L 9 U 1353/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 768/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1353/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Wege des Zugunstenverfahrens die Anerkennung einer (Lärm-) Schwerhörigkeit als Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-verordnung (BKV).

Der 1944 geborene Kläger war nach Tätigkeiten in der Landwirtschaft und in der Montage vom 20.07.1964 bis 20.01.1967 bei der Firma D. GmbH in R. als Druckerhelfer, vom 30.01.1967 bis 15.03.1968 als Schlosser und Elektroschweißer bei der Firma K. Maschinen Bau GmbH und vom 18.03.1968 bis zum 30.06.2002 wiederum bei der Firma D. als S., Drucker und Maschinenführer beschäftigt. In der Zeit vom 01.07.2003 bis 22.02.2006 war er arbeitslos. Seit dem 01.03.2006 bezieht er eine Altersrente der Deutschen Rentenversicherung.

Die Beklagte hatte die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK und die Gewährung einer Entschädigung wegen einer Lärmschwerhörigkeit nach einer ärztlichen Anzeige über eine BK von Dr. N., L., vom 28.02.2002 (Diagnose: Hörminderung, Tinnitus links, die Beschwerden seien erstmals 1994 aufgetreten) bereits mit Bescheid vom 08.05.2003 und Widerspruchsbescheid vom 06.08.2003 abgelehnt. Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (S 6 U 4589/03) hatte der Kläger die Klage zurückgenommen, nachdem das SG Beweis erhoben hatte durch die Anhörung von Dr. B., S., als gerichtlichen Sachverständigen.

Die Berufsgenossenschaft (BG) Druck und Papierverarbeitung, an die die ärztliche Anzeige über eine BK damals gerichtet gewesen war, zog ein Vorerkrankungsverzeichnis bei der AOK L. und weitere Unterlagen beim Hals-, Nasen- und Ohrenarzt Dr. N. bei. Darüber hinaus liegen in den Akten eine ausführliche Arbeitsplatzbeschreibung der Firma D. Produktion vom 15.05.2002 sowie die Ergebnisse arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen im Zeitraum vom 03.11.1979 bis 12.02.2002 vor. Im von der Beklagten veranlassten schallmesstechnischen Gutachten vom 02.10.2002 hatte der technische Aufsichtsbeamte Hamann festgestellt, dass der Kläger seit 1995 bis zur Erstellung des Gutachtens als Produktionshelfer im neuen Betriebsteil der Firma in der G.straße in R. tätig gewesen sei. Hier habe er wechselweise an den näher beschriebenen Maschinen gearbeitet, wobei persönlicher Gehörschutz regelmäßig getragen worden sei. Der personenbezogene Beurteilungspegel an diesen Maschinen habe zwischen 76 und 82 dB(A) gelegen. Vom 20.07.1964 bis 20.01.1967, vom 18.03.1968 bis 1970, von 1970 bis 1974 und von 1975 bis 1994 habe der Kläger im alten Betriebsteil der Firma in der D. Straße in R. gearbeitet. Schallmessungen zur Ermittlung des Beurteilungspegels hätten in diesem Bereich nicht mehr durchgeführt werden können, weil dieser Bereich nicht mehr existiere. Persönlicher Gehörschutz sei erst seit 1985 getragen worden. Der Kläger habe in dieser Zeit als Druckerhelfer, als S., als Drucker und als Maschinenführer gearbeitet. Nach den Erfahrungen des messtechnischen Dienstes der BG Druck und Papierverarbeitung könne davon ausgegangen werden, dass der Beurteilungspegel im Bereich des ehemaligen Arbeitsplatzes des Klägers unterhalb von 85 dB(A) gelegen habe (zwischen 81 und 84 dB).

Für die ausgeführten Schlosser- und Schweißerarbeiten des Klägers vom 30.01.1967 bis zum 15.03.1968 haben die bei der Süddeutschen Metallberufsgenossenschaft (SMBG) veranlassten Ermittlungen einen Beurteilungspegel von 88 dB (A) ergeben. Die SMBG, die Rechtsvorgängerin der Beklagten, hatte daraufhin das Verfahren im November 2002 übernommen.

Der staatliche Gewerbearzt Dr. B., dem die Akten zur Beurteilung vorgelegt worden waren, teilte in seiner gewerbeärztlichen Feststellung von 16.04.2003 mit, dass eine BK gemäß Nr. 2301 der BKV nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werde, weil die haftungsbegründende Kausalität nicht habe wahrscheinlich gemacht werden können.

