Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6.
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 U 164/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 131/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 16/11 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob eine Nierenspendeoperation als Arbeitsunfall anzuerkennen und deshalb eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu erbringen ist.
Der 1948 geborene Kläger spendete am 17. Oktober 2002 mittels einer Organentnahmeoperation in der Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie H. seinem Bruder die linke Niere. Die stationäre Behandlung vom 16. bis 29. Oktober 2002, die primäre Wundheilung und der weitere postoperative Verlauf gestalteten sich unauffällig. Der Kläger wurde bei subjektivem Wohlbefinden nach Hause entlassen (Entlassungsbrief vom 29. Oktober 2002).
Vom 3. bis 24. Januar 2003 befand der Kläger sich zur stationären medizinischen Rehabilitation in der V. B. E ... Der Nephrologe Dr. S. berichtete im Abschlussbrief vom 29. Januar 2003, es liege ein Zustand nach Nephrektomie links mit verbliebenen stärkeren Narbenbeschwerden vor. Der Kläger gebe Narbenschmerzen in der Flanke bei tiefer Inspiration und bestimmten Bewegungen an. Es bestehe eine große Flankenunterbauchnarbe links, die bei Druckempfindlichkeit in der Narbenregion reizlos sei. Der Kläger fühle sich durch die nach der Operation unklaren bzw. fehlenden Entscheidungen der zuständigen Sozialversicherungsträger zu Fragen des Lohnersatzes, der Zahlung von Renten usw. psychisch deutlich beeinträchtigt.
Nach einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dipl.-Med. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 1. August 2003 sei die derzeit noch bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf die Organentnahme zurückzuführen. Es sei zu einer deutlichen Leistungsminderung gekommen. Die weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit sei derzeit noch nicht absehbar. Aus einem Aktenvermerk der Beklagten über ein Gespräch mit der Krankenkasse des Klägers vom 10. September 2003 ging u.a. hervor, dass dieser seit der Organentnahme Narbenschmerzen habe. Im sozialmedizinischen Gutachten des Dr. A. vom MDK Sachsen-Anhalt vom 16. Dezember 2003 gab dieser weiterhin bestehende Narbenschmerzen des Klägers wieder. Dieser sei für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit (als Maler) auf Dauer nicht mehr einsatzfähig. Mit einer wesentlichen Besserung der Leistungsfähigkeit sei nicht mehr zu rechnen. Es liege eine Nierenfunktionsstörung mit beginnender Retention vor.
Nach dem Bericht des Allgemeinmediziners P. vom 18. Januar 2004 bestehe beim Kläger außer einer reizlosen Narbe am linken Unterbauch und einem geringen depressiven Syndrom ein altersentsprechend unauffälliger Befund. In seinem Befundbericht vom 8. März 2004 gab der Internist Dr. B. E. D. M. eine Nierenfunktionsstörung mit isoliertem Kreatininanstieg an. Der Kläger gebe u.a. ständiges Unwohlsein und Kraftlosigkeit, innere Unruhe, Nervosität und Schlafstörungen sowie Schmerzen im Narbenbereich an. Die Narbe an der linken Flanke sei reizlos.
In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten der Dres. H. und Privatdozent (PD) L. (Unfallchirurgische Klinik des Evangelischen D. F. H.) vom 16. Juni 2004 nach ambulanter Untersuchung am 27. Mai 2004 hielten diese an der linken Seite einen 35 cm langen, primär reizlos abgeheilten Flankenschnitt fest. Auffällig sei eine deutliche Vorwölbung des Weichgewebes im hinteren Anteil mit einer Länge von 10 cm. Die Narbe selbst sei nicht druckempfindlich oder übermäßig sensibel, die Haut im direkten Narbengebiet leicht sensibel unterversorgt. Beim Betasten lasse sich die Vorwölbung ohne Schmerzangaben in Richtung Bauchraum verschieben; sichere tastbare Ränder einer eventuellen Fascienlücke seien nicht auszumachen. Insgesamt liege damit eine Vorwölbung im Narbenbereich vor, die einem Narbenbruch entsprechen könne. Der ursächliche Zusammenhang zur Lebendnierenspende sei unzweifelhaft. Eine über drei Monate hinausgehende unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei ebenso wenig anzunehmen, wie eine entsprechende Behandlungsbedürftigkeit. Es bestünden eine auffällige psychische Labilität und eine tendenziell depressive Grundstimmung, die keine "Unfallfolgen" seien.
