Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 3 LW 219/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 183/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Der Beklagten werden wegen der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung Kosten des Verfahrens in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Altersrente für Landwirte auch für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 30. Juni 2004 zu gewähren ist.
Der am ... 1938 geborene Kläger ist seit dem ... 1978 mit der am ... 1939 geborenen G. L. verheiratet. Er war in der Zeit vom 1. Februar 1967 bis zum 31. März 1975 versicherungspflichtiges Mitglied nach § 14 Abs. 1a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) H.-N ... Vom 1. Juni 1975 bis zum 31. Dezember 1994 war er versichertes Mitglied der LAK H ... Vom 1. Januar 1995 bis zum 31. März 1996 war der Kläger Landwirt i.S.d. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG bei der LAK B. versicherungspflichtig. In der Zeit vom 1. April 1996 bis zum 31. Januar 2003 galt er als Landwirt i.S.d. § 1 Abs. 3 ALG und war gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG versicherungspflichtiges Mitglied der LAK B ... Vom 1. Februar 2003 bis zum 31. August 2004 galt er als Landwirt i.S.d. § 1 Abs. 3 ALG, war jedoch gemäß § 2 ALG wegen Vollendung des 65. Lebensjahres versicherungsfrei.
Am 30. April 2003 stellte der Kläger den Antrag auf Gewährung einer Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bei der LAK B., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Im Zuge der von dort durchgeführten Ermittlungen teilte die LAK N.-B., die Rechtsnachfolgerin der LAK H. ist, im Oktober 2003 mit, dass eine nicht verjährte Forderung an rückständigen Alterssicherungsbeiträgen für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 bestehe. Am 7. April 2005 teilte die LAK N.-B. dann telefonisch mit, seit dem 15. November 2004 sei der Beitragsrückstand ausgeglichen.
Mit Bescheid vom 14. April 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag vom 30. April 2003 ab. Zur Begründung führte sie aus, Landwirte hätten Anspruch auf eine Rente wegen Alters, wenn sie u.a. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt hätten. Auf diese Wartezeit würden Beitragszeiten angerechnet, wobei Beitragszeiten Zeiten seien, für die Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zu einer landwirtschaftlichen Alterskasse tatsächlich gezahlt worden seien. Beitragszeiten vor dem 1. Januar 1995 würden nach § 90 Abs. 1 ALG auf die Wartezeit nur angerechnet, wenn der Versicherte mindestens u.a. bis zum 31. Dezember 1994 anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt habe. Nach der Mitteilung der LAK N.-B. seien die Beiträge bis zum 31. Dezember 1994 tatsächlich erst mit der letzten Einzahlung am 15. November 2004 vollständig entrichtet gewesen. Die Beitragszeiten als Landwirt vor dem 1. Januar 1995 seien somit erst ab dem 15. November 2004 auf die Wartezeit für eine Rente anrechenbar, da die Beiträge zu diesem Zeitpunkt bis zum 31. Dezember 1994 ununterbrochen zurückgelegt worden seien. Die weitere Voraussetzung für den Bezug einer Rente wegen Alters, die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens, sei jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erfüllt gewesen. Gemäß § 21 Abs. 9 Satz 3 ALG gelte für einen Landwirt nach § 1 Abs. 3 ALG die Abgabe an den Ehegatten unter bestimmten Voraussetzungen als erfolgt. Dies gelte jedoch nur solange, bis u.a. auch der übernehmende Ehegatte das 65. Lebensjahr vollendet habe. Die Ehegattin des Klägers habe mit Ablauf des 23. Juni 2004 das 65. Lebensjahr vollendet. Ab dem 1. Juli 2004 sei daher die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens an einen Dritten erforderlich. Eine solche Abgabe sei bislang nicht nachgewiesen.
Hiergegen legte der Kläger am 9. Mai 2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die erforderliche Wartezeit sei mit der Zahlung von Beiträgen auch für zurückliegende Zeiträume als erfüllt anzusehen. Gemäß § 71 Abs. 2 ALG seien Beiträge wirksam, wenn sie gezahlt würden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt sei. Diese Bestimmung sei gleichlautend mit derjenigen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 197 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)). Auch vor Inkrafttreten des ALG sei die Bestimmung nach der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1. Januar 1992 schon in § 12 Abs. 5 GAL entsprechend gefasst gewesen. Danach seien gezahlte Beiträge wirksam, solange die in § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeine Vorschriften – SGB IV) genannte Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen sei. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sehe eine vierjährige Verjährungsfrist vor. Satz 2 regele darüber hinaus, dass Beiträge, die vorsätzlich vorenthalten würden, erst nach einer 30-jährigen Verjährungsfrist verjährten. Mit der Nachzahlung von Beiträgen für zurückliegende Zeiträume werde lediglich die Zahlung nachgeholt, die im Geltungszeitraum unterblieben sei. Zu unterscheiden sei deshalb zwischen Geltungszeitraum und Zahlungszeitpunkt. Fristgerecht (verjährungsfristgerecht) und damit insgesamt wirksam entrichtete Beiträge würden mit dem Monat als gezahlt gelten, für den sie entrichtet worden seien. Auf die tatsächliche Zahlung komme es also nicht an, sofern diese nur innerhalb der Frist für eine wirksame Beitragsentrichtung erfolgt sei. Hier sei die – nicht verjährte – Beitragszahlung von der LAK H. geltend gemacht worden. Mit der Zahlung sei eine wirksame Beitragsentrichtung für den Geltungszeitraum eingetreten.
