L 8 KR 200/07

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 2 KR 194/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 200/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 49/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit dem Arzneimittel "Falkamin®" sowie die Erstattung von Kosten, die er seinen Angaben zufolge für die einmalige Beschaffung dieses Mittels in Höhe von 501,00 Euro aufgewendet hat.

Der 1939 geborene Kläger ist bei der Beklagten als Rentner in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) versichert. Er leidet an einer erstmals 1981 diagnostizierten Leberzirrhose unklarer Ätiologie. Im März 1983 war im Anschluss an eine Speiseröhrenschleimhautblutung eine portocavale Shuntoperation durchgeführt worden. Eine diabetische Stoffwechsellage ist seit den 90-er Jahren bekannt, derzeit wird eine intensivierte Insulintherapie durchgeführt. Seit Mai 1989 ist der Kläger früh berentet. Er unterzieht sich wegen seines Leberleidens regelmäßigen Verlaufsuntersuchungen im ZB Krankenhaus A-Stadt. Laut dem vom Kläger im Klageverfahren vorgelegten Arztbriefen dieses Krankenhauses vom 11. April 2001, 23. August 2002, 7. Oktober 2003, 14. Mai 2004 und 25. Februar 2005 besteht eine portal kompensierte Leberzirrhose, seit dem Arztbrief vom 23. August 2001 mit dem Stadium Child A – B, die sich in einem stabilen Zustand befinde. Weiter ist diesen Berichten zu entnehmen, dass der Kläger seit 2001 unter anderem wegen des Leberleidens die Medikamente Hepa-Merz, sowie Falkamin® einnahm. Das Medikament Hepa-Merz stellt ein L-Ornithin-L-Aspartat dar, welches die bei Leberfunktionsstörungen entstehende Ammoniakansammlung im Stoffwechsel durch Entgiftung verbessert. Dadurch können leberbedingte Hirnfunktionsstörungen (hepatische Enzephalopathien) behandelt werden. In dem Medikament Falkamin® sind orale verzweigtkettige Aminosäuren enthalten, nämlich Leucin, Valin und Isoleucin. Das Präparat ist zugelassen zur Behandlung und Vorbeugung von Hirnfunktionsstörungen bei chronischen Lebererkrankungen. Bei beiden Arzneimitteln handelt es sich um apothekenpflichtige aber nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel. Beide Medikamente wurden dem Kläger unter anderem von seinem langjährig behandelnden Arzt, dem Arzt für Innere Medizin – Schwerpunkt Gastroenterologie – Dr. N. verordnet, wobei der Kläger nach den Angaben des Dr. N. in dessen ärztlicher Bescheinigung vom 17. Juli 2006 von dem Medikament Falkamin® täglich drei Beutel einnahm, was Tagestherapie-Kosten von 16,75 Euro auslöste.

Zum 1. Januar 2004 schloss der Gesetzgeber grundsätzlich nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel wie "Falkamin®" von der Verordnungsfähigkeit zu Lasten der GKV aus. Seinen Angaben zu Folge beschaffte sich der Kläger einmalig eine Dreierpackung des Medikaments Falkamin® für eine Monatsanwendung auf seine Kosten zu einem Gesamtpreis in Höhe von Euro 501,00. Im Besitz eines Kaufbelegs ist der Kläger nicht. Aufgrund seiner eingeschränkten Einkommensverhältnisse kaufte er sich dieses Medikament seinen Angaben zur Folge nicht mehr.

Am 17. Januar 2006 beantragte der Kläger schriftlich bei der Beklagten die Übernahme der Beschaffungskosten für das Medikament Falkamin® mit der Begründung, er sei auf dieses ihm seit vielen Jahren verordnetes Medikament angewiesen. Wegen der gesetzlichen Neuregelung müsse er es nunmehr selbst kaufen. Die hierfür anfallenden Kosten für 3 Packungen monatlich zu 167,00 Euro könne er nicht aufbringen. Mit Bescheid vom 23. Februar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag unter Hinweis auf die ab Januar 2004 geltende Neuregelung für rezeptfreie apothekenpflichtige Arzneimittel ab. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2006). Die Beklagte begründete ihre Entscheidung damit, Falkamin® sei als nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel aus der Leistungspflicht der GKV ausgenommen. Es sei auch nicht in der Arzneimittelrichtlinie (AMRL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) unter den Ausnahmen nach § 34 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) aufgeführt. In den AMR habe der GBA den gesetzlichen Vorgaben entsprechend die nichtverschreibungspflichtigen Arzneimittel aufgeführt, die bei bestimmten Erkrankungen ausnahmsweise verordnet werden dürfen, weil sie bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten (Abschnitt F. Ziffer 16. AMR).