Unter dem 15. Juli 2004 berichtete die Psychologin B. über eine Erschöpfungssymptomatik des Klägers mit Ängsten, Antriebsstörungen, Lustlosigkeit und Suizidgedanken. Es liege eine neurotische Fehlentwicklung mit Selbstwertkränkung, Versagensängsten und – zu deren Kompensation – zwanghafter Leistungshaltung vor. Nach dem Befundbericht der Dres. R. und PD S. (Berufsgenossenschaftliche Kliniken B. H.) vom 5. November 2004 habe ein am 29. September 2004 erstelltes Computertomogramm des Abdomens eine Ausdünnung der Muskulatur in der Flanke ohne Kontinuitätsunterbrechung ergeben. Es bestünde eine Muskellaxizität der linken Bauchwand. Eine sichere Bruchlücke sei jedoch nicht tastbar; ein Anhalt für eine Hernie bestehe nicht. Operative Maßnahmen kämen nicht in Betracht.
In ihrem internistischen Gutachten vom 18. November 2004 äußerten die Dres. Z. und Prof. L. (F.-stift H.) die Verdachtsdiagnose eines linksseitigen Narbenbruchs und stellten die Diagnose eines mäßigen Hypertonus. Es sei nicht zu klären, ob die Lebendnierenspende für den arteriellen Hypertonus verantwortlich sei oder dies dem allgemeinen Krankheitsrisiko entspreche.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Operation vom 17. Oktober 2002 als Arbeitsunfall sowie die Erbringung von Leistungen ab. Der Eingriff sowie der postoperative Verlauf seien komplikationslos gewesen. Eine Schädigung durch eine Komplikation im Rahmen der durchgeführten Nierenspende sei nicht nachgewiesen. Im Heilungsverlauf seien dann Beschwerden angegeben worden, die auf einen Narbenbruch hindeuten könnten. Ein solcher sei gutachtlich jedoch nicht bestätigt worden. Der Bluthochdruck sei nicht als Folge einer bei der Nierenspende aufgetretenen Komplikation anzusehen.
Hiergegen erhob der Kläger am 7. Februar 2005 Widerspruch und trug vor, die nach der Nierenspende aufgetretenen Komplikationen seien sowohl nach den Einschätzungen im Gutachten vom 16. Juni 2004 als auch im Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 29. Januar 2003 im Zusammenhang mit der Nierenspende entstanden. Die bestehenden Komplikationen seien daher mit einer MdE um mindestens 30 vH zu bewerten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie aus, dass Spätrisiken wie Narbenprobleme oder Narbenbrüche nicht mehr im Zusammenhang mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit stünden, wenn der Spendervorgang als versicherte Tätigkeit – wie hier – einwandfrei und komplikationslos verlaufen sei.
Am 7. Oktober 2005 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und an seiner Ansicht festgehalten. Der Narbenbruch, der arterielle Hypertonus sowie die Niereninsuffizienz stünden unzweifelhaft im Zusammenhang mit der Lebendnierenspende.
Mit Urteil vom 9. November 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Versicherte Tätigkeit sei vorliegend die planmäßig durchgeführte Organspende am 17. Oktober 2002 gewesen. Es liege jedoch kein Unfall vor. Der einzig erkennbare Eingriff in den Körper des Klägers sei die Operation gewesen, die jedoch ihrerseits die versicherte Tätigkeit darstelle und für sich betrachtet komplikationslos verlaufen sei. Eine darüber hinaus gehende Einwirkung, wie etwa eine Wundheilungsstörung oder das Eindringen von Krankheitserregern, sei dagegen weder für die Narbenbeschwerden, einen möglichen Narbenbruch noch den Bluthochdruck ersichtlich, wie sich aus den Gutachten der Dres. PD L. und Prof. L. ergebe.
