L 10 KN 8/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 12 KN 24/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KN 8/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der Kläger ist am ... 1963 geboren und war in verschiedenen Bereichen beschäftigt (1978 bis 1981 als Mitarbeiter einer Kfz- und Reifenservice Firma, danach als Arbeitsvorbereiter, Staplerfahrer, Montagearbeiter sowie im Weiteren als Gleisbaufacharbeiter, Bauhelfer und Eisenflechter). 1988 schloss er die Ausbildung als Gleisbaufacharbeiter erfolgreich ab; ferner nahm er an verschiedenen Schweißerlehrgängen teil. Ein Rentenantrag im Oktober 2002 blieb erfolglos. Zuletzt war er von 2002 bis August 2004 als Schienenschweißer im Gleisbau eingesetzt.

Im Juli 2003 diagnostizierte die Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie u.a. eine chronische Bursitis olecrani links. Seit April 2004 liegt bei dem Kläger ein Grad der Behinderung von 40 vor. Nach einem Bericht der Zentralklinik B. B. vom 26. Oktober 2004 zeigte sich bei der MRT-Untersuchung der Halswirbelsäule ein Zustand nach Fusion C6/C7 in guter Segmentstellung. Es liege eine Osteochondrose der Halswirbelsäule beidseits in Höhe von C5/6 mit relativer Stenose vor.

Im März 2005 beantragte der Kläger erneut eine Rente wegen Erwerbsminderung. Auf Bitten der Beklagten erstattete Dipl.-Med. S. - Facharzt für Allgemeinmedizin - unter dem 26. April 2005 einen Befundbericht. Darin diagnostizierte er einen Bandscheibenvorfall C5/C6 links mit Zervikobrachialgie beidseits, Zustand nach ventraler Fusion C6/7 sowie Zustand nach Diskektomie nach ventraler Fusion C5/C6, Diabetes mellitus Typ IIb sowie arterielle Hypertonie. Nach den Angaben des Klägers bestanden Schmerzen in beiden Armen, eine Missempfindung im vierten Finger und Daumen links, eine eingeschränkte Kopfbeweglichkeit und eine muskuläre Schwäche in den Armen. Als Funktionseinschränkungen gab der Hausarzt deutliche Bewegungseinschränkungen der Halswirbelsäule, Druckschmerz über der Halswirbelsäule, deutliche Verspannungen der Nacken- und Schultermuskulatur sowie eine Kraftminderung in beiden Händen an. Die Belastbarkeit sei nach Angaben des Klägers nicht mehr gegeben. Für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gleisbaufacharbeiter und Schweißer bestehe Berufsunfähigkeit.

Ferner holte die Beklagte ein orthopädisches Gutachten von Dr. L. vom 30. Juni 2005 ein. Ihre Diagnosen lauteten wie folgt:

chronisches Cervicobrachialsyndrom beidseits nach Spondylodese C6/7 sowie C5/6 infolge zweifachen Bandscheibenprolapses mit sekundärer deutlicher funktioneller Einschränkung der Halswirbelsäule, des Schultergürtels sowie der oberen Extremitäten,

rezidivierendes pseudoradikuläres lumbales Schmerzsyndrom links bei Osteochondrose intervertebralis L4 bis S1,

deutliche Retropatellararthrose bei Patellafehlform und Lateralisierung beider Patellae linksbetont,

Akromioklavikulargelenksarthrose (ACG-Arthrose) beidseits.

Nach Ansicht der Gutachterin war der Kläger damit nur noch für leichte Tätigkeiten einsetzbar; hier bestehe eine Einsatzfähigkeit bis sechs Stunden/täglich. Belastungen der Wirbelsäule durch Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Einnahme von Zwangshaltungen sowie Überkopftätigkeit, Rumpfvorbeuge, Knien oder Hocken seien nicht möglich. Zu empfehlen sei eine wechselnde Tätigkeit im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen. Es beständen weiterhin Einschränkungen in der manuellen Geschicklichkeit. Weitere Einschränkungen ergäben sich durch den Diabetes mellitus und den Hypertonus (Gutachterheft Beklagte Bl. 26).

Mit Bescheid vom 14. Juli 2005 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung unter Hinweis auf das Ergebnis der Begutachtung ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den er im Weiteren nicht näher begründete.

