Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
72
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 610/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2006 und des Bescheides vom 03.11.2010 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Beigeladene zu 4) in ihrer Tätigkeit der Verteilung von Werbemitteln für die Klägerin in der Zeit vom 30.06.2001 bis zum 25.08.2006 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 4).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens um die Frage, ob die Beigeladene zu 4) ihre Tätigkeit als Verteilerin von Werbeprospekten für die Klägerin in den Jahren 2001 bis 2006 im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübte. Die Klägerin betreibt eine Werbeagentur mit den Tätigkeitsfeldern Prospektverteilung, Katalog-Zustellung und Verteilung von Warenproben. Die Beigeladene zu 4) war im Zeitraum 2001 bis 2006 als Zustellerin von Werbeprospekten für die Klägerin tätig. Die Tätigkeit führte sie unter der Firma "A F , Inh. D L" aus, wobei "F" der Geburtsname der Beigeladenen zu 4) ist. Sie hatte ein Gewerbe angemeldet. Bis zum 26.06.2005 gab es keinen schriftlichen Vertrag und bestand das Vertragsverhältnis in einzelnen Verteilaufträgen. Am 27.06.2005 vereinbarten die Klägerin und die Beigeladene zu 4) einen "Vertrag über die Tätigkeit des Auftragnehmers als Prospektverteilunternehmen". Gemäß § 1 Abs. 1 dieses Vertrages ist der Auftragnehmer als selbständiger Unternehmer tätig und als solcher gewerbe- und steuerrechtlich gemeldet. Nach § 1 Abs. 3 sichert der Auftragnehmer zu, Aufträge anzunehmen und auszuführen, welche mindestens zwei Tage vor Verteilbeginn bei ihm eingehen. Ein Anspruch auf die Verteilung einer bestimmten Zahl pro Monat besteht nach der vertraglichen Regelung nicht. Weiterhin regelt der Vertrag das Recht des Auftragnehmers, für die Ausführung des Auftrags auf eigene Kosten und Risiko nach seinem Ermessen andere Personen mit der Ausführung des Auftrages zu betrauen. Ein Wettbewerbsverbot bestand ausdrücklich nicht. Die Klägerin beauftragte die Beigeladene zu 4) jeweils mündlich oder per Telefax; die Aufträge umfassten Stückzahl, Verteiltermin und Verteilbezirke. Weiterhin war ein Preis nach Stückzahl (zwischen 18 und 40 DM bzw. zwischen 5 und 24,55 EUR pro 1.000 Stück) angegeben, den die Beigeladene zu 4) z.T. nachverhandelte und so einen Aufschlag erhielt.
Die Zahl der Verteiltage und verteilten Prospekte variiert stark zwischen den einzelnen Monaten und Jahren. Ausweislich der erstellten Rechnungen verteilte die Beigeladene zu 4) u.a. am 06.10.2001 66.020 Prospekte, am 20.11.2001 waren es 50.680 Prospekte, am 28.08.2001 36.700 Prospekte und am 01.06.2002 83.501 Prospekte, die jeweils in unterschiedlichen Berliner Bezirken ausgegeben wurden. Für die Ausübung der Aufträge benutzte die Beigeladene zu 4) einen ihr gehörigen Transporter und Karren. Arbeitnehmer hatte die Beigeladene zu 4) nicht gemeldet. Bei der Ausübung wurde sie von Familienangehörigen und Freunden unterstützt.
Sie rechnete ihre Tätigkeit unter Ausweis der Mehrwertsteuer gegenüber der Klägerin ab. Die im streitigen Zeitraum gegenüber der Klägerin abgerechneten Beträge fielen in den einzelnen Monaten und Jahren sehr unterschiedlich aus und umfassten Beträge von 234,60 EUR im Juli 2005 und 9.103,97 EUR im März 2003. Nach den vorliegenden Unterlagen rechnete die Beigeladene zu 4) im Durchschnitt im Jahr 2002 ca 3.700 EUR pro Monat ab, im Jahr 2003 ca. 5.400 EUR und in den Jahren 2004 und 2005 ca. 2.960 EUR bzw. 1.640 EUR. Durchgehend im gesamten streitigen Zeitraum erfolgten Rechnungskorrekturen und -kürzungen aufgrund "negativer Kontrollen", "schlechter Verteilung" oder nicht abgegebenen Kontrollberichten. Von den Kunden der Klägerin vorgenommene Preisreduzierungen wurden von der Klägerin an die Beigeladene zu 4) weitergegeben.
