S 30 R 148/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
30
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 R 148/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 01.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2010 verurteilt, die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht nach § 6 I Nr. 1 SGB VI für die Zeit von 01.10.2010 bis 31.03.2011 auszusprechen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen der Beteiligten ist die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht.

Die 1976 geborene Klägerin beantragte am 08.07.2008 bei der Beklagten diese Befreiung wegen einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft in der Rechtsanwaltskammer München und der von dort bestätigten Mitgliedschaft im entsprechenden Versorgungswerk ab 10.05.2006. Sie teilte im entsprechenden Formblatt eine Anstellung als "HR Senior Advi-ser" bei der Firma "Allianz Global Corporate & Specialty AG" in München mit, im folgen-den kurz bezeichnet als "Allianz". Diese Firma bestätigte, die Klägerin werde für die Interessen des Hauses eigeninitiativ rechtsberatend, rechtsentscheidend, rechtsgestaltend und rechtsvermittelnd tätig. Die Beklagte erbat zusätzlich die Vorlage des Arbeitsvertrages, der Stellenausschreibung, des Stellenanforderungsprofils, einer ausführlichen Stel-len- und Funktionsbeschreibung über die ausgeübte Tätigkeit, eines Organigramms des Unternehmens, einer etwa erteilten Handlungsvollmacht und des Nachweises der Genehmigung der Tätigkeit durch die Rechtsanwaltskammer. Entsprechende Unterlagen wurden soweit vorhanden vorgelegt. Der Arbeitsvertrag bestätigte die Beschäftigung als "HR Senior Adviser" nach Maßgabe von Richtlinien und Weisungen der Gesellschaft. Eine in englischer Sprache abgefasste Stellenbeschreibung spezifizierte die Tätigkeit der Klägerin auf die Teilnahme an Gemeinschaftsentscheidun-gen zu individuellen Personalplanungs, -unterstützungs und -entwicklungsangelegenheiten sowie zu breiteren Maßnahmen der Umstrukturierung und Reorganisation, auf die Vertretung des Managements bei Verhandlungen in individuellen Personalangelegenheiten und auf eine Schlüsselfunktion bei Bildungs-, Budget- und Sozialversicherungsangelegenheiten.

In der Stellenausschreibung war ein rechtswissenschaftlicher Universitätsabschluss verlangt. In einem erläuternden Schreiben wurde dargestellt, die Klägerin habe den Leiter "Human Ressource" insbesondere in arbeitsrechtlichen Fragestellungen zu beraten, hier-bei die Rechtslage darzulegen, die Besonderheiten zu erörtern und die Lösungsmöglich-keiten herauszuarbeiten. Des weiteren umfasse ihr Aufgabengebiet die Abwicklung von Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen, Aufhebungsverträgen, Kündigungen und Verhandlungen mit dem Betriebsrat. Die Klägerin sei im Bereich "HR Germany" die einzige Syndikus-Anwältin und unterstehe unmittelbar dem Leiter. Die drei gleichgestellten Kolle-ginnen seien keine Volljuristen.

Von der Rechtsanwaltskammer München wurde die Bestätigung vorgelegt, zu berufsrechtlichen Bedenken bestehe kein Anlass.