Im Rahmen einer Arbeitserprobung im April 2006 zeigte sich die Kraft der Arme reduziert (rechts 0,2 und links 0,1 Bar). Das Gangbild war unauffällig. Nach Einschätzung des Medizinischen Fachdienstes seien künftig vorwiegend körperlich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten in wechselnder Haltung vollschichtig zumutbar. Eingeschränkt seien auch feinmotorische Arbeiten und beidhändiges Arbeiten möglich. Für kaufmännische Tätigkeiten und Verwaltungsberufe wurde der Kläger als geeignet eingeschätzt. Mit Bescheid vom 15. Mai 2006 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 8. Juni 2006 Klage erhoben. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten. Unter dem 29. November 2006 hat Dipl. Med. S. die bisherigen Diagnosen bestätigt und weiter über ein metabolisches Syndrom (Diabetes mellitus Typ II mit beginnender peripherer Polyneuropathie, essentielle arterielle Hypertonie), Hyperurikämie sowie Übergewicht, Gonalgie beidseits bei Kniebinnenschaden und bekannter Arthritis urica links, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule und Chromatallergie berichtet. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gleisbaufacharbeiter und Schlosser mit schwerer körperlicher Tätigkeit sei dem Kläger nicht mehr zumutbar. Leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten ohne Über-Kopf-Arbeiten in einem Zeitumfang von sechs Stunden seien möglich. In einem beigefügten Bericht des Klinikums B. vom 28. Februar 2006 wird weiterhin die Diagnose Leberparenchymschaden bei Alkoholmissbrauch und Entzugsymptomatik sowie einer Gastritis gestellt. In der Ergometrie gelang eine Belastung bis 75 Watt, wobei im Rahmen eines Fahrrad-Ergometrie-Tests in derselben Einrichtung im November/Dezember 2005 noch eine Belastung bis 150 Watt möglich war. In einem weiteren beigefügten Bericht von Dipl.-Med. T. - Fachärztin für Innere Medizin - vom 16. Februar 2006 wird u.a. die Diagnose hypertensive Herzkrankheit ohne Herzinsuffizienz, chronische ischämische Herzkrankheit sowie Hyperlipidämie gestellt. In der Ergometrie gelang eine Belastung bis 125 Watt. In einem weiteren Bericht von Dr. K. - Facharzt für Orthopädie - vom 22. März 2006 wird zusätzlich die Diagnose chronisches vertebragenes Schmerzsyndrom gestellt. Diese Diagnosen hat dieser Arzt auch in einem weiteren, vom Sozialgericht angeforderten Befundbericht bestätigt. Nach der Einschätzung dieses Arztes bestand wegen der schlechten Nervenversorgung im Bereich beider Arme und Beine (intermittierende Ausfälle der Muskelfunktion) eine Eigen- und Fremdgefährdung, so dass eine berufliche Tätigkeit auch unter drei Stunden nicht mehr möglich sei.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Prof. Dr. W. - Neurologe. Bei seiner Untersuchung der Motorik hat sich nur eine diskrete Bizepsparese rechts und eine diskrete Artrophie des Trizeps links gezeigt; ansonsten haben keine Auffälligkeiten bestanden. Für eine Persönlichkeitsstörung hat sich nach Ansicht von Prof. Dr. W. kein Hinweis ergeben. Den IQ hat der Gutachter nach Durchführung eines entsprechenden Tests auf 77 geschätzt. Er hat folgende Diagnosen gestellt: Bewegungseinschränkung der unteren Halswirbelsäule nach Fusion zweier Halswirbelkörper, Zeichen einer Wurzelirritation bei C6 und elektromyographisch bei C7, diskrete Zeichen einer Halsmarkschädigung mit spastischen Zeichen am rechten Bein, Hypertonie, Knöchelödeme sowie Miralgia paraesthetica links (Nervenkompressionssyndrom des Nervus cutaneus femoris lateralis im Bereich des Leistenbands). Nach Ansicht des Gutachters konnte der Kläger damit nur noch leichte, nicht repetitive manuelle Arbeiten ausüben. Überkopfarbeiten seien nicht möglich. Die geistige Leistungsfähigkeit sei infolge einer vorbestehenden Minderbegabung auf sehr einfache Aufgaben beschränkt. Die Arbeit sollte im Sitzen durchgeführt werden. Unter diesen Voraussetzungen sei eine Beschäftigung von mehr als sechs Stunden täglich möglich.

Der Kläger hat gegen das Gutachten eingewandt, er habe ständig starke Schmerzen in der gesamten Hals- und Lendenwirbelsäule, im linken Ellenbogen und in beiden Kniegelenken. Viele Tätigkeiten könne er nicht mehr ausführen, wie z. B. Überkopfarbeiten, langes Sitzen und Stehen oder langes Laufen. Es beständen Kraftminderungen beider Arme sowie Gefühlsstörungen. Außerdem leide er an Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, innerer Unruhe und Angstzuständen.

Mit Urteil vom 14. Januar 2008 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. W. gestützt.