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und bewilligte die beantragte Rente mit Wirkung vom 1. März 2005 an. Die Rente beginne ab diesem Monat, da am 11. Februar 2005 die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens durch den Ehegatten erfolgt sei. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2007 als unbegründet zurück. Sie hielt daran fest, dass die Voraussetzungen einer Rentenbewilligung für die Zeit vor dem 1. März 2005 nicht erfüllt seien. Die ausstehenden Beiträge seien erst am 15. November 2004 (durch Verrechnung mit einer Unfallrente) wirksam für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 geleistet worden. Die Abgabe des Unternehmens der Ehegattin des Klägers i.S.d. § 21 Abs. 2 ALG habe erst am 11. Februar 2005 stattgefunden. Für den Zeitraum, für den eine Leistungsgewährung bei nicht erfolgter Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens aufgrund der sogenannten Fiktivabgabe i.S.d. § 21 Abs. 9 Satz 3 ALG infrage gekommen wäre, d.h. der Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis zum 30. Juni 2004, seien "unstrittig" die Beiträge zur Erfüllung der Wartezeit i.S.d. § 90 ALG, also mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1994, noch nicht gezahlt worden. Damit seien innerhalb dieses Zeitraumes nicht sämtliche Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 ALG erfüllt gewesen.
Mit der am 16. April 2007 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger die Bewilligung der Altersrente für Landwirte auch für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 30. Juni 2004 weiterverfolgt und zur Begründung im Wesentlichen seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren wiederholt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28. April 2009 den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 6. Dezember 2005 sowie des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Altersrente für Landwirte auch von "Februar 2003 bis Juni 2004" zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für den Rentenanspruch seien nach § 11 ALG erfüllt, da der Kläger im Januar 2003 das 65. Lebensjahr vollendet habe und sein Unternehmen der Landwirtschaft als abgegeben sowie die Wartezeit von 15 Jahren als erfüllt gelten. Die auf die Wartezeit anzurechnenden Beitragszeiten lägen nach § 18 ALG vor, da mit der Tilgung der für den Zeitraum August bis Dezember 1994 geschuldeten Pflichtbeiträge jedenfalls im November 2004 die für die Wartezeit erforderlichen Beitragszeiten vorgelegen hätten. Die noch innerhalb der Verjährungsfrist liegende Zahlung der Pflichtbeiträge habe die Wirkung, dass die Beiträge für den Rentenbeginn so anzusehen seien, als ob sie schon im Zeitraum August bis Dezember 1994 aufgewendet (verwendet) worden seien, mit der Folge, dass die Wartezeit von 15 Jahren im Falle des Klägers bereits im Januar 2003 als erfüllt gelte. Insoweit teile die Kammer die Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 19. Mai 2004 (Az.: B 13 RJ 25/03 R). Nachträglich gezahlte Beiträge hätten die Wirkung von rechtzeitig gezahlten Beiträgen, wenn der Beitragsanspruch bzw. das Beitragsrecht noch nicht verjährt sei – so wie hier – und es sich um Pflichtbeiträge handele. Es fehle an einer ausdrücklichen Vorschrift, die die Rente bei verspätet gezahlten Pflichtbeiträgen später als mit Eintritt des Versicherungsfalls beginnen lasse. Die verspätete Zahlung von Beiträgen sei mit Säumniszuschlägen hinreichend sanktioniert. Schließlich sei wesentliche Grundlage des Rentenanspruchs nicht die Beitragszahlung, sondern die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, die erst die Beitragspflicht bedinge.
