Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 2 KR 640/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8/14 KR 960/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. August 2003 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beigeladene zu 1. in Höhe von 26.537,28 Euro.
Der Kläger betrieb von 1978 bis zum 1. April 1999 einen Malerbetrieb mit ca. 15 bis 20 Mitarbeitern. Mit der Beigeladenen zu 1. hatte er am 1. Januar 1994, 1. Juni 1994 und 1. Juni 1995 einen "Vertrag über freie Mitarbeit" geschlossen. Sie übernahm von 1988 bis zum 31. März 1999 – je nach Bedarf – die Erledigung von Büro- und Verwaltungsarbeiten für den Kläger. Als Vergütung erhielt sie ein Honorar von 28,90 DM und später 21,40 DM bzw. 22,20 DM pro Stunde. Sie stellte monatlich dem Kläger Rechnungen aus.
In der Zeit vom 19. Februar bis 2. September 1998 nahm die Beklagte eine Betriebsprüfung vor. Die Prüfung umfasste den Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis 31. August 1998. Die Beklagte ermittelte bei der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 1. hatte nach ihrem Abschluss als Bürokauffrau am 1. Februar 1988 ein Gewerbe für Büroschreibdienste angemeldet. Sie beschäftigte keine eigenen Arbeitnehmer. Von 1994 an erledigte sie neben den Bürotätigkeiten für die Firma des Klägers die Schreibarbeiten für die Hausverwaltung des Klägers und dessen Vater sowie eine Toto und Lotto Annahmestelle. Im Wesentlichen führte die Beigeladene zu 1. vormittags die Arbeiten für den Kläger in dessen Büroräumen aus. Sie benutzte dessen PC und Firmensoftware. Teilweise arbeitete sie auch nachmittags oder samstags im Büro des Klägers. Im Krankheitsfalle hatte die Beigeladene zu 1. keine Vertretung. Ihre Aufgabe war die selbständige Bearbeitung des Mahnwesens, die Nachkalkulation, die Material- und Zeiterfassung hinsichtlich der von der Firma durchgeführten Aufträge, die Rechnungsprüfung sowie vorbereitende Tätigkeiten (Stundenerfassung) zur Lohnabrechnung der Mitarbeiter. Der Zeitaufwand der Beigeladenen zu 1. lag in der Regel über 15 Wochenstunden. Nach dem Verkauf des Malerbetriebes arbeitete die Beigeladene zu 1. als abhängig Beschäftigte in Vollzeit bei der Nachfolgefirma mit (im Wesentlichen) denselben Aufgaben.
Mit Bescheid vom 23. September 1998 stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene zu 1. als Bürokauffrau versicherungspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Renten- und Arbeitslosenversicherung sei. Insgesamt gesehen, unter Berücksichtigung der Fakten, sei sie persönlich abhängig beschäftigt gewesen. Die Beklagte forderte insgesamt Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 26.537,28 Euro (51.902,41 DM) für die Zeit von 1994 bis 1997 nach. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, die Beigeladene zu 1. sei für vier Auftraggeber tätig gewesen, nur der wirtschaftliche Schwerpunkt habe bei der Firma des Klägers gelegen. Die Beigeladene zu 1. unterhalte ein eigenes Büro, habe nur aus Vereinfachungsgründen in den Geschäftsräumen des Klägers gearbeitet. Sie sei hinsichtlich ihrer Entscheidung auch in Bezug auf Art, Ort, Dauer und Arbeitsweise frei gewesen. Im Krankheitsfalle habe sie keinen Vergütungsanspruch gehabt. Sie sei selbständig tätig gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die Beigeladene zu 1. in einem nichtselbständigen Arbeitsverhältnis gestanden habe. Die Beigeladene zu 1. sei während der Dauer ihrer Tätigkeit in umfassender Weise organisatorisch und zeitlich in dem Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen. Sie habe den gleichen Pflichten wie üblicherweise abhängig Beschäftigte unterlegen. Auch sei die Annahme eines Unternehmensrisikos zu verneinen. Allein die Überbürdung zusätzlicher Risiken (wie z.B. Krankheit) auf den Arbeitnehmer mache diesen nicht zum Selbständigen.