Gegen das am 29. November 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Dezember 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und sein Vorbringen vertieft. Bereits nach der Organtransplantation seien Narbenschmerzen aufgetreten, was sich auch dem Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 29. Januar 2003 entnehmen lasse. Überdies stütze das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten sein Anliegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 9. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2005 aufzuheben, festzustellen, dass die Operation am 17. Oktober 2002 mit einer partiellen Bauchwandlähmung links ein Arbeitsunfall war, und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Ansicht.
Der Kläger hat die Arztbriefe der Chirurgen und D-Ärzte W. und S. sowie der Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie des C.-v.-B.-Klinikums M. vom 13. Februar und 3. März 2008 vorgelegt, aus denen der Verdacht auf das Vorliegen eines Narbenbruchs links bzw. eine entsprechende Diagnose hervorgehen.
Der Senat hat von Dr. B. E. D. M., der Urologischen Universitätsklinik H. sowie Dr. S. die Befundberichte vom 6., 7. und 16. April 2009 einschließlich des Entlassungsberichts über die stationäre medizinische Rehabilitation in der B. B. K. vom 14. November 2005 beigezogen und schließlich von dem Urologen Dr. J. (Institut für Medizinische Begutachtung K.) das Gutachten vom 3. Dezember 2009 nach ambulanter Untersuchung am 5. November 2009 eingeholt. Dieser hat als Befund eine reizlose Flankenschnittnarbe links sowie eine Vorwölbung der Bauchwand im cranialen (unteren) Bereich im Sinne einer partiellen Parese erhoben. Eine Bruchlücke im Sinne einer Narbenhernie sei nicht tastbar. Sonographisch zeige sich eine durchgehende Kontinuität der Bauchwandmuskulatur. Dr. J. hat dargelegt, dass eine partielle Bauchwandparese nach einer Nephrektomie eine durchaus häufige Komplikation sei, wobei diese allerdings von einer Narbenhernie bzw. einem Narbenbruch infolge Kontinuitätsunterbrechung der Bauchwandmuskulatur zu unterscheiden sei. Letztere sei eher selten anzutreffen und könne – im Gegensatz zu einer Bauchwandlähmung – operativ versorgt werden. Vorliegend sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem zur Nierenentnahme gesetzten Flankenschnitt und der partiellen Bauchwandparese links gegeben. Die MdE belaufe sich auf einen Grad um 20 vH.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2005 beschwert ihn deshalb nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er keinen Anspruch auf Feststellung der Operation vom 17. Oktober 2022 als Arbeitsunfall hat. Fehlt es damit bereits an einem Versicherungsfall, kommt es auf die Frage eines Anspruchs auf Verletztenrente (vgl. hierzu die §§ 56 Abs. 1 und 2, 72 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII) nicht mehr an.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dieses Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (siehe nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 14; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 18 oder Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 24/06 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 24, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Nierenspende am 17. Oktober 2002 zwar nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b) SGB VII versichert. Auch liegt mit der partiellen Bauchwandparese links eine Gesundheitsstörung vor, die nach den insoweit übereinstimmenden Bewertungen der Dres. PD L. und J. ursächlich auf dem zwecks Nierenentnahme gesetzten Flankenschnitt beruht und damit infolge dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist. Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, fehlt es jedoch an einem Unfall.