Hiergegen erhob der Kläger am 29. Juni 2006 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden mit dem Klageziel, die Beklagte zu verurteilen, ihm das Medikament Falkamin® zu leisten. Er trug zur Begründung vor, aus medizinischer Sicht sei die Einnahme des Präparats Falkamin® zur Vorbeugung und Behandlung evtl. auftretender Leistungsstörungen als Folge seiner Lebererkrankung unbedingt notwendig. Dies ergebe sich aus den vorgelegten Arztbriefen des ZB-Krankenhauses A-Stadt aus den Jahren 2001 – 2005 sowie dem von ihm vorgelegten Attest des Dr. N. vom 17. Juli 2006. Darin heißt es, insbesondere die konsequent betriebene Einschränkung der Aufnahme von Eiweiß und medikamentös herausragend vor allem die Einnahme von Aminosäuren in Form des Präparats Falkamin® habe es vermocht, die sekundär als Folge der schweren Lebererkrankung eintretende Hirnfunktionsstörung deutlich zu verzögern. In dem vom Sozialgericht eingeholten Befundberichts des Dr. N. vom 1. November 2006 heißt es, der Kläger erfülle seiner Auffassung nach die Kriterien des Ausnahmesachverhaltes nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V, da eine schwerwiegende Erkrankung vorliege. Seines Wissens gebe es keine Medikamentenalternative für das Präparat Falkamin®.

Mit Urteil vom 12. Juni 2007 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, nach § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB V seien nicht verschreibungspflichtige Medikamente, wie Falkamin®, grundsätzlich von der Arzneimittelversorgung ausgeschlossen. Davon ausgenommen seien nach § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V lediglich nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die vom GBA in seinen Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V, den Arzneimittelrichtlinien, aufgeführt werden. Weder das Präparat Falkamin® noch seine Wirkstoffe Leucin, Valin und Isoleucin seien jedoch in dem entsprechenden Abschnitt der Richtlinie (Abschnitt F. Ziffer 16.1 – 16.11 genannt). Da die Richtlinie die ausnahmsweise verordnungsfähigen nicht verschreibungspflichtigen Medikamente abschließend aufzähle (Abschnitt F. Ziffer 16.9), sei das Präparat Falkamin® nach § 34 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SGB V nicht erstattungsfähig. Zwar sehe die in § 34 Abs. 1 Satz 4 SGB V getroffene Regelung vor, dass bis zum Erlass der entsprechenden Richtlinien des GBA die Beurteilung dem behandelnden Arzt anhand der in § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V genannten Kriterien, Arzneimittel zur Behandlung schwerwiegender Erkrankung, die als Therapiestandard gelten, obläge. Der entsprechende Abschnitt der Richtlinien (Abschnitt F. Ziffer 16.1 – 16.11) sei jedoch bereits mit Wirkung vom 16. März 2004 in Kraft getreten, so dass die Erstattungsfähigkeit eines Medikaments nicht nach § 34 Abs. 1 Satz 4 SGB V von der Einschätzung des behandelnden Arztes anhängen würde, ob die Kriterien des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V vorliegen.

Der Ausschluss des Medikaments Falkamin® von der Arzneimittelversorgung durch die GKV begegne auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) wirke hier nicht zu Gunsten des Klägers. Zwar habe Dr. N. laut seinem Befundbericht vom 1. November 2006 eine hepatische Encephalopathie diagnostiziert. Diese stelle auch eine schwerwiegende Erkrankung im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V und möglicherweise auch eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in seinem Beschluss vom 6. Dezember 2005 dar. Diese Krankheit werde jedoch beim Kläger, wie sich aus den Berichten des ZB-Krankenhauses A-Stadt ergebe, durch das Medikament Hepa-Merz, dass den Wirkstoff L-Ornithin-L-Aspartat enthalte, behandelt. Dieser Wirkstoff werde vom GBA in seiner AMRL gerade zur Behandlung der hepatischen Encephalopathie als Ausnahmeindikation für die Verordnung nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aufgeführt (AMRL Abschnitt F. Ziffer 16.4.30). Die Aufnahme dieses Wirkstoffs in den Ausnahmekatalog durch den GBA zur Behandlung einer hepatischen Encephalopathie setze aber voraus, dass die Behandlung mit diesem Wirkstoff den Therapiestandard für die Behandlung einer hepatischen Encephalopathie darstelle. Somit sei davon auszugehen, dass eine allgemein anerkannte, medizinischen Standard entsprechende Behandlung zur Verfügung stehe, die von der Beklagten durch zur Verfügung stellen des Medikaments Hepa-Merz auch als Leistung der GKV erbracht werde. Somit bedürfe es auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht der zusätzlichen und im Wesentlichen der Vorbeugung dienenden Behandlung mit dem Medikament Falkamin®.

