L 10 KN 26/08

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 6 KN 43/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KN 26/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
:
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger eine Rente wegen Erwerbsminderung - gegebenenfalls auch wegen Berufsunfähigkeit - zusteht.

Der Kläger ist 1957 geboren und erlernte zunächst von 1974 bis 1976 den Beruf des Kochs und arbeitete im Weiteren als Küchenleiter und Entascher. Ab 1987 übte er eine Tätigkeit als Lackierer in einer Tischlerei und anschließend als Fensterbauer, Maurer und Kraftfahrer aus. Danach war er selbständig tätig (Hausmeisterdienste). Von August 1996 bis Februar 2001 arbeitete er bei der Firma S. H. M, als Steinsetzer/Pflasterer. Nach dem Arbeitsvertrag vom 22. März 1999 (Bl. 255 Gerichtsakte) war er als Bauwerker für alle anfallenden Arbeiten in Kanal-, Straßen- und Tiefbau auf den Baustellen des Betriebes einzusetzen. Sein Stundenlohn wurde schließlich im Juni 1999 auf 18,19 DM erhöht (einschließlich Bauzulage; vgl. Bl. 261 Gerichtsakte).

In seiner Auskunft vom 7. März 2002 teilte der letzte Arbeitgeber des Klägers mit, dieser sei als "Bauwerker" beschäftigt gewesen. Er habe alle anfallenden Arbeiten im Straßenbau außer dem "Fahren von Technik" verrichtet. Es habe sich teilweise um Arbeiten gehandelt, die im Allgemeinen von Facharbeitern mit ordentlicher Berufsausbildung erbracht würden ("Pflasterarbeiten"). Es seien vollwertig die gleichen Arbeiten verrichtet und der gleiche Lohn erzielt worden wie von einem ordnungsgemäß ausgebildeten Berufsinhaber. Es seien Tätigkeiten ausgeübt worden, die im Allgemeinen von Arbeitern verrichtet würden, die eine längere betriebliche Anlernung erfahren hätten. Vorkenntnisse habe der Kläger nicht verwerten können.

In einer vom Sozialgericht im späteren Gerichtsverfahren eingeholten Arbeitgeberauskunft hat dieser am 28. Januar 2008 angegeben, die Aufgabe des Klägers habe darin bestanden, Tragschichten und Pflasterplanung herzustellen, Borte und Natursteinpflaster zu setzen, Betonsteinpflaster zu verlegen, Gossen herzustellen, Pflaster zu rütteln und einzufegen oder einzuschlämmen. Es handele sich hierbei um angelernte Arbeiten (Ausbildungsdauer bzw. Anlernzeit bis zu einem Jahr). Die entsprechende Ausbildung habe der Kläger nur praktisch durchlaufen. Er habe über alle theoretischen Kenntnisse und praktischen Fertigkeiten eines ausgebildeten Facharbeiters verfügt. Er sei nicht nur in Teilbereichen einer Facharbeitertätigkeit eingesetzt worden. Er sei entsprechend dem Tarifvertrag BRTV Bau (gesetzlicher Mindestlohn) mit zuletzt 18,19 DM/Stunde entlohnt worden. Dieser Aufstellung war eine Kopie des Tarifvertrages beigefügt (Bl. 128 Gerichtsakte).

In einem Erörterungstermin am 12. Januar 2010 hat der Kläger seine Tätigkeit bei der Firma M. geschildert. Dabei hat er angegeben, dass er die Pflasterarbeiten vorbereiten musste, damit die Pflasterer ihre Tätigkeiten verrichten konnten. Anschließend habe er das verlegte Pflaster eingeschlämmt bzw. den Sand eingefegt. Später habe der Chef ihn dann weiter angelernt und er habe das Pflastern gelernt. Deswegen habe er auch später eine Lohnerhöhung bekommen.

Im Februar 2001 erlitt der Kläger bei einem Arbeitsunfall ein stumpfes Bauchtrauma, eine Thoraxprellung, eine Lendenwirbelsäulen- und eine Brustwirbelsäulenkontusion. Nach einem Bericht der Gemeinschaftspraxis Dr. B. von Januar 2002 bestanden seitdem chronische Lendenwirbelsäulenbeschwerden.

Im Dezember 2001 beantragte der Kläger eine Erwerbsminderungsrente. Im April 2002 nahm er an einer stationären Rehabilitationsmaßname teil. Die dortigen Diagnosen lauteten auf einen Zustand nach Arbeitsunfall mit Polytrauma, lumbales Schmerzsyndrom bei Bandscheibenvorfall L5/S1, arterieller Hypertonus sowie Übergewicht. Als Arbeiter im Straßenbau (Pflasterer) und auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei der Kläger nur noch unter drei Stunden einsatzfähig. Dieser Einschätzung schloss sich der Sozialmedizinische Dienst (SMD) der Beklagten an. Eine Nachuntersuchung solle nach Ablauf von drei Jahren erfolgen. Im Weiteren gewährte die Beklagte dem Kläger ausgehend von einem Leistungsfall im Februar 2001 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 30. Juni 2004 (Rentenbescheid vom 11. September 2002; Bl. 262 Verwaltungsakte).

Im Februar 2004 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Rente. Sein Gesundheitszustand habe sich keineswegs gebessert. Er habe Schmerzen in der Lendenwirbelsäule und im Becken und nehme starke Schmerzmittel (Paladon 16 mg). Seine gesamte Leistungsfähigkeit habe rapide nachgelassen. Die Beklagte verlängerte zunächst die Rente mit Bescheid vom 8. Juni 2004 nur bis zum 30. September 2004. Hiergegen legte der Kläger am 25. Juni 2004 Widerspruch ein und führte aus, an seinem Gesundheitszustand habe sich nichts geändert. Im Weiteren wurde die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit nochmals bis zum 30. November 2004 verlängert (Bescheid vom 25. August 2004).