Am 24. Mai 2000 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Mit Beschluss vom 13. November 2000 hat das Sozialgericht Frau C., die Barmer Ersatzkasse und die Bundesanstalt für Arbeit beigeladen. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Beigeladene zu 1. nicht persönlich abhängig beschäftigt gewesen sei. Es habe kein Weisungsrecht bestanden. Sie habe selbst Ort und Art der Tätigkeit bestimmen können. Sie habe auch das volle Unternehmerrisiko getragen. In der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2003 hat das Sozialgericht den Kläger persönlich gehört.
Mit Urteil vom 19. August 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Beigeladene zu 1. in der Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1997 als abhängig Beschäftigte des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig bzw. beitragspflichtig gewesen sei. Die Beigeladene zu 1. habe in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Kläger gestanden. Dies habe sich aus der Eingliederung der Beigeladenen zu 1. in den Betrieb und dem Weisungsrecht des Klägers hinsichtlich Zeit, Art, Ort und Dauer des Arbeitsauftrages ergeben. Die Beigeladene zu 1. habe im Wesentlichen vom Kläger vorgegebene Büro- und Verwaltungstätigkeit im Büro mit der Software des Klägers ausgeführt. Diese Arbeit sei überwiegend während der betrieblichen Arbeitszeit (vormittags) erfolgt. Die Beigeladene zu 1. habe im Wesentlichen auch kein Unternehmensrisiko getragen. Zwar habe sie keinen Lohnanspruch im Krankheitsfall gehabt. Sie habe die Arbeiten jedoch nach der Krankheit nachholen und ein höheres Honorar erwirtschaften können. Schließlich sei sie in abhängiger Beschäftigung bei der Nachfolgefirma als kaufmännische Angestellte tätig geworden.
Gegen das am 12. September 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Oktober 2003 (Montag) Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger trägt vor, dass die Beigeladene zu 1. weder zeitlich noch örtlich weisungsgebunden gewesen sei. Das Sozialgericht habe hier einen unrichtigen Sachverhalt unterstellt. Die Beigeladene zu 1. habe sehr wohl ein Unternehmerrisiko getragen, denn sie habe den "Monatsschluss" einhalten müssen und deshalb nicht die Zeit einer Krankheit nacharbeiten können. Ein weiteres Unternehmerrisiko sei "Urlaub, jederzeitige Beendigung des Auftrages, Selbstversicherung u.s.w." gewesen. Die Nachfolgetätigkeit der Beigeladenen zu 1. sei anders geartet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. August 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1., 2. und 3. stellen keinen Antrag.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§ 151 Abs. 1, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Klägers ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht mit Urteil vom 19. August 2003 die Klage abgewiesen; denn der angefochtene Bescheid vom 23. September 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2000 ist rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1. war in der Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1997 versicherungs- und beitragpflichtig in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) unterliegen Beschäftigte, und zwar Arbeiter und Angestellte, ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgeltes der Rentenversicherungspflicht. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) tritt in der Krankenversicherung Versicherungspflicht für Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte ein, wenn sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden. Gemäß § 20 Elftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI) erstreckt sich die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung auf alle Personen, die Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Beitragspflichtig nach § 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG – seit dem 1. Januar 1998: Drittes Buch des Sozialgesetzbuches – SGB III) sind Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu einer Berufsausbildung beschäftigt sind, soweit sie nicht nach den §§ 169 bis 169 d AFG oder einer Rechtsverordnung nach § 173 Abs. 1 AFG beitragsfrei sind.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Viertes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IV) in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach den von der ständigen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 2001 B 12 KR 44/00 R m.w.N.) entwickelten Grundsätze sind die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung und derjenigen einer selbständigen Tätigkeit gegen einander abzuwägen. Danach setzt eine Beschäftigung immer voraus, dass ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis besteht, wenn ein Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers, d.h. eine fremde Arbeitsorganisation, eingegliedert ist. Typisches Merkmal dieser Abhängigkeitsverhältnisse ist dabei die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Tätigkeit, allerdings kann dieses Weisungsrecht – insbesondere bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Die selbständige Tätigkeit kennzeichnet demgegenüber das eigene Unternehmensrisiko, Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit von Arbeitszeit und Arbeitskraft. Bedeutsam ist dabei, ob eigenes Kapital und/oder eigene Arbeitskraft mit der Gefahr auch eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ob eine Tätigkeit abhängig oder selbständig verrichtet wird, entscheidet sich letztlich danach, welche Merkmale überwiegen. Auch die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten ist zu beachten, weicht die vertragliche Regelung jedoch in den tatsächlichen Verhältnissen ab, hat letztere ausschlaggebende Bedeutung (BSGE 45, 199 ff.; BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 B 12 KR 26/02 R).