Gegen das ihr am 7. Mai 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. Juni 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie daran festgehalten, dass erst mit Zahlung der für die Zeit von August 1994 bis einschließlich Dezember 1994 ausstehenden Beiträge im November 2004 diese Beiträge für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 berücksichtigungsfähig gewesen und damit erst im November 2004 die Anspruchsvoraussetzungen der Wartezeit erfüllt worden seien. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei es nicht gerechtfertigt, bei der Nachzahlung von rückständigen Pflichtbeiträgen pflichtversicherte Selbstständige und abhängig versicherungspflichtig Beschäftigte gleich zu behandeln. Die Nachzahlung von Pflichtbeiträgen von Selbstständigen sei eher mit der Zahlung von freiwilligen Beiträgen als mit der Abführung von Pflichtbeiträgen durch einen Arbeitgeber vergleichbar. Nur für diese Personengruppe sei die Auffassung des Sozialgerichts zutreffend, dass nachträglich gezahlte Pflichtbeiträge abhängig Beschäftigter die Wirkung von rechtzeitig gezahlten Beiträgen entfalteten. Denn der Beginn der Rentenzahlung dürfe nicht von der Zahlung eines Dritten, des Arbeitgebers, abhängig gemacht werden, auf dessen rechtzeitige Beitragsabführung der abhängig Beschäftigte keinen Einfluss habe, und der den Arbeitnehmeranteil bereits durch Lohnabzug einbehalten habe und den Gesamtbeitrag an die Einzugsstelle abführe. Insoweit liege ein besonderes Schutzbedürfnis dieser Versicherten vor. Im Unterschied dazu sei die rechtzeitige Beitragszahlung von Selbstständigen nicht vom Verhalten eines Dritten abhängig. Eine Grundeigenschaft eines Selbstständigen sei das zielgerichtete eigenverantwortliche unternehmerische Handeln mit dem Wissen um die Wirkung seines Handelns. Insoweit sei es gerechtfertigt, die von Selbstständigen zu zahlenden Pflichtbeiträge wie freiwillige Beiträge zu behandeln. Für sie gelte daher das sich aus § 71 Abs. 2 ALG ergebende Prinzip, wonach wirksame Pflichtbeiträge erst zum Zeitpunkt ihrer Zahlung vorliegen und erst dann bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen berücksichtigt werden könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. April 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend und hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass dem Urteil des BSG vom 19. Mai 2004 (B 13 RJ 25/03 R) die Beitragsentrichtung eines Selbstständigen zugrunde gelegen hat. Insoweit könne die Beklagte mit ihren Vorstellungen zur Wirksamkeit der Zahlung von Beiträgen nicht durchdringen.
Die Berichterstatterin hat mit der Beklagten am 27. Dezember 2010 zugegangenen Richterbrief vom 16. Dezember 2010 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung der Beklagten offensichtlich unbegründet sein dürfte und angeregt, die Berufung zurückzunehmen sowie auf die Möglichkeit der Entscheidung durch Beschluss hingewiesen. Die Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, an ihrer Rechtsauffassung festzuhalten. Es sei mit dem auch in der Alterssicherung der Landwirte gültigen Versicherungsprinzip nicht vereinbar, den Eintritt eines Versicherungsfalls von ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignissen, hier der Zahlung von Beiträgen, abhängig zu machen. Nach ihrer Auffassung sollte die Rechtsfrage einer höchstrichterlichen Entscheidung zugeführt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheids vom 14. April 2005 in der Fassung des Bescheids vom 6. Dezember 2005 und des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2007 verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 30. Juni 2004 Altersrente für Landwirte zu bewilligen.
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente für Landwirte liegen in dem streitigen Zeitraum vor. Gemäß § 11 ALG (in der im Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 30. April 2003 geltenden Fassung) haben Landwirte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben sowie das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist.
Der Kläger vollendete am 2003 das 65. Lebensjahr. Ab dem 1. Februar 2003 war – unstreitig – die Voraussetzung der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens i.S. der sogenannten Fiktivabgabe gemäß § 21 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 ALG erfüllt. Schließlich hat der Kläger – entgegen der Auffassung der Beklagten – zu diesem Zeitpunkt auch die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt.
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ALG werden auf die Wartezeit von 15 Jahren Beitragszeiten angerechnet. Beitragszeiten sind gemäß § 18 ALG Zeiten, für die Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zu einer LAK gezahlt sind. Der Kläger hat ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 1. Februar 1967 bis zum 31. März 1975 Beiträge an die LAK H.-N., vom 1. Juni 1975 bis zum 31. Dezember 1994 an die LAK H. und vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Januar 2003 an die LAK B. entrichtet. Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 ALG werden Beitragszeiten vor dem 1. Januar 1995 auf die Wartezeit für eine Rente an Landwirte nur angerechnet, wenn der Versicherte u.a. mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1994, anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt hat. Hier hat der Kläger vom 1. Februar 1967 bis zum 31. Dezember 1994 333 Monate Beiträge gezahlt und (nach Auffassung der Beklagten) zumindest 235 Monate anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt, d.h. die 15-jährige Wartezeit damit erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind in die Berechnung auch die – nach Mitteilung der LAK N.-B. durch Verrechnung mit Rentenansprüchen des Klägers durch die Berufsgenossenschaft im November 2004 entrichteten – Beiträge für die Monate August bis Dezember 1994 einzubeziehen. Die Versicherungspflicht des Klägers in der Landwirtschaftlichen Alterskasse bestand kraft Gesetzes, die Beiträge für die Monate August bis Dezember 1994 wurden eingefordert und durch die Verrechnung mit der Unfallrente des Klägers beigetrieben. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Kläger – anders als freiwillig Versicherte – zur Beitragsentrichtung nicht nur berechtigt, sondern gesetzlich verpflichtet war und die Beklagte die Beiträge gefordert und angenommen hat. Damit hat der Kläger für die Monate August bis Dezember 1994 wirksam Beiträge entrichtet, die als Pflichtbeiträge gemäß § 18 ALG zu werten sind. § 71 Abs. 2 Satz 1 ALG stellt klar, dass Beiträge wirksam sind, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist. Art und Umfang der Verrechnung der Beiträge lagen hier im Übrigen in der Zuständigkeit der anderen Sozialversicherungsträger, nämlich der um Verrechnung ersuchenden LAK H. und der die Verrechnung durchführenden Berufsgenossenschaft. Die Beklagte selbst konnte die Beiträge damit nicht beanstanden.