Daraufhin erließ die Beklagte am 01.10.2010 einen Bescheid, mit dem die Befreiung der Klägerin von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) abgelehnt wurde. Die vier Tätigkeitsfelder Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung müssten kumulativ abgedeckt werden. Notwendig sei, dass der Versicherte "seine Tätigkeit gleichermaßen weisungsfrei wie ein bei ei-nem Rechtsanwalt (idealtypisch) angestellter Rechtsanwalt" ausüben könne. Zu verlan-gen sei ein beträchtlicher tatsächlicher und rechtlicher Handlungsspielraum. Von der Klägerin seien zwar u. a. fundierte Kenntnisse im Personalrecht gefordert, demgegenüber fänden sich aber eine Fülle von Anforderungen für das Personalwesen wie die Zuständig-keit für Bildung und Budget, die von einer juristischen Ausbildung unabhängig seien und keinen Bezug zu einer typischen anwaltlichen Tätigkeit aufwiesen. Es sei nicht ersichtlich, dass ihre Tätigkeit nach objektiven Maßstäben ausschließlich für Juristen mit der Befähi-gung zum Richteramt zugänglich sei. Die Klägerin erhob am 28.10.2010 Widerspruch. Die "Allianz" erläuterte nunmehr ausführ-lich: Zugangsvoraussetzung für die zu besetzende Stelle sei die zweite juristische Staatsprüfung mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht gewesen. Während einer Vakanz der Stelle über mehr als sechs Monate habe man Unterstützung durch externe Rechtsanwälte in Anspruch nehmen müssen. Die Klägerin erstelle unabhängig und weisungsfrei Analysen und leiste gegenüber dem Leiter und anderen Führungskräften Rechtsberatung in allen arbeitsrechtlichen Fragestellungen. Dies umfasse insbesondere die Erstellung unabhängiger rechtlicher Expertisen, das Aufzeigen von Lösungswegen in mitbestimmungsrechtlichen und sonstigen arbeitsrechtlichen Fragestellungen, die Analyse bestehender Betriebsvereinbarungen, die Rechtsberatung mit abzuschließenden Betriebsvereinbarungen und die Beratung in steuer- und sozialrechtlichen Fragestellungen. Die Klägerin trete im übertragenen Aufgabengebiet außenwirksam auf, insbesondere als Repräsentantin des Managements, bei der Prüfung und Bewilligung von Teilzeitbegehren, bei der Verhängung disziplinarischer Maßnahmen und bei der Vorbereitung von Kündigungen. Sie führe selbstständig Vertrags- und Einigungsverhandlungen. Rechtsvermittelnd obliege ihr die Bewertung und mündliche Darstellung abstrakter arbeitsrechtlicher Regelungskomplexe. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2010 zurück. Darin wurde zu bedenken gegeben, man könne Personalmanagement auch an Fachhochschulen studieren. Das Fach könne eigenständig, aber auch als Schwerpunkt von allgemeinen Studiengängen der Betriebswirtschaftslehre absolviert werden. Es sei nicht ersichtlich, dass für die Tätigkeit als "HR Senior Manager" überhaupt ein rechtswissenschaftliches Studium Voraussetzung sei und andererseits nach objektiven Maßstäben ausschließlich Juristen mit der Befähigung zum Richteramt Zugang zu dieser Stelle hätten. Wenn aber eine Tätigkeit objektiv nicht zwingend eine Qualifikation als Volljurist vor-aussetze, könne es sich nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handeln.

Die Klage trägt weiterhin vor, die Klägerin sei von der Versicherungspflicht zu befreien. Sie erläuterte, mehr als die Hälfte der in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte sei in Kanzleien angestellt. Der Anwaltsberuf umfasse aber auch die Angestelltentätigkeit eines Rechtsanwalts bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber. Es könne davon ausgegangen werden, dass rund 15 bis 20 Prozent der zugelassenen Rechtsanwälte heute anwaltlich bei einem nicht anwaltlichen Arbeitgeber tätig seien. Gemeint sei eine berufstypische Tätigkeit als Rechtsanwalt. Das Spektrum reiche über den forensisch, also vor Gericht auf-tretenden, Rechtsanwalt hinaus heute von der rein beratenden Tätigkeit in bestimmten Rechtsgebieten bis zur Ausübung einer Prozesstätigkeit fast ohne rechtsgestaltende Arbeiten. Aber auch Beratung und Rechtsgestaltung in Bezug auf die Kombination rechtli-cher und wirtschaftlicher Sachverhalte sowie unternehmensberatende Tätigkeiten stellten zunehmend Felder der anwaltlichen Betätigung dar. Die Klage verwies auf ein von der Deutschen Rentenversicherung zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der Berufsständi-schen Versorgungseinrichtungen im Juni 2005 verfasstes Merkblatt und auf die Rechtsprechung zu vergleichbaren Fällen, insbesondere das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29.10.2009 mit dem Aktenzeichen L 8 KR 189/08. Dort war die Forde-rung nach einer berufstypischen Tätigkeit als Rechtsanwalt/Rechtsanwältin für eine Befreiung nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI bestätigt worden, konkretisiert durch die vier Kriterien einer bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber auszuübenden rechtsberatenden, rechtsentscheidenden, rechtsgestaltenden und rechtsvermittelnden Tätigkeit. Hiernach sei es nicht zulässig, zu behaupten, dass eine volljuristische Ausbildung für eine Stelle nicht erforderlich sei, wenn der Arbeitgeber gerade einen Rechtsanwalt für diese Stelle gesucht und auch eingestellt hat. Die Beklagte habe nicht erläutert, auf welcher Rechtsgrundlage sie sich über die Feststellung des Arbeitgebers hinwegsetze, dass die Stelle der Klägerin nur mit einem Volljuristen zu besetzen war. Die Weisungsgebundenheit der Klägerin treffe jeden in einem Unternehmen oder einer Kanzlei angestellten Rechtsanwalt. Die Erfüllung der vier Merkmale rechtsberatender, rechtsentscheidender, rechtsgestaltender und rechtsvermittelnder Tätigkeit durch die Klägerin wurde nochmals betont und detailliert er-läutert ...

