Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 18 AS 319/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 204/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde und die außerordentliche Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Mai 2011 werden als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im einstweiligen Anordnungsverfahren S 18 AS 319/11 ER hat der Antragsteller mit Faxeingang vom 4. Februar 2011, 16.53 Uhr, beim Sozialgericht Magdeburg (SG) von dem Antragsgegner die vorläufige Auszahlung von Leistungen iHv 12,00 EUR täglich ab dem 3. Februar 2011 begehrt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz beantragt.
Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe am 3. Februar 2011 einen mündlichen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gestellt. Bei einer erneuten Vorsprache am 4. Februar 2011 habe er eine akute Mittellosigkeit geltend gemacht. Der Antragsgegner habe eine sofortige Auszahlung von Leistungen abgelehnt und ihn aufgefordert, die ausgehändigten Antragsformulare auszufüllen und am Montag, dem 7. Februar 2011, erneut vorzusprechen.
Am 7. Februar 2011 hat der Antragsteller das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem ihm vom Antragsgegner die begehrte "Notfallauszahlung" bewilligt worden war. Der Antragsgegner hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen, eine Übernahme der Kosten jedoch abgelehnt.
Mit Beschluss vom 5. Mai 2011 hat das SG den Kostenantrag des Antragstellers nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgelehnt. Mit Beschluss vom 9. Mai 2011 hat es auch den PKH-Antrag abgelehnt. Die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt, denn dem Antragsteller habe das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt. Im Beschluss hat das SG darauf hingewiesen, die Beschwerde sei nach § 73a SGG iVm § 127 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht statthaft.
Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 12. Mai 2011 Beschwerde und hilfsweise außerordentliche Beschwerde eingelegt. Die Rechtsverfolgung sei nicht mutwillig. Die Entscheidung des SG verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG). Ihm müsse es als Grundrechtsträger unbenommen sein, auch dann um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen zu dürfen, wenn eine rechtzeitige gerichtliche Entscheidung voraussichtlich nicht erreichbar sei. Dieser Umstand ändere nichts an der Berechtigung seines Rechtsschutzinteresses.
II.
1. Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 172 SGG ist gegen Beschlüsse des SG die Beschwerde grundsätzlich statthaft, es sei denn, das SGG enthält eine abweichende Regelung. § 172 Abs. 3 Nr. 1 1. HS SGG, der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 (BGBl I 1127) ab dem 11. August 2010 eingefügt worden ist, bestimmt, dass die Beschwerde – sowohl gegen die Entscheidung in der Sache als auch gegen die im PKH-Verfahren – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.
Dieser in § 172 Abs 3 Nr. 1 2. HS SGG formulierte Beschwerdeausschluss greift hier. Das PKH-Beschwerdeverfahren wäre nur dann statthaft, wenn auch die Beschwerde gegen einen einstweiligen Rechtsschutz versagenden Beschluss des SG – als Berufung gedacht – zulassungsfrei gewesen wäre. Dies ist indes nicht der Fall. Wenn der Antragsteller sein einstweiliges Rechtsschutzbegehren nicht für erledigt erklärt, sondern vollumfänglich weiterverfolgt hätte, wäre gegen die folgende Sachentscheidung die Beschwerde nicht statthaft gewesen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgeblichen Schwellenwert von 750,00 EUR nicht überstiegen hätte.
Denn nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Diese Regelung ist nach ihrer Systematik dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde dann ausgeschlossen ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes ohne Weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 7. Oktober 2009, Az.: L 5 AS 293/09 B ER).
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt. Dies ist hier nicht der Fall. Es ging dem Antragsteller um eine "Notfallzahlung" iHv 12,00 EUR täglich für einen begrenzten Zeitraum von wenigen Tagen bis zum Erlass des SGB II-Leistungsbescheids und Auszahlung der Leistungen durch den Antragsgegner. Selbst wenn man einen streitigen Zeitraum von zehn Tagen zugrunde legte, erreichte die damit verbundene Beschwer (120,00 EUR) den Schwellenwert nicht.
