S 12 KA 708/10

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 708/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Laborrichtlinie eröffnet neben der Qualifikation über die Weiterbildung (Nr. 2) und dem Nachweis über Zeugnisse (Nr. 6) einen dritten Weg zur Erlangung einer Genehmigung über Nr. 8 Satz 2. Ein Arzt für innere Medizin mit der Teilgebietsbezeichnung Endokrinologie, der zugleich im stationären Bereich Leiter des Krankenhauslabors ist, kann grundsätzlich ohne Zeugnisse eine gleichwertige Qualifikation nachweisen, die zur Zulassung zu einem Kolloquium berechtigt.
1. Unter Abänderung des Bescheids vom 27.04.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 wird die Beklagte verurteilt, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Der Kläger hat ¾ der Gerichtskosten zu tragen, die Beklagte hat ¼ der Gerichtskosten und der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch um die Zulassung zu einem Kolloquium bzgl. der Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Leistungen nach den Ziffern 32353 bis 32358, 32360, 32367, 32369 und 32411 EBM.

Der Kläger ist Arzt für innere Medizin mit der Teilgebietsbezeichnung Endokrinologie. Er ist als angestellter Arzt in dem Medizinischen Versorgungszentrum am DD-Krankenhaus tätig. Zugleich ist er im stationären Bereich als Chefarzt der inneren Abteilung und Leiter des Krankenhauslabors angestellt.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 13.03.2010 die Genehmigung zur Abrechnung spezieller Laboratoriumsuntersuchungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27.04.2010 die Genehmigung zur Abrechnung der Laborleistungen nach den Nummern 32190, 32353 bis 32360, 32365 bis 32370, 32385, 32386, 32410 bis 32413, 32420 und 32421 aus Kapitel 32.3 EBM ab. Zur Begründung führte sie aus, nach Prüfung und Beratung des Antrags durch die zuständige Fachkommission sei festzustellen, dass für die beantragten Untersuchungen keine Qualifikationsnachweise entsprechend den Vorgaben der Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung für die Durchführung von Laboratoriumsuntersuchungen vorlägen. Die dem Antrag beigefügten Zeugnisse beinhalteten ausschließlich Ausführungen zu radioimmunologischen Verfahren. Zu den vom Kläger beantragten nicht radioaktiven Verfahren lägen jedoch keine Nachweise vor. Nach den Richtlinien bedürfe es der Teilnahme an einem Kolloquium. Die Teilnahme an einem Kolloquium setze jedoch voraus, dass Zeugnisse über den Erwerb eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten für die jeweils beantragten laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen vorlägen.