Im März 2004 wandte sich die Klägerin an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden BfA), mit der Anfrage, ob für die Beigeladene zu 4) aktuell eine Überprüfung des Status erfolgt sei. Dem Schreiben war ein Antrag der Beigeladenen zu 4) auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status ihrer Beschäftigung bei der Klägerin beigefügt. Ausweislich des Antrags war die Beigeladene zu 4) für mehrere Auftraggeber tätig, erzielte jedoch mindestens fünf Sechstel ihres Einkommens von der Klägerin. Regelmäßige Anwesenheits- oder Arbeitszeiten hatte sie nicht einzuhalten. Hinsichtlich Ort und Zeit der Verteilung wurden ihr Weisungen erteilt. Ihr Einsatzgebiet konnte nicht ohne ihre Zustimmung verändert werden. Über Arbeitsbeginn, -ausführung und -ende entschied sie selbst. Mit Schreiben vom 17.07.2004 teilte die Beigeladene zu 4) der BfA weiter mit, sie habe zur Zeit zwei Auftraggeber und verteile alles, was kostenlos in die Briefkästen komme. Sie führe diese Arbeit überwiegend persönlich aus. Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens wies die Beigeladene zu 4) darauf hin, dass sie ein Gewerbe angemeldet habe und eigene Zusteller auf geringfügiger Basis beschäftigt habe. Nachweise hierfür brachte sie nicht bei.
Mit Bescheid vom 19.11.2004 stellte die BfA gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 4) fest, dass die Beigeladene zu 4) ihre Tätigkeit bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin begründete diese mit einem Schreiben des Lohnsteuerhilfevereins für Arbeitnehmer e.V. vom 19.05.2005. Danach erziele die Beigeladene zu 4) Einkünfte aus selbständiger, gewerblicher Tätigkeit von verschiedenen Auftraggebern, weshalb der Lohnsteuerhilfeverein nicht für sie tätig werden dürfe. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2006 wies die Beklagte, die seit 01.10.2005 Rechtsnachfolgerin der BfA ist, den Widerspruch zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung gab sie an, dass die eigene Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt werde, da eine Vergütung nach Abnahme der Arbeit erfolge. Die Bezahlung lediglich nach dem Erfolg der Arbeit sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein zwingender Grund für den Ausschluss der persönlichen Abhängigkeit des Beschäftigten. Die Chance, länger oder mehr zu arbeiten, um ein höheres Entgelt zu erzielen, sei nicht die spezielle Chance eines Unternehmers. Das Unternehmerrisiko sei von diesem Einkommensrisiko zu unterscheiden, das auch Stücklohn-, Akkord- und Heimarbeiter trügen. Die Beigeladene zu 4) sei zwar nicht verpflichtet, die Tätigkeit persönlich zu erbringen. Allein die formale Berechtigung, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, schließe jedoch das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht aus, wenn die persönliche Leistungserbringung die Regel sei. Nachweise dafür, dass die Beigeladene zu 4) zur Ausführung der Aufträge eigene Mitarbeiter eingesetzt habe, seien nicht erbracht worden. Es sei somit davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 4) persönlich für die Klägerin tätig geworden sei. Diese setze ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig. In ihrer Tätigkeit oblägen der Beigeladenen zu 4) untergeordnete Arbeiten. Bei diesen Tätigkeiten sei eine Eingliederung eher anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten. Art der Arbeit und Weisungsbefugnis des Auftraggebers stünden insofern in einem Wechselverhältnis zueinander, als bei einfachen Arbeiten schon organisatorische Dinge betreffende Weisungen den Beschäftigten in der Ausübung der Arbeit festlegen und damit in den Organismus des Betriebs eingegliedert erscheinen lassen. Allein die Möglichkeit, die Zahl und Orte der Einsätze selbst zu bestimmen, begründe keine selbständige Tätigkeit, zumal diese Einteilung nur in Abstimmung mit der Klägerin erfolgen könne, um eine Doppelvergabe der Einsatzorte zu vermeiden. Das Weisungsrecht der Klägerin hinsichtlich Ort sowie Art und Weise der Tätigkeit ergebe sich aus dem jeweils erteilten Auftrag. Die Beigeladene zu 4) sei in der Disposition ihrer Arbeitszeit nicht frei, denn es bestehe eine tatsächliche Verpflichtung, die ihr übertragenen Aufgaben zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen. Zwar habe sie die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, bei Annahme eines Auftrags würden ihr jedoch Vorgaben hinsichtlich Ort und Zeit gemacht. Dagegen hat die Klägerin am 04. April 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben. Mit Bescheid vom 3. November 2010 ergänzte die Beklagte den Bescheid vom 19. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2006 dahingehend, dass die Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 30. Juni 2001 bis zum 25. August 2006 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Tatbestände, die die Versicherungspflicht ausschließen oder Versicherungsfreiheit begründen können, ergäben sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beigeladene zu 4) sei selbständig tätig. Sie beschäftige mehrere Arbeitnehmer und sei neben der Klägerin für weitere Auftraggeber tätig. Weiterhin habe die BfA mit Bescheid vom 7. August 2000 festgestellt, dass die Beigeladene zu 4) in ihrer Tätigkeit der Verteilung von Werbematerial von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2006 und des Bescheides vom 03.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 4) in ihrer Tätigkeit der Verteilung von Werbemitteln für die Klägerin in der Zeit vom 30.06.2001 bis zum 25.08.2006 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids. Der Bescheid der BfA vom 7. August 2000 betreffe den Zeitraum vor dem 28. Juni 2001. Die Beigeladene zu 4) hat keinen Antrag gestellt. Das Gericht hat die Beigeladene zu 4) in der mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2011 zu den organisatorischen Abläufen ihrer Tätigkeit für die Klägerin befragt. Hinsichtlich der von ihr gemachten Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ferner Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und auch – soweit wesentlich – Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2006 und des Änderungsbescheides vom 03.11.2010 ist rechtswidrig. Die Beigeladene zu 4) unterlag im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht der Sozialversicherungspflicht.