Auf Bitten der Beklagten erstattete der SMD nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 27. April 2004 ein Gutachten. Seine Diagnosen lauteten auf ein chronisches LWS-Syndrom bei Verdacht auf Schmerzfehlverarbeitung bei bestehender Bandscheibenprotrusion L5/S1 ohne Nervenkompression, Zustand nach Arbeitsunfall, arterielle Hypertonie sowie massives Übergewicht. Der SMD empfahl die Durchführung einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme. Diese wurde am 4. August bis 15. September 2004 in B. L. durchgeführt. Nach den dortigen Angaben des Klägers waren die Schmerzen praktisch gleichbleibend seit dem Arbeitsunfall 2001. Seitdem nehme er auch weitgehend unverändert starke Schmerzmittel. Die Diagnosen der Klinik l. auf eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und mittelgradige depressive Episode mit Somatisierung. Weiterhin wurden die bisherigen Diagnosen bestätigt. Unter Berücksichtigung dieser Leistungseinschränkungen sei zwar eine Tätigkeit als Straßenbauer nur noch unter drei Stunden täglich möglich. Jedoch sei eine Arbeit von sechs Stunden und mehr im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich. Zu vermeiden seien Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie Zwangshaltungen; ansonsten sei eine mittelschwere Arbeit vollschichtig zumutbar. Der Kläger wurde als arbeitsfähig entlassen. In einer abschließenden Stellungnahme stimmte der SMD der Einschätzung der Rehabilitationsklinik zu.

Mit Bescheid vom 25. November 2004 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung über den 30. November 2004 hinaus ab und führte zur Begründung aus, es bestehe keine entsprechende gesundheitliche Einschränkung mehr. Der Kläger könne die dem Rentenanspruch entgegenstehenden Tätigkeiten wie beispielsweise Pförtner, Sortierer oder Verteiler von Post mindestens sechs Stunden pro Tag verrichten. Hiergegen legte der Kläger am 7. Dezember 2004 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, er sei angesichts seiner schweren Erkrankung nicht mehr in der Lage, irgendeiner Tätigkeit über drei Stunden hinaus nachzugehen. Er habe ständige Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich.

Auf Bitten der Beklagten wurde der Kläger am 31. Mai 2006 erneut vom SMD untersucht. In dem Gutachten vom 15. Juni 2006 wurden die bisherigen Diagnosen erneut bestätigt. Wesentliche Funktionseinschränkungen bestanden nach Ansicht des SMD bezüglich der Lendenwirbelsäule nicht. Hinsichtlich der sozialmedizinischen Leistungseinschätzung stimmte man der Beurteilung durch die Rehabilitationsklinik zu.

Mit Bescheid vom 11. August 2006 - dem Kläger zugegangen am 16. August 2006 - wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und wiederholte und vertiefte unter Bezugnahnahme auf die medizinischen Unterlagen ihre bisherige Begründung.

Hiergegen hat der Kläger am 16. September 2006 Klage erhoben und seine bisherige Begründung vertieft.

Im November 2006 erlitt der Kläger einen Myokardinfarkt, weshalb vom 6. Dezember bis 24. Dezember 2006 eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme in der P. H.-K. B. S. durchgeführt wurde. Dort wurden die Diagnosen Zustand nach akutem Myokardinfarkt mit uneingeschränkter linksventrikulärer Funktion sowie Zustand nach Stent-Versorgung bei koronarer 1-Gefäßerkrankung und gemischtförmige Hyperlipoproteinämie gestellt. Weiterhin wurden die bisherigen Diagnosen bestätigt. Nach der sozialmedizinischen Einschätzung der Rehabilitationsklinik war der Kläger weiterhin sechs Stunden und mehr einsatzfähig. Aus kardiologisch-internistischer Sicht sei perspektivisch damit zu rechnen, dass der Kläger eine leichte bis maximal mittelschwere körperliche Tätigkeit vollschichtig ausführen könne. Permanente Stress- und Akkordbelastungen, häufig wechselnde Arbeitszeiten und Nachtschichten seien nicht möglich. Möglich sei eine leichte körperliche Tätigkeit. Es empfehle sich jedoch die Einholung eines orthopädischen Zusatzgutachtens.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten. Unter dem 29. Juli 2007 hat Dipl. Med. S. - Arzt für Allgemeinmedizin - mitgeteilt, zuletzt sei im April 2007 in der Ergometrie eine Belastbarkeit bis 100 Watt festgestellt worden. Im Mai 2007 hätten Bewegungs- und Druckschmerzen in der Wirbelsäule bestanden. Seiner Einschätzung nach war der Kläger drei bis sechs Stunden pro Tag für leichte Tätigkeiten mit Einschränkungen arbeitsfähig. In Zusammenschau mit den subjektiven Beschwerden sowie der psychischen Befindlichkeit würde er den Kläger für weniger als drei Stunden täglich arbeitsfähig halten. Beigefügt war der Bericht von Dr. H. u. a. über eine Funktionsmyelographie am 19. Januar 2006. Danach zeigten sich keine Auffälligkeiten. Der Leidensdruck des Klägers und das Schmerzniveau erschienen nicht so hoch als dass eine Operation indiziert wäre.

In einem Befundbericht vom 14. August 2007 hat Dr. T. - Fachärztin für Innere Medizin/Kardiologie - ausgeführt, der Kläger sei unter Berücksichtigung ihres Fachgebietes noch sechs Stunden und mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von Dr. T. - Facharzt u.a. für Orthopädie, Chirotherapie, spezielle Schmerztherapie. Dieser hat den Kläger im Februar 2008 ambulant untersucht und folgende Diagnosen gestellt:

pseudoradikuläres Lendenwirbelsäulensyndrom bei muskulärer Dysbalance, leichten bis mäßigen degenerativen Veränderungen und leichten bis mäßigen Funktionsstörungen,

pseudoradikuläres Halswirbelsäulensyndrom bei leichten bis mäßigen degenerativen Veränderungen und leichten bis mäßigen Funktionsstörungen,

Schmerzchronifizierung Stadium III nach Gerbershagen mit Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung,

klinisch initiale, medial betonte Gonarthrose und Retropatellararthrose beidseits ohne Bewegungseinschränkungen und auch ohne Angabe von Beschwerden seitens des Klägers,

Zustand nach Herzinfarkt am 17. November 2006 und Stentimplantation bei Eingefäßerkrankung,

anhaltende somatoforme Schmerzstörung und mittelgradige depressive Episode,

arterieller Hypertonus und Übergewicht.

