteller vorliegend gegen den Antragsgegner jedenfalls für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils am 15. April 2011 nicht aus dem ihm günstigen Urteil die Zwangsvollstreckung betreiben, da der Berufung des Antragsgegners gemäß § 154 Abs. 2 SGG, der nach einhelliger Meinung für alle Sozialleistungsträger - und damit auch für den Antragsgegner als SGB II-Träger - gilt (vgl. nur Jungeblut in Beck´scher Online -Kommentar Sozialrecht, § 154 SGG Rdnr. 6; Keller in Meyer-Ladewig, SGG, 9. Aufl. 2008, § 154 Rdnr. 3), aufschiebende Wirkung zukommt mit der Folge, dass das Urteil des SG hinsichtlich der für die Zeit vor Urteilserlass nachzuzahlenden Beträge bis zur Rechtskraft der Entscheidung des SG nicht vollstreckbar ist. Jedoch fehlt es an einer Eilbedürftigkeit, da der Antragsteller eine Verpflichtung zur Leistungserbringung für die Vergangenheit, nämlich für die Zeit vor Anbringung des einstweiligen Rechtsschutzgesuchs beim SG am 4. Mai 2011, verlangt. Dem Antragsteller ist es zuzumuten, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens L 12 AS 1745/11 abzuwarten. Es ist weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen, dass die fehlende Leistungsgewährung im oben genannten Zeitraum in die Gegenwart fortwirkt und eine gegenwärtige Notlage des Antragstellers begründet. Soweit der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung für die Zeit nach Erlass des angefochtenen Urteils des SG bis zum 30. April 2011 begehrt, also für einen Zeitraum, für den nach § 154 Abs. 2 SGG kein Aufschub aufgrund der Berufung des Antragsgegners eintritt, fehlt es auch deshalb an einem Anordnungsgrund, weil der Antragsteller insoweit aus dem für ihn günstigen Urteil vollstrecken kann (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG; vgl. auch LSG Niedersachen, Beschluss vom 1. März 2004 - L 4 KR 33/04 ER -).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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