Hiergegen legte der Kläger am 12.05.2010 Widerspruch ein. Er trug vor, der EBM unterscheide im Kapitel 32.3 nicht zwischen verschiedenen Labormethoden. Bei den Hormonen laute die Kapitelüberschrift: "Quantitative Bestimmungen mittels Immunoassay" ohne Differenzierung, ob mit RIA, EIA, CLIA usw. In den großen Laboratorien würden heute immer noch RIA eingesetzt und ggf. umgestellt auf nicht radioaktive Methoden. Der Facharzt für Labormedizin dürfe also alle Methoden uneingeschränkt nutzen, die RIA seien also nicht den Nuklearmedizinern vorbehalten. In der Hessischen Weiterbildungsordnung von 2005 würden für den Facharzt für innere Medizin und Endokrinologie Laboruntersuchungen verlangt werden, ohne Hinweis auf bestimmte Methoden. Auch in den Richtlinien der Kassenärztlichen Bundesvereinigung erkenne er keine spezielle Differenzierung der angewandten Labormethoden. Sein Widerspruch beziehe sich nur auf die Ziffern 32353 bis 32358, 32360, 32367, 32369 und 32411. Für die übrigen Parameter ziehe er den Antrag zurück.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010 den Widerspruch als unbegründet zurück. Im Widerspruchsbescheid führte sie aus, der Kläger müsse als Facharzt für innere Medizin zum Nachweis seiner fachlichen Befähigung nach den Laborrichtlinien ein Kolloquium absolvieren. Für die Teilnahme an einem Kolloquium reichten die vorgelegten Zeugnisse nicht aus, da aus diesen hervorginge, dass er die beantragten Leistungen mittels Radioimmunoassays erbracht habe, die Laborgenehmigung jedoch für NON-RIA-Methoden gelte. Es müsse zwischen radioimmunologischen und nicht-radioaktiven Labormethoden bei der Genehmigungserteilung differenziert werden. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Labor-Richtlinien, wonach eingehende Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeit für die jeweils beantragte labormedizinische Untersuchung durch Zeugnisse nachgewiesen werden müssten, die Angaben über die angewandten labormedizinischen Methoden und Parameter enthielten. Hier unterschieden die Labor-Richtlinien nicht nur nach den zu untersuchenden Parametern, sondern zusätzlich auch nach der angewandten Methode (z. B. enzymimmunologisch). RIA- und NON-RIA-Verfahren stellten unterschiedliche Methoden dar. Eingehende Kenntnisse bzw. Erfahrungen müssten für die "beantragte Untersuchung" nachgewiesen werden. Diese setze sich aus dem zu untersuchenden Parameter und der angewandten Methode zusammen. Für RIA-Untersuchungen müsse eine Genehmigung nach der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und –therapie vorliegen. Inwieweit der EBM oder die Weiterbildungsordnung (k)eine Differenzierung zwischen unterschiedlichen Methoden vorsehe, sei für die Erteilung der Laborgenehmigung unerheblich, da sich die Genehmigungsvoraussetzungen ausschließlich nach den Labor-Richtlinien richteten.

Hiergegen hat der Kläger am 27.08.2010 zum Aktenzeichen S 12 KA 708/10 die Klage erhoben.

Am 13.12.2010 stellte der Kläger einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, den die Kammer mit Beschluss vom 22.12.2010 - S 12 KA 900/10 ER – zurückwies. LSG Hessen, Beschluss vom 25.02.2011 - L 4 KA 4/11 B ER – wies die Beschwerde des Klägers zurück.

Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, er habe von 1983 bis 1989 als Funktionsoberarzt das Hormonlabor der Abteilung für Endokrinologie des Zentrums für Innere Medizin des Klinikums der ZO. Universität ZX. geleitet. Dort habe er sechs Jahre lang regelmäßig zahlreiche Laboruntersuchungen und deren qualifizierte Befundung durchgeführt. Zudem habe er als klinischer Partner mit dem Leiter des dortigen Forschungslabors der Abteilung klinisch-wissenschaftliche Schwerpunkte zusammen gearbeitet. Er habe die beantragten Laborleistungen zunächst unter Anleitung und später eigenverantwortlich durchgeführt. Seit 1997 leite er die Organisationseinheit Labor am DD-Krankenhaus in A-Stadt. Dort führe er die beantragten Untersuchungen während des gesamten Zeitraums selbständig und eigenverantwortlich durch. Die beantragten Ziffern des EBM hätten die quantitative Bestimmung von Hormonen mittels Immunoassay zum Gegenstand. Der Begriff "Immunoassay" stehe für alle Varianten der auch als Bindungsanalyse oder Ligandenassay bezeichneten Untersuchungsverfahren. Weder die Labor-Richtlinien noch die Qualitätssicherungsvereinbarung differenzierten den Fachkundennachweis nach der angewandten Methode.