In ihrem Bescheid vom 08.05.2003 führte die SMBG zur Begründung aus, die Ermittlungen hätten ergeben, dass der Kläger während seines gesamten Erwerbslebens lediglich kurzfristig während der Tätigkeit als Schlosser und Schweißer bei der Firma K. Maschinen Bau GmbH einer geringen, nur potentiell gehörschädigenden Lärmeinwirkung ausgesetzt gewesen sei. In den übrigen Zeiträumen und insbesondere während der Beschäftigung bei der heutigen Firma D. Produktion GmbH sei er keinen Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen, die nach dem derzeitigen Stand der arbeitsmedizinischen Wissenschaft geeignet hätten sein können, eine beruflich bedingte Lärmschwerhörigkeit zu verursachen oder zu verschlimmern. Eine knapp über einjährige Einwirkung von ohnehin nur potentiell gehörschädigendem Lärm sei nicht geeignet, eine Lärmschwerhörigkeit zu verursachen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die SMBG mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2003 zurück.

Im Gutachten vom 03.12.2003, welches das Sozialgericht Stuttgart im anschließenden Klageverfahren erhoben hatte, führte Dr. B. aus, dass dem Kläger eine Hörminderung erstmals vor ca. 30 Jahren aufgefallen sei. Die arbeitsmedizinischen Untersuchungen von 1979 bis 2002 belegten für das rechte Ohr ausnahmslos einen prozentualen Hörverlust von 0 %. Das Ausmaß der Hörminderung des linken Ohres, welches über das der rechten Seite hinausgehe, könne keinesfalls lärmbedingt sein, weil eine Lärmschwerhörigkeit sich typischerweise symmetrisch seitengleich entwickle, es sei denn, eine typische einseitige Lärmbelastung nur eines Ohres hätte vorgelegen. Dies sei hier aber nicht der Fall. Die zusätzliche Hörminderung des linken Ohres sei schon seit frühester Zeit bekannt und aktenkundig. Der arbeitsplatzspezifische Lärm von 81 bis 84 dB sei nicht geeignet, eine Lärmschwerhörigkeit im Sinne der BKV hervorzurufen. Die von ihm erhobenen Befunde seien nicht typisch für eine reine Lärmschwerhörigkeit. Für eine solche sprächen der beidseitige Innenohrhochtonabfall im Tonschwellenaudiogramm, der positive SISI-Test, der fehlende Nachweis einer otoakustischen Emission sowie die Distorsionsprodukte in den hohen Frequenzen als Ausdruck geschädigter Haarzellen im Hochtonbereich. Gegen die Lärmschwerhörigkeit sprächen die Schallleitungskomponente im Tonschwellenaudiogramm, der erhebliche Hörverlust in den tiefen und mittleren Frequenzen beidseits, links mehr als rechts, das schlechte Zahlwortverständnis im Sprachaudiogramm sowie die fehlende bzw. nicht nachgewiesene Ursache am Arbeitsplatz. Eine Geräuschentwicklung von maximal 84 dB sei nicht geeignet, eine Lärmschwerhörigkeit hervorzurufen. Die berufliche Tätigkeit für den Zeitraum von etwas mehr als einem Jahr 1967/68 sei nicht geeignet gewesen, die festgestellte Hörminderung auszulösen. Allein die Tatsache, dass eine Hörminderung sich während der Arbeit unter einer gewissen Geräuschbeeinflussung entwickelt habe, reiche nicht aus, eine BK annehmen zu können. Auch das seit 1994 bekannte Ohrgeräusch links sei nicht auf irgendwelche Lärmeinflüsse der Hörorgane zurückzuführen. Es müsse vielmehr im Rahmen von Durchblutungsstörungen betrachtet werden, die auf einen wechselhaften Blutdruck zurückzuführen seien. Bei seinen Untersuchungen ergebe sich ein prozentualer Hörverlust für das linke Ohr von 40 %; unter Berücksichtigung eines prozentualen Hörverlustes von 0 % für das rechte Ohr ergebe sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 15 v.H.