Die versicherte Tätigkeit besteht vorliegend in der planmäßig durchgeführten und laut den Angaben im Entlassungsbrief vom 29. Oktober 2002 einwandfrei verlaufenen Organspende am 17. Oktober 2002, bei der der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b) SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Dies sowie die hierdurch verursachte partielle Bauchwandlähmung links reichen zur Anerkennung desselben Vorgangs als Arbeitsunfall aber nicht aus. Denn die Entnahme selbst und die damit verbundenen Körperschäden einschließlich zustandsbedingter Wundheilungsstörungen und mögliche Spätschäden, die das Leben ohne das gespendete Organ bzw. Organteil eventuell mit sich bringt, mögen zwar als "Komplikationen" im Allgemeinen oder medizinischen Sprachgebrauch angesehen werden. In diesem Sinne sind auch die Darlegungen der Dres. PD L. und J. nachvollziehbar, dass der Flankenschnitt links aus medizinischer Sicht ursächlich für die partielle Bauchwandparese war. Sind hierfür aber keine zusätzlichen und über den operativen Eingriff als solchen hinaus gehenden äußeren Ursachen erkennbar, etwa eine durch das Eindringen von Krankheitserregern bedingte Infektion oder erneute Verletzungen des Operationsgebiets, liegt kein Unfall vor. Vielmehr hat sich dann "nur" ein allgemeines Krankheitsrisiko verwirklicht, zumal eine teilweise Bauchwandlähmung nach einer Nephrektomie laut Dr. J. häufig aufzutreten pflegt (vgl. BSG, Urteil vom 22. November 1984 – 2 RU 49/83 – SozR 2200 § 539 Nr. 105; SGB VII-Komm/Kruschinsky, Stand Januar 2011, § 2 Rn. 669; ähnlich Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand März 2011, § 2 Rn. 26.2). Zur Erfüllung des Unfallbegriffs ist nämlich definitionsgemäß ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis erforderlich, wenngleich es hierfür keines besonders ungewöhnlichen Geschehens bedarf und das Merkmal "äußere Einwirkung" nicht nur bei einem äußerlichen, mit den Augen sichtbaren Geschehen erfüllt ist. Andererseits scheidet eine äußere Einwirkung aber dann aus, wenn das Geschehen auf einem Willensentschluss des Versicherten beruht. Denn die Unfreiwilligkeit ist dem Unfallbegriff immanent, wobei ein Unfall auch bei willentlichem Handeln mit ungewollter Einwirkung gegeben sein kann (siehe BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 – 4a RJ 9/86 – SozR 2200 § 1252 Nr. 6; BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 18/07 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 31). Ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b) SGB VII versicherter Arbeitsunfall kommt demnach nur bei sich im Rahmen des Eingriffs ergebenden "Komplikationen" im Sinne eines zusätzlichen von außen verursachten ungewollten Schadens in Betracht (ähnlich Riebel in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand März 2011, K § 2 Rn. 189; KassKomm-Ricke, Stand Dezember 2010, § 2 SGB VII Rn. 71; Lauterbach/Schwerdtfeger, UV-SGB VII, Stand November 2010, § 2 Rn. 462; Wolber, SozVers 1998, 147 [148]). Daneben kann unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch ein auf dem Weg zur bzw. von einer Organspende erlittener Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen sein.
Ausgehend von diesen Überlegungen stellt der körperliche Eingriff, den die Organentnahme mit sich bringt, keinen Unfall dar. Wegen der vorherigen Aufklärung des Patienten und dessen Einwilligung fehlt es an der den Unfallbegriff prägenden Unfreiwilligkeit und Unvorhersehbarkeit. Auch ein zwar vom Willen des Klägers getragener operativer Eingriff mit zusätzlicher ungewollter Einwirkung liegt nicht vor. Denn eine äußere Ursache für die partielle Bauchwandparese links bzw. die Narbenbeschwerden, die über die versicherte Tätigkeit als solche – nämlich die zur Organspende vorgenommene Operation mit der nach Dr. J. erforderlichen Durchtrennung von Bauchwand- und Nervenstrukturen – hinausgeht, hat weder der Kläger behauptet noch ist dergleichen sonst ersichtlich. Fehlt es damit aber schon an den Feststellungsvoraussetzungen eines Arbeitsunfalls, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er dem Umfang des Versicherungsschutzes bei einer Organspende nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b) SGB VII unter Berücksichtigung des Unfallbegriffs grundsätzliche Bedeutung zumisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob eine Nierenspendeoperation als Arbeitsunfall anzuerkennen und deshalb eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 vom Hundert (vH) zu erbringen ist.
Der 1948 geborene Kläger spendete am 17. Oktober 2002 mittels einer Organentnahmeoperation in der Universitätsklinik und Poliklinik für Urologie H. seinem Bruder die linke Niere. Die stationäre Behandlung vom 16. bis 29. Oktober 2002, die primäre Wundheilung und der weitere postoperative Verlauf gestalteten sich unauffällig. Der Kläger wurde bei subjektivem Wohlbefinden nach Hause entlassen (Entlassungsbrief vom 29. Oktober 2002).