Eine weitere verminderte Belastbarkeit und insbesondere Stressbelastbarkeit folgten aus den psychischen Erkrankungen. Aus kardiologischer Sicht sei zumindest eine leichte Tätigkeit möglich. Insgesamt sei der Kläger damit in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit durchzuführen. Diese solle im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen durchgeführt werden. Nachtschichten, häufige Überkopfarbeiten, Bücken, häufiges Heben und Tragen von Lasten aus der Vorbeuge heraus, ständige Rumpfzwangshaltungen, Stauchung und Rüttlung der Wirbelsäule, häufig kniende Tätigkeiten und Gerüst- und Leiterarbeiten seien nicht zumutbar. Arbeiten in geschlossenen Räumen würden empfohlen. Geistig seien dem Kläger einfache bis mittelschwere Arbeiten möglich.

Mit Urteil vom 27. Juni 2008 hat das Sozialgericht Magdeburg die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf den Rehaentlassungsbericht und das Gutachten von Dr. T. gestützt. Berufsunfähigkeit liege auch nicht vor, da der Kläger in die Gruppe der sogenannten unteren Angelernten einzustufen sei. Als solcher sei er auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar.

Gegen das ihm am 18. August 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. September 2008 Berufung eingelegt. Seiner Auffassung nach hätte das Sozialgericht ein psychiatrisches Fachgutachten einholen müssen. Dipl.-Med. S. habe seine Leistungsfähigkeit richtig eingeschätzt. Schließlich liege zumindest eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor, die die Beklagte verpflichte, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Denn sein Leistungsvermögen würde durch eine Vielzahl von verschiedenen orthopädischen, internistischen und psychischen Leiden eingeschränkt. Aus der eingeholten Arbeitgeberauskunft ergebe sich auch nicht, dass er der Stufe der unteren Angelernten zuzuordnen sei. Die Arbeitgeberauskunft sei widersprüchlich. Er habe Tätigkeiten wie ein Facharbeiter verrichtet. Auf Grund der psychischen Leiden sei eine Tätigkeit wie die eines Pförtners nicht zumutbar. Als Hilfskraft in einer Poststelle sei er gleichfalls nicht einsetzfähig, denn dort seien schwere Lasten zu heben und zu transportieren sowie weite Wege zurückzulegen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 17. Juni 2008 und die Bescheide der Beklagten vom 8. Juni 2004 und 25. August 2004 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Dezember 2004 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in gesetzlicher Höhe zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat ein Gutachten nach Aktenlage von Dr. E. für die Bundesagentur für Arbeit vom 24. Januar 2008 beigezogen. Danach war der Kläger noch täglich für sechs Stunden und mehr in einer leichten Tätigkeit im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen einsatzfähig. Eine Umschulung in einen Büroberuf solle bevorzugt werden.

Der Senat hat einen Befundbericht von Dr. T. eingeholt. Diese hat im April 2009 angegeben, der Kläger sei zuletzt im Dezember 2008 bei ihr in Behandlung gewesen. Am 16. Juni 2008 sei in der Ergometrie eine Belastbarkeit bis maximal 100 Watt festgestellt worden; im Dezember 2008 habe sich ein völlig unauffälliges Langzeit-EKG gezeigt (Bl. 279 Gerichtsakte). Im April 2009 hat Dipl.- Med. S. angegeben, die Beschwerden hätten sich seit dem akuten Myokardinfarkt im November 2006 nicht weiter verändert.

Ab März 2009 war der Kläger wiederholt insgesamt rund 10 Wochen in stationärer und zusätzlich 5 Wochen in tagesklinischer psychiatrischer Behandlung in den Neinstedter Anstalten. Nach einem Bericht dieses Krankenhauses lag eine depressive Störung mit einer Anpassungsstörung vor.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. H ... Diese hat unter dem 8. Oktober 2009 die Diagnosen anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei orthopädischer Grunderkrankung sowie Anpassungsstörung mit überwiegend reaktiv-depressiver Symptomatik gestellt. Nach Einschätzung von Dr. H. war der Kläger in einer leichten Tätigkeit sechs Stunden und mehr einsatzfähig. Bezüglich der qualitativen Leistungseinschränkungen hat sie ähnliche Einschränkungen wie Dr. T. gemacht. Zusätzliche Pausen seien nicht erforderlich. Dem hat sich der SMD in einer weiteren sozialmedizinischen Stellungnahme am 8. Dezember 2009 angeschlossen.

In einem fachärztlichen Attest vom 8. Januar 2010 hat Dr. H. - Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie - die bisherigen Diagnosen bestätigt. In weiteren vom Senat erbetenen Auskünften haben Dr. S. unter dem 17. August 2010 und Dipl. Med. G. im Juni 2010 angegeben, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers nicht verändert habe.

Der Senat hat weiter berufskundliche Unterlagen zu der Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Poststelle einer kommunalen Verwaltung und eines Pförtners und weitere berufskundliche Unterlagen des Berufsinformationssystems der Bundesagentur für Arbeit ("Berufenet") zu der Tätigkeit eines Pflasterers sowie eine Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen zu dieser Tätigkeit beigezogen und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben.

Die Gerichtsakte hat vorgelegen und war Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt dieser Akte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist unbegründet, denn die Bescheide der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides beschweren den Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Der Kläger hat über den 30. November 20004 hinaus weder einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) noch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI, denn er ist nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen noch in der Lage, eine ihm zumutbare Tätigkeit für mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Nach § 43 Abs. 1, Abs. 2 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung, wenn sie teilweise oder voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Der Kläger ist weder teilweise noch voll erwerbsgemindert. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger noch in der Lage ist, regelmäßig für mindestens sechs Stunden täglich einer körperlich leichten Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen nachzugehen. Zu vermeiden sind Heben, Tragen und Bewegen von Lasten sowie Zwangshaltungen, permanente Stress- und Akkordbelastungen, häufig wechselnde Arbeitszeiten und Nachtschichten, Stauchung und Rüttlung der Wirbelsäule, häufig kniende Tätigkeiten und Gerüst- und Leiterarbeiten. Geistig sind dem Kläger einfache bis mittelschwere Arbeiten möglich.