Gegen das ihm am 19. Juni 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Juli 2007 Berufung eingelegt und zur Begründung seinen Vortrag aus dem erstinstanzlichen Verfahren wiederholt und vertieft unter Hinweis auf das Attest und den Befundbericht des Dr. N. Weiter hat der Kläger auf Nachfrage des Gerichtes angegeben, er habe einmal eine Dreierpackung des Medikaments Falkamin® zu einem Gesamtpreis in Höhe von 501,00 Euro erworben, jedoch den Rechnungsbeleg nicht aufbewahrt.

Auf seinen Antrag hin, hat der Senat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten von Prof. Dr. med. C., Leiterin der Gastroenterologie und Intensivmedizinerin, tätig am Zentrum für Innere Medizin, des Fachbereichs Medizin der LL-Universität C Stadt vom 18. August 2008 eingeholt. Das Gutachten basiert auf einer medizinischen Untersuchung des Klägers vom 16. Oktober 2008 mit Abdomensonographie sowie der Durchführung des Zahlenverbindungstestes als psychodiagnostisches Verfahren zur quantitativen Erfassung der latenten Encephalopathie sowie der Erhebung von Laborbefunden, Anamnese und Beschwerdesymptomatik. In dem schriftlichen Gutachten vom 18. August 2008 wird neben der bekannten Leberzirrhose unklarer Ätiologie im Stadium Child B vor allem eine hepatische Encephalopathie diagnostiziert. Hierzu heißt es, nach Aktenlage habe 2006 noch keine hepatische Encephalopathie oder nur eine minimale hepatische Encephalopathie vorgelegen. Zum Zeitpunkt der gutachterlichen Untersuchung könne von einer gesicherten hepatischen Encephalopathie des Grades I bis II ausgegangen werden. Eine weitere Verschlechterung zu Grad III und IV sei sicher zurzeit nicht gegeben. Die hepatische Encephalopathie sei eine häufige und prognostisch wichtige Komplikation der Leberzirrhose. Die hepatische Encephalopathie könne durch eine Vielzahl von Faktoren ausgelöst werden. Im Falle des Klägers hätten auslösende Faktoren, die zu einer rasanten Verschlechterung der hepatischen Encephalopathie führen, nicht eruiert werden können. Mithin müsse von einer langsamen Dekompensation der seit über 25 Jahre bestehenden Leberzirrhose als Ursache ausgegangen werden.