Die Beklagte bekräftigte ihren Standpunkt, die Klägerin übe im wesentlichen Fachaufgaben des Personalwesens aus. Dass hierfür die Qualifikation als Volljurist erforderlich ge-wesen sei, lasse sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht herleiten. Im weiteren Verlauf wurde der Streitgegenstand wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf den Zeit-raum bis 31.03.2011 beschränkt.

Die Klägerin beantragt, I. Der Bescheid der Beklagten vom 01.10.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.12.2010 wird aufgehoben. II. Die Klägerin wird für ihre Tätigkeit als Rechtsanwalt bei der Allianz Corporate & Speciliaty AG gem. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI vom 01.10.2010 an von der Versicherungspflicht in der Deutschen Rentenversicherung befreit. III. Die Kosten des Widerspruchsverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat die Akten der Beklagten beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie auf den gesamten Akteninhalt verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht beim zuständigen Gericht erhoben und ist somit zulässig. Sie ist auch begründet. § 6 Absatz 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV gebietet auf Antrag die Befreiung derjenigen Beschäftigten und selbstständig Tätigen von der Versicherungspflicht, die we-gen ihrer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit kraft Gesetzes Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe und zugleich kraft Gesetzes Mitglied einer berufsständischen Kammer sind. Mit weiteren vorliegend unstrittigen Anforderungen hat der Gesetzgeber eine in den neunziger Jahren beobachtete Tendenz beschränkt, immer weiteren Berufsgruppen durch Schaffung oder Ausweitung von Versorgungswerken außerhalb der Rentenversicherung die Befreiung hiervon zu ermöglichen.

Ein Rentenversicherungsträger hat sich bei der Prüfung einer kraft Gesetzes eintretenden Versicherungsfreiheit nach § 5 SGB VI und einer auf Antrag einzuräumenden Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 6 SGB VI zunächst bei mehreren Varianten in hohem Maße an den Entscheidungen eines jeweils anderen Rechtsträgers zu orientieren. So hat der Rentenversicherung keine Prüfungskompetenz über das für § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 maßgebliche Beamtenverhältnis oder über die Rechtmäßigkeit der Gewährleistungsentscheidung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI.

Auch die Aufnahme einer Volljuristin in die Rechtsanwaltskammer und das ihr zugeordnete Versorgungswerk hat eine erhebliche Tatbestandswirkung. Der Rentenversicherungsträger darf und muss angesichts solcher Aufnahmeentscheidungen zunächst durchaus annehmen, dass es sich bei der entsprechenden Person um eine Rechtsanwältin handelt. Gleichwohl ist vom Gesetz gedeckt und von der Rechtsprechung anerkannt, dass durch den Rentenversicherungsträger geprüft werden muss, ob die Mitgliedschaft in einer ent-sprechenden berufsständischen Versorgungseinrichtung auf genau jener Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit beruht, für die eine Befreiung von der Versicherungspflicht begehrt wird. Eine solche Prüfung könnte im Einzelfall auch zu dem abweichenden Er-gebnis führen, dass beispielsweise eine subalterne Mitarbeit in der Personalabteilung o-der der Buchhaltung eines Unternehmens unter lediglich beiläufiger Nutzung von Rechtskenntnissen ohne berufsspezifischen Zusammenhang mit der zur Mitgliedschaft im Versorgungswerk führenden und beispielsweise nur nachrangig ausgeübten Anwaltstätigkeit bleibt.

Für den dem Rentenversicherungsträger erlaubten Beweis einer nichtanwaltlichen Tätig-keit hat die Beklagte selbst die von der Rechtsprechung bestätigten Merkmale erarbeitet, die für eine anwaltliche Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeitgeber die Merkmale rechtsberatender, rechtsentscheidender, rechtsgestaltender und rechtsvermittelnder Funktionen verlangen. Die vom Sozialgericht Düsseldorf (Urteil vom 02.11.2010, Az. S. 52 R 230/09), Anwalt/Anwältin im Sozialrecht 2011, S. 67 ff.) formulierten verfassungsrechtli-chen Bedenken gegen eine solche Typisierung teilt das erkennende Gericht nicht. Die Anwendung des Sozialgesetzbuchs durch Verwaltung und Gerichte geschieht in vieler Hinsicht anhand von verselbstständigten Regelungswerken, die nur noch sehr weitläufig vom Gesetzeswortlaut herleitbar sind, diesem jedoch auch nicht widersprechen und von daher bei einheitlicher Anwendung unbedenklich sind. Das beste Beispiel ist das System zur Prüfung einer Berufsunfähigkeit nach § 240 Abs. 2 SGB VI. Das hierzu verwendete "Vierstufenschema" wird mit einer Selbstverständlichkeit angewendet, die eigentlich nur der geschriebene Gesetzestext für sich in Anspruch nehmen könnte.