Vom 3. bis 24. Januar 2003 befand der Kläger sich zur stationären medizinischen Rehabilitation in der V. B. E ... Der Nephrologe Dr. S. berichtete im Abschlussbrief vom 29. Januar 2003, es liege ein Zustand nach Nephrektomie links mit verbliebenen stärkeren Narbenbeschwerden vor. Der Kläger gebe Narbenschmerzen in der Flanke bei tiefer Inspiration und bestimmten Bewegungen an. Es bestehe eine große Flankenunterbauchnarbe links, die bei Druckempfindlichkeit in der Narbenregion reizlos sei. Der Kläger fühle sich durch die nach der Operation unklaren bzw. fehlenden Entscheidungen der zuständigen Sozialversicherungsträger zu Fragen des Lohnersatzes, der Zahlung von Renten usw. psychisch deutlich beeinträchtigt.
Nach einer sozialmedizinischen Stellungnahme von Dipl.-Med. L. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 1. August 2003 sei die derzeit noch bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers auf die Organentnahme zurückzuführen. Es sei zu einer deutlichen Leistungsminderung gekommen. Die weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit sei derzeit noch nicht absehbar. Aus einem Aktenvermerk der Beklagten über ein Gespräch mit der Krankenkasse des Klägers vom 10. September 2003 ging u.a. hervor, dass dieser seit der Organentnahme Narbenschmerzen habe. Im sozialmedizinischen Gutachten des Dr. A. vom MDK Sachsen-Anhalt vom 16. Dezember 2003 gab dieser weiterhin bestehende Narbenschmerzen des Klägers wieder. Dieser sei für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit (als Maler) auf Dauer nicht mehr einsatzfähig. Mit einer wesentlichen Besserung der Leistungsfähigkeit sei nicht mehr zu rechnen. Es liege eine Nierenfunktionsstörung mit beginnender Retention vor.
Nach dem Bericht des Allgemeinmediziners P. vom 18. Januar 2004 bestehe beim Kläger außer einer reizlosen Narbe am linken Unterbauch und einem geringen depressiven Syndrom ein altersentsprechend unauffälliger Befund. In seinem Befundbericht vom 8. März 2004 gab der Internist Dr. B. E. D. M. eine Nierenfunktionsstörung mit isoliertem Kreatininanstieg an. Der Kläger gebe u.a. ständiges Unwohlsein und Kraftlosigkeit, innere Unruhe, Nervosität und Schlafstörungen sowie Schmerzen im Narbenbereich an. Die Narbe an der linken Flanke sei reizlos.
In dem von der Beklagten veranlassten Gutachten der Dres. H. und Privatdozent (PD) L. (Unfallchirurgische Klinik des Evangelischen D. F. H.) vom 16. Juni 2004 nach ambulanter Untersuchung am 27. Mai 2004 hielten diese an der linken Seite einen 35 cm langen, primär reizlos abgeheilten Flankenschnitt fest. Auffällig sei eine deutliche Vorwölbung des Weichgewebes im hinteren Anteil mit einer Länge von 10 cm. Die Narbe selbst sei nicht druckempfindlich oder übermäßig sensibel, die Haut im direkten Narbengebiet leicht sensibel unterversorgt. Beim Betasten lasse sich die Vorwölbung ohne Schmerzangaben in Richtung Bauchraum verschieben; sichere tastbare Ränder einer eventuellen Fascienlücke seien nicht auszumachen. Insgesamt liege damit eine Vorwölbung im Narbenbereich vor, die einem Narbenbruch entsprechen könne. Der ursächliche Zusammenhang zur Lebendnierenspende sei unzweifelhaft. Eine über drei Monate hinausgehende unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit sei ebenso wenig anzunehmen, wie eine entsprechende Behandlungsbedürftigkeit. Es bestünden eine auffällige psychische Labilität und eine tendenziell depressive Grundstimmung, die keine "Unfallfolgen" seien.