Auch der Umstand, dass der Antragsteller Verfahrensfehler und einen Verfassungsverstoß durch das SG rügt, führt nicht (ausnahmsweise) zur Zulässigkeit der PKH-Beschwerde. Die bereits zum 1. April 2008 in Kraft getretenen Beschränkungen der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und die damit aufgrund des Konvergenzgedankens verbundenen Beschränkungen der Rechtsmittel auch in den PKH-Verfahren erfolgten nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zur Entlastung der Landessozialgerichte. Dieser Zweck sollte durch die Anhebung des Schwellenwertes auf 750 EUR und durch die Einschränkung der Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erreicht werden. Es entspräche daher dem Entlastungswillen des Gesetzgebers nicht, wenn zunächst eine fiktive Prüfung möglicher Zulassungsgründe oder nach Art und Maß der behaupteten Rechtsverletzung erfolgen müsste. Der erstrebte Entlastungseffekt wird nur dann erreicht, wenn sich die Zulässigkeit der Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne weiteres aus dem Beschwerdewert oder der Art und Dauer der im Streit stehenden Leistungen ergibt (§ 144 Abs. 1 SGG).
2. Die von dem Antragsteller (hilfsweise) eingelegte außerordentliche Beschwerde ist ebenfalls unzulässig. Sie ist gesetzlich für das sozialgerichtliche Verfahren nicht normiert. Die Annahme der Zulässigkeit einer gesetzlich nicht geregelten, außerordentlichen Beschwerde verstößt gegen das grundgesetzliche Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 2003, Az.: 1 PNvU1/02, juris, 4. Leitsatz und RN 68 bis 71). Der früher in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums vertretenen Auffassung, in Extremfällen könne eine Beschwerde trotz eines gesetzliches Ausschlusses gegeben sein, kann nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) nicht mehr gefolgt werden. Daher ist eine gesetzlich nicht vorgesehene Beschwerde ausnahmslos unstatthaft.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Im einstweiligen Anordnungsverfahren S 18 AS 319/11 ER hat der Antragsteller mit Faxeingang vom 4. Februar 2011, 16.53 Uhr, beim Sozialgericht Magdeburg (SG) von dem Antragsgegner die vorläufige Auszahlung von Leistungen iHv 12,00 EUR täglich ab dem 3. Februar 2011 begehrt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutz beantragt.
Zur Begründung hat er ausgeführt, er habe am 3. Februar 2011 einen mündlichen Antrag auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gestellt. Bei einer erneuten Vorsprache am 4. Februar 2011 habe er eine akute Mittellosigkeit geltend gemacht. Der Antragsgegner habe eine sofortige Auszahlung von Leistungen abgelehnt und ihn aufgefordert, die ausgehändigten Antragsformulare auszufüllen und am Montag, dem 7. Februar 2011, erneut vorzusprechen.
Am 7. Februar 2011 hat der Antragsteller das Verfahren in der Hauptsache für erledigt erklärt, nachdem ihm vom Antragsgegner die begehrte "Notfallauszahlung" bewilligt worden war. Der Antragsgegner hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen, eine Übernahme der Kosten jedoch abgelehnt.
Mit Beschluss vom 5. Mai 2011 hat das SG den Kostenantrag des Antragstellers nach § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) abgelehnt. Mit Beschluss vom 9. Mai 2011 hat es auch den PKH-Antrag abgelehnt. Die Rechtsverfolgung habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gehabt, denn dem Antragsteller habe das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt. Im Beschluss hat das SG darauf hingewiesen, die Beschwerde sei nach § 73a SGG iVm § 127 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht statthaft.
Gegen den Beschluss hat der Antragsteller am 12. Mai 2011 Beschwerde und hilfsweise außerordentliche Beschwerde eingelegt. Die Rechtsverfolgung sei nicht mutwillig. Die Entscheidung des SG verstoße gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG). Ihm müsse es als Grundrechtsträger unbenommen sein, auch dann um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen zu dürfen, wenn eine rechtzeitige gerichtliche Entscheidung voraussichtlich nicht erreichbar sei. Dieser Umstand ändere nichts an der Berechtigung seines Rechtsschutzinteresses.
II.
1. Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 172 SGG ist gegen Beschlüsse des SG die Beschwerde grundsätzlich statthaft, es sei denn, das SGG enthält eine abweichende Regelung. § 172 Abs. 3 Nr. 1 1. HS SGG, der durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5. August 2010 (BGBl I 1127) ab dem 11. August 2010 eingefügt worden ist, bestimmt, dass die Beschwerde – sowohl gegen die Entscheidung in der Sache als auch gegen die im PKH-Verfahren – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen ist, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre.
Dieser in § 172 Abs 3 Nr. 1 2. HS SGG formulierte Beschwerdeausschluss greift hier. Das PKH-Beschwerdeverfahren wäre nur dann statthaft, wenn auch die Beschwerde gegen einen einstweiligen Rechtsschutz versagenden Beschluss des SG – als Berufung gedacht – zulassungsfrei gewesen wäre. Dies ist indes nicht der Fall. Wenn der Antragsteller sein einstweiliges Rechtsschutzbegehren nicht für erledigt erklärt, sondern vollumfänglich weiterverfolgt hätte, wäre gegen die folgende Sachentscheidung die Beschwerde nicht statthaft gewesen, weil der Wert des Beschwerdegegenstands den gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgeblichen Schwellenwert von 750,00 EUR nicht überstiegen hätte.
Denn nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Diese Regelung ist nach ihrer Systematik dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde dann ausgeschlossen ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes ohne Weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Beschluss vom 7. Oktober 2009, Az.: L 5 AS 293/09 B ER).
Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt. Dies ist hier nicht der Fall. Es ging dem Antragsteller um eine "Notfallzahlung" iHv 12,00 EUR täglich für einen begrenzten Zeitraum von wenigen Tagen bis zum Erlass des SGB II-Leistungsbescheids und Auszahlung der Leistungen durch den Antragsgegner. Selbst wenn man einen streitigen Zeitraum von zehn Tagen zugrunde legte, erreichte die damit verbundene Beschwer (120,00 EUR) den Schwellenwert nicht.
Auch der Umstand, dass der Antragsteller Verfahrensfehler und einen Verfassungsverstoß durch das SG rügt, führt nicht (ausnahmsweise) zur Zulässigkeit der PKH-Beschwerde. Die bereits zum 1. April 2008 in Kraft getretenen Beschränkungen der Beschwerdemöglichkeit im einstweiligen Rechtsschutzverfahren und die damit aufgrund des Konvergenzgedankens verbundenen Beschränkungen der Rechtsmittel auch in den PKH-Verfahren erfolgten nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zur Entlastung der Landessozialgerichte. Dieser Zweck sollte durch die Anhebung des Schwellenwertes auf 750 EUR und durch die Einschränkung der Beschwerde in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erreicht werden. Es entspräche daher dem Entlastungswillen des Gesetzgebers nicht, wenn zunächst eine fiktive Prüfung möglicher Zulassungsgründe oder nach Art und Maß der behaupteten Rechtsverletzung erfolgen müsste. Der erstrebte Entlastungseffekt wird nur dann erreicht, wenn sich die Zulässigkeit der Beschwerde im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ohne weiteres aus dem Beschwerdewert oder der Art und Dauer der im Streit stehenden Leistungen ergibt (§ 144 Abs. 1 SGG).
2. Die von dem Antragsteller (hilfsweise) eingelegte außerordentliche Beschwerde ist ebenfalls unzulässig. Sie ist gesetzlich für das sozialgerichtliche Verfahren nicht normiert. Die Annahme der Zulässigkeit einer gesetzlich nicht geregelten, außerordentlichen Beschwerde verstößt gegen das grundgesetzliche Gebot der Rechtsmittelklarheit (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. April 2003, Az.: 1 PNvU1/02, juris, 4. Leitsatz und RN 68 bis 71). Der früher in Teilen der Rechtsprechung und des Schrifttums vertretenen Auffassung, in Extremfällen könne eine Beschwerde trotz eines gesetzliches Ausschlusses gegeben sein, kann nach Einführung der Anhörungsrüge (§ 178a SGG) nicht mehr gefolgt werden. Daher ist eine gesetzlich nicht vorgesehene Beschwerde ausnahmslos unstatthaft.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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