In der mündlichen Verhandlung am 20.07.2010 hat der Kläger seinen ursprünglichen Hauptantrag auf Genehmigung nicht mehr aufrechterhalten.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm bzgl. der Genehmigung zur Durchführung und Abrechnung der Leistungen nach Ziffern 32353 bis 32358, 32360, 32367, 32369 und 32411 zu einem Kolloquium zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie ist weiterhin der Auffassung, für die Erteilung einer Genehmigung fehle es an der erfolgreichen Teilnahme an einem Kolloquium und für die Teilnahme an dem Kolloquium fehle es an einem Nachweis der eingehenden Kenntnisse für die jeweils beantragten laboratoriumsmedizinischen Untersuchungen. Die vom Kläger in Bezug genommene Entscheidung des LSG Hessen vom 11.03.2009 – L 4 KA 47/07 – habe nicht über die Zulassung zu einem Kolloquium entschieden, sondern über eine durch sie dem dortigen Kläger im Jahre 1986 erteilte Genehmigung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- nebst Verwaltungsakte und beigezogenen Verfahrensakte mit Az.: S 12 KA 900/10 ER verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie sind insbesondere form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist auch z. T. begründet. Der angefochtene Bescheid vom 27.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 ist insoweit rechtswidrig, als die Beklagte noch nicht vollständig über einen Anspruch des Klägers auf Zulassung zum Kolloquium entschieden hat. Im Hinblick auf eine implizite Ablehnung war der Bescheid daher abzuändern. Der Kläger hat grundsätzlich einen Anspruch auf Zulassung zu einem Kolloquium, soweit er die Voraussetzungen hierfür nachweist. Entsprechende Ermittlungen hat die Beklagte nachzuholen. Der Klage war daher teilweise stattzugeben.

Der angefochtene Bescheid vom 27.04.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 ist teilweise rechtswidrig.

Die Anforderungen an die fachliche Befähigung zur Erbringung von Laboratoriumsleistungen in der vertragsärztlichen Versorgung ergeben sich aus dem Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien. In diesem Anhang haben die Partner des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) und des Arzt-/Ersatzkassenvertrages (EKV-Ä) gemäß § 135 Abs. 2 SGB V die Anforderungen festgelegt. Die Vereinbarung dient dem Ziel, die Qualität von Laboratoriumsuntersuchungen in der vertragsärztlichen Versorgung sicher zu stellen, nachdem für deren Ausführung und Abrechnung bestimmte Anforderungen an fachliche Befähigungen erfüllt sein müssen und hält sich demnach im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage. Hierbei handelt es sich um einen Vertrag mit normativer Wirkung, mit dem Rechte und Pflichten nicht am Vertragsschluss beteiligter Dritter - der Kassenärztlichen Vereinigungen - und der Vertragsärzte begründet bzw. verändert werden (vgl. auch BSG, Urt. v. 31.01.2001 - B 6 KA 24/00 R - SozR 3-2500 § 135 Nr. 16). Die Regelungen im Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien sind aus Gründen des Gemeinwohls von der Ermächtigungsgrundlage des § 135 Abs. 2 SGB V gedeckt und mit dem Grundgesetz vereinbar (vgl. zuletzt BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 15) (so LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 10.07.2002 - L 5 KA 2592/00 - zitiert nach juris, Rdnr. 22; s. ferner LSG Berlin, Urt. v. 15.11.1995 - L 7 Ka 25/95 - juris). Auch die Kammer hat keine Zweifel an der Gültigkeit der genannten Qualitätssicherungsvereinbarung (vgl. weiter BVerfG, 1. Senat 2. Kammer, Beschl. v. 16.07.2004 - 1 BvR 1127/01 - SozR 4-2500 § 135 Nr. 2 = ZMGR 2004, 195 = NVwZ 2004, 1347= MedR 2004, 608= GesR 2004, 530 = NZS 2005, 91; BVerfG, 2. Senat 2. Kammer, Beschl. v. 08.07.2010 – 2 BvR 520/07 – www.bundesverfassungsgericht.de = juris = SozR 4-2500 § 135 Nr. 16 = NZS 2011, 297).