Die Nachzahlung der Pflichtbeiträge bewirkt, dass diese als "in" dem fraglichen Zeitraum entrichtet gelten. Denn die Entrichtung der – fälligen – Pflichtbeiträge wirkt fiktiv auf den Zeitpunkt zurück, in welchem sie geschuldet waren. Die Fälligkeit der Beiträge eines Pflichtversicherten richtet sich allein nach den allgemeinen Vorschriften (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Der Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Zahlung ist rechtlich ohne Belang (BSG, Urteil vom 19. Mai 2004 – B 13 RJ 25/03 R – (juris) Revisionsentscheidung zum Urteil des erkennenden Senats vom 20. März 2003 – L 3 RJ 171/01–). Im vorliegenden Verfahren ist zudem dieser Zeitpunkt wesentlich durch das Verwaltungshandeln zwei weiterer Sozialversicherungsträger beeinflusst worden.
Die von der Beklagten vorgetragenen Argumente können zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn der Vergleichbarkeit mit freiwillig Versicherten steht entgegen, dass der Kläger aufgrund der verrichteten Tätigkeit als Landwirt kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der LAK unterlag. Freiwillig Versicherte sind erst nach der Anerkennung ihrer freiwilligen Mitgliedschaft durch die Beklagte versichert. Zudem endet die freiwillige Versicherung bei nicht fristgemäßer Zahlung der Beiträge, bei der Pflichtversicherung kraft Gesetzes ändert die Beitragszahlung an der Versicherungspflicht nichts. Die Beiträge können und müssen im Interesse der anderen Mitglieder der Versichertengemeinschaft beigetrieben werden. Schließlich können freiwillige Beiträge nur bis zum 31. März eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr entrichtet werden (§ 197 Abs. 2 SGB VI). Es besteht keine Dispositionsbefugnis, für welche Beitragsmonate die Entrichtung der (freiwilligen) Beiträge gelten soll. Insoweit ist kein rechtlicher Ansatzpunkt erkennbar, weshalb nicht die vom Kläger für die Zeit von August bis Dezember 1994 geschuldeten Beiträge auf Grund der vollständigen Zahlung auch für diesen Zeitraum als gezahlt gelten sollen und die Wartezeit als erfüllt angesehen werden muss sowie bei Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen der Rentenanspruch des Klägers entstanden ist.
Die Kostenentscheidung, wonach die Beklagte die erstattungsfähigen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten hat, beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die weitere Entscheidung, der Beklagten neben den nach § 184 Abs. 1 SGG geschuldeten Gerichtsgebühren wegen der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung weitere Kosten des Verfahrens in Höhe von 225 EUR aufzuerlegen, beruht auf § 192 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG. Danach kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter (§ 192 Abs. 1 Satz 2 SGG). Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 für die jeweilige Instanz (192 Abs. 1 Satz 3 SGG) und damit für das Berufungsverfahren 225 EUR.
Missbrauch ist anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Hier hat es der Senat als angemessen und sachgerecht angesehen, der Beklagten Missbrauchskosten in Höhe von 225 EUR aufzuerlegen, nachdem die entscheidungserheblichen Rechtsfragen vom BSG bereits geklärt wurden. Soweit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, es werde eine Änderung der Rechtsprechung des BSG angestrebt, konnte dies angesichts der Eindeutigkeit der Rechtslage und der bereits vorliegenden Rechtsprechung nicht zu einer anderen Beurteilung der Missbräuchlichkeit führen. Vielmehr hätte es jedem Einsichtigen einleuchten müssen, dass der Rechtsstreit für die Beklagte nicht erfolgreich sein konnte. Die eindeutige Rechtslage und die hierzu ergangene Rechtsprechung nicht zu beachten, weist auf ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit hin.
Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestand nicht. Die Entscheidung des erkennenden Senats beruht auf der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Beitragsrecht. Insbesondere durch die Entscheidung des BSG vom 19. Mai 2004 – 13 RJ 25/03 R – sind die im vorliegenden Rechtsstreit maßgebenden Streitfragen hinreichend geklärt.
Die Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren. Der Beklagten werden wegen der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung Kosten des Verfahrens in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger Altersrente für Landwirte auch für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 30. Juni 2004 zu gewähren ist.
Der am ... 1938 geborene Kläger ist seit dem ... 1978 mit der am ... 1939 geborenen G. L. verheiratet. Er war in der Zeit vom 1. Februar 1967 bis zum 31. März 1975 versicherungspflichtiges Mitglied nach § 14 Abs. 1a des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) bei der Landwirtschaftlichen Alterskasse (LAK) H.-N ... Vom 1. Juni 1975 bis zum 31. Dezember 1994 war er versichertes Mitglied der LAK H ... Vom 1. Januar 1995 bis zum 31. März 1996 war der Kläger Landwirt i.S.d. § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG bei der LAK B. versicherungspflichtig. In der Zeit vom 1. April 1996 bis zum 31. Januar 2003 galt er als Landwirt i.S.d. § 1 Abs. 3 ALG und war gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG versicherungspflichtiges Mitglied der LAK B ... Vom 1. Februar 2003 bis zum 31. August 2004 galt er als Landwirt i.S.d. § 1 Abs. 3 ALG, war jedoch gemäß § 2 ALG wegen Vollendung des 65. Lebensjahres versicherungsfrei.