Zwar hat die Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 03.11.2010, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, zutreffend nicht nur über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses entschieden, sondern über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. zum Gegenstand des Anfrageverfahrens und zur Unzulässigkeit einer Elementenfeststellung BSG, Urteil vom 11.03.2009 – B 12 R 11/07 R; Urteil vom 04.06.2009 – B 12 R 6/08 R). Die Beklagte ist jedoch in dem von der Beigeladenen zu 4) und der Klägerin eingeleiteten Anfrageverfahren gemäß § 7a SGB IV auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. § 7a Abs. 2 SGB IV) rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 4) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stand und dies Versicherungspflicht in der der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung begründete.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 V; § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI; § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (stellvertretend BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (BSG, a.a.O.). Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R; Urteil vom 28.05.2008, a.a.O.) zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 24.01.2007, a.a.O., RdNr. 17, m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu der Auffassung gelangt, dass vorliegend die gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände überwiegen. Der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 4) vereinbarte Vertrag vom 27.06.2005 ist nach seinen Regelungen als Werkvertrag zu qualifizieren. Hinsichtlich des vor Abschluss des Vertrages liegenden Zeitraums ist aus den tatsächlichen Verhältnissen auf das zu Grunde liegende Vertragsverhältnis zu schließen. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht insofern zunächst, dass ein solches von den Vertragsparteien offensichtlich nicht gewollt war. Dies ergibt sich daraus, dass die Beigeladene zu 4) ein eigenes Gewerbe angemeldet hatte und in diesem Rahmen der Klägerin Rechnungen unter Ausweis der Mehrwertsteuer stellte. Sie erhielt auch weder Urlaub, noch Entgeltfortzahlung oder Sozialleistungen von der Klägerin. Weiterhin kürzte die Klägerin die Rechnungen der Beigeladenen zu 4) regelmäßig aufgrund von geltend gemachten Mängeln der Auftragsdurchführung. Die Vergütung erfolgte nicht nach Stunden, sondern nach der Zahl der verteilten Prospekte, wobei die Vergütung je nach Auftraggeber der Klägerin ganz unterschiedlich ausfiel und z.T. von der Beigeladenen zu 4) nachverhandelt wurde. Der damit offenkundige Wille der Vertragsparteien, kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen, dem bei der Abwägungsentscheidung indizielle Bedeutung zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, a.a.O., RdNr. 16), wurde auch in den tatsächlichen Verhältnissen umgesetzt. Zunächst war die Beigeladene zu 4) frei zu entscheiden, ob sie einen bestimmten Auftrag annimmt oder ablehnt. Zwar spricht die vertragliche Regelung in § 1 Abs. 3 für eine vertragliche Verpflichtung zur Annahme von Aufträgen. Die Beigeladene zu 4) hat in der mündlichen Verhandlung jedoch glaubhaft versichert, dass sie im streitigen Zeitraum öfter Aufträge abgelehnt habe – dies entweder aus Zeitmangel, wegen Urlaubsplanung oder weil die von der Klägerin angebotene Vergütung der Beigeladenen zu 4) nicht angemessen erschien. Umgekehrt war die Klägerin auch nicht verpflichtet, der Beigeladenen zu 4) Aufträge zu erteilen. Das aus der fehlenden "Auftragsgarantie" folgende Risiko, zeitweise die eigene Arbeitskraft nicht verwerten zu können, begründet ein nennenswertes unternehmerisches Risiko (a.A. BSG, Urteil vom 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R). Es ist für eine selbständige Tätigkeit geradezu charakteristisch, dass sich ein selbständiger Unternehmer – im Gegensatz zu einem abhängig Beschäftigten – selbst um die Verwertung seiner Arbeitskraft kümmern muss, dass ihm m.a.W. also gerade keine Aufgaben vom Arbeitgeber zugewiesen werden. Dieser Unterschied wird in der Regelung des § 12 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) zur Abrufarbeit deutlich: Danach können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss aber eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen; andernfalls gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden als vereinbart. Diese Regelung nimmt dem abhängig (Teilzeit)Beschäftigten gerade das für eine selbständige Tätigkeit kennzeichnende Risiko der Nichtverwertbarkeit der eigenen Arbeitsleistung ab. Dafür spricht auch, dass abhängig Beschäftigte nicht nur eine Pflicht zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung innehaben, sondern auch einen Anspruch auf Beschäftigung. Im Gegensatz zu einem Auftraggeber vermag ein Arbeitgeber sich seiner Vergütungspflicht auch nicht mit dem Argument zu entziehen, er habe momentan keinen Bedarf an der Arbeitsleistung des Beschäftigten. Auch nach der Übernahme der Aufträge war die Beigeladene zu 4) nicht derart in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden, wie es für eine abhängige Beschäftigung typisch ist. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass es sich bei der Verteilung von Werbemitteln ebenso wie beim Austragen von Zeitungen um eine einfache Tätigkeit handelt, die von vornherein nur wenige Gestaltungsmöglichkeiten zulässt und bei der gewisse "Eckpunkte" der Tätigkeit vorgegeben sind, wie etwa der zeitliche Rahmen und das Verteilgebiet. Doch spricht dies nicht schon zwingend gegen Selbstständigkeit, sofern der Auftragnehmer einen nennenswerten eigenen Gestaltungsspielraum inne hat (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, a.a.O.). Dass die Beigeladene zu 4) über einen solchen Gestaltungsspielraum verfügte, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Zahl der während der Verteiltage verteilten Prospekte teilweise so groß war, dass zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass die Beigeladene zu 4) Hilfskräfte einschalten musste (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 16.07.1997, 5 AZR 312/96). Dass die Beigeladene zu 4) nicht verpflichtet war, die Aufträge höchstpersönlich zu erbringen, wird auch aus der vorliegenden schriftlichen Kommunikation zwischen ihr und der Klägerin deutlich, wenn die Klägerin die Beigeladene im Schreiben vom 01.07.2003 darauf hinweist, sie könne sich nicht vorstellen, dass die Beigeladene zu 4) "mit zwei Verteilern ein Gebiet von ca. 6.000 Ex. bewältigen" könne. Dies wird durch das weitere Schreiben der Klägerin an die Beigeladene zu 4) vom 08.07.2003 bestätigt, in dem die Klägerin die Beigeladene zu 4) ersucht, ihre Verteiler auf die Wichtigkeit einer ordnungsgemäßen Verteilung hinzuweisen. Dabei kann dahin stehen, ob die Beigeladene zu 4) tatsächlich ausschließlich von Freunden und Familienangehörigen unterstützt wurde oder weitere Personen beschäftigte; jedenfalls rechnete sie im streitgegenständlichen Zeitraum häufiger Zustellaufträge ab, die sie aufgrund von deren Umfang in der vorgegebenen Zeit nicht allein ausführen konnte. Dementsprechend musste die Beigeladene zu 4) die Verteilung der Werbemittel durch andere organisieren, ein typischerweise allein bei selbständiger Tätigkeit anfallender zeitlicher Aufwand. Es stand ihr auch frei zu entscheiden, welche Personen und wie viele sie für die Erledigung der einzelnen Aufträge einsetzte. Damit unterlag die Beigeladene zu 4) selbst auch keiner örtlichen oder zeitlichen Weisungsgebundenheit. Dies spricht entscheidend gegen eine persönliche Abhängigkeit. Weiterhin nutzte die Beigeladene zu 4) zur Ausführung der Aufträge ihre eigenen Betriebsmittel, namentlich ein eigenes Transportfahrzeug und eigene Karren, sie trat also auch nach außen als selbständige Unternehmerin auf. Auch die Tätigkeit für weitere Auftraggeber im streitgegenständlichen Zeitraum spricht für eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 4). Nach alledem bleiben die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände, namentlich der geringe Kapitaleinsatz der Beigeladenen zu 4), der einfache Charakter der Tätigkeit sowie die vorgegebenen Parameter der Tätigkeit, namentlich Verteilgebiet, Zeitraum und Zahl der zu verteilenden Prospekte, hinter den dargelegten, für eine selbständige Beschäftigung sprechenden Umständen zurück, so dass die Beigeladene zu 4) nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens um die Frage, ob die Beigeladene zu 4) ihre Tätigkeit als Verteilerin von Werbeprospekten für die Klägerin in den Jahren 2001 bis 2006 im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübte. Die Klägerin betreibt eine Werbeagentur mit