Wichtigste therapeutische Maßnahme bei dem Auftreten einer manifesten hepatischen Encephalopathie bei Zirrhosepatienten sei die konsequente Behandlung der auslösenden Faktoren. Auszuschließen und zu behandeln seien insbesondere gastrointestinale und sonstige Blutungen, zu hohe orale Eiweißaufnahme, Traumen, Infektionen, Exsikkose sowie Störungen des Elektrolyt-und Säure-/Basenhaushaltes. Für eine medikamentöse Behandlung kämen Lactulose, nicht resorbierbare Antibiotika, L-Ornithin-L-Asparat, Flumacenil, Zink sowie die Gabe von Falkamin® in Betracht. Die Gabe oral verzweigtkettige Aminosäurepräparate (enthalten in Falkamin®) gehöre zum praktischen Vorgehen bei manifester hepatischer Encephalopathie eines Zirrhosepatienten. Es könne als gesichert gelten, dass verzweigtkettige Aminosäuren bei Zirrhosepatienten auf das ereignisfreie Überleben, die Rehospitalisierungsrate, die Verbesserung der Lebensqualität, die Encephalopathie und den Proteinhaushalt einen positiven Effekt hätten. Im Falle des Klägers sei es von 2006 bis 2008 objektivierbar zu einer Verschlechterung der hepatischen Encephalopathie gekommen. Ob diese allein auf die fehlende Gabe von Falkamin®, welches bis 2004 vom Kläger eingenommen wurde, zurückzuführen sei, könne aber nicht festgestellt werden. Allerdings sei es nicht auszuschließen, dass es durch den Verzicht auf den Einsatz von Falkamin® zu einer deutlichen Verschlechterung des Krankheitszustandes gekommen sei. Eine weitere Verschlechterung der hepatischen Encephalopathie zu Grad III und IV mit zunehmender Entwicklung einer Somnolenz, d. h. der Patient schlafe, sei dabei erweckbar und schließlich mit Einsetzen eines Komas (Stadium IV) sei sicher zurzeit nicht gegeben. Zwei aktuelle Übersichtsarbeiten in internationalen renommierten Journalen aus den Jahren 2008 und 2007 beurteilten den Einsatz verzweigtkettiger Aminosäuren bei der hepatischen Encephalopathie als positiv. Allerdings existieren widersprüchliche Ergebnisse verschiedener Studien und könnten zurzeit noch nicht geklärt werden. L Ornithin-L-Aspartat (Hepa-Merz) sei ein für die Behandlung der hepatischen Encephalopathie anerkanntes Medikament. Es verbessere die Ammoniakentgiftung durch Harnstoff und Glutaminsyntese in der Leber und in der Muskulatur. Der Kläger nehme Hepa-Merz seit vielen Jahren in einer Dosis von 3-mal 3 g Pro Tag ein.