Nachdem die Bevollmächtigten des Klägers unter dem 12.01.2004 die Rücknahme der Klage erklärten, beantragte der Kläger am 10.03.2006 erneut, eine BK anzuerkennen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12.09.2006 die Überprüfung des Bescheides vom 08.05.2003 mit einer erneuten Entscheidung in der Sache ab. Aus dem Vorbringen des Klägers bzw. seines Bevollmächtigten und auch aus sonstigen Gründen seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die angegriffene Entscheidung falsch sein könnte. Den nicht weiter begründeten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.01.2007 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 31.01.2007 Klage erhoben. Er verwies auf die betriebsärztlichen Untersuchungen, in welchen angegeben sei, dass er impulsartigen Lärmpegeln von 85 bis 89 dB(A) bzw. von mehr als 90 dB(A) ausgesetzt gewesen sei. Darüber hinaus habe seine durchschnittliche Arbeitszeit 1967 bis März 1968 pro Schicht 12 Stunden betragen. Dieser Umstand sei in den schallmesstechnischen Gutachten nicht berücksichtigt worden. Messtechnisch hätten in dem Gutachten für den Zeitraum von 1970 bis 1994 überhaupt keine Beurteilungspegel ermittelt werden können, weil der Arbeitsbereich nicht mehr existiere. Es sei nicht nachvollziehbar, anhand welcher Kriterien die Beklagte dann die jeweilige Lärmexposition der nicht mehr existenten Arbeitsbereiche ermittelt habe. Schließlich könne dem Gutachten von Dr. B. nicht gefolgt werden, weil es offenlasse, ob die Umstände, welche nach der Auffassung des Sachverständigen für eine Lärmschwerhörigkeit sprächen, im Sinne einer wesentlichen richtungsgebenden Verschlechterung zu berücksichtigen seien.

Die Beklagte hat hierauf erwidert und darauf hingewiesen, es stelle keinen Widerspruch dar, wenn der Betriebsarzt einen impulshaltigen Lärm über 85 dB(A) annehme, weil maßgeblich für die Beurteilung der beruflichen Lärmexposition der auf 8 Stunden bezogene energieäquivalente Dauerschallpegel sei und nicht einzelne Höchstwerte. Es könne dahin gestellt bleiben, ob der Kläger bei seiner Tätigkeit in der Firma K. nun 8 oder 12 Stunden täglich gearbeitet habe, weil die Zeit von einem Jahr und zwei Monaten nach dem derzeitigen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft zu kurz sei, um die beim Kläger bestehende Schwerhörigkeit zu verursachen. Dagegen spreche auch nicht, dass die Lärmbelastung auch in dieser Zeit impulsartig gewesen sein soll, weil der auf 8 Stunden bezogene energieäquivalente Dauerschallpegel heranzuziehen sei.

Auf Anfrage des SG hat die BG Druck und Papierverarbeitung eine Stellungnahme des Leiters der Abteilung Messwesen Dr. C vorgelegt, welcher unter dem 29.07.2008 ausgeführt hat, dass zur Ermittlung des personenbezogenen Beurteilungspegels des Erkrankten mehrere Schallmessprotokolle vergleichbarer Maschinen aus dem Altdatenbestand als Grundlage für die Beurteilung herangezogen worden seien. Der Beurteilungspegel 1995 bis 04.09.2002 sei nach der entsprechenden DIN-Norm ermittelt worden. Entsprechende Schallmessprotokolle wurden vorgelegt.

Auf Antrag des Klägers hat das SG den Zeugen E. schriftlich angehört. Wegen des Inhalts der Aussage wird auf Bl. 58 der Gerichtsakten verwiesen.

Mit Gerichtsbescheid vom 16.02.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die schädigende Einwirkung und die Krankheit sowie die Umstände, die sie zu einer BK machen, nachgewiesen sein müssten. Insoweit müsse ein solcher Grad von Gewissheit bestehen, dass kein vernünftiger, die Lebensverhältnisse klar überschauender Mensch noch Zweifel habe. Es fehle aber bereits an einer geeigneten beruflichen Lärmbelastung für eine Anerkennung einer BK nach Nr. 2301 der Anlage (jetzt Anlage 1) zur BKV. Es berief sich auf das schallmesstechnische Gutachten des Präventionsdienstes der BG Druck und Papierverarbeitung und führte aus, dass eine ausreichende Lärmbelastung nicht nachgewiesen sei. Im Überprüfungsverfahren seien keine neuen Tatsachen vorgebracht worden, welche vermuten ließen, dass bei Erlass des Bescheides vom 08.05.2003 das Recht unrichtig angewandt oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. Im Übrigen lägen nach dem überzeugenden und schlüssigen Gutachten von Dr. B. die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nicht vor.

Gegen den ihm am 19.02.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 19.03.2010 Berufung eingelegt.

Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vortrages hält der Kläger daran fest, dass seine Schwerhörigkeit als BK anzuerkennen sei. Er wendet ein, das SG habe die in den Jahren 1988 bis einschließlich 1995 durchgeführten und dokumentierten arbeitsmedizinischen Untersuchungen unberücksichtigt gelassen. Die von der Beklagten rekonstruierten schallmesstechnischen Werte stünden in einem eindeutigen Widerspruch zu den Feststellungen der Betriebsärzte in den Jahren 1988 bis 1995. Darüber hinaus sei darauf hinzuweisen, dass die schallmesstechnischen Daten auf vermeintlich vergleichbaren Maschinen basierten und somit das schallmesstechnische Gutachten letztlich auf einer bloßen Schätzung der Lärmemission beruhe. Schließlich habe Dr. B. das Vorliegen einer berufsbedingten Lärmschwerhörigkeit mit der fehlenden bzw. nicht nachgewiesenen Ursache am Arbeitsplatz verneint. Diesbezüglich sei er zu Unrecht lediglich von einer Geräuschentwicklung von maximal 84 dB ausgegangen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Februar 2010 sowie den Bescheid vom 08. Mai 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06. August 2003 und den Bescheid vom 12. September 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2007 aufzuheben und festzustellen, dass die bei ihm bestehende Schwerhörigkeit eine Berufskrankheit im Sinne einer Lärmschwerhörigkeit nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält daran fest, dass sowohl die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Entwicklung einer BK als auch die medizinischen Voraussetzungen einer BK nicht vorlägen.

Unter Vorlage einer Skizze macht der Kläger ergänzend geltend, aufgrund der einzunehmenden Arbeitshaltung vor dem Schneidezylinder in der Zeit vom 18.03.1968 an sei (für etwa zwei Jahre) eine einseitige Lärmbelastung nur des linken Ohrs zwangsläufig gegeben gewesen. Es habe sich bei der Maschine um eine Druck- und Zusammentragmaschine mit der internen Bezeichnung DZ 260 gehandelt. Der Schneidezylinder, welcher sich unmittelbar neben ihm befunden habe, habe bis zu 2800-mal pro Minute auf den darunter befindlichen Ambos geschlagen und dadurch Papier geschnitten.

Mit den Beteiligten hat der Berichterstatter den Sach- und Streitstand am 19.11.2010 erörtert. Wegen des Inhalts wird auf die Niederschrift vom selbigen Tag verwiesen.

Der Bevollmächtigte des Klägers legt im Termin der mündlichen Verhandlung ein "Vorabteilgutachten" des HNO-Facharztes Dr. G., S., vor, welches der Kläger im Dezember 2010 in Auftrag gegeben hatte. Ein ausführliches Sachverständigengutachten unter Berücksichtigung der Untersuchungen vom 15.12. und 22.12.2010 könne erst zum 22.08.2011 fertiggestellt werden. Zusammenfassend kommt er - vorab - zu dem Ergebnis, dass die vorgelegten Unterlagen, die Angaben des Patienten über seine ungeschützte Arbeit im Lärm an diversen Druckmaschinen über Jahrzehnte, die kontrovers zu den Hörbefunden im Vorgutachten erhobenen Hörtestbefunde sowie die zu den Hörtesten passenden sprachaudiometrischen Befunde nicht gegen, sondern "doch eher" für das Vorliegen einer beruflich entstandenen Lärmschwerhörigkeit sprächen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143. 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung bzw. Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV.

Über die Frage, ob beim Kläger eine BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV vorliegt, wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 08.05.2003 und Widerspruchsbescheid vom 06.08.2003 entschieden und die Anerkennung dieser BK abgelehnt. Dieser Bescheid ist, da die hiergegen zum SG Stuttgart erhobene Klage zurückgenommen wurde, gemäß § 77 SGG bindend geworden.

Für die vom Kläger begehrte Aufhebung der jetzigen Entscheidung und der oben genannten, bestandskräftig gewordenen Entscheidung der Beklagten verbunden mit der gerichtlichen Feststellung einer BK 2301 der Anlage 1 der BKV ist die vom Kläger erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage die richtige Klageart (vgl. BSG 05.09.2006, B 2 U 24/05 R in Juris). Rechtsgrundlage für die Rücknahme des bindend gewordenen Bescheides ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Der Senat kann es dahin gestellt sein lassen, ob sich die Prüfung des Anspruches nach § 44 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X zu richten hat. Zweifel bestehen deshalb, weil im bestandskräftigen Bescheid vom 08.05.2003 nicht über Sozialleistungen entschieden wurde, eine Beurteilung nach Absatz 2 aber im Gegensatz zur Regelung in Absatz 1 keine gebundene Entscheidung mit Wirkung für die Vergangenheit vorschreibt, sondern der Beklagten insoweit Ermessen eröffnet. Die Anwendung des Absatzes 2 erscheint vor dem Hintergrund, dass mit der Anerkennung einer BK grundsätzlich die Gewährung von Sozialleistungen verbunden ist, zumindest zweifelhaft (vgl. hierzu schon LSG Baden-Württemberg v. 09.12.2010, L 10 U 6025/09). Unabhängig von der Frage, ob Sozialleistungen zu Unrecht nicht gewährt wurden, haben aber beide Absätze der Vorschrift zur Voraussetzung, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.