den Tätigkeitsfeldern Prospektverteilung, Katalog-Zustellung und Verteilung von Warenproben. Die Beigeladene zu 4) war im Zeitraum 2001 bis 2006 als Zustellerin von Werbeprospekten für die Klägerin tätig. Die Tätigkeit führte sie unter der Firma "A F , Inh. D L" aus, wobei "F" der Geburtsname der Beigeladenen zu 4) ist. Sie hatte ein Gewerbe angemeldet. Bis zum 26.06.2005 gab es keinen schriftlichen Vertrag und bestand das Vertragsverhältnis in einzelnen Verteilaufträgen. Am 27.06.2005 vereinbarten die Klägerin und die Beigeladene zu 4) einen "Vertrag über die Tätigkeit des Auftragnehmers als Prospektverteilunternehmen". Gemäß § 1 Abs. 1 dieses Vertrages ist der Auftragnehmer als selbständiger Unternehmer tätig und als solcher gewerbe- und steuerrechtlich gemeldet. Nach § 1 Abs. 3 sichert der Auftragnehmer zu, Aufträge anzunehmen und auszuführen, welche mindestens zwei Tage vor Verteilbeginn bei ihm eingehen. Ein Anspruch auf die Verteilung einer bestimmten Zahl pro Monat besteht nach der vertraglichen Regelung nicht. Weiterhin regelt der Vertrag das Recht des Auftragnehmers, für die Ausführung des Auftrags auf eigene Kosten und Risiko nach seinem Ermessen andere Personen mit der Ausführung des Auftrages zu betrauen. Ein Wettbewerbsverbot bestand ausdrücklich nicht. Die Klägerin beauftragte die Beigeladene zu 4) jeweils mündlich oder per Telefax; die Aufträge umfassten Stückzahl, Verteiltermin und Verteilbezirke. Weiterhin war ein Preis nach Stückzahl (zwischen 18 und 40 DM bzw. zwischen 5 und 24,55 EUR pro 1.000 Stück) angegeben, den die Beigeladene zu 4) z.T. nachverhandelte und so einen Aufschlag erhielt.
Die Zahl der Verteiltage und verteilten Prospekte variiert stark zwischen den einzelnen Monaten und Jahren. Ausweislich der erstellten Rechnungen verteilte die Beigeladene zu 4) u.a. am 06.10.2001 66.020 Prospekte, am 20.11.2001 waren es 50.680 Prospekte, am 28.08.2001 36.700 Prospekte und am 01.06.2002 83.501 Prospekte, die jeweils in unterschiedlichen Berliner Bezirken ausgegeben wurden. Für die Ausübung der Aufträge benutzte die Beigeladene zu 4) einen ihr gehörigen Transporter und Karren. Arbeitnehmer hatte die Beigeladene zu 4) nicht gemeldet. Bei der Ausübung wurde sie von Familienangehörigen und Freunden unterstützt.
Sie rechnete ihre Tätigkeit unter Ausweis der Mehrwertsteuer gegenüber der Klägerin ab. Die im streitigen Zeitraum gegenüber der Klägerin abgerechneten Beträge fielen in den einzelnen Monaten und Jahren sehr unterschiedlich aus und umfassten Beträge von 234,60 EUR im Juli 2005 und 9.103,97 EUR im März 2003. Nach den vorliegenden Unterlagen rechnete die Beigeladene zu 4) im Durchschnitt im Jahr 2002 ca 3.700 EUR pro Monat ab, im Jahr 2003 ca. 5.400 EUR und in den Jahren 2004 und 2005 ca. 2.960 EUR bzw. 1.640 EUR. Durchgehend im gesamten streitigen Zeitraum erfolgten Rechnungskorrekturen und -kürzungen aufgrund "negativer Kontrollen", "schlechter Verteilung" oder nicht abgegebenen Kontrollberichten. Von den Kunden der Klägerin vorgenommene Preisreduzierungen wurden von der Klägerin an die Beigeladene zu 4) weitergegeben.
Im März 2004 wandte sich die Klägerin an die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden BfA), mit der Anfrage, ob für die Beigeladene zu 4) aktuell eine Überprüfung des Status erfolgt sei. Dem Schreiben war ein Antrag der Beigeladenen zu 4) auf Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status ihrer Beschäftigung bei der Klägerin beigefügt. Ausweislich des Antrags war die Beigeladene zu 4) für mehrere Auftraggeber tätig, erzielte jedoch mindestens fünf Sechstel ihres Einkommens von der Klägerin. Regelmäßige Anwesenheits- oder Arbeitszeiten hatte sie nicht einzuhalten. Hinsichtlich Ort und Zeit der Verteilung wurden ihr Weisungen erteilt. Ihr Einsatzgebiet konnte nicht ohne ihre Zustimmung verändert werden. Über Arbeitsbeginn, -ausführung und -ende entschied sie selbst. Mit Schreiben vom 17.07.2004 teilte die Beigeladene zu 4) der BfA weiter mit, sie habe zur Zeit zwei Auftraggeber und verteile alles, was kostenlos in die Briefkästen komme. Sie führe diese Arbeit überwiegend persönlich aus. Im weiteren Verlauf des Verwaltungsverfahrens wies die Beigeladene zu 4) darauf hin, dass sie ein Gewerbe angemeldet habe und eigene Zusteller auf geringfügiger Basis beschäftigt habe. Nachweise hierfür brachte sie nicht bei.