Die Anforderungen an die fachliche Befähigung zur Erbringung von Laboratoriumsleistungen sind nach Nr. 1 Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien erst erfüllt, wenn der Arzt – soweit wie hier die Fachkunde nicht durch eine Weiterbildung nach Nr. 2 durch die Berechtigung zum Führen bestimmter Arztbezeichnungen nachgewiesen wird - erfolgreich an einem Kolloquium teilgenommen hat. Die Berechtigung ist bei der Kassenärztlichen Vereinigung zu beantragen (Nr. 4 Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien). Diese hat die Unterlagen vor Erteilung der Genehmigung zu überprüfen. Die Ausführung und Abrechnung von Leistungen nach Kapitel 32.3 EBM ist erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung zulässig (s. Nr. 2 Präambel zu Kap. 32.3 EBM 2009). Zutreffend geht die Beklagte daher davon aus, dass frühestens mit Vorlage der Unterlagen und dem Bestehen des Kolloquiums eine Genehmigung erteilt werden kann. Denn erst mit Bestehen des Kolloquiums liegen die Genehmigungsvoraussetzungen vor. Eine darüber hinausgehende Möglichkeit, die Genehmigung für die Vergangenheit zu erteilen, also für die Zeit vor Bestehen des Kolloquiums, sieht der Anhang zu Abschnitt E der Labor-Richtlinien nicht vor, was generell für Vereinbarungen zur Qualitätssicherung gilt, soweit die Genehmigung als Maßnahme der Qualitätssicherung als Abrechnungsvoraussetzung formuliert ist (vgl. Steinhilper in Schnapp/Wigge (Hrsg.), Handbuch des Vertragsarztrechts, 2002, § 16, Rdnr. 23). Insofern wird auch in § 11 Abs. 1 Satz 1 BMV Ä/§ 39 Abs. 1 Satz 1 EKV-Ä ausdrücklich bestimmt, dass Leistungen, die einer besonderen Fachkunde bedürfen, nur ausgeführt und abgerechnet werden können, wenn der Arzt die vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt.

Der fachliche Nachweis ist für jede Laborleistung vollumfänglich zu erbringen. Nach der Laborrichtlinie, Anhang, Abschnitt 6 sind für die Zulassung zum Kolloquium (Fachgespräch) Zeugnisse über den Erwerb eingehender Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten für die jeweils beantragte(n) laboratoriumsmedizinische(n) Untersuchung(en) vorzulegen. Damit wird eindeutig geregelt, dass der Qualifikationsnachweis für jedes einzelne Verfahren zu führen ist. Dies ist von der Kammer nicht zu beanstanden. Von daher kann die frühere Teilnahme an einem Kolloquium kein Nachweis für Leistungen sein, die nicht Gegenstand dieses früheren Kolloquiums waren (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 30.01.2008 - S 12 KA 817/06 – www.sozialgerichtsbarkeit.de = juris).

Die Beklagte hat die - nicht mehr strittige - Genehmigung bzw. die - weiterhin strittige - Zulassung zum Kolloquium abgelehnt, da sie zwischen RIA- und NON-RIA-Methoden unterscheidet und der Kläger Zeugnis nur für die Radioimmunassays vorgelegt habe. Der Kläger bestreitet dies nicht. Seine bisherige Auffassung, dass nach dem EBM selbst eine Unterscheidung zwischen diesen Methoden nicht zulässig sei, hat er letztlich in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten. Dieser Auffassung hätte die Kammer auch nicht folgen können. Nach Nr. 6 des Anhangs zu Abschnitt E der Richtlinien für die Durchführung von Laboratoriumsuntersuchungen kommt es nicht auf eine einzelne Abrechnungsziffer an, sondern auf die Unterschiedlichkeit der Methoden aufgrund laboratoriumsmedizinischer Erkenntnisse. Die Genehmigung ist insoweit für jede einzelne Methode zu erteilen. Auch nach der Rechtsprechung des LSG Hessen ist nach den Laborrichtlinien der Qualifikationsnachweis für jedes einzelne Untersuchungsverfahren zu führen. Das LSG hat im Einzelnen dargelegt, dass die Tatsache, dass der EBM nur nach den zu bestimmenden Stoffen, nicht aber nach den angewandten Untersuchungsmethoden unterscheidet, lediglich die Annahme zulässt, dass der Bewertungsausschuss eine unterschiedliche Bewertung der Stoffbestimmung nach der angewandten Methode nicht für erforderlich hielt. Hingegen ist in Kapitel 32.3 EBM keine Aussage über die für die Erbringung der Leistungen erforderlichen ärztlichen Qualifikationen getroffen. Vielmehr sind insoweit § 135 Abs. 2 SGB V und die auf Grundlage dieser Vorschrift ergangenen Laborrichtlinien maßgeblich, welche im Rahmen der Qualitätssicherung die für die Erteilung einer Abrechnungsbefugnis zu erfüllenden fachlichen Anforderungen festlegen (vgl. LSG Hessen, Beschluss vom 25.02.2011 L 4 KA 4/11 B ER – unter Hinweis auf LSG Hessen, Urteil vom 11.03.2009 – L 4 KA 26/08 – juris).