Der Kläger trägt nunmehr vor, seine Position werde durch das Gutachten von Frau Prof. Dr. C. gestützt. Die Sachverständige habe zweifelsfrei die Indikation zur Falkamingabe bejaht und dessen Einnahme befürwortet. Weiter hat er Befunde über die bei ihm durch Blutanalyse festgestellten Ammoniakwerte vom 17. November 2005, Dezember 2006, 30. Oktober 2007, 19. Februar 2008, 8. Mai 2008, 7. Juli 2008 und 17. Februar 2009 vorgelegt.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 12. Juni 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die ihm für die Beschaffung des Präparats Falkamin® entstandenen Kosten in Höhe von Euro 501,00 zu erstatten sowie die Beklagte zu verpflichten, ihm zukünftig das Präparat Falkamin® zu leisten,
hilfsweise
die Sachverständige Prof. Dr. C. zu dem Sachverständigengutachten vom 18. August 2008 persönlich zu hören.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe zutreffend entschieden. Sie nimmt zu dem Gutachten der Frau Prof. Dr. C. durch den Arzt für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin und Apotheker Dr. Y. über den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung in Hessen (MDK) Stellung. Dr. Y. führt in seinen sozialmedizinischen Stellungnahmen vom 29. Dezember 2008, 2. und 24. März 2004 aus, anhand der medizinischen Unterlagen und der Befunderhebungen der Frau Prof. Dr. C. könne von einer durch nahe Lebensgefahr gezeichneten individuellen Notlage des Klägers nicht ausgegangen werden. Auch stünden Behandlungsalternativen zu Falkamin®, insbesondere auch Hepa-Merz, zur Verfügung, nämlich die Beseitigung auslösender Ursachen, z. B. durch Blutungsstillung, Behandlung einer Infektion, Ausgleich einer Elektrolytstörung oder Azidose, Einweißrestriktion, Laktulose zur Verringerung der enteralen Stickstoffaufnahme, Entgiftung von Ammoniak mit Hepa-Merz. Letzteres könne im Falle eines Stadiums einer schweren hepatischen Encephalopathie auf intravenöse Gabe umgestellt werden. Auch stelle der in dem Gutachten von Prof. Dr. C. benannte Ammoniakwert von 45 mmol/Liter, der in etwa 80 µg/dl Ammoniak entspreche, einen noch im Normalbereich liegenden Wert dar. Der Ammoniakblutspiegel stelle in Bezug auf die Beurteilung der Schwere einer hepatischen Encephalopathie nur einen Surrogatparameter dar, dessen klinischer Nutzen umstritten sei. Eine herausragende Rolle in der Diagnose einer hepatischen Encephalopathie komme den psychometrischen Testverfahren zu. Jedenfalls könne das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage an Hand der medizinischen Unterlagen nicht nachvollzogen werden.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat es rechtmäßig abgelehnt, den Kläger ab seiner Antragstellung vom 15. Januar 2006 mit dem Arzneimittel "Falkamin®" auf ärztliche Verordnung hin zu versorgen und dies auch zukünftig zu tun. Die gesetzlichen Voraussetzungen eines Sachleistungsanspruchs auf Versorgung mit "Falkamin®" sind nicht erfüllt. Sowohl der Anspruch auf Kostenerstattung für die Vergangenheit als auch der Anspruch auf Versorgung oder Kostenfreistellung für die Zukunft reicht nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte und zukünftig zu beschaffende Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen (KKn) allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr., vgl. z.B. BSGE 79, 125, 126 f. = SozR 3-2500 § 13 Nr. 11 S. 51 f m.w.N.; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 8 RdNr. 14 -Brachytherapie; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12, jeweils RdNr. 11 m.w.N. -LITT; BSG, Urteil vom 2.11.2007 -B 1 KR 14/07 R – RdNr. 14 m.w.N., zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Einen Naturalleistungsanspruch auf Versorgung mit "Falkamin®" abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung hat der Kläger jedoch nicht, weil dieses Mittel nicht zum Leistungskatalog der GKV gehört. Es handelt sich um ein nicht verschreibungspflichtiges Arzneimittel, für das kein Ausnahmetatbestand eingreift.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Medikamenten, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 SGB V oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind. Nach § 34 Abs. 1 SGB V (in der Fassung des ab dem 1. Januar 2004 geltenden GKV ¬Modernisierungsgesetzes vom 14. November 2003 BGBl. I 2190) sind dabei nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erstmals bis zum 31. März 2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Weder das Präparat "Falkamin®" noch seine Wirkstoffe "Leucin", "Valin" und "Isoleucin" sind, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, nach den Arzneimittelrichtlinien (in der mit Wirkung ab 16. März 2004 in Kraft getretenen Fassung und auch in den späteren Fassungen bis heute) überhaupt und damit auch nicht für die Behandlung von Lebererkrankungen und deren Folgeerkrankung in Form der hepatischen Encephalopathie als Ausnahmefall vorgesehen. Abschnitt F., der die Überschrift "Gesetzliche Verordnungsausschlüsse bei der Arzneimittelversorgung und zugelassene Ausnahmen" trägt, und in dessen Ziff. 16.4 und deren Untergliederungen im einzelnen schwerwiegende Erkrankungen und Standardtherapien zu deren Behandlung abschließend (ausdrücklich in Ziff. 16.9 festgelegt) aufgezählt werden, benennt in Bezug auf Leberleiden nur Lactulose und Lacitol (laut Ziff. 16.4.22 nur zur Senkung der enteralen Ammoniak-Resorption bei Leberversagen im Zusammenhang mit der hepatischen Encephalopathie) und L-Ornithin-L-Aspartat (nach Ziff. 16.430 nur zur Behandlung des hepatischen (Prae-)Coma und der episodischen, hepatischen Enzephalopathie).

Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV verstößt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, nicht gegen Verfassungsrecht. Er ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz und den Grundrechten aus Artikel 2 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip vereinbar. Das Bundessozialgericht hat hierzu in seinem Urteil vom 6. November 2008 (B 1 KR 6/08) folgendes ausgeführt:

Der grundsätzliche Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV beruht auf Sachgründen. Die Regelungen über die Verschreibungspflicht von Arzneimitteln (§ 48 Arzneimittelgesetz i.V.m. § 1 Arzneimittelverschreibungsverordnung) dienen dem Schutz der Bevölkerung. Sie sollen sicherstellen, dass Arzneimittel, die gesundheitliche Risiken in sich bergen, nur über diejenigen Heilpersonen zur Anwendung kommen, die ihre Wirkungen, Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Mitteln, Gegenanzeigen und sonstigen Gefahren genau kennen (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.1985 -6 RKa 28/84 -USK 85197; nachgehend -ebenfalls auf den Gesundheitsschutz der Bevölkerung abstellend -BVerfG SozR 5583 § 7 Nr. 1). In der Zusammenschau sind die Möglichkeit, sich ohne ärztliche Verschreibung die Arzneimittel selbst zu verschaffen, der typischerweise geringere Preis und damit die Zumutbarkeit, die entsprechenden Kosten selbst zu tragen, hinreichende sachliche Anknüpfungspunkte für die Entscheidung des Gesetzgebers.