Diese Voraussetzungen liegen indes schon nicht vor, weil die Voraussetzungen für die Anerkennung bzw. Feststellung einer BK nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht gegeben sind und der Kläger deshalb keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheids vom 08.05.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2003 hat.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, Erkrankungen in der Rechtsverordnung als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB VII). Hierzu zählt nach Nr. 2301 der Anlage 1 zur BKV die Lärmschwerhörigkeit. Als Lärm ist jeder Schall zu verstehen, der das Gehör schädigen kann. Im den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand wiedergebenden Merkblatt zur BK Nr. 2301 vom 1. Juli 2008 (GMBL. 2008, S. 798ff., s.a. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, M 2301, S. 1ff.), heißt es hierzu: "Bei einem Tages-Lärmexpositionspegel von mehr als 90 dB (A) und langdauernder Einwirkung besteht für einen beträchtlichen Teil der Betroffenen die Gefahr einer Gehörschädigung. Gehörschäden werden auch bereits durch langjährigen Lärm verursacht, dessen Tages-Lärmexpositionspegel den Wert von 85 dB (A) erreicht oder überschreitet". Eine Lärmschwerhörigkeit entwickelt sich daher nur bei ausreichend hoher und ausreichend langer Lärmbelastung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine ein- bis zweijährige Lärmarbeit im Allgemeinen keine - nicht rückbildungsfähige - Innenohrschwerhörigkeit verursacht (SchönB./Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. S. 328). Hat eine Lärmexposition durchweg unter 85 dB(A) gelegen, ist eine Lärmschwerhörigkeit ausgeschlossen (SchönB./Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 329), es sei denn, der Geräuschpegel enthält stark hochfrequente Frequenzanteile, welche für das Ohr besonders schädigend sind.

Für die Feststellung einer BK müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (hinsichtlich Art, Ausmaß und Intensität) und die als Folge der beruflichen Einwirkung geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 02.04.2009, B 2 U 9/08 R in SozR 4-2700 § 9 Nr. 14 und vom 27.06.2006, B 2 U 20/04 R in SozR 4-2700 § 9 Nr 7, bde. in Juris). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit; das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02. 11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).

Ausgehend hiervon stellt der Senat zunächst fest, dass beim Kläger eine beidseitige, aber linksbetonte kombinierte Schwerhörigkeit besteht, wie der vom SG im Dezember 2003 gehörte Sachverständige Dr. B. festgestellt hat. Dabei lässt sich für das rechte Ohr unter Berücksichtigung der vorliegenden Tonschwellenaudiogramme im Rahmen arbeitsmedizinischer Untersuchungen von 1979 - 2002 und der 3-Frequenz-Tabelle nach Röser festhalten, dass dort der prozentuale Hörverlust ausnahmslos 0 % beträgt und sich auch bei der gutachterlichen Untersuchung ein solcher für das rechte Ohr ergab. Schlüssig und nachvollziehbar führt der Sachverständige aus, dass das Ausmaß der Hörminderung auf dem linken Ohr, welches er mit einem prozentualen Hörverlust von 40 % angegeben hat, keinesfalls lärmbedingt sein kann, weil sich eine Lärmschwerhörigkeit typischerweise immer symmetrisch entwickelt. Dies gilt nur dann nicht, wie der Sachverständige zutreffend ausführt, wenn eine typische einseitige Lärmbelastung nur eines Ohres nachgewiesen ist (siehe auch SchönB./Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 335). Dieser Nachweis liegt hier nicht vor, wie noch auszuführen sein wird. Darüber hinaus sind die vorliegenden Befunde nicht typisch für eine reine Lärmschwerhörigkeit. Zwar ist eine sog. Haarzellschädigung (vgl. SchönB./Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 336) durch den positiven SISI-Test, den fehlenden Nachweis von otoakustischen Emissionen und der Distorsionspunkte in den hohen Frequenzen erbracht und auch die Hochtonsenke kann ein Hinweis auf eine lärmbedingte Schädigung der Haarzellen sein. Demgegenüber ist aber neben der auffallenden Seitendifferenz zu berücksichtigen, dass sich im Tonaudiogramm eine Schallleitungskomponente (eine Schalleitungsschwerhörigkeit kann nicht lärmbedingt sein [SchönB./Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 333]) zeigt und erhebliche Hörverluste in den tiefen und mittleren Frequenzen, links mehr als rechts, bestehen. Hinzu kommt das schlechte Zahlwortverständnis im Sprachaudiogramm, welches - so der Sachverständige - ebenfalls gegen eine lärminduzierte Schwerhörigkeit spricht.