Als Immunassays wird zusammenfassend eine Reihe von Methoden in der Bioanalytik bezeichnet, deren gemeinsames Grundprinzip die Erkennung und damit der Nachweis eines Analyten in einer flüssigen Phase durch die Bindung eines Antigens an einen Antikörper ist. Je nach Konfiguration des Assays können sowohl Antigen als auch Antikörper der nachzuweisende Analyt sein. Bei der Durchführung von Immunassays wird die hohe Spezifität und Bindungsstärke der Bindung zwischen Antigenen und Antikörpern genutzt. Als einfacher Vorgänger spezialisierter Verfahren kann der Immundiffusionstest bezeichnet werden. Zum Nachweis und zur quantitativen Bestimmung ist in Immunassays der Einsatz markierter Reagenzien notwendig. Je nach Assayformat, Anwendung und gewünschter Sensitivität sind dabei verschiedene Markierungen möglich. Weit verbreitet ist die Markierung mittels Enzymen, die eine chemische Reaktion katalysieren, bei der entweder durch ein Substrat eine bestimmte Farbe entsteht (chromogenes Substrat) oder über Chemilumineszenz Licht abgegeben wird. Ein weiteres optisches Verfahren ist die Markierung mit Fluoreszenz-Farbstoffen. Sowohl die Farbintensität bei chromogenen Substraten als auch die Lichtintensität bei lumineszenten und fluoreszenten Substraten beziehungsweise Markierungen sind mit entsprechenden Geräten messbar. Auf Enzymmarkierungen basierende Assays werden als Enzyme-linked Immunosorbent Assays (ELISA) bezeichnet. In Radioimmunassays (RIA) werden schwachradioaktive Substanzen zur Markierung verwendet, der Nachweis und die Quantifizierung erfolgen hierbei durch die Messung der Radioaktivität (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Immunassay). Es ist daher zu unterscheiden zwischen den einzelnen Methoden zur Bestimmung der Immunassays.

Soweit der EBM selbst nicht zwischen den einzelnen Methoden unterscheidet, folgt hieraus nicht, dass eine Genehmigung nicht für jede Methode erteilt werden muss. Die hier strittigen EBM-Ziffern 32353 bis 32358, 32360, 32367, 32369 und 32411 betreffen die quantitative Bestimmung mittels Immunoassay, gilt für die Leistungen nach den Nrn. 32350 bis 32361, hier strittig im Einzelnen für Follitropin (FSH), Lutropin (LH), Prolaktin, Prolaktin, Progesteron, Testosteron und/oder freies Testosteron und Sexualhormonbindendes Globulin (SHBG) bzw. die quantitative Bestimmung mittels Immunoassay, gilt für die Leistungen nach den Nrn. 32365 bis 32381, hier strittig für Cortisol sowie Dehydroepiandrosteron (DHEA) und/oder -sulfat (DHEA-S) bzw. die quantitative Bestimmung mittels Immunoassay, gilt für die Leistungen nach den Nrn. 32410 bis 32416, hier strittig für intaktes Parathormon. Der EBM dient der Bewertung der Leistungen. Soweit er nur nach den zu bestimmenden Stoffen unterscheidet, geht der EBM-Geber offensichtlich davon aus, dass eine unterschiedliche Bewertung nach der angewandten Methode nicht erforderlich ist. Damit trifft der EBM-Geber keine Aussage über die Qualitätssicherung, die in den Laborrichtlinien geregelt ist und die, wie bereits ausgeführt, für jede einzelne Methode eine gesonderte Genehmigung voraussetzen.