Es muss sich nach diesen Merkmalen um eine Arbeit handeln, die insbesondere auf konkrete Rechtsfälle bezogen ist, die den beratenden und streitigen Dialog in schriftlicher und mündlicher Form umfasst, mit Entscheidungskompetenzen versehen ist, sich auf die Formulierung von Regelwerken wie Verträgen oder Satzungen erstreckt und ein ansatzweise didaktisches Element enthält. Im Sinne einer Negativabgrenzung vom klassischen Anwaltsberuf darf also lediglich der forensische Auftritt mit der Antragstellung in der mündlichen Verhandlung von Gerichten fehlen. Eine solche Breite der juristischen Arbeit wurde für die Klägerin mehr als ausreichend dargelegt. Bei der Prüfung der vier Merkmale zur anwaltlichen Qualität juristischer Arbeit hat die Beklagte jedoch das unbestrittene Vorbringen der Klägerin kaum gewürdigt, sondern den Schwerpunkt darauf gelegt, ein fünftes Merkmal zu prüfen und zu verneinen, nämlich die Frage, ob ein Arbeitgeber für die ent-sprechende Funktion zwingend einen Rechtsanwalt hätte einstellen müssen ...

Die Beklagte geht jedoch fehl, wenn sie in die Prüfung von Befreiungsbegehren die Überlegung einbezieht, ob ein Arbeitgeber für die dem Juristen übertragenen Aufgaben überhaupt einen solchen und insbesondere einen zugelassenen Rechtsanwalt benötigt. Gera-de die der Beklagten aus dem eigenen Hause bestens vertraute Struktur eines Renten-versicherungsträgers lässt nämlich erkennen, dass beispielsweise Beamte des gehobenen Dienstes ohne universitäre juristische Ausbildung eine ganze Skala typisch juristi-scher und auch typisch anwaltlicher Tätigkeiten ausüben können und dürfen. Die vorliegende Streitsache ist ein gutes Beispiel: der angegriffene Bescheid wurde nach Sachverhaltsermittlung und Subsumtion von Beamtinnen und Beamten des gehobenen Dienstes oder gleichrangigen Angestellten verfertigt, geprüft und unterzeichnet. Noch nicht einmal für die Widerspruchsbescheide eines Rentenversicherungsträgers ist zwingend ein Jurist verantwortlich. Sogar den für den Rechtsanwalt so typischen Auftritt vor Gericht mit der Antragstellung auf Abweisung der Klage nahm vorliegend eine Beamtin des gehobenen Dienstes wahr. Auch auf der Klägerseite hätte nach § 73 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nicht unbedingt ein Rechtsanwalt auftreten müssen, sondern wäre auch ein Rentenberater oder der Sekretär eines Verbandes hierzu befugt gewesen. Im Hinblick auf diese Beobachtung stellt sich die Aussage der Beklagten als abwegig dar, wonach es sich bei einer Tätigkeit dann nicht um eine anwaltliche Tätigkeit handeln könne, wenn eine Tätigkeit "objektiv nicht zwingend eine Qualifikation als Volljurist voraussetze". Dieser Satz im angegriffenen Widerspruchsbescheid begnügt sich wohlgemerkt nicht mit der Einschätzung, es handele sich bei solchen Tätigkeiten dann möglicherweise um nicht typische oder nicht klassische anwaltliche Tätigkeiten, sondern bestreitet den anwaltlichen Charakter des forensischen Auftritts schlechthin. Weil jedoch alle anderen anwaltlichen Arbeiten wie Studium von Gesetzen, Abfassung rechtlich fundierter Briefe, Verhandlungen mit Arbeitnehmern und sonstigen Vertragspartnern, Formulierung schriftlicher Verträge, Unterricht über Rechtsgebiete und Klageerhebungen unterhalb der Instanzen mit Vertretungszwang ohnehin allen Laien offen stehen, unternimmt es die Beklagte offensichtlich, jede Besonderheit des Berufes des Rechtsanwalts mit dem Hinweis wegzudefinieren, dass jeder einzelne Teilbereich dieses Berufes auch durch nicht juristisch ausgebildete Beamte, Betriebswirte oder Fachhochschulabsolventen wahrgenommen werden kann. Eine solche Argumentation kann vom Gericht nicht gestützt werden. Die auf den Boden der Prüfung der "vier Merkmale" zurückgeholte Betrachtung der Tätigkeit der Klägerin führt zu dem Ergebnis, dass es sich hierbei um eine sehr spezialisierte und demgemäß auch reduzierte Bedienung jedenfalls hochjuristischer Arbeitsbereiche durch eine Rechtsanwältin gehandelt hat. Die Beklagte hat daher die begehrte Befreiung von der Versicherungspflicht auszusprechen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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