Die GKV beruht zwar auf dem Grundkonzept, dass die Versicherten bei Eintritt von Krankheit unabhängig von der Höhe ihrer Beiträge eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung erhalten (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss 1. Senat 2. Kammer vom 28.2.2008 -1 BvR 1778/05 – RdNr. 3; BVerfGE 115, 25, 26 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, dass die GKV den Versicherten Leistungen nur nach Maßgabe eines allgemeinen Leistungskatalogs (§ 11 SGB V) unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung stellt, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung des Versicherten zugerechnet werden (§ 2 Abs 1 Satz 1 SGB V; vgl. BVerfGE 115, 25, 45 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 26).

Der Leistungskatalog der GKV darf auch von finanzwirtschaftlichen Erwägungen mitbestimmt sein (vgl. BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 26, 30 = SozR 2200 § 376d Nr. 1). Gerade im Gesundheitswesen hat der Kostenaspekt für gesetzgeberische Entscheidungen erhebliches Gewicht (vgl. BVerfGE 103, 172, 184 = SozR 3-5520 § 25 Nr. 4; BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 27; s auch BSG, Urteil vom 22.4.2008 -B 1 KR 10/07 R -SozR 4-2500 § 62 Nr. 6 RdNr. 14 m.w.N.). Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungswegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist (vgl. BVerfGE 115, 25, 46 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 27; BVerfG NJW 1997, 3085; BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 7, jeweils RdNr. 29 m.w.N.).

Es ist verfassungsrechtlich auch nicht zu beanstanden, dass der Gesetzgeber den GBA beauftragt hat, in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können (vgl. zur Zulässigkeit der Regelung durch Richtlinien des GBA z.B. BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12 RdNr. 14 f. m.w.N., stRspr.). Nach der Rechtsprechung des BVerfG (BVerfGE 115, 25, 46 f = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNr. 28) ist es dem Gesetzgeber von Verfassungswegen nicht verwehrt, zur Sicherung der Qualität der Leistungserbringung, im Interesse einer Gleichbehandlung der Versicherten und zum Zweck der Ausrichtung der Leistungen am Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit ein Verfahren vorzusehen, in dem neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung auf ihren diagnostischen und therapeutischen Nutzen sowie ihre medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse sachverständig geprüft werden, um die Anwendung dieser Methoden zu Lasten der GKV auf eine fachlich-medizinisch zuverlässige Grundlage zu stellen. Nichts anderes gilt für die Abgrenzung des Pharmakotherapiestandards für schwerwiegende Erkrankungen durch die AMRL.

Auch im Übrigen ist die Leistungsbegrenzung in § 34 Abs. 1 SGB V verfassungsgemäß. Insbesondere verletzt sie weder das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) noch das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip (vgl. dazu BVerfGE 115, 25, 43 ff. = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5 RdNrn. 21, 24). Denn der Gesetzgeber hat lediglich in verhältnismäßiger Weise von seinem Gestaltungsrecht Gebrauch gemacht, den Bereich der Eigenvorsorge zu umreißen.

Der Ausschluss nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV verstößt auch nicht gegen Europäisches Recht (BSG, Urteil vom 6. November 2008, B 1 KR 6/08 R; EuGHE I 2006, 10611).

Zu keinem anderen Ergebnis führt aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98) die verfassungskonforme Auslegung derjenigen Normen des SGB V, die einem verfassungsrechtlich begründeten Anspruch auf Arzneimittelversorgung entgegenstehen.

Diese Auslegung hat zur Folge, dass im Rahmen der Anspruchsvoraussetzungen von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit ausnahmsweise bejaht werden müssen, obwohl ein Mittel bzw. eine Behandlungsmethode an sich von der Versorgung zu Lasten der GKV ausgeschlossen ist. Die verfassungskonforme Auslegung setzt u. a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (vom BSG etwa verneint beim Vorliegen eines Prostatakarzinoms im Anfangsstadium ohne metastatische Absiedelungen, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 12/04 R).

Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelung nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann für den gegebenenfalls gleichzustellenden, akut drohenden und nicht kompensierbaren Verlust eines wichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Körperfunktion gelten (BSG, a.a.O.).