Eine andere Beurteilung ergibt sich aus dem vom Kläger in Auftrag gegebenen und nur als "Teilgutachten" vorgelegten Gutachten des Dr. G. nicht. Es lässt in der vorgelegten zusammenfassenden Beurteilung eine Auseinandersetzung mit den wesentlichen, hier zur Beurteilung einer beruflich bedingten Schwerhörigkeit notwendigen Umständen und Tatsachen vermissen, weshalb der Senat schon mangels einer schlüssigen Kausalitätsbewertung keine Veranlassung sieht, die Ausführungen von Dr. B. zum Vorliegen einer/eines lärminduzierten Schwerhörigkeit/Tinnitus in Zweifel zu ziehen und weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht für erforderlich erachtet. Wenn das Gutachten abweichend von den Ergebnissen der von Dr. B. durchgeführten Untersuchung nunmehr von einer nahezu symmetrischen reinen Schallempfindungsschwerhörigkeit auf beiden Seiten ausgeht und wenn auch eine "nennenswerte" Schallleitungskomponente nicht mehr feststellbar gewesen sein sollte, hätte eine Auseinandersetzung mit den ebenfalls in den Akten vorliegenden Tonaudiogrammen im Zeitraum von 1979 bis 2002 erfolgen müssen, die auch nach der Auswertung von Dr. G. eine "Schallempfindungschwerhörigkeit im Hochtonbereich links)rechts" belegen. Ein wesentliches Argument des Gutachtens Dr. B. ist die Seitendifferenz der seit 1979 dokumentierten Hörstörung und für die für das rechte Ohr bis zur Aufgabe der Tätigkeit im Lärmbereich lediglich ein Hörverlust von 0 % belegt ist. Eine Auseinandersetzung hiermit und der Vereinbarkeit mit den im Dezember 2010 erhobenen Befunden sowie mit den ausgeführten Tätigkeiten des Klägers und deren Verursachungsanteil lässt das "Teilgutachten" nicht erkennen. Dies ist umso mehr von Relevanz, als der Kläger (entgegen der Annahme von Dr. G.) nicht nur - ausgehend von dessen Untersuchung - "mehr als 3 Jahre" keine Lärmarbeit mehr verrichtet hat, sondern schon seit Juli 2003 nicht mehr lärmgefährdend tätig ist. Die auch nach dem Gutachten Dr. G. zu verzeichnende Zunahme der Hörminderung rechts, insbesondere nach Beendigung der Lärmarbeit, hätte daher zumindest erläutert werden müssen. Letztlich ist denn auch Dr. B. vom Vorliegen einer Haarzellschädigung ausgegangen. Er hat das Fehlen otoakustischer Emissionen auch nicht als Indiz gewertet, welches gegen eine Lärmschwerhörigkeit spricht, sondern - im Gegenteil - gerade für eine solche (vgl. Bl. 10 des Gutachtens unten). Eine Abweichung des Gutachtens von Dr. B. von den Empfehlungen im Königsteiner Merkblattes ist damit nicht erkennbar. Widersprüchlich werden die Ausführungen von Dr. G. auch dann, wenn er unter 6) des "Teilgutachtens" ausführt, auf der linken Seite (und entgegen der nun von ihm festgestellten nahezu symmetrischen Schallleitungsschwerhörigkeit!) fänden sich 2 Punkte, die für Residuen einer oder gar für Hinweise auf eine lärminduzierte Schwerhörigkeit sprächen. Denn zuvor macht er darauf aufmerksam, dass die "deutlich den Tief- und Mitteltonbereich erreichende, aber immer noch hochtonbetonte Schallempfindungsschwerhörigkeit" nach einer so langen Lauf- und Lebenszeit den typischen Hörkurvenverlauf einer hochtonbetonten Schwerhörigkeit vermissen lasse und man gar auch an eine sog. schicksalhaft verlaufende, also auch ohne Lärmexposition im Laufe des Lebens möglicherweise eintretende Innenohrschwerhörigkeit denken könne. Die dann für eine lärmbedingte Schwerhörigkeit angeführten Umstände sind eine 100 dB-Senke bei 4 kHz und ein Hochtontinnitus bei 6 kHz, wobei letzterer (im Übrigen ohne Seitenangabe, nachdem bislang nur über einen linksseitigen Tinnitus geklagt wurde) nach den Königsteiner Empfehlungen nur "denkbar" sei. Eine Abweichung gegenüber der von Dr. B. vorgenommenen Beurteilung, der ebenfalls einen Innenohrhochtonabfall als Indiz für eine lärminduzierte Schwerhörigkeit gewertet hat, ist damit wiederum nicht ersichtlich und schon gar nicht, welche Umstände nun den Ausschlag für die Wertung einer mit hinreichender Wahrscheinlichkeit beruflich bedingten Erkrankung begründen könnten. Letztlich kann die unschlüssige Wertung auch deshalb dahinstehen, weil der Sachverständige ganz offensichtlich auch von nicht nachgewiesenen beruflich bedingten Lärmeinwirkungen ausgeht, wenn er sich diesbezüglich auf die Angaben des Klägers stützt.