Gegen das ihm am 7. Februar 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger noch im gleichen Monat Berufung eingelegt und zur Begründung seinen bisherigen Vortrag weiter vertieft und dargelegt, dass einschneidende Leistungsminderungen vorlägen. Eine Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung sei erfolglos geblieben.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 14. Januar 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juli 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. April 2005 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für überzeugend.

Der Senat hat einen Entlassungsbericht des Fachklinikums B. (Fachabteilung II Abhängigkeitserkrankung) vom 18. Juni 2007 beigezogen, in dem über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 19. Mai bis 24. Mai 2007 berichtet wurde. Die bisherigen Diagnosen wurden bestätigt und weiter ein Verdacht geäußert auf Zustand nach Synkope [Kreislaufkollaps bzw. Bewusstlosigkeit] bei Vertebralis-Basilaris-Syndrom [Minderdurchblutung] bei Zustand nach ventraler Fusion in Höhe von C6/C7 sowie Zustand nach epileptischem Anfall.

Nach einem weiteren vom Senat eingeholten Befundbericht der Zentralklinik B. B. vom 21. Oktober 2008 hat der Kläger Schmerzen im Nacken- sowie im Schulter-Arm-Bereich angegeben. Die Diagnose - gestützt auf ein MRT von September 2007 - lautet auf eine leichte relative Spinalstenose C5 bis C7. In einem weiteren Befundbericht vom Oktober 2008 hat Dr. K. u. a. über cervikal indizierte Paresen der Arme und der Beine berichtet. In einem weiteren Befundbericht vom 16. November 2008 hat Dipl.-Med. S. ebenfalls die bisherigen Diagnosen bestätigt und zusätzlich über eine hinzugetretene kompensierte Niereninsuffizienz berichtet.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. W. - Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Dieser hat den Kläger am 13. März 2009 untersucht. Nach seiner Einschätzung war der Kläger noch in der Lage, sechs Stunden täglich eine leichte Arbeit im Wechsel zwischen Sitzen, Gehen und Stehen durchzuführen. Einseitige körperliche Belastungen und Zwangshaltungen müssten vermieden werden. Eine Arbeit auf Leitern und Gerüsten, Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Dauergebrauch der Hände, wie z.B. Bohrarbeiten oder mit Schraubenziehern, Arbeiten mit Zugluft, Nässe und Kälte sollten vermieden werden. Die Arbeiten sollten in geschlossenen, normal temperierten Räumen erbracht werden. Überwachungstätigkeiten an laufenden Maschinen seien aus orthopädischer Sicht möglich; zu berücksichtigen sei aber die Gefahr einer Unterzuckerung und einer dadurch bedingten Bewusstlosigkeit. Arbeiten unter Zeitdruck sowie Akkord- oder Fließbandarbeiten oder Nachtschichten seien zu vermeiden. Besondere Arbeitspausen sind nach dem Gutachten von Dr. W. nicht erforderlich.

Vom 13. August bis 3. September 2009 hat der Kläger an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik W. in Wolkenstein teilgenommen. Dort hat man die bisher gestellten Diagnosen bestätigt. Diese Erkrankungen erlaubten dem Kläger als Schweißer keine Arbeiten über drei Stunden täglich. Im Übrigen könne bei dem "absolut unmotivierten Patienten kein Leistungsbild" erstellt werden, da er über multiple Beschwerden klage, die zumindest teilweise nicht nachvollzogen werden könnten. Perspektivisch halte man den Kläger für geeignet, leichte körperliche Tätigkeiten in möglichst wechselnder Arbeitshaltung vollschichtig ausführen zu können.

Der Senat hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes von Dr. K. - Facharzt für Orthopädie. Dieser hat unter dem 8. November 2009 zusätzlich über ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom berichtet. In dem Zeitraum zwischen Juni und September 2009 sei der Gesundheitszustand des Klägers unverändert geblieben. Auf weitere Nachfrage hat Dr. K. angegeben, das Karpaltunnelsyndrom stehe einer leichten Arbeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht im Wege. Der Senat hat weitere Befundberichte des MVZ B. GmbH und von Dipl. med. L. - Facharzt für Innere Medizin/Diabetologie - eingeholt.