Der Beruf der kaufmännischen Angestellten ist in der Regel als abhängiges Beschäftigungsverhältnis gestaltet. Maßgebend sind dabei jedoch die Umstände des Einzelfalles. Die Beklagte hat zu Recht die Beigeladene zu 1. als abhängig beschäftigte Arbeitnehmerin angesehen. Zwar sprechen einige Indizien für eine selbständige Tätigkeit, so z.B. die Anmeldung eines Gewerbes und der fehlende Lohnanspruch im Krankheitsfalle. Entscheidend sind aber die Umstände des Einzelfalles. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände sieht der Senat die Beigeladene zu 1. als abhängig Beschäftigte an. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren vorträgt, dass von Seiten des Klägers kein Weisungsrecht vorlag, ist dies nur teilweise richtig. Der Mitarbeitervertrag mit der Beigeladenen zu 1. weist insoweit kein Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Art der Tätigkeit aus. Aber entscheidend ist die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 1. hat danach jeden Vormittag im Büro des Klägers gearbeitet. Sie war teilweise auch nachmittags oder am Samstag im Büro des Klägers. Sie hatte ein fest umgrenztes Arbeitsgebiet. Diese Arbeiten hat sie mit dem PC und der Firmensoftware des Klägers im Büro des Klägers verrichtet. Dies hat der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Wiesbaden am 19. August 2003 ausgesagt. Damit hat die Beigeladene zu 1. nach den tatsächlichen Verhältnissen in Bezug auf Ort, Zeit, Dauer und Art der Beschäftigung wie eine abhängig beschäftigte kaufmännische Angestellte gearbeitet. Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, dass die Klägerin das volle Unternehmerrisiko getragen habe, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Denn die Klägerin hatte zwar keinen Lohnfortzahlungsanspruch für die Zeit von Krankheit und Urlaub gehabt. Jedoch führt ein solches Kriterium noch nicht dazu, dass die Beigeladene zu 1. ein allgemeines Unternehmerrisiko trägt. Dadurch wird sie nicht zur Selbständigen. Entscheidend ist, ob durch Einsatz von Kapital und eigenen Arbeitskräften Verlust- und Gewinnchancen entstehen. Die Beigeladene zu 1. hat jedoch weder Kapital noch eigene Arbeitskräfte eingesetzt. Vielmehr hatte sie für einen festen Stundenlohn in einer wesentlich vorher absehbaren Dauer ihre Arbeitkraft mehr oder weniger allein dem Kläger zur Verfügung gestellt. Der Kläger war der Hauptauftragsgeber für die Beigeladene zu 1. Dem steht auch nicht entgegen, dass sie für andere Arbeitgeber hätte tätig werden können bzw. war. Die Tatsache, dass sie Einkommensteuer gezahlt hat und Rechnungen mit der Ausweisung von Mehrwertsteuer dem Kläger gestellt hat, ändert hieran nichts. Bei Gesamtbetrachtung der Verhältnisse überwiegt das Gepräge einer abhängigen Beschäftigung. Nach alledem konnte die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Beigeladene zu 1. in Höhe von 26.537,28 Euro.
Der Kläger betrieb von 1978 bis zum 1. April 1999 einen Malerbetrieb mit ca. 15 bis 20 Mitarbeitern. Mit der Beigeladenen zu 1. hatte er am 1. Januar 1994, 1. Juni 1994 und 1. Juni 1995 einen "Vertrag über freie Mitarbeit" geschlossen. Sie übernahm von 1988 bis zum 31. März 1999 – je nach Bedarf – die Erledigung von Büro- und Verwaltungsarbeiten für den Kläger. Als Vergütung erhielt sie ein Honorar von 28,90 DM und später 21,40 DM bzw. 22,20 DM pro Stunde. Sie stellte monatlich dem Kläger Rechnungen aus.