Denn hierzu stellt der Senat auf der Grundlage der Berichte des Präventionsdienstes der BG Druck und Papierverarbeitung vom 02.10.2002 und 29.07.2008 sowie der SMBG vom 08.11.2002 fest, dass auch weiterhin nicht nachgewiesen ist, dass der Kläger einer ausreichend hohen und/oder langen Lärmbelastung ausgesetzt gewesen ist. Aufgrund des schallmesstechnischen Gutachtens für die Zeit ab 1995, wo der Kläger im neuen Betriebsteil der Firma D. Produktion GmbH an der Planschneidemaschine, der Stauchfalzmaschine, einem Collator und einer Etikettendruck- und Stanzmaschine eingesetzt gewesen war, steht fest, dass der Kläger nicht lärmgefährdend tätig gewesen ist, da der persönliche Beurteilungspegel nach den durchgeführten Lärmmessungen an den entsprechenden Maschinen nur zwischen 76 dB(A) und 82 dB(A) gelegen hat und damit nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen schon keine Gefährdung durch Lärm vorgelegen hat (was insoweit auch nicht von Dr. G. bestritten wird). Der Beurteilungspegel wurde nach der Auskunft des Leiters des Referates Messwesen der BG Druck und Papierverarbeitung Dr. C nach DIN 45645-2 ermittelt. Er stellt den wesentlichen Kennwert für die durchschnittliche Geräuschimmission an einem Arbeitsplatz dar und ist ein Maß für die durchschnittliche Geräuschimmission an einem typischen Arbeitstag bzw. einer typischen Arbeitswoche, wobei jeweils die gesamte Geräuschimmission auf die festgelegte Bezugszeit von 8 Stunden (Arbeitstag) bzw. 40 Stunden (Arbeitswoche) bezogen wird. Er wird als A-bewerteter personenbezogener Beurteilungspegel bestimmt und ggfs. mit Zuschlägen für Impulshaltigkeit bzw. Tonhaltigkeit versehen. Der impulshaltige Lärm, welcher während der Tätigkeit von der Stauchfalzmaschine ausging, ist bei der durchgeführten Messung berücksichtigt worden und hat Eingang in die Bewertung gefunden. Dennoch lag der persönliche Beurteilungspegel deutlich unter einer möglichen Schädigungsgrenze. Anlass für Zweifel an der Aussagekraft der durchgeführten Messungen bestehen daher nicht, zumal sich aus den ausgeführten Tätigkeiten eine einseitige Lärmbelastung nicht ableiten lässt.