Insoweit folgt der Senat der im Wesentlichen übereinstimmenden Leistungseinschätzung in den verschiedenen Gutachten des SMD, der Reha-Kliniken in B. L. und B. S., der behandelnden Ärztin Dr. T. und den Gutachten von Dr. T., Dr. H. und Dr. E ...

Der Herzinfarkt und seine Folgen stehen einer Tätigkeit wie beschrieben nicht entgegen. Dies ist auch für die Zeiträume unmittelbar nach dem Herzinfarkt gut nachvollziehbar. In der P. H.-K. B. S. erfolgte zwar eine Entlassung als arbeitsunfähig; dies ist jedoch wegen der vorübergehenden Erkrankung (akuter Myokardinfarkt) verständlich. Schon dort bestand bereits eine uneingeschränkte linksventrikuläre Funktion; auch nach den eigenen Angaben des Klägers war er kardiologisch beschwerdefrei; in der Ergometrie gelang eine Belastung bis 100 Watt. Diese gute Belastbarkeit des Herz-Kreislaufsystems hat der Kläger durchgängig gezeigt:

September 2004 bis 150 Watt (Reha-Klinik B. L.);

Mai 2006 bis 100 Watt (Gutachten SMD);

Dezember 2006 bis 100 Watt (P. H.-K. B. S.)

April 2007 bis 100 Watt (Dr. S. vgl. Bl. 282 Gerichtsakte);

Juni 2007 bis 150 Watt (vgl. Dr. T. - Fachärztin für Innere Medizin/Kardiologie, vgl. Bl. 68 Gerichtsakte);

Juni 2008 bis 100 Watt (Befundbericht Dr. T. von April 2009).

Angesichts dieser durchgängig und wiederholt durchgeführten Fahrradergometrie - Tests kann sich der Senat nicht der Auffassung des Klägers anschließen, hierbei habe es sich jeweils um eine kurzzeitige Leistungsspitze gehandelt.

Hinzu kommt, dass ein im Dezember 2008 erstelltes Langzeit-EKG ein "völlig unauffälliges" Bild gezeigt hat. Noch im April 2009 hat Dipl.- Med. S. angegeben, die Beschwerden hätten sich seit dem akuten Myokardinfarkt im November 2006 nicht weiter verändert. Die Einschätzung des SMD und der Reha-Kliniken bezüglich der Erwerbsfähigkeit des Klägers wird auch von der behandelnden Ärztin Dr. T. - Fachärztin für Innere Medizin/Kardiologie - geteilt (Befundbericht vom 14. August 2007). Im Juni bzw. August 2010 haben Dipl. Med. G. und Dipl. Med. S. angegeben, dass sich der Gesundheitszustand des Klägers nicht verändert hätte.

Als weitere wesentliche Ursache für eine Leistungsminderung des Klägers sind die Wirbelsäulenbeschwerden zu nennen (Arbeitsunfall mit Polytrauma, lumbales Schmerzsyndrom bei Bandscheibenvorfall L5/S1). Auch hier ergibt sich aber für eine leichte Arbeit im Wechsel von Gehen, Stehen und Sitzen ohne Zwangshaltungen keine weitere, insbesondere keine zeitliche Einschränkung.

Nachvollziehbar bewerten die Ärzte durchgehend die Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule von leichten bis mäßigen, aber nicht von wesentlichen Einschränkungen der Lendenwirbelsäule aus. So war der Gang des Klägers im September 2004 in Bad Langensalza unauffällig. Zehen- und Fersengang waren beidseits möglich. Die Reflexe waren seitengleich normintensiv auslösbar. Sensible Defizite bestanden nicht. Das Zeichen nach Schober betrug 10/14 Zentimeter, der Finger-Boden-Abstand 34 Zentimeter der Finger-Zehen-Abstand im Langsitz nur 5 Zentimeter. Ähnlich waren die Befunde bei der Untersuchung des SMD am 31. Mai 2006. Bei der Untersuchung durch Dr. T. hat der Kläger Schmerzen über der Muskulatur paravertebral sowie über den Dornfortsätzen der unteren Halswirbelsäule angegeben. Jedoch waren die Muskeleigenreflexe seitengleich auslösbar. Das Zeichen nach Lasègue zeigte sich zunächst positiv, bei Ablenkung aber beidseits negativ. Der Langsitz war möglich. Radikulär bedingte motorische Ausfälle insbesondere der Fußheber oder Großzehenheber konnten nicht festgestellt werden. Der Finger-Boden-Abstand betrug bei Dr. T. 31 Zentimeter bei leichtem Aufrichtschmerz. Die Rotation rechts/links war mit 20-0-25 Grad (bei dem SMD am 27. April 2004 nur jeweils 10 Grad), die Seitenneigung rechts/links mit jeweils 20 Grad möglich.

Dies passt auch zu den eigenen Angaben des Klägers gegenüber Dr. T., wonach er maximal 30 Minuten spazieren gehe und die Schmerzen in der Lendenwirbelsäule insbesondere bei einer Gehstrecke von über einem Kilometer auftreten. Stehen war ihm nach seinen Angaben am Stück für 20 bis 30 Minuten und das Sitzen für 30 bis 45 Minuten möglich (ähnlich die Angaben gegenüber dem SMD am 27. April 2004). Daher kann sich der Senat auch nicht den Angaben von Dr. H. anschließen, wonach der Kläger eine Arbeit "wechselweise im Stehen und/oder Sitzen" verrichten solle. Hierfür nennt diese Fachärztin für Psychiatrie keine anderen Befunde als Dr. T. und setzt sich mit dessen anderer Auffassung auch nicht auseinander; ein psychiatrisches Leiden, welches die Gehfähigkeit einschränken könnte, ist nicht erkennbar. Die Einschätzung des Facharztes für Orthopädie ist daher überzeugender. Eine Fähigkeit zu einer Tätigkeit mit gelegentlichen Gehanteilen ist angesichts der oben dargelegten eigenen Angaben des Klägers auch naheliegend. Eine Gehstrecke von rund 1 Kilometer hat auch Herr S. - Facharzt für Orthopädie - unter dem 9. Januar 2008 bestätigt (Bl. 301 Gerichtsakte).