Die Beklagte hat als mögliche Verweisungstätigkeit die eines Pförtners benannt und hierzu eine Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen vom 10.07.2009 (zu finden unter www.sozialgerichsbarkeit) vorgelegt. Diese hat der Kläger zusammen mit einer weiteren beigezogenen Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen vom 2. Juli 2009 zur Kenntnis erhalten.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten beschwert den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI), denn er ist nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen noch in der Lage, eine Erwerbstätigkeit für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Der Kläger ist nicht erwerbsgemindert, weil er unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ist der Senat mit den Gutachtern Dr. L., Prof. Dr. W. und Dr. W. davon überzeugt, dass der Kläger noch in der Lage ist, für mindestens sechs Stunden arbeitstäglich eine körperlich leichte und geistig sehr einfache Tätigkeit zu verrichten. Dies deckt sich mit der Stellungnahme des Hausarztes Dipl. Med. S ... Die Arbeit sollte im Wechsel von Sitzen, gelegentlichen Stehen und gelegentlichen Gehen verricht werden. Die Einnahme von Zwangshaltungen wie Überkopftätigkeit, Rumpfvorbeuge, Knien oder Hocken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie mit Dauergebrauch der Hände, wie z.B. Bohrarbeiten oder mit Schraubenziehern sind nicht möglich; insoweit bestehen Einschränkungen in der manuellen Geschicklichkeit. Die Arbeiten sollten in geschlossenen, normal temperierten Räumen erbracht werden. Überwachungstätigkeiten an laufenden Maschinen sind grundsätzlich möglich; zu berücksichtigen ist aber die Gefahr einer Unterzuckerung und einer dadurch bedingten Bewusstlosigkeit. Arbeiten mit Zeitdruck, Akkord- oder Fließbandarbeiten oder Nachtschichten sind zu vermeiden. Besondere Arbeitspausen sind nicht erforderlich.

Bei dem Kläger liegen eine Minderbegabung und folgende Erkrankungen vor:

chronisches Cervicobrachialsyndrom beidseits mit leichter relativer Spinalstenose C5 bis C7 nach Spondylodese C6/7 sowie C5/6 infolge zweifachen Bandscheibenprolapses mit sekundärer deutlicher funktioneller Einschränkung der Halswirbelsäule, des Schultergürtels sowie der oberen Extremitäten

rezidivierendes pseudoradikuläres lumbales Schmerzsyndrom links bei Osteochondrose intervertebralis L4 bis S1

deutliche Retropatellararthrose bei Patellafehlform und Lateralisierung beider Patellae linksbetont und Gonalgie

ACG-Arthrose beidseits

Diabetes mellitus Typ II mit beginnender peripherer Polyneuropathie

essentielle arterielle Hypertonie, Hyperurikämie sowie Übergewicht

Chromatallergie

Leberparenchymschaden bei Alkoholmissbrauch und Entzugsymptomatik

Gastritis

Verdacht auf Niereninsuffizienz

Karpaltunnelsyndrom

hypertensive Herzkrankheit ohne Herzinsuffizienz und chronische ischämische Herzkrankheit mit Herzrhythmusstörungen

chronische Bursitis olecrani.

Diese Erkrankungen können weder für sich genommen noch zusammen gesehen eine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 SGB VI begründen. Da im Laufe des Verfahrens keine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes eingetreten ist, gilt diese aktuelle Einschätzung für den gesamten zu beurteilenden Zeitraum.

Eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit durch eine Nierenerkrankung ist nicht feststellbar. Der behandelnde Internist Dipl. med. L. hat unter dem 4. November 2009 ausgeführt, eine Nierenfunktionseinschränkung sei unwahrscheinlich. Er hat auch keine entsprechende Diagnose gestellt. Gegenteilige Anhaltspunkte existieren nicht.

Die hypertensive Herzkrankheit ohne Herzinsuffizienz und die chronische ischämische Herzkrankheit schränken eine leichte Tätigkeit nicht ein. In der Ergometrie gelingt eine Belastung von 75 Watt bis 125 Watt; dies ist nach dem nachvollziehbaren Urteil der Ärzte jeweils für eine leichte Tätigkeit ausreichend. Nach dem Bericht der Klinik W. zeigte das EKG einen normofrequenten Sinusrhytmus; Herzrhythmusstörungen konnte man ausdrücklich nicht feststellen (vgl. unter 9.1.1). Zudem hat der Kläger auch unter dem 19. Februar 2010 gegenüber dem behandelnden Internisten Dipl. med. L. angegeben, er habe angefangen, wieder richtig Sport zu treiben, und sei damit besser geworden. Über eine Herzerkrankung hat dieser Arzt in den beigezogenen Aufzeichnungen bis in die jüngste Zeit nicht berichtet; der Kläger hat auch keine entsprechenden Beschwerden angegeben.