Unter dem 15. Juli 2004 berichtete die Psychologin B. über eine Erschöpfungssymptomatik des Klägers mit Ängsten, Antriebsstörungen, Lustlosigkeit und Suizidgedanken. Es liege eine neurotische Fehlentwicklung mit Selbstwertkränkung, Versagensängsten und – zu deren Kompensation – zwanghafter Leistungshaltung vor. Nach dem Befundbericht der Dres. R. und PD S. (Berufsgenossenschaftliche Kliniken B. H.) vom 5. November 2004 habe ein am 29. September 2004 erstelltes Computertomogramm des Abdomens eine Ausdünnung der Muskulatur in der Flanke ohne Kontinuitätsunterbrechung ergeben. Es bestünde eine Muskellaxizität der linken Bauchwand. Eine sichere Bruchlücke sei jedoch nicht tastbar; ein Anhalt für eine Hernie bestehe nicht. Operative Maßnahmen kämen nicht in Betracht.
In ihrem internistischen Gutachten vom 18. November 2004 äußerten die Dres. Z. und Prof. L. (F.-stift H.) die Verdachtsdiagnose eines linksseitigen Narbenbruchs und stellten die Diagnose eines mäßigen Hypertonus. Es sei nicht zu klären, ob die Lebendnierenspende für den arteriellen Hypertonus verantwortlich sei oder dies dem allgemeinen Krankheitsrisiko entspreche.
Mit Bescheid vom 21. Januar 2005 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Operation vom 17. Oktober 2002 als Arbeitsunfall sowie die Erbringung von Leistungen ab. Der Eingriff sowie der postoperative Verlauf seien komplikationslos gewesen. Eine Schädigung durch eine Komplikation im Rahmen der durchgeführten Nierenspende sei nicht nachgewiesen. Im Heilungsverlauf seien dann Beschwerden angegeben worden, die auf einen Narbenbruch hindeuten könnten. Ein solcher sei gutachtlich jedoch nicht bestätigt worden. Der Bluthochdruck sei nicht als Folge einer bei der Nierenspende aufgetretenen Komplikation anzusehen.
Hiergegen erhob der Kläger am 7. Februar 2005 Widerspruch und trug vor, die nach der Nierenspende aufgetretenen Komplikationen seien sowohl nach den Einschätzungen im Gutachten vom 16. Juni 2004 als auch im Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 29. Januar 2003 im Zusammenhang mit der Nierenspende entstanden. Die bestehenden Komplikationen seien daher mit einer MdE um mindestens 30 vH zu bewerten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Ergänzend führte sie aus, dass Spätrisiken wie Narbenprobleme oder Narbenbrüche nicht mehr im Zusammenhang mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit stünden, wenn der Spendervorgang als versicherte Tätigkeit – wie hier – einwandfrei und komplikationslos verlaufen sei.
Am 7. Oktober 2005 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Halle Klage erhoben und an seiner Ansicht festgehalten. Der Narbenbruch, der arterielle Hypertonus sowie die Niereninsuffizienz stünden unzweifelhaft im Zusammenhang mit der Lebendnierenspende.
Mit Urteil vom 9. November 2007 hat das SG die Klage abgewiesen und hierzu in den Gründen ausgeführt: Versicherte Tätigkeit sei vorliegend die planmäßig durchgeführte Organspende am 17. Oktober 2002 gewesen. Es liege jedoch kein Unfall vor. Der einzig erkennbare Eingriff in den Körper des Klägers sei die Operation gewesen, die jedoch ihrerseits die versicherte Tätigkeit darstelle und für sich betrachtet komplikationslos verlaufen sei. Eine darüber hinaus gehende Einwirkung, wie etwa eine Wundheilungsstörung oder das Eindringen von Krankheitserregern, sei dagegen weder für die Narbenbeschwerden, einen möglichen Narbenbruch noch den Bluthochdruck ersichtlich, wie sich aus den Gutachten der Dres. PD L. und Prof. L. ergebe.