Dies passt auch gut zu dem Tagesablauf des Klägers. Hierzu hat er gegenüber Dr. T. angegeben, er absolviere ein paar Haushaltstätigkeiten wie Bettenmachen, Staubwischen/Saugen und fahre auch mit dem PKW zum 1,5 Kilometer entfernten Lebensmittelgeschäft. Das Tragen von drei bis vier Kilogramm Gewichten sei kurzzeitig möglich. Auch bei Dr. H. hat der Kläger einen ähnlichen Tagesablauf geschildert, obgleich er gegen die Wiedergabe seiner Schilderung bei Dr. T. protestiert hatte.

Nach der schlüssigen und überzeugenden Ansicht von Dr. T. besteht weiter ein pseudoradikuläres Halswirbelsäulensyndrom bei leichten bis mäßigen degenerativen Veränderungen und leichten bis mäßigen Funktionsstörungen. Ein Bandscheibenprolaps in der Halswirbelsäule konnte nach den Angaben des S.-S. Krankenhauses H. im MRT ausgeschlossen werden (vgl. Bl. 200 Gerichtsakte). Auch dies steht einer Arbeit unter den genannten Bedingungen nicht entgegen.

Auch aus psychiatrischer Sicht ergeben sich keine weiteren Einschränkungen. Zweifellos bestehen auf psychiatrischem Gebiet weitere Erkrankungen (anhaltende somatoforme Schmerzstörung, mittelgradige depressive Episode mit Somatisierung, Anpassungsstörung). Allerdings stehen auch sie einer leichten Arbeit von sechs Stunden und mehr nicht entgegen, wie sich aus dem schlüssigen und überzeugenden Gutachten von Dr. H. ergibt.

Nachvollziehbar ist die Einschätzung von Dr. T., wonach bei dem Kläger eine ausgeprägte Schmerzchronifizierung Stadium III nach Gerbershagen bestand. Nicht zu verkennen ist, dass der Kläger ein sehr starkes Schmerzmittel nimmt (Paladon 24 mg), also ein hochdosiertes Opioid-Analgetikum. Leistungseinschränkungen sind aber insoweit nicht erkennbar.

Die entgegenstehende Ansicht von Dipl. Med. S. (Leistungsfähigkeit von weniger als drei Stunden täglich) ist nicht näher begründet. Es ist auch für den vorliegenden Fall nicht nachvollziehbar, warum eine Zusammenschau subjektiver Beschwerden sowie der psychischen Befindlichkeit zu einer solchen Leistungseinschränkung führen soll. Die medizinischen Befunde müssen objektivierbar - d.h. beweisbar - sein. Dies gilt auch für Krankheiten auf psychosomatischem Gebiet. Die subjektiven Beschwerden, die Dr. S. als Begründung für eine Erwerbsminderung angibt, können daher nicht entgegen dem Fachgutachten von Dr. H. Grundlage für eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung seien.

Der Kläger scheint auch unter dieser Erkrankung nicht besonders gelitten zu haben. So hat er gegenüber Dr. T. angegeben, eine Überweisung zum Psychologen sei nicht erfolgt; er habe gedacht, dass er das so in den Griff kriege. Auch in dem Bericht der Neinstedter Anstalten ist kein großer Leidensdruck erkennbar.

Keine weiteren Einschränkungen für eine leichte Tätigkeit ohne Schichtarbeit und Stress folgen aus dem arteriellen Hypertonus, dem Übergewicht, der Gonarthrose und der Retropatellararthrose beidseits ohne Bewegungseinschränkungen und auch ohne Angabe von Beschwerden seitens des Klägers. Diese sind für eine leichte Arbeit unerheblich. Ähnliches gilt für die intraglanduläre Lymphadenitis Glandula parotis links (Bl. 300 Gerichtsakte; Schwellung der Ohrspeicheldrüse).

Für die Notwendigkeit von weiteren Pausen neben den üblichen und für eine relevante Einschränkung der Wegefähigkeit des Klägers gibt es keinen medizinischen Anhaltspunkt. Allerdings ist es denkbar, dass - wie auch Dr. H. anführt - die Fahrtüchtigkeit des Klägers durch die Schmerzmedikamente eingeschränkt ist. Jedoch ist der Kläger nach den Feststellungen von Dr. T. in der Lage, einen Weg von mehr als 500 Meter in weniger als 20 Minuten ohne unzumutbare Schmerzen zu absolvieren. Hiergegen spricht auch nicht, dass Dr. H. ausgeführt hat, der Kläger könne noch "den Weg von 500 Metern auch viermal täglich" zurücklegen. Zum einen folgt hieraus nicht, dass nach Ansicht von Dr. H. nicht auch Wegstrecken von mehr als 500 Meter möglich sind. Zum anderen nennt diese Fachärztin für Psychiatrie keine anderen Befunde als Dr. T. und setzt sich mit dessen (minimal) anderen Auffassung auch nicht auseinander; ein psychiatrisches Leiden, dass die Gehfähigkeit ab 500 Meter einschränken könnte, ist nicht erkennbar. Die Einschätzung des Facharztes für Orthopädie ist daher überzeugender. Eine solche Gehstrecke ist angesichts der Tatsache, dass der Kläger selbst seine maximale Gehstrecke mit 1 Kilometer beziffert und auch regelmäßig eine halbe bis dreiviertel Stunde spazieren geht, schlüssig und überzeugend. Eine Gehstrecke von rund 1 Kilometer hat auch Herr S. - Facharzt für Orthopädie - unter dem 9. Januar 2008 bestätigt (Bl. 301 Gerichtsakte).