Mit Bescheid vom 19.11.2004 stellte die BfA gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 4) fest, dass die Beigeladene zu 4) ihre Tätigkeit bei der Klägerin im Rahmen eines abhängigen und damit sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin begründete diese mit einem Schreiben des Lohnsteuerhilfevereins für Arbeitnehmer e.V. vom 19.05.2005. Danach erziele die Beigeladene zu 4) Einkünfte aus selbständiger, gewerblicher Tätigkeit von verschiedenen Auftraggebern, weshalb der Lohnsteuerhilfeverein nicht für sie tätig werden dürfe. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.03.2006 wies die Beklagte, die seit 01.10.2005 Rechtsnachfolgerin der BfA ist, den Widerspruch zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung gab sie an, dass die eigene Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg eingesetzt werde, da eine Vergütung nach Abnahme der Arbeit erfolge. Die Bezahlung lediglich nach dem Erfolg der Arbeit sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein zwingender Grund für den Ausschluss der persönlichen Abhängigkeit des Beschäftigten. Die Chance, länger oder mehr zu arbeiten, um ein höheres Entgelt zu erzielen, sei nicht die spezielle Chance eines Unternehmers. Das Unternehmerrisiko sei von diesem Einkommensrisiko zu unterscheiden, das auch Stücklohn-, Akkord- und Heimarbeiter trügen. Die Beigeladene zu 4) sei zwar nicht verpflichtet, die Tätigkeit persönlich zu erbringen. Allein die formale Berechtigung, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, schließe jedoch das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung nicht aus, wenn die persönliche Leistungserbringung die Regel sei. Nachweise dafür, dass die Beigeladene zu 4) zur Ausführung der Aufträge eigene Mitarbeiter eingesetzt habe, seien nicht erbracht worden. Es sei somit davon auszugehen, dass die Beigeladene zu 4) persönlich für die Klägerin tätig geworden sei. Diese setze ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig. In ihrer Tätigkeit oblägen der Beigeladenen zu 4) untergeordnete Arbeiten. Bei diesen Tätigkeiten sei eine Eingliederung eher anzunehmen als bei gehobenen Tätigkeiten. Art der Arbeit und Weisungsbefugnis des Auftraggebers stünden insofern in einem Wechselverhältnis zueinander, als bei einfachen Arbeiten schon organisatorische Dinge betreffende Weisungen den Beschäftigten in der Ausübung der Arbeit festlegen und damit in den Organismus des Betriebs eingegliedert erscheinen lassen. Allein die Möglichkeit, die Zahl und Orte der Einsätze selbst zu bestimmen, begründe keine selbständige Tätigkeit, zumal diese Einteilung nur in Abstimmung mit der Klägerin erfolgen könne, um eine Doppelvergabe der Einsatzorte zu vermeiden. Das Weisungsrecht der Klägerin hinsichtlich Ort sowie Art und Weise der Tätigkeit ergebe sich aus dem jeweils erteilten Auftrag. Die Beigeladene zu 4) sei in der Disposition ihrer Arbeitszeit nicht frei, denn es bestehe eine tatsächliche Verpflichtung, die ihr übertragenen Aufgaben zu einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen. Zwar habe sie die Möglichkeit, Aufträge abzulehnen, bei Annahme eines Auftrags würden ihr jedoch Vorgaben hinsichtlich Ort und Zeit gemacht. Dagegen hat die Klägerin am 04. April 2006 vor dem Sozialgericht (SG) Berlin Klage erhoben. Mit Bescheid vom 3. November 2010 ergänzte die Beklagte den Bescheid vom 19. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. März 2006 dahingehend, dass die Beigeladene zu 4) in der Zeit vom 30. Juni 2001 bis zum 25. August 2006 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt. Tatbestände, die die Versicherungspflicht ausschließen oder Versicherungsfreiheit begründen können, ergäben sich aus den vorliegenden Unterlagen nicht. Die Klägerin ist der Ansicht, die Beigeladene zu 4) sei selbständig tätig. Sie beschäftige mehrere Arbeitnehmer und sei neben der Klägerin für weitere Auftraggeber tätig. Weiterhin habe die BfA mit Bescheid vom 7. August 2000 festgestellt, dass die Beigeladene zu 4) in ihrer Tätigkeit der Verteilung von Werbematerial von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 19.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.03.2006 und des Bescheides vom 03.11.2010 aufzuheben und festzustellen, dass die Beigeladene zu 4) in ihrer Tätigkeit der Verteilung von Werbemitteln für die Klägerin in der Zeit vom 30.06.2001 bis zum 25.08.2006 nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung verweist sie auf den Inhalt des angefochtenen Bescheids. Der Bescheid der BfA vom 7. August 2000 betreffe den Zeitraum vor dem 28. Juni 2001. Die Beigeladene zu 4) hat keinen Antrag gestellt. Das Gericht hat die Beigeladene zu 4) in der mündlichen Verhandlung am 14. Juli 2011 zu den organisatorischen Abläufen ihrer Tätigkeit für die Klägerin befragt. Hinsichtlich der von ihr gemachten Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ferner Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und auch – soweit wesentlich – Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) und auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19.11.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2006 und des Änderungsbescheides vom 03.11.2010 ist rechtswidrig. Die Beigeladene zu 4) unterlag im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin nicht der Sozialversicherungspflicht.