Ein solches notstandsähnliches Krankheitsgeschehen hat beim Kläger weder zum Zeitpunkt seiner Antragstellung bei der Beklagten im Januar 2006 bestanden noch liegt eine solche Situation mittlerweile vor. Die Grunderkrankung des Klägers, nämlich die seit 25 Jahren bestehende Leberzirrhose weist einen weitgehend stabilen Verlauf auf. Dies kommt in den Arztbriefen aus dem ZB-Krankenhaus zum Ausdruck, die für die Jahre 2004 und 2005 eine stabile Situation des Leberleidens des Klägers ohne Hinweis auf eine hepatische Encephalopathie beschreiben. Dies hat auch Frau Prof. Dr. C. in ihrem Gutachten ausgeführt. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist zwar nach dem Ergebnis ihrer gutachterlichen Untersuchung des Klägers auszumachen, nämlich in Gestalt einer hepatischen Encephalopathie. Diese sei jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung, dem 16. Oktober 2008, festzustellen, wobei als Symptome eine subtile Persönlichkeitsveränderung im Wesentlichen beschrieben werden. Die nunmehr diagnostizierte hepatische Encephalopathie ist jedoch nach der Beurteilung der Frau Prof. Dr. C. noch nicht massiv ausgeprägt. Unter Berücksichtigung des Ergebnisses des durchgeführten psychodiagnostischen Testverfahrens und aufgrund des Flapping-Tremors weist Frau Prof. Dr. C. der von ihr als gesichert angesehen hepatischen Encephalopathie einen Schweregrad von I bis II zu. Sie führt aus, dass unter Berücksichtigung der vom Kläger auf dem gerichtlichen Formular zur ärztlichen Schweigepflichtentbindung geleisteten Unterschrift, die am 24. Juli 2006 erfolgte, noch nicht von einer signifikanten Encephalopathie auszugehen gewesen sei. Erst die zum Zeitpunkt ihrer Untersuchung erkennbare Symptomatik lasse die von ihr vorgenommene Einstufung zu. In ihrem Gutachten legt Frau Prof. Dr. C. weiter dar, dass eine weitere Verschlechterung der hepatischen Encephalopathie, die zu einer Schweregradeinteilung von III und IV führen könnte und mit zunehmender Entwicklung einer Somnolenz einhergehe, derzeit sicher nicht gegeben und auch nicht kurzfristig zu erwarten sei. Die Bedeutung der von ihr diagnostizierten manifesten hepatischen Encephalopathie wird wiederum relativiert, mit der Feststellung, dass die Symptomatik bei einer äquaten Therapie reversibel sei. Für die Beurteilung der derzeitigen gesundheitlichen Beeinträchtigung durch die hepatische Encephalopathie und die weitere Prognose ist wiederum relevant, dass nach den Ausführung von Frau Prof. Dr. C. auslösende Faktoren, welche zu einer raschen Verschlechterung dieses Krankheitsbildes führen könnten, im Falle des Klägers nicht eruiert werden können. Folglich sei von einer langsamen Dekompensation der seit über 25 Jahren bekannten Leberzirrhose als Ursache der Ausbildung der hepatischen Encephalopathie auszugehen. Bei dieser Befundlage kann im Falle des Klägers nicht von einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen gesundheitlichen Notlage oder einem einer solchen Situation gleichzustellenden akut drohenden und nicht kompensierbaren Verlust einer herausgehobenen Körperfunktion, wie sie die Hirnleistung darstellt, ausgegangen werden. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgelegten Befunde zu den bei ihm durch Laboruntersuchung des Blutes erhobenen Blutammoniakwerten. Zum einen sind diese nicht dramatisch hoch, wie Dr. Y. in seinen MDK-Stellungnahmen nachvollziehbar dargelegt hat. Zum anderen kommt diesen Werten für die Bestimmung der Schwere einer hepatischen Encephalopathie nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Davon ist auch Prof. Dr. C. in ihrem Gutachten ausgegangen. Sie hat die von ihr gestellte Diagnose des nunmehrigen Vorliegens einer hepatischen Encephalopathie auf das klinische Bild, welches geprägt war durch Störungen der Kognition und der Motorik, vorfindliche subtile Persönlichkeitsveränderungen, Defiziten im Zahlenverbindungstest sowie bei der Unterschriftsleistung, gestützt. Prof. Dr. C. schreibt in ihrem Gutachten, dass keine Korrelation zwischen der Höhe des venösen Blutammoniakspiegels und der Schwere einer hepatischen Encephalopathie bestehe. Auf diesen Gesichtspunkt hat auch Dr. Y. in seinen Stellungnahmen hingewiesen. Es kommt hinzu, dass die vom Kläger für seine Gesundheitsverschlechterung angeschuldigte unterbliebene Gabe von Falkamin® wegen Nichtübernahme der Behandlungskosten für dieses Medikament seitens der Beklagten nicht als kausal für die Verschlechterung des Gesundheitszustandes, die wiederum nicht lebensbedrohlich ist, angesehen werden kann. Insoweit führt Frau Prof. Dr. C. in ihrem Gutachten ausdrücklich aus, es könne nicht festgestellt werden, dass die von ihr für den Zeitraum 2006 bis 2008 ausgemachte Verschlechterung der hepatischen Encephalopathie ihre Ursache in der seit 2004 nicht fortgesetzten Einnahme des Medikaments Falkamin® habe. Diese Schlussfolgerung wird wiederum untermauert durch die Darlegungen zu den Erkenntnissen über den Wirkmechanismus verzweigtkettiger Aminosäuren bei Zirrhosepatienten. Danach gilt es nur als gesichert, dass verzweigtkettige Aminosäuren, zu denen auch Falkamin® gehört, bei Zirrhosepatienten auf verschiedenen Ebenen einen positiven Effekt hätten, der sich jedoch nicht exakt fassen lasse. Auch wird in dem Gutachten herausgestellt, im Vordergrund der konventionellen Therapie der hepatischen Encephalopathie stehe die Beseitigung der auslösenden Faktoren, die Proteinrestriktion sowie die Darmreinigung mit Lactulose/Lacitol oder Antibiotika. Während die Wertigkeit der neueren Therapieansätze, zu den auch die Gabe von verzweigtkettigen Aminosäuren gehöre, noch nicht abschließend beurteilt werden könne.