Bei dem Kläger liegen auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die zu einer Verpflichtung der Beklagten führen würde, eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen. Von solchen Einschränkungen kann nur gesprochen werden, wenn sie über das hinausgehen, was bereits vom Begriff "leichte Tätigkeiten" mit umfasst ist. Zwar liegen bei dem Kläger eine Reihe von Erkrankungen vor. Die dadurch hervorgerufenen gesundheitlichen Einschränkungen sind jedoch noch mit der Umschreibung leichter Tätigkeiten vereinbar. Die Minderung der Leistungsfähigkeit ist daher bezogen auf die Bedingungen der Arbeitswelt, insbesondere was leichte körperliche Arbeiten betrifft, nicht als außergewöhnlich zu bezeichnen. Das Restleistungsvermögen des Klägers reicht vielmehr noch für leichte körperliche und psychisch nicht belastende Verrichtungen im Wechsel der drei Körperhaltungen wie z.B. Akten anlegen und verwalten, Post bearbeiten, Schriftverkehr führen und telefonieren aus (vgl. die Aufzählungen in dem Beschluss des Großen Senats des Bundessozialgerichts vom 19.12.1996 - GS 2/95 - SozR 3-2600 § 44 SGB VI Nr. 8 = BSGE 80, 24, 33f.). Damit ist er zu Verrichtungen in der Lage, wie sie in der Arbeitswelt als Inhalt auch ungelernter Tätigkeiten gefordert werden (siehe dazu auch unten bei der Prüfung der Berufsunfähigkeit).

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Gemäß § 240 SGB VI in der ab 1. Januar 2001 geltenden Fassung haben Versicherte neben weiteren Voraussetzungen nur dann Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, wenn sie berufsunfähig sind. Nach § 240 Abs. 2 SGB VI sind Versicherte berufsunfähig, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeit entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Ausgangspunkt für die Prüfung der Berufsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der bisherige Beruf, den der Versicherte ausgeübt hat. In der Regel ist dies die letzte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit (BSG, Urteil v. 14.12.1998, B 5 RJ 60/97 R, BSGE 83,192 ff = SozR 3-6855 Art. 11 Nr. 1). Im Falle des Klägers ist von der zuletzt von ihm ausgeübten Tätigkeit als "Bauwerker" auszugehen.

Diese Tätigkeit kann der Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben, da es sich nach den übereinstimmenden Angaben des Klägers und seines letzten Arbeitgebers um eine mittelschwere, mit zumindest gelegentlichem schweren Heben und Tragen von Lasten verbundene Tätigkeit handelt. Solchen Anforderungen ist der Kläger nach den bereits oben dargelegten Ergebnissen der medizinischen Ermittlungen nicht mehr gewachsen.

Auch wenn der Kläger seine bisher ausgeübte Tätigkeit als "Bauwerker" nicht mehr ausüben kann, ist er deswegen nicht berufsunfähig. Berufsunfähigkeit liegt nämlich nicht schon dann vor, wenn ein Versicherter seinen bisherigen Beruf nicht mehr ausüben kann. Es kommt vielmehr darauf an, ob seine gesundheitliche Leistungsfähigkeit noch für eine zumutbare Verweisungstätigkeit ausreicht oder nicht. Die soziale Zumutbarkeit beurteilt sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufes. Zur Erleichterung der Beurteilung hat die Rechtsprechung die Berufe der Versicherten in Gruppen eingeteilt. Diese Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufes haben, gebildet worden. Danach sind - so weit hier von Bedeutung - zu unterscheiden: Ungelernte Berufe (Stufe 1); Berufe mit einer Ausbildung von bis zu 2 Jahren (Stufe 2) und Berufe mit einer Ausbildung von mehr als 2 Jahren (Stufe 3; vgl. BSG, Urt. v. 29.07.2004, B 4 RA 5/04 R, zitiert nach Juris). Die Stufe 2, auch als Gruppe der Angelernten bezeichnet, unterteilt die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wegen der Vielschichtigkeit und Inhomogenität dieser Berufsgruppe in einen oberen und einen unteren Bereich (vgl. Urt. v. 28.11.1985, SozR 2200 § 1246, Nr. 132, S. 425; v. 29.3.1994, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 45, S. 186). Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr gelten noch als sog. untere Angelernte. Bei Angelernten des oberen Bereichs sind im Gegensatz zu Angelernten des unteren Bereichs Verweisungstätigkeiten konkret zu benennen (Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 240 SGB VI, Rn. 101). Soweit der bisherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann, kann eine Verweisung erfolgen, die grundsätzlich durch eine konkrete Benennung eines Berufs geschehen muss, der an mindestens 300 Arbeitsplätzen im Bundesgebiet ausgeübt wird. Dabei kann nur auf einen Beruf derselben qualitativen Stufe oder der nächst niedrigeren verwiesen werden. Hierbei ist das Überforderungsverbot (Fähigkeit zur Einarbeitung innerhalb von drei Monaten) zu beachten (BSG, Urt. v. 29.07.2004, B 4 RA 5/04 R, a.a.O.).

Innerhalb des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas ist die bisherige Tätigkeit des Klägers als Bauwerker allenfalls der Gruppe der Berufe mit einer Ausbildung bis zu zwei Jahren (Stufe 2, oberer Bereich) zuzuordnen.

Hierfür spricht bereits die Bezeichnung "Bauwerker". Diese wird in den einschlägigen Tarifverträgen des Baus für die zweitniedrigste Lohngruppe VII verwandt (Lohngruppe VIII: Hilfskräfte). Angesichts dieses Sprachgebrauchs wäre es ungewöhnlich, wenn der Kläger Facharbeiter gewesen wäre.

Gegen eine Einstufung des Klägers als Facharbeiter spricht weiter die Bezahlung des Klägers. Allerdings erhielt er entgegen den teilweise aufgestellten Behauptungen weder den Mindestlohn noch wurde er nach dem geltenden Tarifvertrag bezahlt. Das bereits im Juni 1999 vereinbarte Entgelt von 18,19 DM/Stunde passt allerdings ungefähr zu dem Lohn der Berufsgruppe VIIa des damals geltenden Tarifvertrages von 18,09 DM/Stunde (Bl. 462 Gerichtsakte). Dies ist wie bereits ausgeführt die zweitniedrigste Stufe des Tarifvertrages. Der Mindestlohn von 18,16 DM galt erst nach dem Ausscheiden des Klägers ab dem 1. April 2001 (vgl. Arbeitgeberauskunft vom 28. Januar 2008 unter Vorlage des Vergütungstarifvertrages Bl. 128 Gerichtsakte). Zuvor lag er bei 15,14 DM/Stunde (vgl. Tarifvertrag Bl. 404 Gerichtsakte).