Der vom Kläger vorgelegte Genehmigungsbescheid vom 01.07.1998 betraf, unter Berücksichtigung der Berichtigung durch Bescheid vom 10.07.1998, nicht die Genehmigung der hier strittigen Leistungen. Er genehmigte die Abrechnung nach den Nrn. 4151, 4152 und 4164 EBM. Die Nrn. 4151, 4152 und 4164 EBM 1996 betraf die quantitative Bestimmung der freien Schilddrüsenhormone mit dem Katalog "Freies Thyroxin (fT4)" und "Freies Trijodthyronin (fT3)" bzw. die Quantitative Bestimmung mit dem Katalog u. a., "Carcinoembryonales Antigen (CEA)".

Die Berechtigung zur Führung der Teilgebietsbezeichnung Endokrinologie führt nach der Laborrichtlinie weder dazu, dass eine Genehmigung nicht erforderlich ist, noch dass allein aus diesem Umstand eine Zulassung zu einem Kolloquium zu erfolgen hat. Es handelt sich nicht um eine Fachkunde nach Nr. 2 der Laborrichtlinie, die vom Nachweis der erforderlichen Teilnahme an einem Kolloquium befreit. Auch sieht die Laborrichtlinie nicht vor, dass die Berechtigung zur Führung der Teilgebietsbezeichnung Endokrinologie automatisch zur Zulassung zu einem Kolloquium berechtigt. Das LSG hat bereits im einstweiligen Anordnungsverfahren weiter ausgeführt, allein die im Jahr 1989 nach der Weiterbildungsordnung erworbene Berechtigung zur Führung der Teilgebietsbezeichnung Endokrinologie ist zum Nachweis der von Nr. 6 des Anhangs zu Abschnitt E Laborrichtlinien geforderten eingehenden Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten für die jeweils beantragte(n) laboriumsmedizinische(n) Untersuchung(en) voraussichtlich nicht als ausreichend anzusehen, denn nach den Feststellungen der Labor-Kommission enthalten die von dem Kläger vorgelegten Zeugnisse nur Ausführungen zu Laboruntersuchungen mit radioimmunologischen Untersuchungsverfahren. Neues hierzu wird in den weiteren Ausführungen des Klägers hierzu nicht vorgetragen. Der von ihm vorgelegte Auszug aus der Weiterbildungsordnung kann gerade nicht die erforderliche Kenntnis über die sehr speziellen Methoden führen. Für einen generellen Nachweis aufgrund der Schwerpunktbezeichnung hätte es aber einer entsprechenden Vereinbarung der Bundesmantelvertragsparteien bedurft. Aufgrund des fehlenden Nachweises einer entsprechenden Qualifikation besteht kein Anspruch auf Zulassung zu einem Kolloquium.