Am 30. April 2003 stellte der Kläger den Antrag auf Gewährung einer Altersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bei der LAK B., deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Im Zuge der von dort durchgeführten Ermittlungen teilte die LAK N.-B., die Rechtsnachfolgerin der LAK H. ist, im Oktober 2003 mit, dass eine nicht verjährte Forderung an rückständigen Alterssicherungsbeiträgen für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 bestehe. Am 7. April 2005 teilte die LAK N.-B. dann telefonisch mit, seit dem 15. November 2004 sei der Beitragsrückstand ausgeglichen.
Mit Bescheid vom 14. April 2005 lehnte die Beklagte den Rentenantrag vom 30. April 2003 ab. Zur Begründung führte sie aus, Landwirte hätten Anspruch auf eine Rente wegen Alters, wenn sie u.a. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt hätten. Auf diese Wartezeit würden Beitragszeiten angerechnet, wobei Beitragszeiten Zeiten seien, für die Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zu einer landwirtschaftlichen Alterskasse tatsächlich gezahlt worden seien. Beitragszeiten vor dem 1. Januar 1995 würden nach § 90 Abs. 1 ALG auf die Wartezeit nur angerechnet, wenn der Versicherte mindestens u.a. bis zum 31. Dezember 1994 anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt habe. Nach der Mitteilung der LAK N.-B. seien die Beiträge bis zum 31. Dezember 1994 tatsächlich erst mit der letzten Einzahlung am 15. November 2004 vollständig entrichtet gewesen. Die Beitragszeiten als Landwirt vor dem 1. Januar 1995 seien somit erst ab dem 15. November 2004 auf die Wartezeit für eine Rente anrechenbar, da die Beiträge zu diesem Zeitpunkt bis zum 31. Dezember 1994 ununterbrochen zurückgelegt worden seien. Die weitere Voraussetzung für den Bezug einer Rente wegen Alters, die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens, sei jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht mehr erfüllt gewesen. Gemäß § 21 Abs. 9 Satz 3 ALG gelte für einen Landwirt nach § 1 Abs. 3 ALG die Abgabe an den Ehegatten unter bestimmten Voraussetzungen als erfolgt. Dies gelte jedoch nur solange, bis u.a. auch der übernehmende Ehegatte das 65. Lebensjahr vollendet habe. Die Ehegattin des Klägers habe mit Ablauf des 23. Juni 2004 das 65. Lebensjahr vollendet. Ab dem 1. Juli 2004 sei daher die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens an einen Dritten erforderlich. Eine solche Abgabe sei bislang nicht nachgewiesen.
Hiergegen legte der Kläger am 9. Mai 2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die erforderliche Wartezeit sei mit der Zahlung von Beiträgen auch für zurückliegende Zeiträume als erfüllt anzusehen. Gemäß § 71 Abs. 2 ALG seien Beiträge wirksam, wenn sie gezahlt würden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt sei. Diese Bestimmung sei gleichlautend mit derjenigen im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 197 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI)). Auch vor Inkrafttreten des ALG sei die Bestimmung nach der Reform der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem 1. Januar 1992 schon in § 12 Abs. 5 GAL entsprechend gefasst gewesen. Danach seien gezahlte Beiträge wirksam, solange die in § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeine Vorschriften – SGB IV) genannte Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen sei. § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sehe eine vierjährige Verjährungsfrist vor. Satz 2 regele darüber hinaus, dass Beiträge, die vorsätzlich vorenthalten würden, erst nach einer 30-jährigen Verjährungsfrist verjährten. Mit der Nachzahlung von Beiträgen für zurückliegende Zeiträume werde lediglich die Zahlung nachgeholt, die im Geltungszeitraum unterblieben sei. Zu unterscheiden sei deshalb zwischen Geltungszeitraum und Zahlungszeitpunkt. Fristgerecht (verjährungsfristgerecht) und damit insgesamt wirksam entrichtete Beiträge würden mit dem Monat als gezahlt gelten, für den sie entrichtet worden seien. Auf die tatsächliche Zahlung komme es also nicht an, sofern diese nur innerhalb der Frist für eine wirksame Beitragsentrichtung erfolgt sei. Hier sei die – nicht verjährte – Beitragszahlung von der LAK H. geltend gemacht worden. Mit der Zahlung sei eine wirksame Beitragsentrichtung für den Geltungszeitraum eingetreten.
Mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 half die Beklagte dem Widerspruch teilweise ab und bewilligte die beantragte Rente mit Wirkung vom 1. März 2005 an. Die Rente beginne ab diesem Monat, da am 11. Februar 2005 die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens durch den Ehegatten erfolgt sei. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. März 2007 als unbegründet zurück. Sie hielt daran fest, dass die Voraussetzungen einer Rentenbewilligung für die Zeit vor dem 1. März 2005 nicht erfüllt seien. Die ausstehenden Beiträge seien erst am 15. November 2004 (durch Verrechnung mit einer Unfallrente) wirksam für die Zeit bis zum 31. Dezember 1994 geleistet worden. Die Abgabe des Unternehmens der Ehegattin des Klägers i.S.d. § 21 Abs. 2 ALG habe erst am 11. Februar 2005 stattgefunden. Für den Zeitraum, für den eine Leistungsgewährung bei nicht erfolgter Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens aufgrund der sogenannten Fiktivabgabe i.S.d. § 21 Abs. 9 Satz 3 ALG infrage gekommen wäre, d.h. der Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis zum 30. Juni 2004, seien "unstrittig" die Beiträge zur Erfüllung der Wartezeit i.S.d. § 90 ALG, also mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1994, noch nicht gezahlt worden. Damit seien innerhalb dieses Zeitraumes nicht sämtliche Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 ALG erfüllt gewesen.
Mit der am 16. April 2007 beim Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger die Bewilligung der Altersrente für Landwirte auch für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 30. Juni 2004 weiterverfolgt und zur Begründung im Wesentlichen seine Ausführungen im Widerspruchsverfahren wiederholt.
Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 28. April 2009 den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2005 in der Gestalt des Bescheides vom 6. Dezember 2005 sowie des Widerspruchsbescheides vom 16. März 2007 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Altersrente für Landwirte auch von "Februar 2003 bis Juni 2004" zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen für den Rentenanspruch seien nach § 11 ALG erfüllt, da der Kläger im Januar 2003 das 65. Lebensjahr vollendet habe und sein Unternehmen der Landwirtschaft als abgegeben sowie die Wartezeit von 15 Jahren als erfüllt gelten. Die auf die Wartezeit anzurechnenden Beitragszeiten lägen nach § 18 ALG vor, da mit der Tilgung der für den Zeitraum August bis Dezember 1994 geschuldeten Pflichtbeiträge jedenfalls im November 2004 die für die Wartezeit erforderlichen Beitragszeiten vorgelegen hätten. Die noch innerhalb der Verjährungsfrist liegende Zahlung der Pflichtbeiträge habe die Wirkung, dass die Beiträge für den Rentenbeginn so anzusehen seien, als ob sie schon im Zeitraum August bis Dezember 1994 aufgewendet (verwendet) worden seien, mit der Folge, dass die Wartezeit von 15 Jahren im Falle des Klägers bereits im Januar 2003 als erfüllt gelte. Insoweit teile die Kammer die Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 19. Mai 2004 (Az.: B 13 RJ 25/03 R). Nachträglich gezahlte Beiträge hätten die Wirkung von rechtzeitig gezahlten Beiträgen, wenn der Beitragsanspruch bzw. das Beitragsrecht noch nicht verjährt sei – so wie hier – und es sich um Pflichtbeiträge handele. Es fehle an einer ausdrücklichen Vorschrift, die die Rente bei verspätet gezahlten Pflichtbeiträgen später als mit Eintritt des Versicherungsfalls beginnen lasse. Die verspätete Zahlung von Beiträgen sei mit Säumniszuschlägen hinreichend sanktioniert. Schließlich sei wesentliche Grundlage des Rentenanspruchs nicht die Beitragszahlung, sondern die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, die erst die Beitragspflicht bedinge.
Gegen das ihr am 7. Mai 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. Juni 2009 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie daran festgehalten, dass erst mit Zahlung der für die Zeit von August 1994 bis einschließlich Dezember 1994 ausstehenden Beiträge im November 2004 diese Beiträge für die Zeit vor dem 1. Januar 1995 berücksichtigungsfähig gewesen und damit erst im November 2004 die Anspruchsvoraussetzungen der Wartezeit erfüllt worden seien. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei es nicht gerechtfertigt, bei der Nachzahlung von rückständigen Pflichtbeiträgen pflichtversicherte Selbstständige und abhängig versicherungspflichtig Beschäftigte gleich zu behandeln. Die Nachzahlung von Pflichtbeiträgen von Selbstständigen sei eher mit der Zahlung von freiwilligen Beiträgen als mit der Abführung von Pflichtbeiträgen durch einen Arbeitgeber vergleichbar. Nur für diese Personengruppe sei die Auffassung des Sozialgerichts zutreffend, dass nachträglich gezahlte Pflichtbeiträge abhängig Beschäftigter die Wirkung von rechtzeitig gezahlten Beiträgen entfalteten. Denn der Beginn der Rentenzahlung dürfe nicht von der Zahlung eines Dritten, des Arbeitgebers, abhängig gemacht werden, auf dessen rechtzeitige Beitragsabführung der abhängig Beschäftigte keinen Einfluss habe, und der den Arbeitnehmeranteil bereits durch Lohnabzug einbehalten habe und den Gesamtbeitrag an die Einzugsstelle abführe. Insoweit liege ein besonderes Schutzbedürfnis dieser Versicherten vor. Im Unterschied dazu sei die rechtzeitige Beitragszahlung von Selbstständigen nicht vom Verhalten eines Dritten abhängig. Eine Grundeigenschaft eines Selbstständigen sei das zielgerichtete eigenverantwortliche unternehmerische Handeln mit dem Wissen um die Wirkung seines Handelns. Insoweit sei es gerechtfertigt, die von Selbstständigen zu zahlenden Pflichtbeiträge wie freiwillige Beiträge zu behandeln. Für sie gelte daher das sich aus § 71 Abs. 2 ALG ergebende Prinzip, wonach wirksame Pflichtbeiträge erst zum Zeitpunkt ihrer Zahlung vorliegen und erst dann bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen berücksichtigt werden könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 28. April 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das sozialgerichtliche Urteil für zutreffend und hat darüber hinaus darauf hingewiesen, dass dem Urteil des BSG vom 19. Mai 2004 (B 13 RJ 25/03 R) die Beitragsentrichtung eines Selbstständigen zugrunde gelegen hat. Insoweit könne die Beklagte mit ihren Vorstellungen zur Wirksamkeit der Zahlung von Beiträgen nicht durchdringen.