Auch einen formalen Facharbeiterabschluss hatte der Kläger in dem Bereich Straßenbau nicht. Insgesamt war der Kläger als Pflasterer auch nur etwas mehr als drei Jahre - mit Unterbrechungen - beschäftigt. Dies spricht noch nicht dafür, dass er solche Fähigkeiten erworben hat, die einem gelernten Facharbeiter (Ausbildung mehr als 2 Jahre) gleich stehen. Denn zum großen Teil hat der Kläger in dieser Zeit auch ungelernte Tätigkeiten wie das Einfegen übernommen. Es ist nicht erkennbar, dass der Kläger hier in einer besonderen Weise qualifiziert worden wäre; dies behauptet er auch nicht. Von einem Erwerb von Kenntnissen im gewissen Umfang geht auch der Senat aus, da der Kläger sonst in die Gruppe der Ungelernten einzustufen wäre. Die völlig unveränderte Bezeichnung in den beigezogenen Arbeitsverträgen sowie der Umstand, dass für eine Lohnerhöhung aufgrund einer weiteren Qualifizierung entgegen den Angaben des Klägers nichts ersichtlich ist, sprechen dafür, dass maximal Tätigkeiten im oberen angelernten Bereich verrichtet wurden.

Nicht verständlich vor dem Hintergrund der beigezogenen Unterlagen aus Berufenet ist, dass der letzte Arbeitgeber des Klägers in seiner Stellungnahme vom 28. Januar 2008 angegeben hat, der Kläger habe über alle theoretischen Kenntnisse und praktische Fertigkeiten eines ausgebildeten Facharbeiters verfügt und sei nicht nur in Teilbereichen der Facharbeitertätigkeit eingesetzt worden. Als Baufachwerker in der Fachrichtung Tiefbau hätte der Kläger eine sehr deutlich breitere Ausbildung gehabt. In der Aufzählung bei Berufenet zum Inhalt der Ausbildung werden insgesamt neun Spiegelstriche mit Beispielen angeführt; nur eine einzige beschäftigt sich mit der ausgeführten Tätigkeit des Klägers ("wie Platten- und Begrenzungssteine verlegt werden und wie Pflasterarbeiten fachgerecht auszuführen sind"). Die breite Ausbildung eines Tiefbauarbeiters wird auch in der gleichfalls beigezogenen Stellungnahme des Landesarbeitsamtes Hessen deutlich, die sich nicht von der Darstellung im Berufenet unterscheidet.

Im Übrigen ist nach der Beschreibung des Klägers keinesfalls deutlich, dass er auch diese Teilarbeiten bereits wie ein Facharbeiter ausgeführt hat. Gegen eine Einstufung als Facharbeiter spricht weiter, dass sein letzter Arbeitgeber seine Tätigkeit als angelernte Arbeit (Ausbildungsdauer bzw. Anlernzeit bis zu einem Jahr) bewertet hat. Weiter spricht für eine niedrige Einstufung des Klägers, dass Pflasterarbeiten auch von Helfern im Tiefbau durchgeführt werden, bei denen eine Ausbildung nicht vorausgesetzt wird, sondern lediglich eine Einweisung am Arbeitsplatz erfolgt. Auch hier sind einschlägige praktische Erfahrungen zum Beispiel im Herstellen von Pflaster- und Asphaltdecken vorteilhaft, ohne dass deshalb die Tätigkeit als eine angelernte eingestuft wird. Die Tätigkeit eines Pflasterers ist als solche kein Ausbildungsberuf, sondern Teil der Ausbildung im Bereich Straßen- oder Tiefbau. Auch hier ist die Kompetenz vergleichbar den Tiefbaufacharbeitern deutlich breiter gefasst und umfasst zum Beispiel auch die Baugeräte- und Baumaschinenführung und die Herstellung des Unterbaus im Straßen- oder Gleisbau. Insoweit kann der Kläger nicht als Facharbeiter eingestuft werden.

Als Angelernter muss sich der Kläger sozial zumutbar auf die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters in einer öffentlichen Verwaltung in der Vergütungsgruppe BAT-O IX verweisen lassen, die der Gruppe der Angelernten im unteren Bereich (Stufe 2) zuzuordnen ist.

Dem oben bei 1. festgestellten medizinischen Leistungsbild entspricht die Tätigkeit in einer Poststelle. Ausdrücklich hat Herr R. in dem beigezogenen berufskundlichen Gutachten ausgeführt, es handele sich um eine körperlich leichte Tätigkeit, die im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen ausgeführt wird. In dem beigezogenen Gutachten vom 11. Oktober 2002 führt Frau J. auf Seite 30 aus, die Tätigkeit in der Poststelle gehe über körperlich leichte Belastungen nicht hinaus. Die Möglichkeit zu einem regelmäßigen Haltungswechsel ergibt sich aus den Arbeitsvorgängen, die die Sachverständige aus einem Parallelverfahren einer Stellenbeschreibung entnommen und ihrem Gutachten beigefügt hat. Denn sie enthält in großem Umfang Prüfungs-, Sichtungs- und Sortiervorgänge, die sowohl in sitzender als auch stehender Haltung vorgenommen werden können. Dabei sind Gehanteile beim Wechsel des jeweiligen Tätigkeitsortes (Schreibtisch, Sortierfächer, Frankiermaschine etc.) zusätzlich erforderlich. Die Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters entspricht nach seinen Anforderungen dem Leistungsprofil des Klägers. Nach der (den Angaben der berufskundlichen Stellungnahme von Frau J. vom 11. Oktober 2002 beigefügten) Stellenbeschreibung gehört zu einer solchen Tätigkeit im Wesentlichen die Postbearbeitung mit Eingang und Annahme von Postsendungen, die Sichtung nach zu öffnender und nicht zu öffnender Post mit Klärung schwieriger Fälle, die Prüfung auf Vollständigkeit mit eventuellem Fertigen von Vermerken, das Anbringen des Eingangsstempels sowie die Zuordnung der Post zu den jeweiligen Ämtern, die Prüfung der Post auf ein kostengünstiges Format, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften, das Aussortieren von Irrläufern, das Registrieren von Einschreiben und Wertsendungen in einem Posteingangsbuch sowie das Sortieren und Versandfertigmachen der ausgehenden Post. Hinzu kommen in geringem Umfang innerdienstliche Serviceleistungen wie Fax- und Kopierarbeiten sowie das Verteilen von Zeitungen, Zeitschriften, Gesetzblättern u.a. und deren Erfassung auf Karteikarten in Zusammenarbeit mit der Verwaltungsbücherei. Im Rahmen einer solchen Tätigkeit sind Verrichtungen, an denen der Kläger aus gesundheitlichen Gründen gehindert sein könnte, nach der obigen Beschreibung sowie dem vom Senat festgestellten Restleistungsvermögen des Klägers nicht ersichtlich.