Die Gutachter haben des weiteren hinreichend begründet, dass auch die Bewegungseinschränkungen des Klägers im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule diesem weiterhin leichte körperliche Tätigkeiten im Wechsel von Sitzen, Stehen und Gehen unter Einhaltung der weiteren angegebenen qualitativen Einschränkungen für mindestens sechs Stunden täglich erlauben. Dr. L. hat nur eine geringe Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule festgestellt (Beweglichkeit rechts/links mit 50/0/40 Grad, Seitenneige rechts/links mit 20/0/30 Grad sowie die Reklination ab 20 Grad schmerzhaft aufgehoben mit Schmerzangabe im unteren zervikothorakalen Übergang; Kinn-Jugulum-Abstand zwei Zentimeter). Weiter konnte diese Gutachterin im Juni 2005 einen Klopfschmerz über den Dornfortsätzen im Bereich der Lendenwirbelsäule und dem linken Iliosakralgelenk feststellen. Im Rahmen des stationären Aufenthaltes im Fachklinikum B. im Mai 2007 zeigte sich die Wirbelsäule frei und ohne Klopf- oder Druckschmerz. Die Rehabilitationsklinik W. in W. konnte im Jahre 2009 ausdrücklich radiologisch keine degenerativen Veränderungen wesentlichen Ausmaßes feststellen.

Wesentliche Einschränkungen der Arme und Hände sind nicht feststellbar. Der Faustschluss und Fingerspitzengriff waren nach den Feststellungen des Fachklinikum B. durchführbar; die grobe Kraft erschien beidseits reduziert. Die Extremitäten waren durchweg aktiv und passiv frei beweglich. Nach Dr. W. bestand sogar in beiden Händen eine normale grobe Kraft. Auch Einschränkungen der Beweglichkeit der Finger waren nicht feststellbar. Bei der Untersuchung der Kraftentfaltung beim Händedruck in der Klinik in Wolkenstein im Jahre 2009 war diese seitengleich gut ausgeprägt. Auch nach den Beobachtungen der Zentralklinik B. B. am 11. September 2007 (Bl. 140 GA) war der Faustschluss beidseits gut möglich, jedoch links im Kraftausmaß eingeschränkt. Ähnlich war bei der Arbeitserprobung im April 2006 die Kraft der Arme reduziert (rechts 0,2 und links 0,1 Bar). Myelopathische Zeichen oder eine Reflexauffälligkeit bestanden nicht. Damit können hier keine wesentlichen Funktionsstörungen für eine leichte Arbeit vorliegen. Nachvollziehbar ist deshalb das Ergebnis der Arbeitserprobung, wonach auch feinmotorische Arbeiten eingeschränkt möglich sind, wobei nach Auffassung des Senats Einschränkungen für den Dauergebrauch der Hände, wie z.B. Bohrarbeiten oder mit Schraubenziehern zu machen sind.

Das beidseitige Karpaltunnelsyndrom steht nach der Einschätzung von Dr. K. einer leichten Arbeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht im Wege.

Auch bezüglich des Gehapparates liegen für eine leichte Tätigkeit unter den genannten Bedingungen keine Einschränkungen vor. Bei der Untersuchung durch Dr. L. erschien das Gangbild zwar leicht links hinkend und die Beweglichkeit des linken Kniegelenkes war gering auf 0/0/120 reduziert. Dort bestand im Gegensatz zu rechts auch ein Druckschmerz am medialen Gelenkspalt. Der Fersen- und Zehengang waren jedoch beidseits durchführbar. Entzündungszeichen, Anzeichen für einen Erguss oder Meniskuszeichen bestanden nicht; die Bänder erschienen klinisch fest. Die Klinik W. in W. bewertete die Röntgenaufnahmen des Knies als unauffällig. Gravierende Befunde am muskuloskelettalen System konnte sie nicht feststellen. Auch im Rahmen des stationären Aufenthaltes im Fachklinikum B. im Mai 2007 zeigten sich die Extremitäten durchweg aktiv und passiv frei beweglich.

Letzteres schließt zugleich wesentliche Einschränkungen durch die ACG-Arthrose beidseits und die Bursitis olecrani (Schleimbeutelentzündung im Ellenbogen) aus.

Funktionseinschränkungen durch den eventuell noch vorkommenden Alkoholmißbauch sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere zeigte der Kläger bei der Arbeitserprobung, der Rehabilitation, den Begutachtungen und den mündlichen Verhandlungen vor dem Senat keine Auffälligkeiten.

Für eine diabetische Polyneuropathie konnte Prof. Dr. W. keinen Anhaltspunkt finden. Dies überzeugt, da die Vibrationsprüfung unauffällig und der Achillessehnenreflex hinreichend auslösbar war. Zumindest kann dann diese Erkrankung nur so gering ausgeprägt sein, dass sie einer leichten Arbeit nicht entgegensteht. Bei Diabetes mellitus Typ II und essentieller arterieller Hypertonie sind Nachtschichten ausgeschlossen; ansonsten sind für leichte Tätigkeiten keine weiteren Einschränkungen erkennbar oder behauptet. Diese letztgenannten Erkrankungen sind nach den Angaben der Klinik W. medikamentös gut kompensiert. Herzrhythmusstörungen konnten im Verlauf der rund dreiwöchigen Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik W. nicht festgestellt werden; Funktionseinschränkungen wurden insoweit verneint.