Eine ausreichend hohe bzw. ausreichend lange Lärmeinwirkung ergibt sich auch nicht für den vor 1995 liegenden Zeitraum. Einer potentiell schädigenden Lärmeinwirkung war der Kläger nach den Feststellungen der Beklagten, denen der Senat folgt, nur in der Zeit von Februar 1967 bis März 1968, während seiner Tätigkeit als Schlosser und Schweißer, ausgesetzt. Diese Zeit reicht aber nicht aus, um eine Verursachung der festgestellten Schwerhörigkeit des Klägers mit Wahrscheinlichkeit annehmen zu können, zumal eine Lärmbelastung von deutlich weniger als 90 dB(A) festgestellt ist, die Tätigkeit keinen Anhaltspunkt für eine dauerhaft einseitige Lärmbeeinträchtigung bietet und diese nur etwas mehr als 13 Monate ausgeübt wurde. Für die Tätigkeiten bei der Firma D. in deren "alten" Betriebsteil von Juli 1964 bis Januar 1967 und von März 1968 bis 1995 gilt nichts anderes. Denn für diese Zeit fehlt es am Nachweis einer konkret gefährdenden Tätigkeit. Dieser Betriebsteil existiert nicht mehr, Lärmmessungen in der konkreten Arbeitssituation und an den dort verwendeten Maschinen waren nicht mehr möglich. Die deshalb erforderliche Schätzung erfolgte, wie Dr. C gegenüber dem Sozialgericht erläuterte, unter Berücksichtigung von Schallmessprotokollen vergleichbarer Maschinen. Weitere Erkenntnismöglichkeiten sieht auch der Senat nicht. Der Hinweis des Klägers auf eine einseitige Lärmbelastung durch seine Tätigkeit 1968 an einer Druck- und Zusammentragmaschine führt auch dann nicht weiter, wenn man die von ihm behauptete einseitige Lärmbelastung als richtig unterstellen wollte. Denn auch für diese Tätigkeit liegt ein Nachweis für eine auch nur mögliche schädigende Lärmeinwirkung nicht vor. Das bloße Bestreiten der Richtigkeit der von der Beklagten durchgeführten Messung und der Bewertung der Präventionsdienste ist nicht geeignet, den erforderlichen Vollbeweis einer höheren Lärmbelastung, insbesondere von 85 dB(A) und mehr, zu erbringen.

Soweit der Kläger auf die Vermerke in den Untersuchungsbögen der betriebsärztlichen Untersuchungen und auf die dort teilweise angegebenen Beurteilungspegel von mehr als 90 dB(A) verweist, vermag dies eine andere Beurteilung ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Denn aus den gemachten Angaben wird schon nicht ersichtlich, aufgrund welcher Erkenntnisse der oder die jeweilige Betriebsärzt(in) von einem solchen Beurteilungspegel ausgegangen ist und ob es sich dabei um Spitzenwerte oder um den auf acht Stunden bezogenen persönlichen Beurteilungspegel im Zusammenhang mit der zu dieser Zeit konkret ausgeübten Tätigkeit handelte. Lärmmessungen werden von Betriebsärzten nicht durchgeführt. Der Nachweis einer konkreten Lärmgefährdung ist damit ebenfalls nicht geführt. Eine Verifizierung dieser Angaben kann durch konkrete Messungen nicht mehr erfolgen, weshalb die Beklagte zu Recht für die Beurteilung auf Vergleichswerte ähnlicher Maschinen zurückgegriffen hat. Zudem liegen betriebsärztliche Untersuchungen für die Zeit vor 1979 nicht vor und damit auch keine Angaben zu den Beurteilungspegeln in dieser Zeit. Der Kläger hat aber nur für die Zeit von 1968 bis 1970 auf eine einseitige Lärmeinwirkung verwiesen, für deren Ausmaß er sich aber nicht einmal auf entsprechende betriebsärztliche Äußerungen stützen kann. Nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der BG Druck und Papierverarbeitung handelte es sich in der Zeit vom 18.03.1968 bis 1970 um eine Tätigkeit an einer Druck- und Zusammentragmaschine (Hersteller Hamilton, Typ unbekannt). Zu den Aufgaben des Klägers gehörte zu 70% der Arbeitszeit die Kontrolle am Schnittzylinder. Tätigkeiten dieser Art sind nach den Erkenntnissen des Präventionsdiensts mit einem Beurteilungspegel von 81 bis 84 dB(A) zu bewerten.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass selbst wenn man für weitere Zeiträume der Beschäftigung von einer Gefährdung - entgegen der hier vertretenen Annahme - ausgehen wollte, dies einen zur Zeit der Begutachtung festgestellten Hörverlust von rechts 0 % und links 40 %, wie der gehörte Sachverständige festgestellt hat, nicht erklären kann.

Fehlt es jedoch bereits am Nachweis für eine beruflich bedingte schädigende Einwirkung kann eine BK 2301 der Anlage 1 zur BKV nicht anerkannt werden. Im Vergleich zur bestandskräftigen Ablehnung dieser Anerkennung durch die Beklagte im Jahr 2003 liegt damit weder ein Nachweis dafür vor, dass die Beklagte ihrer Entscheidung einen falschen Sachverhalt zugrunde gelegt hat noch dass sie das Recht unrichtig angewandt hat. Damit hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen, weshalb auch die Berufung zurückzuweisen war.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
Saved