Bei dieser Sachlage kann nicht zu Gunsten des Klägers als erwiesen angesehen werden, dass bei ihm eine notstandsähnliche Gesundheitssituation mit voraussichtlich tödlichem Krankheitsverlauf oder eine vergleichbar schwere Krankheitslage besteht und dass diese Situation mit dem beanspruchten Medikament Falkamin® beseitigt werden könnte.

Der Senat war auf den vom Kläger im Gerichtstermin gestellten Hilfsantrag hin, nicht gehalten, den Rechtsstreit zu vertagen und Prof. Dr. C. im Hinblick auf ihr nach § 109 SGG schriftlich erstattetes Gutachten zu einem neuen Gerichtstermin zu laden, damit der Kläger sie in diesem Gerichtstermin zu ihrem Gutachten befragen und um Erläuterung des Gutachtens ersuchen konnte. Zwar steht jedem Beteiligten, unabhängig von der nach § 411 Abs. 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, das Erscheinen des Sachverständigen zum Termin von Amts wegen anzuordnen, gemäß § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 397, 402, 411 Abs. 4 ZPO das Recht zu, dem Sachverständigen und auch dem nach § 109 SGG gutachtlich angehörten Arzt diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er für sachdienlich erachtet. Auch wenn die dem Sachverständigen vorzulegenden Fragen nicht ausformuliert werden müssen, so sind die für erläuterungsbedürftig erachteten Punkte doch hinreichend konkret zu bezeichnen. Dies kann dadurch geschehen, dass auf vermeintliche Lücken oder Widersprüche in dem Gutachten hingewiesen wird. Schließlich müssen die von dem Sachverständigen zu erläuternden Punkte auch objektiv sachdienlich sein (vgl. BSG: Beschluss vom 18.11.2008 – B 2 U 75/07 B -; Beschluss vom 24.04.2008 – B 9 SB 58/07 B -). Diesen Obliegenheiten ist der Kläger nicht nachgekommen. Weder aus der Formulierung seines Hilfsantrages noch aus seinem sonstigen Vorbringen erschließt sich das Beweisziel mit hinreichender Deutlichkeit. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es aus Rechtsgründen allein darauf ankommt, ob die hepatische Encephalopathie des Klägers einen solchen Ausprägungsgrad hat, dass sie mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung gleichgestellt werden kann. Der Nachweis, dass das Leberleiden des Klägers schwererer Natur ist, genügt hingegen nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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