Die Berichterstatterin hat mit der Beklagten am 27. Dezember 2010 zugegangenen Richterbrief vom 16. Dezember 2010 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Berufung der Beklagten offensichtlich unbegründet sein dürfte und angeregt, die Berufung zurückzunehmen sowie auf die Möglichkeit der Entscheidung durch Beschluss hingewiesen. Die Beklagte hat daraufhin mitgeteilt, an ihrer Rechtsauffassung festzuhalten. Es sei mit dem auch in der Alterssicherung der Landwirte gültigen Versicherungsprinzip nicht vereinbar, den Eintritt eines Versicherungsfalls von ungewissen, in der Zukunft liegenden Ereignissen, hier der Zahlung von Beiträgen, abhängig zu machen. Nach ihrer Auffassung sollte die Rechtsfrage einer höchstrichterlichen Entscheidung zugeführt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Bescheids vom 14. April 2005 in der Fassung des Bescheids vom 6. Dezember 2005 und des Widerspruchsbescheids vom 16. März 2007 verurteilt, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 30. Juni 2004 Altersrente für Landwirte zu bewilligen.
Die Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente für Landwirte liegen in dem streitigen Zeitraum vor. Gemäß § 11 ALG (in der im Zeitpunkt der Rentenantragstellung am 30. April 2003 geltenden Fassung) haben Landwirte Anspruch auf Altersrente, wenn sie das 65. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben sowie das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist.
Der Kläger vollendete am 2003 das 65. Lebensjahr. Ab dem 1. Februar 2003 war – unstreitig – die Voraussetzung der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens i.S. der sogenannten Fiktivabgabe gemäß § 21 Abs. 9 Satz 3 Nr. 2 ALG erfüllt. Schließlich hat der Kläger – entgegen der Auffassung der Beklagten – zu diesem Zeitpunkt auch die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt.
Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 ALG werden auf die Wartezeit von 15 Jahren Beitragszeiten angerechnet. Beitragszeiten sind gemäß § 18 ALG Zeiten, für die Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zu einer LAK gezahlt sind. Der Kläger hat ausweislich des Versicherungsverlaufs vom 1. Februar 1967 bis zum 31. März 1975 Beiträge an die LAK H.-N., vom 1. Juni 1975 bis zum 31. Dezember 1994 an die LAK H. und vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Januar 2003 an die LAK B. entrichtet. Nach § 90 Abs. 1 Satz 1 ALG werden Beitragszeiten vor dem 1. Januar 1995 auf die Wartezeit für eine Rente an Landwirte nur angerechnet, wenn der Versicherte u.a. mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1994, anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt hat. Hier hat der Kläger vom 1. Februar 1967 bis zum 31. Dezember 1994 333 Monate Beiträge gezahlt und (nach Auffassung der Beklagten) zumindest 235 Monate anrechenbare Beitragszeiten zurückgelegt, d.h. die 15-jährige Wartezeit damit erfüllt. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind in die Berechnung auch die – nach Mitteilung der LAK N.-B. durch Verrechnung mit Rentenansprüchen des Klägers durch die Berufsgenossenschaft im November 2004 entrichteten – Beiträge für die Monate August bis Dezember 1994 einzubeziehen. Die Versicherungspflicht des Klägers in der Landwirtschaftlichen Alterskasse bestand kraft Gesetzes, die Beiträge für die Monate August bis Dezember 1994 wurden eingefordert und durch die Verrechnung mit der Unfallrente des Klägers beigetrieben. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Kläger – anders als freiwillig Versicherte – zur Beitragsentrichtung nicht nur berechtigt, sondern gesetzlich verpflichtet war und die Beklagte die Beiträge gefordert und angenommen hat. Damit hat der Kläger für die Monate August bis Dezember 1994 wirksam Beiträge entrichtet, die als Pflichtbeiträge gemäß § 18 ALG zu werten sind. § 71 Abs. 2 Satz 1 ALG stellt klar, dass Beiträge wirksam sind, wenn sie gezahlt werden, solange der Anspruch auf ihre Zahlung noch nicht verjährt ist. Art und Umfang der Verrechnung der Beiträge lagen hier im Übrigen in der Zuständigkeit der anderen Sozialversicherungsträger, nämlich der um Verrechnung ersuchenden LAK H. und der die Verrechnung durchführenden Berufsgenossenschaft. Die Beklagte selbst konnte die Beiträge damit nicht beanstanden.