Der Senat kann sich nicht der Einschätzung von Dr. K. anschließen, wonach wegen der schlechten Nervenversorgung im Bereich beider Arme und Beine (intermittierende Ausfälle der Muskelfunktion) eine Eigen- und Fremdgefährdung besteht, die die Einsatzfähigkeit des Klägers auf unter drei Stunden begrenzt. Solche Einschränkungen konnte Prof. Dr. W. bei der Untersuchung der Motorik nicht feststellen: es zeigte sich nur eine diskrete Bizepsparese rechts und eine diskrete Atrophie des Trizeps links; ansonsten bestanden keine Auffälligkeiten. Bei der Prüfung der Sensibilität zeigte sich eine Hypästhesie an der Unterarmradialseite mit Ausstrahlung in die Finger 1 und 2 beidseits (dort auch mit Angabe von Kribbelparästhesien). Die übrige Sensibilität und das Vibrationsempfinden waren intakt.

Die übrigen aufgeführten Erkrankungen (Hyperurikämie, Übergewicht, Chromatallergie, Leberparenchymschaden, Gastritis) stehen einer Tätigkeit unter den genannten Bedingungen nicht entgegen; dies wird auch nicht behauptet.

Letztlich bestätigen auch die Beschwerdeangaben des Klägers gegenüber Dr. W. seine hier zugrunde gelegte Leistungsfähigkeit. Die dort als eingeschränkt geschilderten Tätigkeiten wie Arbeiten über Brusthöhe, Halten eines Wassereimers oder auch Überbeanspruchung der Knie werden dem Kläger nicht mehr zugemutet. Zwei bis drei Schwindelanfälle pro Woche für zwei bis drei Minuten stehen einer leichten Arbeit ohne Tätigkeit an laufenden Maschinen oder auf Gerüsten u.ä. nicht entgegen. Die Eignung des Klägers für leichte Tätigkeiten belegt auch der Umstand, dass er seinen Haushalt soweit ersichtlich ohne besondere Probleme führen kann (vgl. die Angaben gegenüber Dr. W. Bl. 7 seines Gutachtens = S. 398 GA). Eine gewisse Leistungsfähigkeit des Klägers belegt auch der einwöchige Türkeiurlaub mit diversen Ausflügen im Jahre 2007 (Bl. 131 GA) und die Angaben des Klägers gegenüber Dipl. Med L. am 19. Februar 2010, er habe wieder angefangen "richtig Sport zu treiben".

Aus dem Bericht der Rehabilitationsmaßnahme in der Klinik W. in W. können keine Schlüsse gezogen werden, da diese bei dem "absolut unmotivierten Patienten kein Leistungsbild" erstellen konnte.

Der Senat lässt offen, ob man bei dem Kläger bereits von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung ausgehen kann, die zu der Verpflichtung der Beklagten führen würde, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BSG, 19.12.1996 - GS 2/95, SozR 3-2600 § 44 SGB IV Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33 f.). Von solchen Einschränkungen kann nur gesprochen werden, wenn sie über das hinausgehen, was bereits vom Begriff leichte Tätigkeiten mit umfasst ist. Immerhin liegen beim Kläger diverse Leistungseinschränkungen vor: Er kann nur noch leichte Arbeiten verrichten, ist in der Handgeschicklichkeit eingeschränkt (kein Dauergebrauch der Hände bzw. keine repetitive manuelle Tätigkeiten) und seine geistige Leistungsfähigkeit ist infolge einer vorbestehenden Minderbegabung auf sehr einfache Tätigkeiten beschränkt.

Ob dies den Anforderungen genügt, bei denen nach der Rspr. eine Benennungspflicht vorliegt, kann aber dahinstehen.