Der Auffassung des Klägers war aber insoweit zu folgen, als Satz 2 der Nr. 8 der Laborrichtlinie grundsätzlich eine Anspruchsgrundlage darstellt. Satz 1 der Nr. 8 der Laborrichtlinie betrifft nur die in Nr. 2 benannten Arztgruppen, zu denen der Kläger nicht gehört. Bei Zweifeln an deren fachlicher Qualifikation ist diese in einem Kolloquium zu überprüfen. Nach Satz 2 gilt das Gleiche, wenn der antragstellende Arzt eine im Vergleich zu der Laborrichtlinie abweichende, aber gleichwertige Qualifikation nachweist. Damit eröffnet die Laborrichtlinie neben der Qualifikation über die Weiterbildung (Nr. 2) und dem Nachweis über Zeugnisse (Nr. 6) einen dritten Weg zur Erlangung einer Genehmigung. Die insoweit fachkundig mit zwei Vertragsärzten besetzte Kammer sieht diesen dritten Weg über Nr. 8 Satz 2 Laborrichtlinie gerade für solche Ärzte wie den Kläger als eröffnet an. Der Kläger hat mit seiner Berechtigung zur Führung der Teilgebietsbezeichnung Endokrinologie die Grundlagen für eine labormedizinische Tätigkeit gelegt und trägt vor, im stationären Bereich sich entsprechend weiterqualifiziert zu haben. Insoweit für den stationären Bereich keine entsprechende Genehmigung erforderlich ist, kann der Kläger diese Qualifikation weder durch eine entsprechende Genehmigung für den stationären Bereich noch durch entsprechende Zeugnisse i. S. der Nr. 6 Laborrichtlinie nachweisen. Nach Auffassung der Kammer gehört der Kläger damit aber zu einer Arztgruppe, auf die Nr. 8 Satz 2 Laborrichtlinie abzielt.

Andererseits reicht es nach Auffassung der Kammer aber nicht aus, dass der Kläger behauptet, diese Leistung in der Vergangenheit als Leiter des Krankenhauslabors erbracht zu haben. Notwendig hierfür ist zunächst ein Nachweis, dass diese Leistungen auch vom Kläger persönlich, nicht nur unter seiner Leitung von evtl. anderen Labormitarbeitern erbracht worden sind, da es im ambulanten Bereich allein auf die persönliche Qualifikation ankommt. Die Kammer hält es nicht für ausgeschlossen, dass solche Nachweise über Qualitätskontrollen, z. B. durch ein Referenzlabor, oder Qualitätsberichte aus dem stationären Bereich oder über in der Vergangenheit erbrachte privatärztliche Leistungen erbracht werden. Die Formulierung der "gleichwertigen Qualifikation" in Nr. 8 Satz 2 Laborrichtlinie verlangt dabei, dass durch diese Nachweise eine Qualifikation zu Tage treten muss, die der diesbezüglichen Fachkunde der Arztgruppen nach Nr. 2 bzw. einem entsprechenden Zeugnis nicht nachsteht. Soweit die Ermittlungen der Beklagten, wobei es dem Kläger obliegt, diese Nachweise vorzulegen, zu dem Ergebnis einer Gleichwertigkeit führen, ist der Kläger zu einem Kolloquium zuzulassen. Fehlt es an einer Gleichwertigkeit, so hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Zulassung zu einem Kolloquium. Hierüber wird die Beklagte bei einer Neubescheidung noch zu entscheiden haben. Insofern ist ein Antrag grundsätzlich nach allen Anspruchsgrundlagen zu prüfen.

Einen weitergehenden Anspruch auf Zulassung zu einem Kolloquium hat der Kläger aber gegenwärtig nicht, da, wie bereits ausgeführt, der Nachweis der Gleichwertigkeit noch nicht geführt werden konnte. Insoweit war die Klage abzuweisen. Da es insoweit an einer ausdrücklichen Ausgangsbescheidung fehlt, waren diese Ermittlungen auch nicht von der Kammer nachzuholen, sondern war die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten.

Nach allem war der Klage im tenorierten Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 VwGO. Zu berücksichtigen war, dass der Kläger seinen ursprünglichen Hauptantrag zurückgezogen hat und mit dem jetzt noch weiterverfolgten Antrag z. T. unterlegen ist. Hieraus folgt die vorgenommene Quotelung.
Rechtskraft
Aus
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