Zwar hat die Beklagte mit dem Änderungsbescheid vom 03.11.2010, der gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden ist, zutreffend nicht nur über das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses entschieden, sondern über die Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (vgl. zum Gegenstand des Anfrageverfahrens und zur Unzulässigkeit einer Elementenfeststellung BSG, Urteil vom 11.03.2009 – B 12 R 11/07 R; Urteil vom 04.06.2009 – B 12 R 6/08 R). Die Beklagte ist jedoch in dem von der Beigeladenen zu 4) und der Klägerin eingeleiteten Anfrageverfahren gemäß § 7a SGB IV auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls (vgl. § 7a Abs. 2 SGB IV) rechtsfehlerhaft zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beigeladene zu 4) in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin stand und dies Versicherungspflicht in der der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung begründete.
Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 V; § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB XI; § 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI; § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (stellvertretend BSG, Urteil vom 28.05.2008, B 12 KR 13/07 R) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (BSG, a.a.O.). Ausgangspunkt der Prüfung ist nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 24.01.2007, B 12 KR 31/06 R; Urteil vom 28.05.2008, a.a.O.) zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt und sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht aber der formellen Vereinbarung regelmäßig vor. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von den Vereinbarungen abweichen (BSG, Urteil vom 24.01.2007, a.a.O., RdNr. 17, m.w.N.). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung danach so, wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so, wie sie rechtlich zulässig ist. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Kammer im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtwürdigung zu der Auffassung gelangt, dass vorliegend die gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechenden Umstände überwiegen. Der zwischen der Klägerin und der Beigeladenen zu 4) vereinbarte Vertrag vom 27.06.2005 ist nach seinen Regelungen als Werkvertrag zu qualifizieren. Hinsichtlich des vor Abschluss des Vertrages liegenden Zeitraums ist aus den tatsächlichen Verhältnissen auf das zu Grunde liegende Vertragsverhältnis zu schließen. Gegen ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht insofern zunächst, dass ein solches von den Vertragsparteien offensichtlich nicht gewollt war. Dies ergibt sich daraus, dass die Beigeladene zu 4) ein eigenes Gewerbe angemeldet hatte und in diesem Rahmen der Klägerin Rechnungen unter Ausweis der Mehrwertsteuer stellte. Sie erhielt auch weder Urlaub, noch Entgeltfortzahlung oder Sozialleistungen von der Klägerin. Weiterhin kürzte die Klägerin die Rechnungen der Beigeladenen zu 4) regelmäßig aufgrund von geltend gemachten Mängeln der Auftragsdurchführung. Die Vergütung erfolgte nicht nach Stunden, sondern nach der Zahl der verteilten Prospekte, wobei die Vergütung je nach Auftraggeber der Klägerin ganz unterschiedlich ausfiel und z.T. von der Beigeladenen zu 4) nachverhandelt wurde. Der damit offenkundige Wille der Vertragsparteien, kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis begründen zu wollen, dem bei der Abwägungsentscheidung indizielle Bedeutung zukommt (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, a.a.O., RdNr. 16), wurde auch in den tatsächlichen Verhältnissen umgesetzt. Zunächst war die Beigeladene zu 4) frei zu entscheiden, ob sie einen bestimmten Auftrag annimmt oder ablehnt. Zwar spricht die vertragliche Regelung in § 1 Abs. 3 für eine vertragliche Verpflichtung zur Annahme von Aufträgen. Die Beigeladene zu 4) hat in der mündlichen Verhandlung jedoch glaubhaft versichert, dass sie im streitigen Zeitraum öfter Aufträge abgelehnt habe – dies entweder aus Zeitmangel, wegen Urlaubsplanung oder weil die von der Klägerin angebotene Vergütung der Beigeladenen zu 4) nicht angemessen erschien. Umgekehrt war die Klägerin auch nicht verpflichtet, der Beigeladenen zu 4) Aufträge zu erteilen. Das aus der fehlenden "Auftragsgarantie" folgende Risiko, zeitweise die eigene Arbeitskraft nicht verwerten zu können, begründet ein nennenswertes unternehmerisches Risiko (a.A. BSG, Urteil vom 04.06.1998, B 12 KR 5/97 R). Es ist für eine selbständige Tätigkeit geradezu charakteristisch, dass sich ein selbständiger Unternehmer – im Gegensatz zu einem