Zumindest ist der Kläger noch in der Lage, die Arbeit eines Pförtners ausführen. Nach der Beschreibung des Landesarbeitsamtes Hessen, die die Beklagte vorgelegt hat, bestehen dabei folgende Anforderungen: Pförtner kontrollieren in Eingangshallen oder aus Pförtnerlogen den Zugang zu Gebäuden oder Betriebsgeländen. Sie sind erste Ansprechpartner für Besucher. Je nach Art des Betriebes oder der Behörde haben sie unterschiedliche Aufgabenschwerpunkte. Sie überwachen zeitliche bzw. örtliche Zugangsberechtigungen. Sie kontrollieren Werksausweise, stellen Besucherkarten/Passierscheine für Besucher aus und melden diese bei der zuständigen Stelle an. Zu ihren Aufgaben gehören teilweise auch das Aushändigen von Formularen, das Aufbewahren von Fundsachen und Gepäck und das Verwalten von Schlüsseln und Schließanlagen. Auch die Kontrolle des Kfz- und Warenverkehrs gehört in manchen Betrieben zu ihrer Tätigkeit. Darüber hinaus können auch einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst zu ihren Aufgaben gehören. Pförtner werden u. a. als Werkspförtner, Pförtner in Betrieben, Büro- und Geschäftshäusern und öffentlichen Gebäuden, Krankenhäusern, Heimen oder Museen eingesetzt. Es handelt sich dabei meist um eine körperlich leichte Arbeit in geschlossenen, temperierten Räumen. Es wird überwiegend im Sitzen, zeitweise im Stehen und Gehen gearbeitet. Die Tätigkeit erfordert keine besonderen Anforderungen an das Seh- und Hörvermögen. Die erforderlichen Lese- und Schreibkenntnisse sind als normal zu bewerten. Die Tätigkeit beinhaltet keine ständige nervliche Belastung bzw. keinen dauernden Zeitdruck wie beispielsweise Akkordarbeit. Ganz sind Stress-Situationen erfahrungsgemäß jedoch nicht zu vermeiden. Je nach Arbeitsort kann Schichtdienst vorkommen. Eine wechselnde Arbeitshaltung ist durch den Einsatz ergonomisch gestalteter Arbeitsplatzausstattungen möglich.

Diese Arbeitsplätze sind dem Senat auch allgemein bekannt. In sämtlichen Behörden (Kommunen, Sozialversicherungsträger, Ministerien, Finanzämter, Regierungspräsidien etc.) und großen Unternehmen wie beispielsweise Strom- und Gasanbietern oder Krankenhäusern findet man im Eingangsbereich solche Pförtnerstellen. Dieses Profil wurde in der mündlichen Verhandlung anhand von Arbeitsplätzen bei der Beklagten exemplarisch besprochen, wobei der Senat darauf hingewiesen hat, dass vergleichbare Arbeitsplätze an vielen anderen Stellen (wie Behörden, großen Versorgungsunternehmen sowie Krankenhäusern) anzutreffen sind. Einfache Bürotätigkeiten, die Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst sind an solchen Pförtnerstellen im Eingangsbereich bereits grundsätzlich nicht möglich, da der Pförtner präsent sein muss und Postfächer, Telefonanlagen und ähnliches regelmäßig nicht in einer solchen Pförtnerloge anzutreffen ist. Hierfür sind bei größeren Einrichtungen mit entsprechend vielen Besuchern und Anrufern mehrere Personen notwendig. Pförtner in einer Behörde oder größerem Unternehmen ist in diesem Sinne eine konkrete Bezeichnung einer Berufstätigkeit auf einem typischen Arbeitsplatz.

Der Kläger kann die Tätigkeit eines Pförtners in einer Behörde gesundheitlich ohne Einschränkungen ausüben. Es handelt sich um eine körperlich leichte Tätigkeit in geschlossenen und temperierten Räumen. Sie wird überwiegend im Sitzen sowie zeitweise im Gehen und Stehen verrichtet. Es werden sehr einfache geistige und psychische normale Anforderungen an Aufmerksamkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortungsbewusstsein und Übersicht gestellt. Dabei verkennt der Senat nicht, dass bei der Prüfung, ob der Versicherte den gesundheitlichen und geistigen Anforderungen an die in Aussicht genommene Verweisungstätigkeit genügt, auch die erforderliche Umstellungsfähigkeit zu untersuchen ist. Je weiter sich nämlich die in Aussicht genommene Verweisungstätigkeit von dem "bisherigen Beruf" entfernt, desto höhere Anforderungen stellt sie an die Umstellungsfähigkeit. Bei einem Versicherten, der während seines gesamten Berufslebens nur körperliche Arbeit geleistet hat und sich bereits im mittleren Lebensalter befindet, kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, dass er sich auf andere Arbeiten umstellen kann. Es sind dann entsprechende Ermittlungen (z.B. Durchführung psychologischer Eignungstests) anzustellen. Hier ist mit dem Kläger im April 2006 eine Arbeitserprobung durchgeführt worden; danach ist er als geeignet für kaufmännische Tätigkeiten und Verwaltungsberufe eingeschätzt worden. Dies sind keine einfachen Tätigkeiten; die Anforderungen für eine Pförtnertätigkeit sind ganz deutlich geringer. Es ist nicht so, dass der Kläger geistig überhaupt nichts leisten könnte. Schließlich verfügt der Kläger auch über einen Facharbeiterabschluss als Gleisbaufacharbeiter und war zuletzt bis August 2004 als Schienenschweißer im Gleisbau eingesetzt. Dies belegt eine gewisse geistige Leistungsfähigkeit. Soweit der Gutachter Prof. Dr. W. ausgeführt hat, nur Tätigkeiten ohne geistige Anforderungen seien möglich, so steht dies im Gegensatz zu seiner eigenen Einschätzung in dem unmittelbar vorangehenden Satz, geistig sehr einfache Tätigkeiten seien möglich. Allein schon das Auffinden des Arbeitsplatzes stellt bereits geistige Anforderungen, was zeigt, dass auch bei Zugrundelegung dieses Gutachtens dem Kläger nicht jede geistige Tätigkeit unmöglich ist. Auf der anderen Seite handelt es sich bei der Tätigkeit eines Pförtners im Eingangsbereich in einer Behörde regelmäßig um eine auch geistig sehr einfache Arbeit. Angesichts des oben beschrieben Leistungsspektrums des Klägers und der sehr geringen Anforderungen in dieser Tätigkeit ist der Kläger in der Lage, die Verweisungstätigkeit innerhalb einer Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten vollwertig auszuüben (BSG, 29.3.1994 - 13 RJ 35/93, NZS 94, 564 m.w.N.).