Gegen das am 29. November 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Dezember 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und sein Vorbringen vertieft. Bereits nach der Organtransplantation seien Narbenschmerzen aufgetreten, was sich auch dem Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 29. Januar 2003 entnehmen lasse. Überdies stütze das im Berufungsverfahren eingeholte Gutachten sein Anliegen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 9. November 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2005 aufzuheben, festzustellen, dass die Operation am 17. Oktober 2002 mit einer partiellen Bauchwandlähmung links ein Arbeitsunfall war, und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente nach einer MdE um mindestens 20 vH zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bleibt bei ihrer Ansicht.
Der Kläger hat die Arztbriefe der Chirurgen und D-Ärzte W. und S. sowie der Abteilung für Allgemein- und Visceralchirurgie des C.-v.-B.-Klinikums M. vom 13. Februar und 3. März 2008 vorgelegt, aus denen der Verdacht auf das Vorliegen eines Narbenbruchs links bzw. eine entsprechende Diagnose hervorgehen.
Der Senat hat von Dr. B. E. D. M., der Urologischen Universitätsklinik H. sowie Dr. S. die Befundberichte vom 6., 7. und 16. April 2009 einschließlich des Entlassungsberichts über die stationäre medizinische Rehabilitation in der B. B. K. vom 14. November 2005 beigezogen und schließlich von dem Urologen Dr. J. (Institut für Medizinische Begutachtung K.) das Gutachten vom 3. Dezember 2009 nach ambulanter Untersuchung am 5. November 2009 eingeholt. Dieser hat als Befund eine reizlose Flankenschnittnarbe links sowie eine Vorwölbung der Bauchwand im cranialen (unteren) Bereich im Sinne einer partiellen Parese erhoben. Eine Bruchlücke im Sinne einer Narbenhernie sei nicht tastbar. Sonographisch zeige sich eine durchgehende Kontinuität der Bauchwandmuskulatur. Dr. J. hat dargelegt, dass eine partielle Bauchwandparese nach einer Nephrektomie eine durchaus häufige Komplikation sei, wobei diese allerdings von einer Narbenhernie bzw. einem Narbenbruch infolge Kontinuitätsunterbrechung der Bauchwandmuskulatur zu unterscheiden sei. Letztere sei eher selten anzutreffen und könne – im Gegensatz zu einer Bauchwandlähmung – operativ versorgt werden. Vorliegend sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem zur Nierenentnahme gesetzten Flankenschnitt und der partiellen Bauchwandparese links gegeben. Die MdE belaufe sich auf einen Grad um 20 vH.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) sowie auch ansonsten zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2005 beschwert ihn deshalb nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil er keinen Anspruch auf Feststellung der Operation vom 17. Oktober 2022 als Arbeitsunfall hat. Fehlt es damit bereits an einem Versicherungsfall, kommt es auf die Frage eines Anspruchs auf Verletztenrente (vgl. hierzu die §§ 56 Abs. 1 und 2, 72 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII) nicht mehr an.
Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Für die Anerkennung eines Unfalls als Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls seiner versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (sachlicher bzw. innerer Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dieses Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (siehe nur Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 14; Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Urteil vom 5. September 2006 – B 2 U 24/05 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 18 oder Urteil vom 4. September 2007 – B 2 U 24/06 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 24, m.w.N.).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Nierenspende am 17. Oktober 2002 zwar nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b) SGB VII versichert. Auch liegt mit der partiellen Bauchwandparese links eine Gesundheitsstörung vor, die nach den insoweit übereinstimmenden Bewertungen der Dres. PD L. und J. ursächlich auf dem zwecks Nierenentnahme gesetzten Flankenschnitt beruht und damit infolge dieser versicherten Tätigkeit eingetreten ist. Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, fehlt es jedoch an einem Unfall.
