L 8 SF 2266/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
8
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SF 2266/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Befangenheitsantrag des Klägers gegen die Richterin am Sozialgericht H wird abgelehnt.

Gründe:

Der Ablehnungsantrag des Klägers gegen die Richterin am Sozialgericht H (=H) hat keinen Erfolg.

Nach § 43 ZPO kann ein Prozessbeteiligter einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nicht mehr ablehnen, wenn er sich bei ihm, ohne den ihm bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen oder Anträge gestellt hat. Nach der Rechtsprechung des Senats führt nach dieser Vorschrift rügeloses schriftsätzliches Vorbringen im vorbereitenden Verfahren trotz Kenntnis des Vorhandenseins von Ablehnungsgründen zum Verlust des Ablehnungsrechts (Beschlüsse vom 20.08.2010 - L 8 AL 2509/09 - und vom 01.07.2010 - L 8 SF 2313/10 AB - m.w.N.). Der Kläger kann sich danach zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs nicht auf das Verhalten (bewegen zur Klagerücknahme) und die Erklärungen (fehlendes Verständnis für das Verhalten des Klägers, Frage ob eine Rechtsschutzversicherung Grund für die fehlende Bereitschaft sei, die Klage zurückzunehmen, Mitteilung, nach § 102 Sozialgerichtsgesetz -SGG- vorzugehen) von H bei einem Telefonat am 20.04.2011 gegenüber seinem Prozessbevollmächtigten berufen. Denn der Kläger hat sich (durch seinen Prozessbevollmächtigten) im Anschluss an dieses Telefonat auf eine schriftliche Betreibensaufforderung der H gemäß § 102 Abs. 2 SGG vom 21.04.2011 mit Schreiben vom 04.05.2011 (beim Sozialgericht am 24.05.2011 eingegangen) zum Telefonat am 20.04.2011 berichtigend sowie zur Sache und zur Fiktionswirkung des § 102 Abs. 2 SGG geäußert, ohne eine Befangenheit der H geltend zu machen. Damit ist vorliegend die auf das Telefonat am 20.04.2011 gestützte Richterablehnung verwirkt.

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit von einem Prozessbeteiligten abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 60 RdNr. 7). Dies ist dann der Fall, wenn ein Beteiligter von seinem Standpunkt aus nach vernünftigen Erwägungen Bedenken gegen die Unparteilichkeit des Richters haben kann; es muss ein objektiver vernünftiger Grund vorliegen, der geeignet ist, den Antragsteller von seinem Standpunkt aus befürchten zu lassen, der abgelehnte Richter werde nicht unparteiisch sachlich entscheiden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O. m.w.N.). Allein die unrichtige Anwendung von Verfahrens- oder materiellem Recht ist mithin kein für die Richterablehnung ausreichender Grund, denn diese ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltenes prozessuales Vorgehen oder für unzutreffend angesehene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder Willkür (vgl. BVerfG NVwZ 2009, 581; Bundesarbeitsgericht NZA 1993, 238; BFH NVwZ 1998, 663, 664). Danach ist eine Besorgnis der Befangenheit nur dann begründet, wenn das prozessuale Vorgehen eines Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von dem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für den betroffenen Beteiligten der Eindruck einer sachwidrigen, auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt. Ein Verfahrensfehler des Gerichts vermag für sich allein noch nicht die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Allerdings kann eine Häufung prozessualer Fehler stets zum Nachteil einer Partei auch bei einem besonnenen und vernünftigen Beteiligten den Eindruck einer unsachlichen Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des Richters erwecken. Eine sachliche Meinungsäußerung über die Aussichten der Klage oder die Rechtslage rechtfertigt keine Besorgnis der Befangenheit (Bundesverwaltungsgericht NJW 79, 1316). Nicht ausreichend ist auch die Äußerung einer unrichtigen Rechtsauffassung, soweit sie nicht auf unsachlicher Einstellung des Richters oder auf Willkür beruht (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer a.a.O., RdNr. 8g, 8j).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist festzustellen, dass kein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der H zu rechtfertigen. Die Rüge des Klägers, die Voreingenommenheit von H ergebe sich aus ihrer Ablehnung des Terminverlegungsantrages, ist nicht begründet. Der wegen eines kollidierenden Gerichtstermins seines Prozessbevollmächtigten gestellte Antrag auf Verlegung des auf den 08.06.2011 bestimmten Termins zur mündlichen Verhandlung ist mit richterlichem Schreiben vom 17.05.2011 mit dem Hinweis, es möge ein anderer Anwalt der Kanzlei um Terminsvertretung gebeten werden, verfahrensfehlerfrei abgelehnt worden; dies rechtfertigt den Befangenheitsantrag nicht. Nach § 202 SGG i.V.m. § 227 Absatz 1 Satz 1 ZPO ist ein Termin aufzuheben oder zu verlegen, wenn hierfür ein erheblicher Grund vorliegt. Die Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten stellt dann einen erheblichen Grund dar, wenn eine anderweitige Vertretung nicht möglich ist (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 110 RdNr. 4b, 5 m.w.N.). Danach war das Verhalten der H, den Termin nicht zu verlegen, korrekt. Es entspricht bei Anwaltskanzleien mit mehreren Anwälten, wie dies vorliegend der Fall ist, einer üblichen Gerichtspraxis. Eine Beschränkung der aktenkundigen Vollmacht auf den Prozessbevollmächtigten des Klägers liegt nicht vor. Auch sonst lässt sich der Gerichtsakte nicht entnehmen, dass eine Vertretung durch einen anderen Anwalt der Kanzlei (von vornherein) nicht in Betracht kam. Eine zeitgerechte Einarbeitung des Vertreters bis zum Termin wäre in der verbleibenden Zeit möglich und zumutbar gewesen.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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