abhängig Beschäftigten – selbst um die Verwertung seiner Arbeitskraft kümmern muss, dass ihm m.a.W. also gerade keine Aufgaben vom Arbeitgeber zugewiesen werden. Dieser Unterschied wird in der Regelung des § 12 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (TzBfG) zur Abrufarbeit deutlich: Danach können Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf). Die Vereinbarung muss aber eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen; andernfalls gilt eine wöchentliche Arbeitszeit von 10 Stunden als vereinbart. Diese Regelung nimmt dem abhängig (Teilzeit)Beschäftigten gerade das für eine selbständige Tätigkeit kennzeichnende Risiko der Nichtverwertbarkeit der eigenen Arbeitsleistung ab. Dafür spricht auch, dass abhängig Beschäftigte nicht nur eine Pflicht zur Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung innehaben, sondern auch einen Anspruch auf Beschäftigung. Im Gegensatz zu einem Auftraggeber vermag ein Arbeitgeber sich seiner Vergütungspflicht auch nicht mit dem Argument zu entziehen, er habe momentan keinen Bedarf an der Arbeitsleistung des Beschäftigten. Auch nach der Übernahme der Aufträge war die Beigeladene zu 4) nicht derart in die betriebliche Organisation der Klägerin eingebunden, wie es für eine abhängige Beschäftigung typisch ist. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass es sich bei der Verteilung von Werbemitteln ebenso wie beim Austragen von Zeitungen um eine einfache Tätigkeit handelt, die von vornherein nur wenige Gestaltungsmöglichkeiten zulässt und bei der gewisse "Eckpunkte" der Tätigkeit vorgegeben sind, wie etwa der zeitliche Rahmen und das Verteilgebiet. Doch spricht dies nicht schon zwingend gegen Selbstständigkeit, sofern der Auftragnehmer einen nennenswerten eigenen Gestaltungsspielraum inne hat (vgl. BSG, Urteil vom 28.05.2008, a.a.O.). Dass die Beigeladene zu 4) über einen solchen Gestaltungsspielraum verfügte, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Zahl der während der Verteiltage verteilten Prospekte teilweise so groß war, dass zur Überzeugung der Kammer feststeht, dass die Beigeladene zu 4) Hilfskräfte einschalten musste (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 16.07.1997, 5 AZR 312/96). Dass die Beigeladene zu 4) nicht verpflichtet war, die Aufträge höchstpersönlich zu erbringen, wird auch aus der vorliegenden schriftlichen Kommunikation zwischen ihr und der Klägerin deutlich, wenn die Klägerin die Beigeladene im Schreiben vom 01.07.2003 darauf hinweist, sie könne sich nicht vorstellen, dass die Beigeladene zu 4) "mit zwei Verteilern ein Gebiet von ca. 6.000 Ex. bewältigen" könne. Dies wird durch das weitere Schreiben der Klägerin an die Beigeladene zu 4) vom 08.07.2003 bestätigt, in dem die Klägerin die Beigeladene zu 4) ersucht, ihre Verteiler auf die Wichtigkeit einer ordnungsgemäßen Verteilung hinzuweisen. Dabei kann dahin stehen, ob die Beigeladene zu 4) tatsächlich ausschließlich von Freunden und Familienangehörigen unterstützt wurde oder weitere Personen beschäftigte; jedenfalls rechnete sie im streitgegenständlichen Zeitraum häufiger Zustellaufträge ab, die sie aufgrund von deren Umfang in der vorgegebenen Zeit nicht allein ausführen konnte. Dementsprechend musste die Beigeladene zu 4) die Verteilung der Werbemittel durch andere organisieren, ein typischerweise allein bei selbständiger Tätigkeit anfallender zeitlicher Aufwand. Es stand ihr auch frei zu entscheiden, welche Personen und wie viele sie für die Erledigung der einzelnen Aufträge einsetzte. Damit unterlag die Beigeladene zu 4) selbst auch keiner örtlichen oder zeitlichen Weisungsgebundenheit. Dies spricht entscheidend gegen eine persönliche Abhängigkeit. Weiterhin nutzte die Beigeladene zu 4) zur Ausführung der Aufträge ihre eigenen Betriebsmittel, namentlich ein eigenes Transportfahrzeug und eigene Karren, sie trat also auch nach außen als selbständige Unternehmerin auf. Auch die Tätigkeit für weitere Auftraggeber im streitgegenständlichen Zeitraum spricht für eine selbständige Tätigkeit der Beigeladenen zu 4). Nach alledem bleiben die für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Umstände, namentlich der geringe Kapitaleinsatz der Beigeladenen zu 4), der einfache Charakter der Tätigkeit sowie die vorgegebenen Parameter der Tätigkeit, namentlich Verteilgebiet, Zeitraum und Zahl der zu verteilenden Prospekte, hinter den dargelegten, für eine selbständige Beschäftigung sprechenden Umständen zurück, so dass die Beigeladene zu 4) nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.
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