Die versicherte Tätigkeit besteht vorliegend in der planmäßig durchgeführten und laut den Angaben im Entlassungsbrief vom 29. Oktober 2002 einwandfrei verlaufenen Organspende am 17. Oktober 2002, bei der der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b) SGB VII unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand. Dies sowie die hierdurch verursachte partielle Bauchwandlähmung links reichen zur Anerkennung desselben Vorgangs als Arbeitsunfall aber nicht aus. Denn die Entnahme selbst und die damit verbundenen Körperschäden einschließlich zustandsbedingter Wundheilungsstörungen und mögliche Spätschäden, die das Leben ohne das gespendete Organ bzw. Organteil eventuell mit sich bringt, mögen zwar als "Komplikationen" im Allgemeinen oder medizinischen Sprachgebrauch angesehen werden. In diesem Sinne sind auch die Darlegungen der Dres. PD L. und J. nachvollziehbar, dass der Flankenschnitt links aus medizinischer Sicht ursächlich für die partielle Bauchwandparese war. Sind hierfür aber keine zusätzlichen und über den operativen Eingriff als solchen hinaus gehenden äußeren Ursachen erkennbar, etwa eine durch das Eindringen von Krankheitserregern bedingte Infektion oder erneute Verletzungen des Operationsgebiets, liegt kein Unfall vor. Vielmehr hat sich dann "nur" ein allgemeines Krankheitsrisiko verwirklicht, zumal eine teilweise Bauchwandlähmung nach einer Nephrektomie laut Dr. J. häufig aufzutreten pflegt (vgl. BSG, Urteil vom 22. November 1984 – 2 RU 49/83 – SozR 2200 § 539 Nr. 105; SGB VII-Komm/Kruschinsky, Stand Januar 2011, § 2 Rn. 669; ähnlich Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand März 2011, § 2 Rn. 26.2). Zur Erfüllung des Unfallbegriffs ist nämlich definitionsgemäß ein von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis erforderlich, wenngleich es hierfür keines besonders ungewöhnlichen Geschehens bedarf und das Merkmal "äußere Einwirkung" nicht nur bei einem äußerlichen, mit den Augen sichtbaren Geschehen erfüllt ist. Andererseits scheidet eine äußere Einwirkung aber dann aus, wenn das Geschehen auf einem Willensentschluss des Versicherten beruht. Denn die Unfreiwilligkeit ist dem Unfallbegriff immanent, wobei ein Unfall auch bei willentlichem Handeln mit ungewollter Einwirkung gegeben sein kann (siehe BSG, Urteil vom 18. Dezember 1986 – 4a RJ 9/86 – SozR 2200 § 1252 Nr. 6; BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 15; Urteil vom 17. Februar 2009 – B 2 U 18/07 R – SozR 4-2700 § 8 Nr. 31). Ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b) SGB VII versicherter Arbeitsunfall kommt demnach nur bei sich im Rahmen des Eingriffs ergebenden "Komplikationen" im Sinne eines zusätzlichen von außen verursachten ungewollten Schadens in Betracht (ähnlich Riebel in: Hauck/Noftz, SGB VII, Stand März 2011, K § 2 Rn. 189; KassKomm-Ricke, Stand Dezember 2010, § 2 SGB VII Rn. 71; Lauterbach/Schwerdtfeger, UV-SGB VII, Stand November 2010, § 2 Rn. 462; Wolber, SozVers 1998, 147 [148]). Daneben kann unter den Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch ein auf dem Weg zur bzw. von einer Organspende erlittener Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen sein.
Ausgehend von diesen Überlegungen stellt der körperliche Eingriff, den die Organentnahme mit sich bringt, keinen Unfall dar. Wegen der vorherigen Aufklärung des Patienten und dessen Einwilligung fehlt es an der den Unfallbegriff prägenden Unfreiwilligkeit und Unvorhersehbarkeit. Auch ein zwar vom Willen des Klägers getragener operativer Eingriff mit zusätzlicher ungewollter Einwirkung liegt nicht vor. Denn eine äußere Ursache für die partielle Bauchwandparese links bzw. die Narbenbeschwerden, die über die versicherte Tätigkeit als solche – nämlich die zur Organspende vorgenommene Operation mit der nach Dr. J. erforderlichen Durchtrennung von Bauchwand- und Nervenstrukturen – hinausgeht, hat weder der Kläger behauptet noch ist dergleichen sonst ersichtlich. Fehlt es damit aber schon an den Feststellungsvoraussetzungen eines Arbeitsunfalls, konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er dem Umfang des Versicherungsschutzes bei einer Organspende nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. b) SGB VII unter Berücksichtigung des Unfallbegriffs grundsätzliche Bedeutung zumisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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