In der Zeit vom 19. Februar bis 2. September 1998 nahm die Beklagte eine Betriebsprüfung vor. Die Prüfung umfasste den Zeitraum vom 1. Januar 1994 bis 31. August 1998. Die Beklagte ermittelte bei der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 1. hatte nach ihrem Abschluss als Bürokauffrau am 1. Februar 1988 ein Gewerbe für Büroschreibdienste angemeldet. Sie beschäftigte keine eigenen Arbeitnehmer. Von 1994 an erledigte sie neben den Bürotätigkeiten für die Firma des Klägers die Schreibarbeiten für die Hausverwaltung des Klägers und dessen Vater sowie eine Toto und Lotto Annahmestelle. Im Wesentlichen führte die Beigeladene zu 1. vormittags die Arbeiten für den Kläger in dessen Büroräumen aus. Sie benutzte dessen PC und Firmensoftware. Teilweise arbeitete sie auch nachmittags oder samstags im Büro des Klägers. Im Krankheitsfalle hatte die Beigeladene zu 1. keine Vertretung. Ihre Aufgabe war die selbständige Bearbeitung des Mahnwesens, die Nachkalkulation, die Material- und Zeiterfassung hinsichtlich der von der Firma durchgeführten Aufträge, die Rechnungsprüfung sowie vorbereitende Tätigkeiten (Stundenerfassung) zur Lohnabrechnung der Mitarbeiter. Der Zeitaufwand der Beigeladenen zu 1. lag in der Regel über 15 Wochenstunden. Nach dem Verkauf des Malerbetriebes arbeitete die Beigeladene zu 1. als abhängig Beschäftigte in Vollzeit bei der Nachfolgefirma mit (im Wesentlichen) denselben Aufgaben.
Mit Bescheid vom 23. September 1998 stellte die Beklagte fest, dass die Beigeladene zu 1. als Bürokauffrau versicherungspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie Renten- und Arbeitslosenversicherung sei. Insgesamt gesehen, unter Berücksichtigung der Fakten, sei sie persönlich abhängig beschäftigt gewesen. Die Beklagte forderte insgesamt Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 26.537,28 Euro (51.902,41 DM) für die Zeit von 1994 bis 1997 nach. Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und trug vor, die Beigeladene zu 1. sei für vier Auftraggeber tätig gewesen, nur der wirtschaftliche Schwerpunkt habe bei der Firma des Klägers gelegen. Die Beigeladene zu 1. unterhalte ein eigenes Büro, habe nur aus Vereinfachungsgründen in den Geschäftsräumen des Klägers gearbeitet. Sie sei hinsichtlich ihrer Entscheidung auch in Bezug auf Art, Ort, Dauer und Arbeitsweise frei gewesen. Im Krankheitsfalle habe sie keinen Vergütungsanspruch gehabt. Sie sei selbständig tätig gewesen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. April 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, da die Beigeladene zu 1. in einem nichtselbständigen Arbeitsverhältnis gestanden habe. Die Beigeladene zu 1. sei während der Dauer ihrer Tätigkeit in umfassender Weise organisatorisch und zeitlich in dem Betrieb des Klägers eingegliedert gewesen. Sie habe den gleichen Pflichten wie üblicherweise abhängig Beschäftigte unterlegen. Auch sei die Annahme eines Unternehmensrisikos zu verneinen. Allein die Überbürdung zusätzlicher Risiken (wie z.B. Krankheit) auf den Arbeitnehmer mache diesen nicht zum Selbständigen.
Am 24. Mai 2000 hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Wiesbaden erhoben. Mit Beschluss vom 13. November 2000 hat das Sozialgericht Frau C., die Barmer Ersatzkasse und die Bundesanstalt für Arbeit beigeladen. Der Kläger hat vorgetragen, dass die Beigeladene zu 1. nicht persönlich abhängig beschäftigt gewesen sei. Es habe kein Weisungsrecht bestanden. Sie habe selbst Ort und Art der Tätigkeit bestimmen können. Sie habe auch das volle Unternehmerrisiko getragen. In der mündlichen Verhandlung vom 19. August 2003 hat das Sozialgericht den Kläger persönlich gehört.