Dies gilt auch, wenn zu den Tätigkeiten eines Pförtners auch einfache Bürotätigkeiten, Postverteilung im Betrieb sowie der Telefondienst gehören sollten; dies ist dem Kläger geistig und gesundheitlich möglich. Denn wenn die vorgenannten Tätigkeiten nur nebenher gemacht werden, dann handelt es sich nur um Zuarbeiten für einen Büro- oder Poststellenmitarbeiter. Andernfalls würde es sich nicht mehr um eine Pförtnerstelle handeln. Damit verbleiben nur sehr einfache Tätigkeiten, die körperlich leicht sind und im Wechsel der Haltungsarten ausgeübt werden.

Für die so beschriebene Tätigkeit eines Pförtners gibt es genügend Arbeitsplätze. Nach der Rechtsprechung muss eine nennenswerte Anzahl derartiger Arbeitsplätze vorhanden sein; dies ist bei mehr als 300 Arbeitsplätzen der Fall. Ob die Arbeitsplätze frei sind, ist unerheblich, da die gesetzliche Rentenversicherung nicht vor dem Arbeitsmarktrisiko schützt (BSG, 14.05.1996 - 4 RA 560/94, BSGE 78, 207; BSG, 4.11.1998 - B 13 RJ 145/98 B, Juris; BSG, 25.07.2001 - B 8 KN 14/00 R, SozR 3-2600 § 43 Nr. 26). Eine solche Zahl von Arbeitsplätzen ist hier nach den Angaben des Landesarbeitsamtes Hessen vorhanden. Es stehen auch ausreichend Stellen allein in der Tagesschicht zur Verfügung; dies zeigt die beigezogene Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen vom 2. Juli 2009 deutlich, da dort eine Tätigkeit in Nachtschicht ausgeschlossen war, ohne dass dies an der ausreichenden Anzahl dieser Tätigkeit etwas änderte. Hinzu kommt, dass die genannten Behörden wie Kommunen, Sozialversicherungsträger einschließlich Außenstellen, Ministerien, Finanzämtern, Regierungspräsidien bzw. Versorgungsunternehmen und Krankenhäuser nachts keinen Publikumsverkehr haben, so dass für die Pförtner, die als Ansprechpartner der Besucher fungieren, regelmäßig keine Nachtschichten anfallen. Es ist eine solche Vielzahl von Kommunen, Sozialversicherungsträgern einschließlich Außenstellen, Ministerien, Finanzämtern, Krankenhäusern, Regierungspräsidien etc. in Deutschland anzutreffen, dass diese Zahl an Arbeitsplätzen auch in der Tagesschicht nach den eigenen und allgemeinkundlichen Erkenntnissen des Senats weit überschritten wird. Allein der Deutsche Städtetag umfasst über 4000 Gemeinden, die Deutsche Krankenhausgesellschaft rund 2000 Krankenhäuser; die Bundesagentur für Arbeit hat über 600 Geschäftstellen. Unerheblich ist insoweit, ob es teilweise in anderen Einrichtungen oder Unternehmen auch Pförtner gibt, die nachts arbeiten müssen.

Die Wegefähigkeit des Klägers ist nicht rentenrechtlich relevant eingeschränkt. Dr. W. hat ausdrücklich ausgeführt, dass der Kläger in der Lage ist, mehr als 500 m viermal täglich zurückzulegen. Das Vorliegen der Wegefähigkeit des Klägers unterstreicht der Umstand, dass er nach seinen Angaben gegenüber Dr. W. von Zeit zu Zeit mit dem Bus nach K. fährt, um dort einzukaufen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht, da es sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage handelt.
Rechtskraft
Aus
Saved