Das Auftreten von Zwangshaltungen ist angesichts der Tätigkeitsbeschreibung nicht zu erwarten. Denn grundsätzlich ergeben sich im Zusammenhang mit dem Arbeitsinhalt keine äußeren Zwänge aus technisch-organisatorisch festgelegten Örtlichkeiten. Dies gilt auch für etwaige Sortierfächer, die sich regelmäßig in gut erreichbarer Höhe befinden. Bücken ist nur gelegentlich notwendig, was für den Kläger nicht ausgeschlossen ist. Ausdrücklich hat auch Herr R. ausgeführt, es handele sich um eine körperlich leichte Tätigkeit im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen. Der Senat hat auch keine Bedenken angesichts der bei der Verteilung von Post anfallenden Gehstrecken. Nach dem Gutachten von Herrn R. verteilen in der Praxis Boten und nicht die Poststellenmitarbeiter die Post im Haus. Dies entspricht auch der Stellungnahme der Bundesagentur für Arbeit. In der gleichfalls beigezogenen Beschreibung der Arbeitsvorgänge werden Botengänge überhaupt nicht genannt (im Gegensatz zu der Vergütungsgruppe BAT-VIII). Daher kann der Anteil der Tätigkeiten höchstens gering sein, bei denen das Gehen einer größeren Strecke am Stück erforderlich ist. Der Kläger selbst hat bei der Begutachtung durch Dr. T. seine maximale Gehstrecke mit 1 Kilometer beziffert und angegeben, auch regelmäßig eine halbe bis dreiviertel Stunde spazieren zu gehen. Eine Gehstrecke von rund 1 Kilometer hat auch Herr S. - Facharzt für Orthopädie - unter dem 9. Januar 2008 bestätigt (Bl. 301 Gerichtsakte); wie oben wiederholt dargestellt kann sich der Senat der eventuell entgegenstehenden Ansicht von Dr. H. nicht anschließen. Mit einer solchen Gehfähigkeit sind Wege innerhalb einer Behörde zu bewältigen, zumal regelmäßig eine Aufteilung solcher Botengänge möglich sein wird. Denkbar ist daher eine Rückkehr in die Poststelle und die Verrichtung von sitzenden Arbeiten, um dann weiter die selten anfallenden Botengänge zu verrichten.

Der Kläger kann sich auch angesichts seiner bisherigen Ausbildung und geistigen Fähigkeiten innerhalb von drei Monaten (zu diesem Erfordernis BSG, 22.09.1977 - 5 RJ 96/76 - BSGE 44, 266 = SozR 2200 § 1246 Nr. 23) vollwertig in die Tätigkeit des Mitarbeiters einer Poststelle einer öffentlichen Verwaltung einarbeiten. Aus der Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen geht hervor, dass für diese Tätigkeit im Allgemeinen eine Einarbeitungszeit von höchstens drei Monaten Dauer erforderlich ist. Immerhin war der Kläger zeitweilig Küchenleiter und auch länger selbständig tätig; daher hat der Senat keine Zweifel an solchen Fähigkeiten des Klägers. In einer Poststelle besteht nur ein grundsätzlich überschaubarer Aufgabenbereich, der in der Stellungnahme von Frau J. beschrieben wird. Da bei dem Kläger hinsichtlich seiner geistigen Fähigkeiten wie Merkfähigkeit, Konzentration, Intelligenz u.ä. keine Besonderheiten vorliegen (so Dr. H.), muss bei ihm auch die übliche Einarbeitungszeit ausreichen.

In der Verweisungstätigkeit des Mitarbeiters der Poststelle einer Kommunalverwaltung gibt es auch genügend Arbeitsplätze (zu diesem Kriterium BSG, 14.05.1996 - 4 RA 60/94 - BSGE 78, 207 = SozR 3-2600 § 43 Nr. 13). Ausdrücklich hat Herr R. in seinem Gutachten von Juli 2009 angegeben, es gäbe bundesweit mindestens 300 Poststellen der öffentlichen Verwaltung, in denen die Mitarbeiter nur körperlich leichte Arbeiten verrichteten. Offene Stellen würden üblicherweise ausgeschrieben und nicht nur mit leistungsgeminderten Betriebsangehörigen besetzt. Dies bestätigt das Landesarbeitsamt Hessen pauschal für Mitarbeiter in einer Poststelle ohne Beschränkung auf Behörden. Eine Zahl von mehr als 300 Stellen bundesweit in einer öffentlichen Verwaltung lässt sich aber bereits daraus ableiten, dass Tätigkeiten dieser Art allein schon in allen Kreisen und größeren Städten in der Bundesrepublik Deutschland aus der Natur der Sache heraus anfallen und wegen des Umfangs der anfallenden Post nicht typischerweise mit anderen Tätigkeiten vermischt werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der im § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
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