Mit Urteil vom 19. August 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, da die Beigeladene zu 1. in der Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1997 als abhängig Beschäftigte des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig bzw. beitragspflichtig gewesen sei. Die Beigeladene zu 1. habe in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis zum Kläger gestanden. Dies habe sich aus der Eingliederung der Beigeladenen zu 1. in den Betrieb und dem Weisungsrecht des Klägers hinsichtlich Zeit, Art, Ort und Dauer des Arbeitsauftrages ergeben. Die Beigeladene zu 1. habe im Wesentlichen vom Kläger vorgegebene Büro- und Verwaltungstätigkeit im Büro mit der Software des Klägers ausgeführt. Diese Arbeit sei überwiegend während der betrieblichen Arbeitszeit (vormittags) erfolgt. Die Beigeladene zu 1. habe im Wesentlichen auch kein Unternehmensrisiko getragen. Zwar habe sie keinen Lohnanspruch im Krankheitsfall gehabt. Sie habe die Arbeiten jedoch nach der Krankheit nachholen und ein höheres Honorar erwirtschaften können. Schließlich sei sie in abhängiger Beschäftigung bei der Nachfolgefirma als kaufmännische Angestellte tätig geworden.
Gegen das am 12. September 2003 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. Oktober 2003 (Montag) Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger trägt vor, dass die Beigeladene zu 1. weder zeitlich noch örtlich weisungsgebunden gewesen sei. Das Sozialgericht habe hier einen unrichtigen Sachverhalt unterstellt. Die Beigeladene zu 1. habe sehr wohl ein Unternehmerrisiko getragen, denn sie habe den "Monatsschluss" einhalten müssen und deshalb nicht die Zeit einer Krankheit nacharbeiten können. Ein weiteres Unternehmerrisiko sei "Urlaub, jederzeitige Beendigung des Auftrages, Selbstversicherung u.s.w." gewesen. Die Nachfolgetätigkeit der Beigeladenen zu 1. sei anders geartet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 19. August 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladenen zu 1., 2. und 3. stellen keinen Antrag.
Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie statthaft (§ 151 Abs. 1, §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung des Klägers ist jedoch sachlich unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht mit Urteil vom 19. August 2003 die Klage abgewiesen; denn der angefochtene Bescheid vom 23. September 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. April 2000 ist rechtmäßig. Die Beigeladene zu 1. war in der Zeit von Januar 1994 bis Dezember 1997 versicherungs- und beitragpflichtig in der Kranken- und Pflegeversicherung sowie in der Renten- und Arbeitslosenversicherung.
Gemäß § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) unterliegen Beschäftigte, und zwar Arbeiter und Angestellte, ohne Rücksicht auf die Höhe des Arbeitsentgeltes der Rentenversicherungspflicht. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) tritt in der Krankenversicherung Versicherungspflicht für Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte ein, wenn sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt werden. Gemäß § 20 Elftes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB XI) erstreckt sich die Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung auf alle Personen, die Mitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Beitragspflichtig nach § 168 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG – seit dem 1. Januar 1998: Drittes Buch des Sozialgesetzbuches – SGB III) sind Personen, die als Arbeiter oder Angestellte gegen Entgelt oder zu einer Berufsausbildung beschäftigt sind, soweit sie nicht nach den §§ 169 bis 169 d AFG oder einer Rechtsverordnung nach § 173 Abs. 1 AFG beitragsfrei sind.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Viertes Buch des Sozialgesetzbuches (SGB IV) in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung. Hiernach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach den von der ständigen Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 19. Juni 2001 B 12 KR 44/00 R m.w.N.) entwickelten Grundsätze sind die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung und derjenigen einer selbständigen Tätigkeit gegen einander abzuwägen. Danach setzt eine Beschäftigung immer voraus, dass ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Ein persönliches Abhängigkeitsverhältnis besteht, wenn ein Arbeitnehmer im Betrieb des Arbeitgebers, d.h. eine fremde Arbeitsorganisation, eingegliedert ist. Typisches Merkmal dieser Abhängigkeitsverhältnisse ist dabei die Weisungsbefugnis des Arbeitgebers über Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der Tätigkeit, allerdings kann dieses Weisungsrecht – insbesondere bei Diensten höherer Art – eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Die selbständige Tätigkeit kennzeichnet demgegenüber das eigene Unternehmensrisiko, Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit von Arbeitszeit und Arbeitskraft. Bedeutsam ist dabei, ob eigenes Kapital und/oder eigene Arbeitskraft mit der Gefahr auch eines Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Ob eine Tätigkeit abhängig oder selbständig verrichtet wird, entscheidet sich letztlich danach, welche Merkmale überwiegen. Auch die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen den Beteiligten ist zu beachten, weicht die vertragliche Regelung jedoch in den tatsächlichen Verhältnissen ab, hat letztere ausschlaggebende Bedeutung (BSGE 45, 199 ff.; BSG, Urteil vom 12. Februar 2004 B 12 KR 26/02 R).