Die Nachzahlung der Pflichtbeiträge bewirkt, dass diese als "in" dem fraglichen Zeitraum entrichtet gelten. Denn die Entrichtung der – fälligen – Pflichtbeiträge wirkt fiktiv auf den Zeitpunkt zurück, in welchem sie geschuldet waren. Die Fälligkeit der Beiträge eines Pflichtversicherten richtet sich allein nach den allgemeinen Vorschriften (§ 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Der Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Zahlung ist rechtlich ohne Belang (BSG, Urteil vom 19. Mai 2004 – B 13 RJ 25/03 R – (juris) Revisionsentscheidung zum Urteil des erkennenden Senats vom 20. März 2003 – L 3 RJ 171/01–). Im vorliegenden Verfahren ist zudem dieser Zeitpunkt wesentlich durch das Verwaltungshandeln zwei weiterer Sozialversicherungsträger beeinflusst worden.
Die von der Beklagten vorgetragenen Argumente können zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn der Vergleichbarkeit mit freiwillig Versicherten steht entgegen, dass der Kläger aufgrund der verrichteten Tätigkeit als Landwirt kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der LAK unterlag. Freiwillig Versicherte sind erst nach der Anerkennung ihrer freiwilligen Mitgliedschaft durch die Beklagte versichert. Zudem endet die freiwillige Versicherung bei nicht fristgemäßer Zahlung der Beiträge, bei der Pflichtversicherung kraft Gesetzes ändert die Beitragszahlung an der Versicherungspflicht nichts. Die Beiträge können und müssen im Interesse der anderen Mitglieder der Versichertengemeinschaft beigetrieben werden. Schließlich können freiwillige Beiträge nur bis zum 31. März eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr entrichtet werden (§ 197 Abs. 2 SGB VI). Es besteht keine Dispositionsbefugnis, für welche Beitragsmonate die Entrichtung der (freiwilligen) Beiträge gelten soll. Insoweit ist kein rechtlicher Ansatzpunkt erkennbar, weshalb nicht die vom Kläger für die Zeit von August bis Dezember 1994 geschuldeten Beiträge auf Grund der vollständigen Zahlung auch für diesen Zeitraum als gezahlt gelten sollen und die Wartezeit als erfüllt angesehen werden muss sowie bei Vorliegen der übrigen Anspruchsvoraussetzungen der Rentenanspruch des Klägers entstanden ist.
Die Kostenentscheidung, wonach die Beklagte die erstattungsfähigen Kosten des Klägers auch im Berufungsverfahren zu erstatten hat, beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die weitere Entscheidung, der Beklagten neben den nach § 184 Abs. 1 SGG geschuldeten Gerichtsgebühren wegen der Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung weitere Kosten des Verfahrens in Höhe von 225 EUR aufzuerlegen, beruht auf § 192 Abs.1 Satz 1 Nr. 2 SGG i.V.m. § 184 Abs. 2 SGG. Danach kann das Gericht im Urteil einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Dem Beteiligten steht gleich sein Vertreter oder Bevollmächtigter (§ 192 Abs. 1 Satz 2 SGG). Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 für die jeweilige Instanz (192 Abs. 1 Satz 3 SGG) und damit für das Berufungsverfahren 225 EUR.
Missbrauch ist anzunehmen, wenn die Rechtsverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss. Hier hat es der Senat als angemessen und sachgerecht angesehen, der Beklagten Missbrauchskosten in Höhe von 225 EUR aufzuerlegen, nachdem die entscheidungserheblichen Rechtsfragen vom BSG bereits geklärt wurden. Soweit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, es werde eine Änderung der Rechtsprechung des BSG angestrebt, konnte dies angesichts der Eindeutigkeit der Rechtslage und der bereits vorliegenden Rechtsprechung nicht zu einer anderen Beurteilung der Missbräuchlichkeit führen. Vielmehr hätte es jedem Einsichtigen einleuchten müssen, dass der Rechtsstreit für die Beklagte nicht erfolgreich sein konnte. Die eindeutige Rechtslage und die hierzu ergangene Rechtsprechung nicht zu beachten, weist auf ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit hin.
Anlass, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, bestand nicht. Die Entscheidung des erkennenden Senats beruht auf der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Beitragsrecht. Insbesondere durch die Entscheidung des BSG vom 19. Mai 2004 – 13 RJ 25/03 R – sind die im vorliegenden Rechtsstreit maßgebenden Streitfragen hinreichend geklärt.
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