Der Beruf der kaufmännischen Angestellten ist in der Regel als abhängiges Beschäftigungsverhältnis gestaltet. Maßgebend sind dabei jedoch die Umstände des Einzelfalles. Die Beklagte hat zu Recht die Beigeladene zu 1. als abhängig beschäftigte Arbeitnehmerin angesehen. Zwar sprechen einige Indizien für eine selbständige Tätigkeit, so z.B. die Anmeldung eines Gewerbes und der fehlende Lohnanspruch im Krankheitsfalle. Entscheidend sind aber die Umstände des Einzelfalles. Bei einer Gesamtwürdigung aller Umstände sieht der Senat die Beigeladene zu 1. als abhängig Beschäftigte an. Soweit der Kläger im Berufungsverfahren vorträgt, dass von Seiten des Klägers kein Weisungsrecht vorlag, ist dies nur teilweise richtig. Der Mitarbeitervertrag mit der Beigeladenen zu 1. weist insoweit kein Weisungsrecht hinsichtlich Zeit, Ort, Dauer und Art der Tätigkeit aus. Aber entscheidend ist die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1. Die Beigeladene zu 1. hat danach jeden Vormittag im Büro des Klägers gearbeitet. Sie war teilweise auch nachmittags oder am Samstag im Büro des Klägers. Sie hatte ein fest umgrenztes Arbeitsgebiet. Diese Arbeiten hat sie mit dem PC und der Firmensoftware des Klägers im Büro des Klägers verrichtet. Dies hat der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Wiesbaden am 19. August 2003 ausgesagt. Damit hat die Beigeladene zu 1. nach den tatsächlichen Verhältnissen in Bezug auf Ort, Zeit, Dauer und Art der Beschäftigung wie eine abhängig beschäftigte kaufmännische Angestellte gearbeitet. Soweit der Kläger die Ansicht vertritt, dass die Klägerin das volle Unternehmerrisiko getragen habe, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Denn die Klägerin hatte zwar keinen Lohnfortzahlungsanspruch für die Zeit von Krankheit und Urlaub gehabt. Jedoch führt ein solches Kriterium noch nicht dazu, dass die Beigeladene zu 1. ein allgemeines Unternehmerrisiko trägt. Dadurch wird sie nicht zur Selbständigen. Entscheidend ist, ob durch Einsatz von Kapital und eigenen Arbeitskräften Verlust- und Gewinnchancen entstehen. Die Beigeladene zu 1. hat jedoch weder Kapital noch eigene Arbeitskräfte eingesetzt. Vielmehr hatte sie für einen festen Stundenlohn in einer wesentlich vorher absehbaren Dauer ihre Arbeitkraft mehr oder weniger allein dem Kläger zur Verfügung gestellt. Der Kläger war der Hauptauftragsgeber für die Beigeladene zu 1. Dem steht auch nicht entgegen, dass sie für andere Arbeitgeber hätte tätig werden können bzw. war. Die Tatsache, dass sie Einkommensteuer gezahlt hat und Rechnungen mit der Ausweisung von Mehrwertsteuer dem Kläger gestellt hat, ändert hieran nichts. Bei Gesamtbetrachtung der Verhältnisse überwiegt das Gepräge einer abhängigen Beschäftigung. Nach alledem konnte die Berufung keine Aussicht auf Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
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